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L66207 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege TirolNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Dipl. Ing. O F in A, vertreten durch Dr. Peter Sellemond, Dr. Walter Platzgummer und Mag. Robert Sellemond, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Speckbacherstraße 25, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 27. August 2018, Zl. LVwG- 2018/37/1355-3, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Güter- und Seilwege-Landesgesetz (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: Bringungsgemeinschaft B, vertreten durch den Obmann B W in A), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Mitglied der mitbeteiligten Bringungsgemeinschaft, welche am 3. März 2018 ihre Vollversammlung abhielt. Im Rahmen dieser Vollversammlung, bei der 15 von 19 Mitgliedern anwesend waren, erfolgte die Neuwahl des Ausschusses. Dabei wurde ein nichtanwesendes Mitglied zum Ausschussmitglied gewählt. Die vom Ausschuss durchzuführende Wahl des Obmanns und seines Stellvertreters wurde vertagt und unter Leitung der Agrarbehörde anlässlich einer Ausschusssitzung am 6. April 2018 durchgeführt.
2 Der Revisionswerber brachte einen Einspruch gegen die Wahl der Ausschussmitglieder ein, weil ein abwesendes Mitglied gewählt und daher dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 des Tiroler Güter- und Seilwege-Landesgesetzes (GSLG), wonach die Ausschussmitglieder "aus der Mitte" der Vollversammlung zu wählen seien, nicht entsprochen worden sei. Entgegen den gesetzlichen Vorgaben des § 16 Abs. 4 GSLG sei die Wahl des Obmanns bzw. des Obmann-Stellvertreters zudem nicht unmittelbar nach der Wahl der Ausschussmitglieder vorgenommen worden.
3 Die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde gab diesem Einspruch mit Bescheid vom 7. Mai 2018 keine Folge. Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht).
4 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Die ordentliche Revision wurde als zulässig erklärt.
5 Das Verwaltungsgericht gelangte mit näherer Begründung zur Auffassung, dass die Wortfolge "aus ihrer Mitte" in § 16 Abs. 3 dritter Satz GSLG dahingehend zu interpretieren sei, dass lediglich die Wahl von Mitgliedern der Bringungsgemeinschaft in den Ausschuss rechtlich zulässig sei. Es sei nicht erforderlich, dass das gewählte Mitglied bei der Vollversammlung anwesend sei. Die Wahl von Obmann und Obmann-Stellvertreter falle nicht in die Zuständigkeit der Vollversammlung. Deren Wahl in einer eigens einberufenen Sitzung und nicht unmittelbar nach der Wahl des Ausschusses verstoße zwar gegen eine (bloße) Ordnungsvorschrift, sei aber gültig.
6 Dass die Wahl von Obmann und Obmann-Stellvertreter nicht schon am 3. März 2018, sondern erst in der Sitzung vom 6. April 2018 erfolgt sei, habe auch nicht die Handlungsunfähigkeit der Bringungsgemeinschaft zur Folge gehabt. Erfolge die Wahl des Obmanns bzw. Obmann-Stellvertreters durch den Ausschuss erst zu einem nach der Vollversammlung liegenden Zeitpunkt, verlängere sich die Funktionsperiode des früheren Obmanns bzw. des früheren Obmann-Stellvertreters bis zur Neuwahl. Dementsprechend hätten diese bis zur Neuwahl am 6. April 2018 ihre Funktionen behalten.
7 Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil der Auslegung der Wortfolge "aus ihrer Mitte" in § 16 Abs. 3 GSLG eine weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Dies unterstreiche der Umstand, dass auch gemäß § 35 Abs. 4 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1996 (TFLG 1996) die Ausschussmitglieder einer Agrargemeinschaft von der Vollversammlung "aus ihrer Mitte" zu wählen seien. Zum Inhalt des § 16 Abs. 4 GSLG gäbe es noch keine Rechtsprechung, weshalb von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auszugehen und die Revision zuzulassen gewesen sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichts richtet sich die nun vorliegende ordentliche Revision.
9 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision unter Kostenersatz beantragte.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die Gründe der Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 24.9.2015, Ro 2015/07/0011, ua, mwN).
