TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 W226 2189164-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W226 2189159-1/10E

W226 2189161-1/6E

W226 2189164-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX ,

2.) XXXX , geb. XXXX und 3.) XXXX , geb. XXXX StA.: Weißrussland, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2018, 1.) Zl. 1139171301-161740827, 2.) Zl. 1139171105-161740860, 3.) Zl. 1139170500-161740932, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Absatz 9 FPG, § 46 FPG, § 55 Absatz 1 bis 3 FPG, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die BF sind Staatsangehörige von Weißrussland, gehören der weißrussischen Volksgruppe und dem christlichen Glauben an.

Am 28.12.2016 stellten die BF die nunmehr gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Im Zuge der am 29.12.2016 erfolgten Erstbefragung schilderte der BF1, dass sich seine Mutter und die Schwester nach wie vor in Weißrussland aufhalten würden. Der Reisepass sei in Weißrussland geblieben.

Auf die Frage, ob er bereits in einem anderen Land der EU um Asyl angesucht habe, schilderte der BF1, dass er in Finnland, Schweden und Dänemark bereits um Asyl angesucht habe. Dies wurde auch durch EURODAC-Treffer bestätigt.

Der BF1 schilderte, dass er sich in Finnland ca. sieben Monate und in Schweden und Dänemark jeweils ca. 1,5 Jahre aufgehalten habe. Der Grund zum Verlassen von Weißrussland liege darin, dass er "an einer Demonstration gegen den Präsidenten teilgenommen" habe. Er habe Flugzettel verteilt, viele seien bei dieser Demonstration verhaftet worden, er aber habe sich verstecken können. Er sei dann mit seiner Frau, der BF2, nach Finnland ausgereist, nach der Rückkehr von Finnland sei er von der Polizei öfters verhaftet und dabei auch geschlagen worden. Auch die Familie sei schikaniert worden. Als dann die Tochter geboren wurde, seien sie bedroht worden, dass sie das Kind wegnehmen würden.

Die BF2 schilderte im Zuge ihrer Erstbefragung vom selben Tag, dass ihr Reisedokument von der Polizei in Weißrussland abgenommen worden sei. Auch die BF2 schilderte, bereits in Schweden und Dänemark einen negativen Asylbescheid bekommen zu haben, sie seien in Finnland, in Schweden und in Dänemark für jeweils näher beschriebene Zeiträume aufhältig gewesen.

Der Fluchtgrund wurde von der BF2 dahingehend geschildert, dass der BF1 im Jahr 2009 mehrmals Treffen von Gegnern des weißrussischen Präsidenten besucht habe. Der BF1 sei deshalb mehrmals von der Polizei abgeholt und auch zusammengeschlagen worden. Sie hätten sich dann scheiden lassen, damit nicht auch BF2 Probleme mit der Polizei bekomme. Als sie dann mehrmals ins Ausland gereist seien, seien ihnen die Pässe von der Polizei abgenommen worden. Der BF2 sei gesagt worden, dass man ihr das Kind wegnehmen würde, wenn sie weiter Probleme machen würden.

Die belangte Behörde führte Dublin-Konsultationen, wobei die schwedische Migrationsbehörde mitteilte, dass der BF1 Asyl in Schweden im Jahr XXXX beantragt habe, dieser Antrag sei zurückgewiesen worden, die Familie sei am XXXX nach Weißrussland überstellt worden.

Die finnische Migrationsbehörde schildert im Wesentlichen gleichlautend einen Aufenthalt als Asylwerber, der BF1 habe sein Asylbegehren zurückgezogen und sei freiwillig nach Weißrussland, unterstützt von IOM, im Jahr XXXX zurückgekehrt. Die dänische Migrationsbehörde schilderte einen Aufenthalt von Dezember XXXX bis April XXXX , im XXXX sei der BF1 auf dem Luftweg nach Weißrussland abgeschoben worden.

Am 19.01.2018 erfolgte nunmehr die ausführliche Einvernahme von BF1 zu seinen Fluchtgründen. Im Wesentlichen schilderte der BF1, dass seine "Verfolgung" im Jahr 2009 begonnen habe, nachdem er gekündigt worden sei. Er sei einige Male von zu Hause abgeholt und aufs Revier mitgenommen worden und sei ihm vorgeworfen worden, dass er die Opposition unterstütze. Er sei aber nicht Parteimitglied gewesen, aber er habe die Opposition, sowie die Mehrheit der Bevölkerung in Weißrussland unterstützt. Der BF1 habe verbotene Flugblätter verteilt, er sei bei einigen friedlichen Demonstrationen dabei gewesen. Auf die Frage, wann diese Teilnahme gewesen sei und wann er die Flugblätter verteilt habe, schilderte der BF1, dass dies im Jahr 2009 gewesen sei. Die letzte Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei im Jahr 2010 gewesen. In der Zwischenzeit seien sie in den drei genannten Ländern der EU als Asylwerber gewesen. Zuerst seien sie nach Finnland ausgereist, da seien sie freiwillig wieder zurückgekehrt, weil ihnen gesagt worden sei, dass sich die Probleme gelegt hätten. Bekannte hätten ihnen das gesagt, dass nach den letzten Demonstrationen 2010 und den Wahlen keiner mehr verfolgt werde. Aber nach der Rückkehr hätten die Probleme mit neuer Intensität begonnen. Der BF1 sei geschlagen und aufs Revier mitgenommen worden, die Beamten hätten sich sehr grob zu BF2 und zur Mutter des BF1 verhalten. Er sei geschlagen worden und aufgefordert worden, Menschen zu nennen, welche gegen den Präsidenten sind, das habe er aber nicht gemacht. Dann sei er noch zwei bis drei Tage aufs Revier mitgenommen worden. Dann seien sie noch in Schweden und Dänemark gewesen, die genauen Daten wisse er gar nicht mehr, nach der negativen Entscheidung im Asylverfahren in Schweden seien sie nach Weißrussland zurückgekehrt, in Schweden hätten sie sich eineinhalb Jahre aufgehalten. In Schweden habe es eine negative Entscheidung gegeben, weil glaublich sie nicht genügend Beweise dort gehabt hätten. Nach der Rückkehr sei er wieder geschlagen worden, es sei gedroht worden, dass man ihnen die inzwischen geborene BF3 wegnehmen würde.

