TE Vwgh Beschluss 2018/12/14 Ra 2017/01/0169

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Veröffentlicht am 14.12.2018
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §4a;
BFA-VG 2014 §21 Abs6a;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §61 Abs2;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der S Y, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. April 2017, Zl. W241 2145503- 1/7E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 4. Jänner 2017 wurde der Antrag der Revisionswerberin, einer syrischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz gemäß § 4a Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zurückgewiesen, weil ihr bereits in Bulgarien der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Gleichzeitig stellte das BFA fest, dass sich die Revisionswerberin nach Bulgarien zurückzubegeben habe, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und ordnete die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 2 FPG (gemeint wohl: § 61 Abs. 1 Z 1 FPG) an.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab (Spruchpunkt A) ) und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei (Spruchpunkt B) ).

3 Begründend führte das BVwG auf das Wesentliche zusammengefasst aus, aufgrund eines EURODAC-Treffers sei vom BFA mit den bulgarischen Behörden ein Konsultationsverfahren geführt worden, im Rahmen dessen die bulgarische "Dublin-Behörde" mitgeteilt habe, dass der Revisionswerberin am 4. Juli 2016 in Bulgarien der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Im September 2016 sei sie daraufhin nach Österreich gereist, wo sie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Da der Flüchtlingsstatus der Revisionswerberin in Bulgarien feststehe, komme § 4a AsylG 2005 zur Anwendung. Hinsichtlich der von der Revisionswerberin behaupteten Eheschließung bereits in Syrien mit einem in Österreich seit dem Jahr 2014 asylberechtigten syrischen Staatsangehörigen kam das BVwG mit näherer Begründung zu dem Ergebnis, dass eine rechtsgültige Ehe nicht vorliege. Ein gemeinsamer Haushalt habe im Herkunftsstaat nicht bestanden; dieser und somit ein Familienleben nach Art. 8 EMRK seien erst in Österreich begründet worden. Die bestehende Beziehung sei somit erst zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, als den Beteiligten das zeitlich begrenzte bzw. fehlende Aufenthaltsrecht der Revisionswerberin in Österreich bewusst gewesen sein musste. Die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK führe daher mit näherer Begründung zu dem Ergebnis, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wögen als die persönlichen Interessen der Revisionswerberin. Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stelle in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Auch könne nach den herangezogenen Länderberichten zu Bulgarien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Bulgarien einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen werde. So räume etwa nach den Feststellungen das bulgarische System mit der Gewährung des Schutzstatus auch den Zugang zum Arbeitsmarkt ein und sei der Zugang zur Gesundheitsversorgung gesichert.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die vom BVwG vorgenommene Beurteilung, es liege keine rechtsgültige Ehe der Revisionswerberin mit dem genannten syrischen Staatsangehörigen vor, wendet. Es fehle entgegen näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an einer Auseinandersetzung mit dem heranzuziehenden syrischen Recht, außerdem habe das BVwG die syrische Rechtslage keiner Erörterung mit der Revisionswerberin zugeführt. Die Revisionswerberin sei als Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 des seit 2014 in Österreich asylberechtigten syrischen Staatsangehörigen anzusehen; nachdem dessen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich zugelassen worden sei, komme eine Zurückweisung des Antrages der Revisionswerberin gemäß § 4a AsylG 2005 nicht in Frage. Im Hinblick auf die Schutzgewährung der Revisionswerberin in Bulgarien könne mit Hinweis auf ein durch das deutsche Bundesverwaltungsgericht beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eingeleitetes Vorabentscheidungsverfahren weiters "die Rechtsanwendungspraxis der deutschen Behörden auch für die Beurteilung der österreichischen Behörden von Relevanz" sein. Es stelle sich die Rechtsfrage, ob Verfahren nach § 4a AsylG 2005, in denen in Bulgarien "Asyl oder subsidiärer Schutz" zuerkannt worden sei, nicht "bis zur Klärung durch den EuGH" auszusetzen seien. Die Revisionswerberin sei weiters im ersten Trimenon schwanger. Schließlich habe das BVwG gegen näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Verhandlungspflicht verstoßen.

5 Mit diesem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird für den Revisionsfall eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Vorauszuschicken ist, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. VwGH 24.1.2018, Ra 2016/01/0127, mwN, oder auch VwGH 3.5.2016, Ra 2016/18/0049).

10 Die Revision bestreitet in ihren Zulässigkeitsausführungen nicht, dass der Revisionswerberin vor der gegenständlichen Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich bereits in Bulgarien der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden ist.

11 Dagegen wird in den Zulässigkeitsgründen mit näherer Begründung argumentiert, das BVwG hätte die Frage, ob die Revisionswerberin mit ihrem in Österreich seit dem Jahr 2014 asylberechtigten "Ehemann" bereits in Syrien eine rechtsgültige Ehe eingegangen war, entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unrichtig beurteilt und die syrische Rechtslage mit der Revisionswerberin nicht erörtert; diese wäre als Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 anzusehen gewesen.

