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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des E E in E, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2018, W241 2147965-1/19E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 20. Juli 2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er zu seiner Reiseroute an, dass er über den Iran und die Türkei nach Bulgarien gereist sei. Dort habe er erstmals das Gebiet der Europäischen Union betreten. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Bulgarien sei er nach Serbien weitergefahren, wo er sich fünfzehn Tage aufgehalten habe. In weiterer Folge sei er nach einem viertägigen Aufenthalt in Ungarn in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Weder in Bulgarien noch in Ungarn habe er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er sei auch in keinem der beiden zuletzt genannten Mitgliedstaaten erkennungsdienstlich behandelt worden. Ein Visum oder einen Aufenthaltstitel habe er in keinem Land erhalten.
2 Eine durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 20. Juli 2016 durchgeführte Eurodac-Abfrage ergab keinen "Treffer".
3 Das BFA richtete am 13. August 2016 ein auf Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 18 Dublin III-Verordnung gestütztes Aufnahmegesuch an die zuständige bulgarische Behörde.
4 Das Aufnahmegesuch blieb seitens der bulgarischen Behörde unbeantwortet. Infolgedessen teilte das BFA der bulgarischen Behörde mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 mit, dass die in Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung genannten Verpflichtungen mangels fristgerechter Beantwortung des Aufnahmegesuchs auf Bulgarien übergegangen seien. Als für den Beginn der Überstellungsfrist maßgeblichen Tag nannte das BFA den 15. Oktober 2016.
5 Mit Verfahrensanordnung vom 10. November 2016 teilte das BFA dem Mitbeteiligten gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, weil eine Zuständigkeit Bulgariens angenommen werde.
6 Bei seiner Einvernahme durch das BFA am 22. November 2016 gab der Mitbeteiligte an, dass er nie in Bulgarien gewesen sei. Österreich sei für ihn "das erste europäische Land".
7 Mit Bescheid vom 6. Februar 2017 wies das BFA den Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung Bulgarien zuständig sei, erließ eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Bulgarien zulässig sei.
8 Der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers gab das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 27. März 2017 gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG statt und behob den Bescheid des BFA vom 6. Februar 2017. Das Gericht sprach aus, dass das Verfahren über den Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz zugelassen werde. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig. Begründend führte das Gericht zusammengefasst aus, der Umstand, dass der Revisionswerber in Bulgarien keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, stehe der Annahme einer auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung gegründeten Zuständigkeit Bulgariens entgegen.
9 Dieses Erkenntnis vom 27. März 2017 wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. April 2018, Ra 2017/19/0169, aufgehoben. Er führte zusammengefasst aus, dass der Umstand, dass der Mitbeteiligte in Bulgarien keinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, der Annahme einer auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung gegründeten Zuständigkeit Bulgariens nicht entgegenstehe.
10 Im fortgesetzten Verfahren wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Aufgrund unterschiedlicher Aussagen des Revisionswerbers zur Reiseroute orientiere sich das Gericht an den Aussagen bei der Erstbefragung.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Es seien weitere Ermittlungen zur Reiseroute nötig, um diese feststellen zu können; dies sei nur im Rahmen einer mündlichen Verhandlung möglich.
15 Im vorliegenden Fall gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass das Bundesverwaltungsgericht am Maßstab der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072) sein Ermessen in unvertretbarer Weise in Richtung der Abstandnahme von einer Verhandlung geübt hätte. Entgegen der Ansicht der Revision liegt kein Ermittlungsmangel im Sinne der oben genannten Rechtsprechung vor, wenn das Bundesverwaltungsgericht aufgrund unterschiedlicher Aussagen des Revisionswerbers zur Reiseroute, die neueren Aussagen - vertretbar - als unglaubwürdig verwirft und jene Reiseroute feststellt, die der Revisionswerber bei der Erstbefragung angegeben hatte.
16 Wenn die Revision vorbringt, es sei notorisch, dass mit März 2016 die "Balkanroute" geschlossen worden wäre, seit September 2015 ein Grenzzaun zwischen Ungarn und Serbien fertig gestellt wurde, wodurch ein "Durchkommen" sehr unwahrscheinlich gewesen sei und sich somit die Fluchtroute unter Umgehung Ungarns auf Kroatien und Slowenien verlagert hätte, übersieht sie, dass der Revisionswerber auch noch im Beschwerdeverfahren in seiner Stellungnahme vom 22. Juni 2018 an das Bundesverwaltungsgericht (abweichend von seinen Angaben in der Erstbefragung) angegeben hatte, über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich eingereist zu sein.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 12. Dezember 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190480.L00Im RIS seit
22.01.2019Zuletzt aktualisiert am
23.01.2019