Auf die Frage, ob er nach dem Jahr 2010 noch an irgendwelchen Aktivitäten teilgenommen habe bzw. ob er irgendwelche Aktivitäten gesetzt habe, schilderte der BF wie folgt: "Nach der Rückkehr aus Finnland. Ich habe versucht, Flugblätter zu verteilen, wo die Wahrheit über den Präsidenten und die Wahlen stand."

Auf die Frage, wo er die Flugblätter hergehabt habe, schilderte der BF1 wie folgt: "Einmal bin ich selbst gefahren, um sie abzuholen nach XXXX . Das liegt in Russland, nahe der Grenze. Sie wurden in der Druckerei gedruckt. Dann traf ich mich mit einem Mann in der Stadt. Dann haben wir die Flugblätter ins Fahrzeug geladen und sind nach Hause gefahren."

Diesen genannten Mann, glaublich namens " XXXX ", habe er nur einmal gesehen. Ein Bekannter habe ihn begleitet, dessen Familienname wisse er jetzt nicht mehr. Er wisse auch nicht, wie die Druckerei heiße, wo sie die Flugblätter abgeholt hätten, auf die Frage, wie oft sie nach XXXX gefahren seien, schilderte der BF1 wie folgt: "Einmal" (AS 89).

Der BF1 schilderte, dass in weiterer Folge auch ein sozialer Dienst gekommen sei, um zu sehen, wie die Familie von BF1 lebe. Dieser soziale Dienst habe nach einem Vorwand gesucht, um ihnen BF3 wegzunehmen. Den Vorwand hätten sie nicht gefunden und seien sie dann wieder weggefahren. Dies sei nach der Rückkehr aus Dänemark im Jahr 2016 gewesen. Bei einer Rückkehr befürchte er, dass sie BF3 wegnehmen würden und dann er selbst ins Gefängnis komme.

Zu integrativen Aspekten befragt schilderte BF1, dass sie staatliche Unterstützung bekommen würden, BF3 sei schon für eine Schule angemeldet worden. Sie würden noch schlecht Deutsch sprechen, aber sie würden sich bemühen, Deutsch zu lernen. Auf die Frage, ob er in Österreich bereits Probleme mit der Polizei gehabt habe, schilderte BF1, dass er in XXXX in einem Geschäft ohne zu bezahlen eine Speicherkarte und eine Schutzfolie für sein Handy mitgenommen habe. Der BF1 schilderte weiters, dass er an Hepatitis C leide, er nehme Medikamente diesbezüglich, Hepatitis habe er seit dem Jahr XXXX . Diese Krankheit werde in Weißrussland gar nicht behandelt.

Die belangte Behörde veranlasste laut Aktenlage in weiterer Folge eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend die medizinische Versorgung (Medikamente) für Medikamente in Weißrussland. Aus einer Anfragebeantwortung von MedCOI gehe hervor, dass näher beschriebene Behandlungsmethoden, aber auch Substitutionsprogramme in einem privaten Spital in Minsk verfügbar seien, auch näher beschriebene Hepatitis-C-Medikamente seien erhältlich. Die Schlussfolgerung sei, dass es in Belarus nur ungenügend Behandlungsmöglichkeiten für Suchtprobleme gebe, jedoch genügend Behandlungsmöglichkeiten für Hepatitis C. Der Anfragebeantwortung von IOM sei zu entnehmen, dass die Behandlung von Hepatitis C in Belarus in lokalen Infektionskliniken möglich sei. Wenn der Patient weißrussischer Bürger ist, könne er diese Behandlung kostenfrei erhalten. Bei näher beschriebener Konstellation könne die Behandlung kostenlos sein, teilweise kostenlos oder kostenpflichtig, abhängig von der individuellen Situation.

Im Verfahren der BF2 ergaben Dublin-Konsultationen im Wesentlichen die gleichen Auskünfte wie im Verfahren des BF1 betreffend die Asylverfahren in den drei genannten Staaten der Europäischen Union.

Im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde schilderte die BF2, dass sie sich im Jahre XXXX habe scheiden lassen, damit sie in Ruhe gelassen werde. Einen Nachweis darüber habe sie aber nicht vorzulegen. Geheiratet hätten sie im Jahr XXXX und schilderte die BF2, dass nach der Rückkehr aus Dänemark die Drohung entstanden sei, dass ihnen BF3 weggenommen würde. Die Probleme hätten aber im Jahr 2009 und 2010 begonnen, deshalb seien sie nach Finnland geflüchtet. Sie selbst sei auch an einem näher genannten Zeitpunkt im Jahr 2010 bei einer Demonstration gewesen, danach seien sie nach Finnland geflüchtet. Die Polizei oder der KGB sei deshalb zu ihnen nach Hause gekommen, BF1 sei sogar im Krankenhaus gewesen.