14 Zu ihrer Zulässigkeit verweist die vorliegende Revision auf die vom Verwaltungsgericht zur Begründung der Zulässigkeit aufgeworfene Rechtsfrage, nämlich auf das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verständnis der Wortfolge "aus ihrer Mitte" in § 16 Abs. 3 GSLG.
15 Überdies wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ausgeführt, es liege eine weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weil die Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach es sich bei der Vorschrift bezüglich des Zeitpunkts der Wahl des Vorstands um eine reine Ordnungsvorschrift handle, deren Nichteinhaltung sanktionslos bliebe, rechtswidrig sei. Solchen Rechtsansichten müsste entschieden entgegen gewirkt werden.
16 Die Revision erweist sich aus nachstehenden Gründen als unzulässig:
17 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (VwGH 11.12.2017, Ra 2015/11/0102; 27.8.2014, Ra 2014/05/0007, mwN; 28.5.2014, Ro 2014/07/0053).
18 § 16 Abs. 3 zweiter Satz GSLG lautet:
"Die Mitglieder des Ausschusses sind von der Vollversammlung aus ihrer Mitte für die Dauer von fünf Jahren zu wählen."
19 Gleichlautende Bestimmungen über die Wahl von Mitgliedern von Organen oder von Organen selbst (Mitglieder von Ausschüssen, Obleute, Rechnungsprüfer, Delegierte etc.) "aus der Mitte" meist einer Versammlung aller Mitglieder (Voll/Generalversammlung) oder rechtlich mit gleichen Interessen ausgestatteten Personenmehrheiten oder eines Ausschusses etc. bestehen nicht nur - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend verweist - im § 35 Abs. 4 TFLG 1996, sondern etwa auch in §§ 8, 31 und 36b Abs. 5 TFLG 1996, in § 136 der Tiroler Gemeindeordnung, in § 62a des Tiroler Jagdgesetzes, in §§ 45 oder 47 des Tiroler Schischulgesetzes, in § 29 des Tiroler Straßengesetzes oder in §§ 10 und 11 des Tiroler Landesverwaltungsgerichtsgesetzes.
Einer solchen Wortfolge bedient sich auch der Bundesgesetzgeber, zum Beispiel in Art. 134 und 135 B-VG, in § 79 Abs. 1 WRG 1959, in § 79 Abs. 1, § 84 Abs. 2 und § 126 Abs. 1 des Ärztegesetzes, uvm.
20 Mit dieser Wortfolge wird zum Ausdruck gebracht, dass die zu wählenden Personen (hier: Ausschussmitglieder) Mitglieder des zur Wahl berufenen Personenkreises (hier: Vollversammlung) sein müssen. Passiv wahlberechtigt ist demnach nicht jedermann, sondern nur jemand, der aus dem zur Wahl berufenen Personenkreis stammt, also aus "seiner Mitte" kommt.
21 Dass eine persönliche Anwesenheit der gewählten Person bei der Wahl notwendig wäre, kann aus dieser Wortfolge - wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellte - aber nicht abgeleitet werden; auch abwesende Mitglieder sind wählbar (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 35 TFLG 1978, Lang, Tiroler Agrarrecht II, S. 205). Dafür spricht auch der Umstand, dass sich die Mitglieder in der Vollversammlung vertreten lassen können (vgl. § 7 Abs. 1 der geltenden Satzung). Die Satzung trifft in diesem Punkt ausdrücklich Vorkehrungen für ein Szenario, in dem ein Mitglied der Vollversammlung nicht anwesend ist, und gewährleistet seine Einflussnahme an der Willensbildung der Gemeinschaft durch einen Vertreter, ohne daran aber die Rechtsfolge des Verlusts des passiven Wahlrechts zu knüpfen.
22 Insofern erscheint das Verständnis der Wortfolge "aus ihrer Mitte" in § 16 Abs. 3 zweiter Satz GSLG klar und eindeutig; ein Klärungsbedarf durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht nicht.
23 Die erstgenannte Fragestellung nach dem Verständnis der Wortfolge "aus ihrer Mitte" zeigt nach dem Obgesagten daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
24 Die zweitgenannte Fragestellung behandelt die Nichteinhaltung der Vorschrift, wonach die Ausschussmitglieder unmittelbar nach ihrer Wahl aus ihrer Mitte den Obmann und den Obmann-Stellvertreter zu wählen haben.