Dem ist zu entgegnen, dass das Schicksal der Revision von dieser geltend gemachten Rechtsfrage nicht abhängt: Zum Zeitpunkt des Antrages der Revisionswerberin auf internationalen Schutz in Österreich war deren Asylverfahren in Bulgarien bereits abgeschlossen und der Revisionswerberin in diesem Mitgliedsstaat Asyl gewährt worden. Infolgedessen erfolgte entsprechend der oben genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch die österreichische Asylbehörde eine Zurückweisung des Antrages gemäß § 4a AsylG 2005. Aus welchem Grund diese Bestimmung für den Fall des Vorliegens einer rechtsgültigen Ehe mit einer in Österreich asylberechtigten Person - etwa im Zusammenhang mit § 34 Abs. 1 Z 1 leg. cit. - nicht anwendbar sein sollte, legt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht dar. Im Hinblick auf die mit der Zurückweisung des Antrages verbundene Anordnung der Außerlandesbringung, welche gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Zulässigkeit einer Abschiebung in den Zielstaat zur Folge hat, war vom BVwG folglich eine Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK durchzuführen, bei der die Frage der Rechtsgültigkeit einer behaupteten Eheschließung insofern ebenfalls nicht ausschlaggebend ist, als auch eine rechtsgültig eingegangene Ehe mit einer in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Person im Ergebnis eine Abschiebung nach negativer Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nicht zwingend ausschließt (vgl. insoweit vergleichbar zur Rückkehrentscheidung nach Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz etwa VwGH 24.9.2018, Ra 2018/01/0389, bzw. zur Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin VwGH 22.2.2018, Ra 2018/18/0037). Das im Zusammenhang mit der Frage der Rechtsgültigkeit der behauptetermaßen bereits in Syrien erfolgten Eheschließung erstattete Vorbringen geht daher ins Leere.

12 Zur vorgenommenen Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK ist festzuhalten, dass sich, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. VwGH 24.4.2014, Ra 2014/01/0010; vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 18.5.2018, Ra 2018/01/0202, mwN).

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 12.3.2018, Ra 2018/01/0056, VwGH 22.2.2018, Ra 2018/18/0037, oder auch VwGH 4.8.2016, Ra 2016/18/0123, mwN).

14 Eine unvertretbare Interessenabwägung durch das BVwG tut die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen nicht dar. Insbesondere tritt sie der Feststellung des BVwG, ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK sei erst in Österreich begründet worden und die bestehende Beziehung sei somit zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, als den Beteiligten das zeitlich begrenzte bzw. fehlende Aufenthaltsrecht in Österreich bewusst gewesen sein musste, nicht entgegen. Auch kann, wie das BVwG zutreffend ausgeführt hat, ein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Anspruch aus Art. 8 EMRK bewirken (z.B. VwGH 24.1.2018, Ra 2016/01/0127).

15 Soweit die Revision weiters im Hinblick auf die Zurückweisung des Antrages der Revisionswerberin im Zusammenhang mit dem ihr in Bulgarien erteilten Status einer Asylberechtigten auf ein vom deutschen Bundesverwaltungsgericht beim EuGH eingeleitetes Vorabentscheidungsverfahren verweist und im Hinblick darauf die Frage nach einer Aussetzung des Verfahrens aufwirft, genügt es, darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes § 38 AVG einer Partei keinen Anspruch auf Aussetzung eines Verfahrens einräumt (z.B. VwGH 30.5.2018, Ra 2018/18/0050, mwN). Dass darüber hinaus vorliegend ein dem dortigen Fall vergleichbarer Sachverhalt vorliegen soll, tut die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht dar, sondern beschränkt sich auf allgemeine "Fragen" zur Lage asylberechtigter Personen in Bulgarien. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. für viele z.B. VwGH 22.3.2018, Ra 2017/01/0377, mwN). Dieser Anforderung kommt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht nach. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Vorbringen hinsichtlich persönlicher Umstände, wie die in der Revision erstmals vorgebrachte Schwangerschaft der Revisionswerberin, welche zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses nicht bekannt waren bzw. sich erst danach ereignet haben, dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) unterliegt und daher keine Beachtung finden kann (z.B. VwGH 18.1.2017, Ra 2016/18/0258).

16 Letztlich ist dem Zulässigkeitsvorbringen hinsichtlich der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung durch das BVwG entgegenzuhalten, dass die von der Revision zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes für die vorliegende Rechtssache, welcher die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 zugrundeliegt, nicht einschlägig sind. Vorliegend gelangt § 21 Abs. 6a BFA-VG zur Anwendung, wonach das BVwG ua. über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann. Dass gegenständlich besondere Umstände vorlägen, in Anbetracht derer trotz Anwendbarkeit der genannten Gesetzesbestimmung vom BVwG eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072), wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.

17 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Dezember 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017010169.L00

Im RIS seit

23.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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