Sie selbst sei nur geschubst und grob behandelt worden. Die Rückkehr aus Finnland sei erfolgt, weil sie gehört hätten, dass sich die Lage beruhigt habe. Es sei danach eine Ladung zur Polizei gekommen und sie seien gefragt worden, wo sie sich aufgehalten hätten. Erst als sie gedroht hätten, ihnen BF3 wegzunehmen, hätten sie sich dann entschieden wegzugehen. Der soziale Dienst sei zur Mutter von BF1 gekommen, sie seien dort gemeldet gewesen. Sie selbst sei nicht dort aufhältig gewesen, eine Bekannte von BF1, die beim sozialen Dienst arbeite, habe die Mutter von BF1 gewarnt, dass der soziale Dienst kommen werde. Für den Fall der Rückkehr befürchte sie, dass man ihnen BF3 wegnehmen werde, weil sie im Ausland geboren sei. BF3 habe sich schon in Österreich eingewöhnt und spreche schon Deutsch.

Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des BFA vom 09.02.2018 wurde jeweils unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 28.12.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Weißrussland abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Weißrussland gemäß § 46 FPG zulässig ist gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Die Identität der BF wurde dabei festgestellt. Die belangte Behörde verwies darauf, dass die BF gesund und BF1 und BF2 im arbeitsfähigen Alter seien, sie seien in der Lage, den Lebensunterhalt in Weißrussland zu bestreiten. In Österreich würden die BF über keine Verwandten oder Familienangehörige verfügen. Die BF würden an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Erkrankungen leiden.

Nach ausführlichen Feststellungen zum Herkunftsstaat, insbesonders auch zur Behandelbarkeit von Hepatitis, führte die belangte Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung aus, dass das Vorbringen betreffend die Probleme von BF1 und BF2 nicht glaubhaft sei. Glauben werde nur dahingehend geschenkt, dass BF1 und BF2 an friedlichen Demonstrationen teilgenommen hätten. Dass dabei jedoch auch verbotene Flugblätter verteilt worden seien, erscheine der Behörde nicht glaubhaft. BF1 habe den Namen des Mannes nicht nennen können, mit dem er die Flugblätter aus Russland abgeholt haben will, insbesonders sei nicht glaubhaft, dass BF1 von dem Mann, der ihn angeblich zu der Übergabe begleitet habe, nur den Vornamen nennen können. Dies sei umso unverständlicher, da BF1 angegeben habe, dass dieser Mann ein Bekannter von ihm gewesen sei und dass er mit diesem ein Jahr in einer Möbelfabrik zusammengearbeitet habe. Die belangte Behörde führte auch aus, dass der BF1 freiwillig aus Finnland nach Weißrussland zurückgekehrt sei. Auch die Angaben von BF2 seien widersprüchlich gewesen, da diese berichtet habe, dass sie von ihrer Mutter erfahren habe, dass sich die Lage beruhigt habe, während BF1 behauptet habe, dass sie diese Information von einem namentlich Bekannten erhalten hätten. Das BFA verwies zudem darauf, dass die Asylverfahren auch in Schweden und Dänemark negativ beschieden worden seien.

Zur Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass die BF illegal nach Österreich eingereist seien, sich erst relativ kurze Zeit in Österreich aufhalten würden. BF1 habe einen versuchten Diebstahl begangen, die Familie habe niemals über einen Aufenthaltstitel verfügt, der nicht auf das Asylgesetz gestützt sei. Die BF hätten den Großteil ihres Lebens in Weißrussland verbracht, seien dort aufgewachsen und hätten dort die Sozialisation erfahren.

Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen das Vorbringen vor der Behörde wiederholt wurde. BF1 habe verbotene Flugblätter verteilt, beide erwachsenen BF hätten an verbotenen Demonstrationen teilgenommen. Darüber hinaus wird die Beweiswürdigung der belangten Behörde kritisiert und ausdrücklich die Abhaltung einer Beschwerdeverhandlung beantragt.

Am 09.10.2018 wurden die BF durch das erkennende Gericht nochmals zu den angeblich fluchtauslösenden Ereignissen, den bisherigen Verfahren in der Europäischen Union sowie zu ihrer Integration im Bundesgebiet befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung am 09.10.2018 erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der BF, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA, die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die vorgelegten Dokumente bzw. Unterlagen, die Beschwerde vom 08.03.2018, durch Einsicht in Auszüge aus ZMR, GVS, IZR und Strafregister und schließlich durch Berücksichtigung aktueller Länderinformationen zum Herkunftsstaat.

1. Feststellungen:

Feststellungen zum BF:

Die BF sind Staatsangehörige von Weißrussland. Sie sind Angehörige der weißrussischen Volksgruppe. Ihre Identität steht nach Vorlage unbedenklicher Dokumente fest.

Nicht festgestellt werden kann, dass den BF in Weißrussland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Weißrussland in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die BF an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche eine Rückkehr nach Weißrussland iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Vielmehr sind die BF gesund.

Die BF haben geringe Deutschkenntnisse. Den Unterhalt bestreiten sie seit der illegale Einreise aus Mitteln der Grundversorgung.

Im Herkunftsstaat verfügen die BF über familiären Anschluss. Dort konnten sie bis zur Ausreise das wirtschaftliche Auslangen finden. Im Falle der Rückkehr steht es den BF frei, den Unterhalt durch eigene Tätigkeit von BF1 und BF2 zu erwirtschaften.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des BF:

A.) Aktuelles Länderinformationsblatt der Staatendokumentation:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Politische Lage

Die Republik Belarus hat bei einer Landesfläche von 207.600 Quadratkilometern eine Bevölkerung von 9,5 Millionen (Stand 1.7.2014). Staatsoberhaupt ist seit 20.7.1994 Präsident Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko, der diktatorisch herrscht. Er wurde zuletzt am 11.10.2015 für weitere 5 Jahre gewählt. Regierungschef ist Andrej Kobjakow. Das weißrussische Parlament (Nationalversammlung) umfasst 110 Abgeordnete in der Repräsentantenkammer und 64 Deputierte im Rat der Republik. Die Mitglieder der Repräsentantenkammer wurden zuletzt am 11.9.2016 gewählt (AA 3.2017a).