25 Das Verwaltungsgericht ging zutreffend davon aus, dass es sich bei der Anordnung des Zeitpunktes der Wahl (unmittelbar nach der Wahl des Ausschusses) lediglich um eine Ordnungsvorschrift handle (so auch Schwamberger/Lang, Tiroler Agrarrecht III, S. 117).
26 Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet bei Vorschriften von Satzungen (von Agrargemeinschaften, Bringungsgemeinschaften etc .) im Zusammenhang mit dem rechtsgültigen Zustandekommen von Beschlüssen zwischen bloßen Ordnungsvorschriften und Vorschriften, deren Verletzung eine Beeinträchtigung subjektiver Rechte einzelner Mitglieder nach sich ziehen kann (vgl. VwGH 3.10.2018, Ra 2018/07/0441, zur Informationspflicht nach § 36 Abs. 4 zweiter Satz TFLG 1996; VwGH 18.9.2002, 2002/07/0073, zur Vorsitzführung in der Vollversammlung; VwGH 31.1.1995, 94/07/0148, und 31.12.1994, 94/07/0171, jeweils zur Eintragung von Beschlüssen ins Beschlussbuch; VwGH 22.9.1993, 90/06/0061, zur notwendigen Gleichzeitigkeit einer Erklärung als öffentlicher Interessentenweg bei einer Weggemeinschaft).
27 Dieser Rechtsprechung liegt die Überlegung zu Grunde, dass nur die Verletzung solcher Vorschriften der Organisation einer der behördlichen Aufsicht unterworfenen Körperschaft (wie vorliegendenfalls einer Bringungsgemeinschaft) die Aufhebung von Beschlüssen nach sich ziehen soll, wenn vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der verletzten Vorschrift eine Verletzung materieller Rechte desjenigen nicht ausgeschlossen werden kann, der die Verletzung geltend macht. Eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit ist zu verneinen, wenn entweder die verletzte Norm dem Schutz der Mitgliedschaftsrechte nicht dient oder die Rechtsposition des Mitglieds im Fall des Unterbleibens des unterlaufenen Verstoßes gegen die Satzung keine andere geworden wäre (vgl. VwGH 17.9.2009, 2009/07/0010; 21.9.1995, 95/07/0127; 19.5.1994, 94/07/0045).
28 Nichts anderes gilt für Vorschriften in Bezug auf die Organisation von Wahlen. Auch hier ist zwischen bloßen Ordnungsvorschriften und Vorschriften, die dem Schutz des Rechts des Mitglieds im Zusammenhang mit der Ausübung des aktiven bzw. passiven Wahlrechts oder von sonstigen Mitgliedschaftsrechten dienen, zu unterscheiden.
29 Es ist vorliegendenfalls nicht erkennbar, dass die Anordnung der sofortigen (dh unmittelbar nach der Wahl des Ausschusses stattzufindenden) Wahl des Obmanns und des Obmann-Stellvertreters aus der Mitte des Ausschusses dem Schutz solcher Rechte dient, zumal - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festhielt - auch im Fall einer Verzögerung der Wahl keine Handlungsunfähigkeit der mitbeteiligten Partei eintritt und somit in diesem Zusammenhang keine Rechte der Mitglieder beeinträchtigt werden. Das aktive und das passive Wahlrecht kommt (lediglich) den Ausschussmitgliedern zu; seine Gewährleistung ist vom genauen Zeitpunkt des Wahlvorgangs unabhängig. Dass der Wahlvorgang des Obmanns und seines Stellvertreters "in der Vollversammlung selbst" und somit in Anwesenheit und unter Beobachtung aller Mitglieder stattzufinden hätte, wie der Revisionswerber zu meinen scheint, ist aber weder den Satzungen noch dem GSLG zu entnehmen.
30 Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, es handle sich bei dieser Anordnung lediglich um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht als Beeinträchtigung subjektiver Rechte geltend gemacht werden kann, steht daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
31 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
32 Die Revision war daher zurückzuweisen.
33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20 14, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 13. Dezember 2018
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Organisationsrecht Körperschaften des öffentlichen Rechtes Selbstverwaltung VwRallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018070048.J00Im RIS seit
01.08.2019Zuletzt aktualisiert am
02.08.2019