TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/30 W250 2210151-1

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Veröffentlicht am 30.11.2018
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Entscheidungsdatum

30.11.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2

Spruch

W250 2210151-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.10.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein ukrainischer Staatsangehöriger, ist im Besitz eines von der Tschechischen Republik am 10.01.2014 ausgestellten und bis 10.01.2024 gültigen Konventionsreisepasses nach Österreich eingereist und hat am 28.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet gestellt. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 30.07.2018 gemäß § 4a Asylgesetz 2005 - AsylG zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass sich der BF in die Tschechische Republik zurückzubegeben habe. Es wurde seine Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Tschechische Republik zulässig ist. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 30.08.2018 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde dem BF am 05.09.2018 zu eigenen Handen zugestellt.

2. Am 08.10.2018 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Über diesen wurde bisher nicht entschieden.

3. Der BF wurde am XXXX in die Tschechische Republik abgeschoben. Er reiste neuerlich nach Österreich ein und wurde am XXXX wiederum in die Tschechische Republik abgeschoben.

4. Am 25.10.2018 stellte der BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er wurde gemäß § 40 Abs. 1 Z. 3 BFA-VG festgenommen und dem Bundesamt zur Einvernahme vorgeführt.

5. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt am 26.10.2018 gab der BF im Wesentlichen an, dass er bereits am XXXX nach Österreich zurückgekehrt sei. Die Tschechische Polizei habe ihn nicht übernommen, weshalb er wieder nach Österreich gekommen sei. Er wolle einen neuen Asylantrag stellen, da sein Leben in Tschechien in Gefahr sei. In Österreich habe er auf der Straße geschlafen, Geld habe er nicht. Er sei geschieden und habe eine erwachsene Tochter in der Ukraine, über Familienangehörige in Österreich verfüge er nicht. Auch in Tschechien habe er keine Familie und erhalte dort weder Sozialunterstützung noch habe er dort eine Arbeit. In Österreich arbeite er nicht. In Tschechien habe er unter Herzproblemen gelitten, die sich in Österreich verbessert haben. Die vom Amtsarzt verschriebenen Medikamente nehme er nicht ein, da seine Krankheit der Psyche zuzuschreiben sei. In die Tschechische Republik werde er nicht ausreisen und werde umgehend zurückkommen. Er verstehe nicht, weshalb er in Schubhaft angehalten werden solle, da er in zigtausend E-Mails bewiesen habe, dass die tschechische Regierung ausländerfeindlich sei.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.10.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde ausgeführt, dass gegen den BF eine Anordnung zur Außerlandesbringung bestehe und er nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung, insbesondere an das FPG zu halten. Er sei in Österreich nicht gemeldet und verfüge nicht über ausreichend Barmittel um seinen Aufenthalt oder seine Ausreise zu finanzieren. In seiner Einvernahme habe er der Behörde mitgeteilt, dass er umgehend nach seiner Abschiebung wieder nach Österreich zurückkommen werde. Es bestehe erhöhte Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ergebe, dass das private Interesse des BF an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Ein gelinderes Mittel könne nicht zur Anwendung kommen, da die Leistung einer finanziellen Sicherheit auf Grund der finanziellen Situation des BF nicht in Betracht komme. Mit der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und der periodischen Meldeverpflichtung könne nicht das Auslangen gefunden werden, da der BF in Österreich nicht gemeldet sei und über keine finanziellen Mittel verfüge. Er habe der Behörde auch mitgeteilt, dass er unmittelbar nach seiner Abschiebung wieder nach Österreich zurückkehren werde.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 26.10.2018 zugestellt.

7. Mit Schreiben vom 08.11.2018 übermittelte das Bundesamt auf Grund des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Tschechischen Republik über die Übergabe und Übernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt ein Übernahmeersuchen an die Tschechische Republik.

8. Am 26.11.2018 erhob der unvertretene BF Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 26.10.2018. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass er nicht in die Tschechische Republik zurückkehren sondern in Österreich bleiben wolle. Kostenersatz wurde vom BF nicht beantragt.

9. Das Bundesamt legte am 26.11.2018 den Verwaltungsakt vor. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben, Kostenersatz wurde nicht beantragt.

10. Eine für den XXXX geplante Abschiebung des BF konnte auf Grund der Ablehnung seiner Rückübernahme durch die tschechische Behörde nicht erfolgen. Die überwachte Ausreise des BF nach Tschechien ist nunmehr für den 03.12.2018 geplant.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.10. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1. Der BF ist ein volljähriger ukrainischer Staatsangehöriger, seine Identität steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Für den BF wurde am 10.01.2014 ein bis 10.01.2024 gültiger tschechischer Konventionsreisepass ausgestellt. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2. Dem BF wurden auf Grund von Herzbeschwerden Medikamente verschrieben, die er jedoch nicht einnimmt. Er ist haftfähig.

Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 28.06.2018 gemäß § 4a AsylG zurückgewiesen und gegen den BF eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.08.2018 abgewiesen.

2. Der BF hat seinen Asylfolgeantrag am 08.10.2018 zu einem Zeitpunkt gestellt, in dem die mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2018 erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme rechtskräftig und durchsetzbar war.

3. Der BF stellte am 08.10.2018 einen Asylfolgeantrag, dem kein faktischer Abschiebeschutz zukommt.

4. Der BF wurde am XXXX in die Tschechische Republik abgeschoben. Er reiste während der aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet ein und wurde amXXXX wiederum in die Tschechische Republik abgeschoben. Der BF reiste neuerlich während der aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung am XXXXin das Bundesgebiet ein.

5. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet amXXXX tauchte der BF unter.

6. Der BF weigert sich in die Tschechische Republik auszureisen und kündigte an, nach seiner Abschiebung abermals nach Österreich einzureisen.

Familiäre und soziale Komponente

1. In Österreich leben keine Angehörigen des BF.

2. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz in Österreich.

3. Der BF geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.

Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

1. Das Bundesamt leitete am 08.11.2018 ein Verfahren auf Grund des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Tschechischen Republik über die Übergabe und Übernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt ein.

2. Der BF wird seit 26.10.2018 in Schubhaft angehalten.

3. Die Abschiebung des BF in die Tschechische Republik war für den XXXX vorgesehen, konnte jedoch auf Grund der Ablehnung seiner Übernahme durch die Tschechischen Behörden nicht durchgeführt werden. Das Bundesamt beabsichtigt die überwachte Ausreise des BF am 03.12.2018.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2203759-1, die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2018 betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbedenklichen und unstrittigen Inhalt des Verfahrensaktes des Bundesamtes, des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes und des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. 2203759-1.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Identität des BF steht insofern fest, als für ihn entsprechend den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister am 10.01.2014 ein bis 10.01.2024 gültiger tschechischer Konventionsreisepass ausgestellt wurde. Es steht daher fest, dass der BF ein volljähriger ukrainischer Staatsangehöriger ist. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ergibt sich, dass der BF unbescholten ist.

2.2. Dass der BF unter Herzbeschwerden leidet, ergibt sich aus seinen Angaben in den niederschriftlichen Einvernahmen vom 25.07.2018 und 26.10.2018. So gab er am 25.07.2018 an, dass er an Herzrhythmusstörungen leide, am 26.10.2018 gab er an, an Herzproblemen zu leiden. In beiden Einvernahmen sagte er aus, dass er die ihm verschriebenen Medikamente nicht einnehme. Am 25.07.2018 gab er zusätzlich an, dass er sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der BF vom Amtsarzt für haftfähig befunden wurde.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Die Feststellungen zur Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 28.06.2018 ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Z. 2203759-1, die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2018 betreffend.

3.2. Zu den Feststellungen, dass der BF seinen Asylfolgeantrag vom 08.10.2018 zu einem Zeitpunkt gestellt hat, in dem die mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2018 erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme rechtskräftig und durchsetzbar war sowie dazu, dass diesem Folgenantrag kein faktischer Abschiebeschutz zukam, wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

3.3. Dass der BF am XXXX und am XXXX in die Tschechische Republik abgeschoben wurde steht auf Grund der diesbezüglichen Abschiebeberichte im Verwaltungsakt fest. Dass der BF danach jeweils wieder nach Österreich eingereist ist gestand der BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 26.10.2018 zu.

3.4. Die Feststellung, wonach der BF nach seiner Einreise am XXXX untergetaucht ist, beruht auf der Aussage des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 26.10.2018. Dabei gab er an, dass er auf der Straße genächtigt habe.

3.5. Dass sich der BF weigert in die Tschechische Republik auszureisen und ankündigte, nach seiner Abschiebung abermals nach Österreich zurückzukehren, ergibt sich aus seinen diesbezüglich ausdrücklich gemachten Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vom 26.10.2018. Auch in seiner Beschwerde vom 26.11.2018 gab der BF an, nicht nach Tschechien ausreisen zu wollen.

4. Zur familiären und sozialen Komponente

4.1. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich beruhen auf den Aussagen des BF in seiner Einvernahme vom 26.10.2018. Dabei gab er auf ausdrückliche Befragung an, über keine Familienangehörige oder einen gesicherten Wohnsitz in Österreich zu verfügen, keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen und kein Vermögen zu besitzen.

5. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

5.1. Dass das Bundesamt mit Schreiben vom 08.11.2018 die tschechischen Behörden um Übernahme des BF ersucht hat, ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden schriftlichen Ersuchen.

5.2. Dass der BF seit 26.10.2018 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich übereinstimmend aus dem Verwaltungsakt und der Anhaltedatei.