Ihre staatliche Unabhängigkeit erhielt die Republik Belarus im Dezember 1991 mit der Auflösung der Sowjetunion. Im Sommer 1994 fanden erstmals Präsidentschaftswahlen statt, aus denen Alexander Lukaschenko mit über 80% der Stimmen als Sieger hervorging (AA 3.2017b). Seit Anfang der 1990er Jahre und besonders nach 1996 hat Belarus ein parteiloses politisches System gefördert (FH 29.3.2017). Eine Regierungspartei im eigentlichen Sinn gibt es in Weißrussland nicht. Mehr als 95% der Abgeordneten des belarussischen Parlaments sind parteilos. Im November 2007 wurde die pro-Lukaschenko-Sammelbewegung "Belaja Rus" gegründet, die sich nach ihrem Statut in eine Partei umwandeln könnte, was jedoch bisher nicht geschehen ist (AA 3.2017a). Politischen Parteien und nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) wird keine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung zuerkannt (FH 29.3.2017).

Im November 1996 ließ Präsident Lukaschenko ein Referendum zur Änderung der Verfassung abhalten, das ihm erheblich erweiterte Machtbefugnisse zu Lasten der demokratischen Gewaltenteilung einräumte. Der Präsident verfügt über umfangreiche legislative Rechte und kann präsidiale Dekrete, Erlässe und Anordnungen mit bindender, de facto den Gesetzen übergeordneter Wirkung, erlassen. Die Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember 2010 entsprachen nicht den OSZE-Standards. Noch am Wahlabend folgten gewalttätige Übergriffe der Ordnungskräfte gegen Demonstranten. Es erfolgten über 700 Festnahmen und in weiterer Folge eine umfassende Repressionswelle gegen die Opposition sowie gegen unabhängige Medien und die Zivilgesellschaft. Die EU reagierte mit Sanktionen. Die Präsidentschaftswahl am 11. Oktober 2015 gewann Staatspräsident Lukaschenko erneut mit über 80% der Stimmen. Nachdem die Präsidentschaftswahl zwar mit erheblichen Mängeln, aber im Vergleich zu 2010 gewalt- und repressionsfrei und unter umfassender internationaler Beobachtung erfolgt war, wurden die von der EU verhängten Sanktionen gegen Weißrussland zunächst suspendiert und dann Ende Februar 2016 weitgehend aufgehoben. Auch die Parlamentswahlen am 11. September 2016 verliefen trotz bestehender Kritikpunkte weitgehend repressionsfrei (AA 3.2017b).

Bemerkenswert ist, dass bei den Parlamentswahlen am 11. September 2016 erstmals seit 20 Jahren nun auch oppositionelle Abgeordnete gewählt wurden. Die junge Anwältin Anna Kanopazkaja gewann einen Sitz für die liberale Vereinigte Bürgerpartei und Jelena Anisim von der Gesellschaft für Weißrussische Sprache trat als Unabhängige an, gilt jedoch ideologisch der gegen Ende der Sowjetunion gegründeten Weißrussischen Nationalen Front (BNF) nahe und setzt sich für eine Stärkung der weißrussischen Sprache ein. Die restlichen der insgesamt 110 Mandate gingen an regimetreue Kandidaten. Nach Angaben der Wahlkommission lag die Wahlbeteiligung bei knapp 75%. Beobachter werten die Wahl der beiden Oppositionellen als Zeichen für eine gewisse Kooperationsbereitschaft von Machthaber Alexander Lukaschenko mit dem Westen, der sich in diesem Zusammenhang wohl auch eine Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen erhofft, um sein Land aus der tiefen Wirtschaftskrise führen zu können. Manche Beobachter vertreten auch die Auffassung, Lukaschenko habe die beiden Oppositionellen ins Parlament einziehen lassen, um die Kritik von EU und Vereinigten Staaten zu neutralisieren, dass es in Weißrussland keine demokratischen Wahlen gäbe (ZO 12.9.2016; vgl. RFE/RL 11.9.2016 und NZZ 12.9.2016). Tatsächlich kritisierte die OSZE die Wahlen wegen mangelnder demokratischer Standards (OSZE 11.9.2016; vgl. NZZ 12.9.2016). Neben ungleichen Bedingungen für die Kandidaten und der staatlichen Dominanz der Medien bestand ein entscheidender Mangel an Transparenz, der Zweifel an den offiziellen Ergebnissen aufkommen ließ (FH 29.3.2017).

Insgesamt betrachtet hat Weißrussland seit Anfang der 1990er Jahre keine Wahl abgehalten, die als frei und demokratisch bewertet wurde (RFE/RL 11.9.2016).

Obwohl die politische Opposition unter ungünstigen Bedingungen operiert und regelmäßig mit administrativem Druck oder Unterdrückung konfrontiert ist, hat sich das allgemeine politische Klima in den letzten beiden Jahren insgesamt etwas verbessert. Die wirtschaftliche Situation bleibt schwierig, die außenpolitischen Beziehungen zur Europäischen Union und zu den Vereinigten Staaten haben sich zuletzt deutlich entspannt (FH 29.3.2017). Allerdings hat sich im Zuge massiver Proteste gegen einen Gesetzesvorschlag im März 2017 ("Antiparasitismus"-Steuer) gezeigt, dass die Regierung zumindest zwischenzeitlich zu ihren Praktiken der Massenverhaftungen und gefälschten Anschuldigungen zurückgekehrt ist. Die Tatsache, dass der Präsident allerdings kurz nach den Demonstrationen beschlossen hat, die Einziehung der "Antiparasitismus"-Steuer auszusetzen, lässt den Schluss zu, dass er und seine Regierung sehr wohl auf die öffentlichen Widerstand hören können, wenn dieser eine bestimmte Schwelle erreicht. Nach Ansicht des Sonderberichterstatters zeigt die weitgehend unterdrückungszentrierte offizielle Reaktion auf die Ereignisse jedoch, dass die Regierungsführung in Belarus darauf abzielt, die Konsolidierung der Macht in den Händen des Präsidenten und seiner Verwaltung zu schützen, anstatt Orte für alternative Ideen zu schaffen (UN 22.9.2017).

Trotz traditionell enger Beziehungen zwischen Russland und Weißrussland gehört Minsk inzwischen zu Moskaus schwierigsten postsowjetischen Partnern. Seit mindestens drei Jahren ändert Lukaschenko schleichend seinen prorussischen Kurs. Schlüsselmoment dafür war die Annexion der Krim, die Weißrussland bis heute nicht als russisches Territorium anerkennt. Vielmehr wird offen die territoriale Integrität der Ukraine unterstützt. Als Reaktion auf die von Minsk eingeführte Visa-Freiheit für Kurzbesuche von EU-Bürgern führte Russland nach beinahe 20 Jahren wieder Grenzkontrollen zu Weißrussland ein. Linienflüge aus Weißrussland, zuvor wie Inlandsflüge behandelt, werden in Russland nun in internationalen Terminals abgefertigt. Allmählich machen sich Lukaschenkos Behörden Positionen zu eigen, die zuvor seinen Gegnern vorbehalten und vom Staat unterdrückt waren, wie die Betonung der Rolle der weißrussischen Sprache oder den kritischen Zugang zum Erbe von Sowjetunion und Romanow-Reich (WeltN24 18.11.2017 und 11.2.2015, vgl. CoE 6.6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Belarus, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/belarus-node, Zugriff 17.10.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2017b): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/belarus-node/-/202924, Zugriff 17.10.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2017c): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/belarus-node/-/202922, Zugriff 17.10.2017

-

CoE - Council of Europe Parlamentary Assembly (6.6.2017): Bericht zu Menschenrechten sowie zu bürgerlichen und politischen Rechten in Belarus (Lage nach Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, die 2015 bzw. 2016 abgehalten wurden; Menschenrechtslage und neue Welle von Repressalien mit Stand März 2017; Außenbeziehungen, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1497354295_the-situation-in-belarus.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017, https://www.ecoi.net/local_link/338522/481524_de.html, Zugriff 18.10.2017.

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (12.9.2016): Zwei Oppositionelle gewählt,

http://www.nzz.ch/international/europa/weissrussland-zwei-oppositionelle-gewaehlt-ld.116368, Zugriff 17.10.2017

-

OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (11.9.2016): International Election Observation Mission, Republic of Belarus - Parliamentary Elections, 11.9.2016, http://www.osce.org/odihr/elections/263656?download=true, Zugriff 23.10.2017

-

RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (11.9.2016):Opposition Figures Win Seats In Belarusian Parliament, http://www.rferl.org/content/article/27980719.html, Zugriff 18.10.2017

-

UN General Assembly (22.9.2017): Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Belarus, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1508760889_n1729738.pdf, Zugriff 22.11.2017

-

WeltN24 (18.11.2017): Putins widerpenstiger Bruder, https://www.welt.de/politik/ausland/article170709919/Putins-widerspenstiger-Bruder.html, Zugriff 20.11.2017

-

WeltN24 (11.2.2015): Kämpfen, auch wenn der Gegner Putin heißt, https://www.welt.de/politik/ausland/article137355346/Kaempfen-auch-wenn-der-Gegner-Putin-heisst.html, Zugriff 20.11.2017

-

ZO - Zeit Online (12.9.2016): Oppositionelle schaffen es ins Parlament von Belarus,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-09/alexander-lukaschenko-belarus-wahl-opposition-parlament, Zugriff 18.10.2017

3. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Weißrussland ist gut (BMEIA 3.10.2017).

Quelle:

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.10.2017): Belarus. Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/belarus/, Zugriff 4.12.2017

-

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Justiz in Weißrussland ist nicht unabhängig. Die volle Exekutivgewalt und auch ein bedeutender Teil der Gesetzgebungsbefugnis liegen beim Präsidenten, der auf eigene Initiative Dekrete erlassen kann, denen eine größere Rechtskraft zukommt als der gewöhnlichen Gesetzgebung. Außerdem hat der Präsident praktisch unbegrenzte Befugnisse bei der Ernennung von Richtern und bei der Neuordnung von Gerichten (FH 29.3.2017).

Das Verfassungsgericht ist nicht unabhängig. Vor allem dann nicht, wenn es Entscheidungen zu fällen hat, die für den Präsidenten von wesentlicher Bedeutung sind. Letzterer ernennt die Verfassungsrichter, wobei er gemäß Verfassung über sechs Richter allein entscheiden kann, während die übrigen sechs Richter die Zustimmung des Oberhauses der Nationalversammlung (Rat der Republik) benötigen. Alle Richterernennungen (nicht nur für die obersten Gerichte) erfolgen grundsätzlich per Präsidialerlass (AA 21.6.2017).