5.3. Dass der BF am XXXX in die Tschechische Republik abgeschoben werden sollte ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.11.2018. Dass die Tschechischen Behörden die Übernahme des BF abgelehnt haben und nunmehr seine überwachte Ausreise für den 03.12.2018 vorgesehen ist, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 30.11.2018.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF ist insofern zu rechnen, als eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und der BF bereits zwei Mal in die Tschechische Republik abgeschoben werden konnte.

Das Gericht geht von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2018 wurde gegen den BF eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Gemäß § 61 Abs. 2 FPG bleibt eine Anordnung zur Außerlandesbringung 18 Monate ab Ausreise des Fremden aufrecht. Der BF wurde erstmalig am XXXX nach Tschechien abgeschoben. Er kehrte trotz der aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung nach Österreich zurück und wurde am XXXX neuerlich nach Tschechien abgeschoben. Noch am selben Tag kehrte der BF nach Österreich zurück. Dadurch hat er den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 4 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen ob einem Fremden auf Grund eines Asylfolgeantrages kein faktischer Abschiebeschutz zukommt. Gemäß § 12a Abs. 1 AsylG kommt einem Fremden ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn er einen Folgeantrag nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4a AsylG gestellt hat und gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG erlassen wurde, kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK weiterhin zulässig ist. Da der BF den Folgeantrag nach einer abweisenden Entscheidung gemäß § 4a AsylG gestellt hat und gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG erlassen worden ist, im Sinne des § 19 Abs. 2 BFA-VG nicht festgestellt wurde, dass es sich bei der Tschechischen Republik nicht um einen sicheren Herkunftsstaat handelt und die Abschiebung des BF - nach Prüfung durch das Bundesamt - unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK weiterhin zulässig ist, kommt dem BF auf Grund des Asylfolgeantrages vom 08.10.2018 kein faktischer Abschiebeschutz zu. Es ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 4 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 5 auch zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand. Dieser Tatbestand ist erfüllt, da zum Zeitpunkt der Stellung des Asylfolgenantrages am 08.10.2018 die mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.07.2018 erlassene Anordnung zur Außerlandesbringung rechtskräftig und damit gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG durchsetzbar war.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Mangels derartiger Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet liegen keine Umstände vor, die die Annahme rechtfertigen, im Fall des BF liege keine Fluchtgefahr vor.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF kehrte trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung zwei Mal nach Österreich zurück und tauchte unter. Er kündigte auch an, nicht nach Tschechien ausreisen zu wollen und im Falle seiner Abschiebung unverzüglich wieder nach Österreich zurückzukehren. Anhaltspunkte für eine Verankerung des BF im Inland liegen nicht vor.

Das Bundesamt ist daher zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von Fluchtgefahr ausgegangen.

3.1.5. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf, er ist bereits zwei Mal trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung nach Österreich zurückgekehrt und untergetaucht. Der BF verfügt in Österreich über keine Angehörigen und er ist in Österreich weder sozial noch beruflich verankert. Über eigene Mittel zu Existenzsicherung verfügt er ebensowenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und er vor Anordnung der Schubhaft angekündigt hat, nach seiner Abschiebung unverzüglich wieder nach Österreich zurückzukehren.

Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen. Es steht zwar fest, dass der BF an Herzbeschwerden leidet, doch befand er sich vor Anordnung der Schubhaft nicht in ärztlicher Behandlung und verweigerte auch die Einnahme der ärztlich verordneten Medikamente. Es liegt daher insgesamt keine gesundheitliche Beeinträchtigung vor, die Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft begründen könnte.

Die angeordnete Schubhaft erfüllt daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.6. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er bereits zwei Mal trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung nach Österreich eingereist und danach untergetaucht ist - kann ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. Unter Berücksichtigung dieses Verhaltens und der Ankündigung des BF, nicht nach Tschechien ausreisen zu wollen und im Fall der Abschiebung wieder nach Österreich zurückzukehren, ist nicht zu erwarten, dass ein gelinderes Mittel für die Sicherung der Abschiebung ausreichend ist. Die Anordnung eines gelinderen Mittels wurde daher zu Recht ausgeschlossen.

3.1.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und "ermächtigt" das Bundesverwaltungsgericht, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage "in der Sache" zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).

3.2.2. Im Verfahren haben sich keine Umstände ergeben, die gegen die rechtliche und faktische Durchführbarkeit einer Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer sprechen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Schubhaft besteht aus Sicht des erkennenden Gerichtes kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 2, 4, 5 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliegt sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung der Abschiebung des BF - somit ein erheblicher Sicherungsbedarf - besteht.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Dies insbesondere auch deshalb, da die überwachte Ausreise des BF für den 03.12.2018 geplant ist und daher unmittelbar bevorsteht. Damit liegt die geforderte "Ultima-ratio-Situation" für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.

3.2.3. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.5. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Mittellosigkeit, Schubhaft,
Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W250.2210151.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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