Korruption, Ineffizienz und politische Einmischung in Gerichtsentscheidungen sind weit verbreitet. Gerichte verurteilen Personen aufgrund falscher und politisch motivierter Anklagen. Beobachtern zufolge diktieren hohe Regierungsvertreter und Behörden die Urteile. Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass Staatsanwälte zu viel Macht hätten und somit beispielsweise die Haft ohne Hinzuziehung eines Richters verlängern können. Auch ist zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ein Machtgefälle gegeben. Verteidiger können Ermittlungsakten nicht einsehen, bei Verhören nicht anwesend sein oder Beweise gegen Angeklagte prüfen, bis ein Staatsanwalt den Fall förmlich vor Gericht gebracht hat. Das alles gilt besonders für Fälle mit einem politischen Hintergrund. Rechtsanwälte unterstehen dem Justizministerium und müssen ihre Lizenz alle fünf Jahre erneuern lassen. Laut Gesetz gilt die Unschuldsvermutung. Der Mangel an richterlicher Unabhängigkeit, Vorverurteilung durch die staatlichen Medien und weit verbreitete Einschränkungen der Verteidigungsrechte bringen es aber mit sich, dass es tatsächlich häufig dem Angeklagten obliegt, seine Unschuld zu beweisen. Obwohl die Gesetze öffentliche Verfahren garantieren, wird die Öffentlichkeit gelegentlich ausgeschlossen. Es gibt keine Geschworenenprozesse. Richter entscheiden alleine oder in schweren Fällen im Kollegium mit zwei Laienrichtern. Die Rechte der Verteidigung werden nicht in vollem Maße respektiert. Auch das Recht des Angeklagten auf Durchführung des Prozesses in belarussischer Sprache und auf freie Wahl des Verteidigers wird immer wieder eingeschränkt. NGO-Anwälte dürfen etwa nur Mitglieder ihrer NGO vertreten. Anwälte, die politisch heikle Fälle übernehmen, erhalten regelmäßig Berufsverbote. Auch müssen Verteidiger häufig Geheimhaltungsvereinbarungen unterschreiben, die es erschweren, Informationen über das Verfahren nach außen dringen zu lassen. Überdies werden von den Gerichten Aussagen zugelassen, die durch die Androhung körperlicher Gewalt während der Verhöre zustande gekommen waren. Das Beschwerderecht gegen Gerichtsentscheidungen wird von den meisten Verurteilten genutzt; trotzdem werden Urteile in der Mehrheit der Fälle bestätigt (USDOS 3.3.2017).

Richter genießen zwar eine gewisse Autonomie, doch besteht - insbesondere wenn ein Fall wesentliche Interessen der Behörden betrifft - die Möglichkeit, direkt Einfluss auf die Richter zu nehmen und endgültige gerichtliche Entscheidungen zu revidieren. Dies gilt sowohl für strafrechtliche als auch verwaltungsrechtliche Fälle, einschließlich derjenigen, die sich auf die Unterdrückung politischer Aktivitäten im Land beziehen, sowie auf Zivilsachen, die die wirtschaftlichen Interessen der herrschenden Kreise oder staatseigener Unternehmen betreffen. Die Einflussnahme erfolgt in der Regel durch direkte Weisungen von Exekutivbeamten an Gerichtshöfe, die den Richtern dann die entsprechenden Anweisungen übermitteln (FH 29.3.2017).

2016 war die politische Abhängigkeit der Gerichte in Verwaltungsverfahren gegen die Organisatoren von Straßenprotesten deutlich sichtbar. Menschenrechtsorganisationen wiesen auf die Verwendung von Gerichten hin, um politische Aktivisten, Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft während des Jahres zu bestrafen. Der offensichtlichste Indikator für die Politisierung von Gerichten ist die rasche Revision der Strafverfolgungspolitik nach einer Änderung der politischen Situation. Bei der Prüfung der Mehrheit der Wahlstreitigkeiten nehmen die Gerichte auch die Seite der Behörden ein (FH 29.3.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.6.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail

-

FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/338522/481524_de.html, Zugriff 20.10.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/337124/479884_de.html, Zugriff 17.10.2017

5. Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden wie das Innenministerium, das Komitee für Staatssicherheit (KGB) und das 2012 neu aufgestellte Ermittlungskomitee, unterliegen keiner effektiven unabhängigen parlamentarischen oder sonstigen Kontrolle. Sie unterstehen unmittelbar dem Präsidenten. Die Sicherheitsorgane werden für die gezielte Einschüchterung politischer Gegner - vor allem bei nicht genehmigten Demonstrationen - instrumentalisiert. Ein im Juli 2012 in Kraft getretenes neues Gesetz gibt dem Geheimdienst KGB polizeiliche Befugnisse, die er aber de facto auch schon vorher ausübte. Durchsuchungen von Wohnungen und Büros, Festnahmen und falls erforderlich auch Anwendung von Waffengewalt liegen nunmehr ausdrücklich auch in der Befugnis des KGB. Die Justiz trägt nicht zur Mäßigung der Sicherheitsorgane bei, vielmehr wird das Rechtssystem zur staatlich geleiteten Repression und Einschüchterung aktiv genutzt. Die Streitkräfte sind grundsätzlich nicht mit polizeilichen Aufgaben betraut (AA 21.5.2017).

Die zivilen Behörden, insbesondere Präsident Lukaschenko, üben die tatsächliche Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Der Präsident hat das Recht, alle Sicherheitsorgane seinem persönlichen Kommando zu unterstellen. Die Polizei untersteht dem Innenministerium. Der KGB, die Abteilung für Finanzuntersuchungen des Staatlichen Kontrollkomitees, das Untersuchungskomitee und die präsidentiellen Sicherheitsdienste üben ebenfalls Polizeifunktionen aus. Einzelpersonen können Polizeiübergriffe zwar der Staatsanwaltschaft anzeigen, aber die Regierung geht diesen oft nicht nach bzw. bestraft die Täter nicht. Die Behörden agieren generell in einem Klima der Straflosigkeit (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

AA- Auswärtiges Amt (21.6.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/337124/479884_de.html, Zugriff 17.10.2017

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung von 1996 verbietet Folter und andere Arten unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.

Menschenrechtsaktivisten und Anwälte sowie unabhängige weißrussische Medien berichteten demgegenüber mehrfach, dass Untersuchungsbehörden durch physischen und psychischen Druck versuchen, Geständnisse zustande zu bringen. Bei Festnahmen und Vernehmungen durch die Miliz kommt es mitunter auch zu schweren körperlichen Übergriffen. Die dafür Verantwortlichen innerhalb der Sicherheitskräfte müssen kaum mit Verfolgung rechnen (AA 21.6.2017).

Inhaftierte werden von Mitarbeitern der Staatssicherheit (KGB), der Bereitschaftspolizei und anderer Sicherheitskräfte, die oft in zivil auftreten, regelmäßig geschlagen. Die Sicherheitskräfte sollen Berichten zufolge auch Personen während der Ermittlungen misshandeln. Menschenrechtsverteidiger, Oppositionsführer und Aktivisten, die aus Haftanstalten entlassen wurden, berichteten weiterhin von Misshandlung und anderen Formen körperlichen und psychischen Missbrauchs von Verdächtigen während strafrechtlicher und administrativer Ermittlungen. Angriffe auf neue Rekruten sollen in der Armee weiterhin vorkommen, mit Schlägen und anderen Formen physischer und psychischer Misshandlung. Beobachter sprechen davon, dass es im Vergleich zu den Vorjahren weniger derartige Fälle gegeben haben mag, da die Regierung die Verfolgung der Täter verstärkt hat. So berichteten beispielsweise am 12.1.2017 verschiedene Medien, dass ein Landgericht in Hrodna zwei hochrangige Polizeibeamte in geschlossenen Anhörungen zu vier Jahren bzw. sechs Jahren Gefängnis verurteilt hat, weil sie "Verbrechen im Zusammenhang mit Gewalt, Folter oder Missbrauch von Verdächtigen begangen haben". Die Behörden hätten den beiden nach ihrer Haftentlassung für fünf Jahre verboten, Positionen in Strafverfolgungsbehörden zu bekleiden (USDOS 3.3.2017).

Auch Freedom House berichtet davon, dass die Behörden die Anwendung von Folter durch Strafverfolgungsbehörden insgesamt eingeschränkt zu haben scheinen, wenngleich als Beispiel für den zyklischen Aspekt der Repression in Weißrussland die Ereignisse im Februar und März 2017 gezeigt haben, dass immer noch auf Folter zurückgegriffen wird. So wird berichtet, dass eine Reihe von Personen, die an den Demonstrationen gegen das Präsidialdekret Nr. 3 teilgenommen haben, während ihrer Festnahme und Inhaftierung willkürlich misshandelt wurden. Auch ist in einigen Fällen die Rede von Elektroschocks, Wasserentzug, Verweigerung der medizinischen Versorgung und ähnlichen Maßnahmen. In den Berichten wird insbesondere auf die Haftanstalten des Staatssicherheitsausschusses in Minsk hingewiesen. Besonders bedenklich scheint die Situation auch in der Haftanstalt der Bezirke Homiel und Tsentralny zu sein; dort wurde den Häftlingen mehrere Tage lang Heizung und fließendes Wasser zum Duschen vorenthalten. Wegen des Ausmaßes der erniedrigenden Behandlung und der hohen Zahl angeblicher Folterfälle hat ein Menschenrechtsverteidiger, eine öffentliche Beschwerde an den Generalstaatsanwalt gerichtet: Dieser hat sich jedoch geweigert, eine entsprechende Untersuchung durchzuführen. Dies verdeutlicht nach Ansicht des Sonderberichterstatters die mangelnde Bereitschaft der staatlichen Behörden, systemische Fragen anzuerkennen (UN 22.9.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.5.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Belarus, per E-Mail

-

UN - United General Assembly (22.9.2017): Situation of human rights in Belarus; Note by the Secretary-General; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Belarus, https://ecoi3.ecoi.net/en/file/local/1416268/1226_1508760889_n1729738.pdf, Zugriff 4.12.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Belarus, https://www.ecoi.net/local_link/337124/479884_de.html, Zugriff 17.10.2017

7. Korruption

Korruption stellt auf allen Regierungsebenen ein Problem dar, kommt aber im Rahmen der alltäglichen Interaktion zwischen Bürgern und kleinen Staatsbeamten in der Regel nicht vor. Das Nichtvorhandensein eines unabhängigen Justizsystems und einer unabhängigen Strafverfolgung sowie das Fehlen von Gewaltenteilung und einer unabhängigen Presse machen es aber praktisch unmöglich, das tatsächliche Ausmaß der Korruption abzuschätzen oder effektiv zu bekämpfen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist für die Organisation und Koordinierung der Aktivitäten zur Bekämpfung der Korruption einschließlich der Überwachung der Strafverfolgungsmaßnahmen, der Analyse der Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen sowie der Ausarbeitung weiterer Rechtsvorschriften zuständig. Sie berichtete, dass Gerichte von Januar bis Mai 2016 451 Korruptionsfälle im Vergleich zu 533 Fällen im gleichen Zeitraum im Jahr 2015 behandelt haben. Die korruptesten Sektoren waren hierbei die staatliche Verwaltung und Beschaffung, der Industriesektor, die Bauindustrie, das Gesundheitswesen und die Bildung. Im Juli 2015 unterzeichnete der Präsident ein Gesetz zur Antikorruptionsgesetzgebung, das am 24. Januar 2016 in Kraft trat und die bestehenden Korruptionsbekämpfungsvorschriften verstärken sollte. Nach dem geänderten Gesetz sind Personen, die wegen Korruption auf geringerem Niveau entlassen werden, mit einem fünfjährigen Beschäftigungsverbot im öffentlichen Dienst konfrontiert, während sie bei schwerwiegenderen Missbräuchen auf unbestimmte Zeit von staatlichen Stellen ausgeschlossen sind. Das Gesetz erlaubt auch die Beschlagnahme von über 25% des jährlichen Einkommens von Beamten, die sich korrupter Praktiken schuldig gemacht haben. Antikorruptionsgesetze verlangen weiters Einkommen- und Vermögenserklärungen von ernannten und gewählten Beamten, ihren Ehepartnern und Mitgliedern von Haushalten, die das gesetzliche Alter erreicht haben und weiterhin mit ihnen im selben Haushalt leben. Dem Gesetz zufolge überwachen und korrigieren Spezialkorruptionsabteilungen innerhalb des Generalstaatsanwaltsbüros, des KGB und des Innenministeriums Antikorruptionspraktiken, und der Generalstaatsanwalt und alle Staatsanwälte sind beauftragt, die Durchsetzung des Antikorruptionsgesetzes zu überwachen. Eine Ausnahme gilt für Kandidaten, die in Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen tätig sind. Es gibt administrative Sanktionen und Disziplinarstrafen bei Nichteinhaltung (USDOS 3.3.2017).

Darüber hinaus haben korrupte Beamte keine Pensionsansprüche. Auch wird ein Institut für öffentliche Kontrolle mit Mechanismen für Bürgerbeteiligung eingerichtet (FH 29.3.2017).

Unternehmen im öffentlichen Beschaffungswesen werden zugunsten von staatseigenen Unternehmen diskriminiert und informelle Zahlungen oder die Abgabe von Geschenken zur Sicherung von Regierungsverträgen sind übliche Praktiken. Während Kleinkriminalität relativ begrenzt ist, bleibt Korruption auf hoher Ebene ungestraft. Die Antikorruptionsbestimmungen sind vage und erfordern eine Verbesserung. Darüber hinaus werden die Korruptionsbekämpfungsgesetze schlecht durchgesetzt (GAN 6.2017).

Die überwiegende Mehrheit der Informationen über Korruption stammt aus offiziellen Quellen, und die Tätigkeit der NGOs in diesem Bereich ist aufgrund ihres fehlenden Zugangs zu Informationen begrenzt. Investigativer Journalismus mit Schwerpunkt auf Korruption ist selten. Präsident Lukaschenko nutzt den Kampf gegen die Korruption, um die Popularität und Legitimität der Regierung zu erhöhen. Offizielle Antikorruptionsprozesse und ihre Berichterstattung in den Medien sind zu einem Standard des politischen Lebens geworden. Um die Kohärenz im Kampf gegen Korruption zu demonstrieren, kündigten die Behörden im Jahr 2016 Strafverfolgungen kleiner und auch hochrangiger Beamten und sogar eines dem Präsidenten nahestehenden Geschäftsmanns an. Dieser wurde der Steuerhinterziehung angeklagt, dann aber unter der Bedingung der Begleichung seiner Steuerschulden wieder auf freien Fuß gesetzt (FH 29.3.2017).

Im Laufe des Jahres gab es zahlreiche weitere Korruptionsermittlungen, aber die Strafverfolgung blieb selektiv, undurchsichtig, und erschien, laut unabhängigen Beobachtern und Menschenrechtsverteidigern, in einigen Fällen politisch motiviert. Am 1. März verurteilten die Behörden Vyachaslau Pakholchyk, einen ehemaligen Chef der örtlichen Exekutivbehörden in der Stadt Uzda, zu sieben Jahren Gefängnis. Sein Vermögen wurde eingezogen wegen der Annahme eines Bestechungsgeldes in Höhe von etwa 31.500 Rubel (15.000 US-Dollar). Pakholchyk wurde auch verboten, für fünf Jahre in Verwaltungspositionen zu dienen (USDOS 3.3.2017).

Im September 2016 veröffentlichte die Gruppe der Staaten des Europarates gegen Korruption (GRECO) eine Zusammenfassung ihres Berichts über Weißrussland. Hierbei wird festgestellt, dass Weißrussland nur eine der 20 anhängigen Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung umgesetzt hat, während bei anderen kein Fortschritt registriert wurde. Der einzige Bereich, in dem Fortschritte erzielt wurden, betrifft die Einführung einer Verwaltungshaftung juristischer Personen für Geldwäschedelikte. Eine evidenzbasierte umfassende Strategie und ein Aktionsplan sowie unabhängige Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung fehlen noch immer. Es wurden keine Initiativen ergriffen, um die Unabhängigkeit des Generalstaatsanwalts oder der Justiz zu stärken (CoE 8.9.2017).

Es ist üblich, korrupte Personen zu begnadigen, den finanziellen Schaden aber durch Bußgelder in zumindest doppelter Höhe des veruntreuten Betrags zu kompensieren. Dies schafft Möglichkeiten für den Missbrauch von Begnadigungen und erhöht das Potenzial für eine de facto Kommerzialisierung von Antikorruptionsmaßnahmen (FH 29.3.2017).

Weißrussland liegt im 2016 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit einer Bewertung von 40 von 100 (0=sehr korrupt, 100=nicht korrupt) auf Platz 79 (von 176) und hat sich in den vergangenen drei Jahren um 44 Plätze im Ranking verbessert. Damit liegt das Land gleichauf mit Brasilien, China und Indien und vor z.B. Russland, das Platz 131 einnimmt (TI 2016, vgl. TI 2013).

Quellen:

-

COE (8.9.2017): 72nd GRECO Plenary Meeting: Summary Report, Group of States against Corruption, https://rm.coe.int/16806cb6f0, Zugriff 23.10.2017

-

FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017, https://www.ecoi.net/local_link/338522/481524_de.html, Zugriff 18.10.2017.

-

GAN - Business Anti Corruption Portal (6.2017) Belarus Corruption Report,

http://www.business-anti-corruption.com/country-profiles/belarus, Zugriff 23.10.2017

-

TI - Transparency International (2013): Corruption Perceptions Index, https://www.transparency.org/cpi2013/results, Zugriff 23.10.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten