TE Vwgh Erkenntnis 1999/8/30 98/17/0100

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Veröffentlicht am 30.08.1999
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E1N;
E3L E03503000;
E6J;
L64054 Fleischuntersuchung Geflügelhygiene Lebensmittelkontrolle
Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
30/01 Finanzverfassung;
59/04 EU - EWR;
82/05 Lebensmittelrecht;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

11994N EU-Beitrittsvertrag ohne spezifische Gliederung;
11994N/TTE/02 EU-Beitrittsvertrag Vertrag Art2;
11997E249 EG Art249;
31985L0073 Fleischuntersuchungs-RL Art1 idF 31993L0118;
31985L0073 Fleischuntersuchungs-RL Art2 Abs3 idF 31993L0118;
31985L0073 Fleischuntersuchungs-RL Art5 Abs3 idF 31996L0043;
31993L0118 Nov-31985L0073 Anh Kap1;
31993L0118 Nov-31985L0073 Art1 Z2;
31993L0118 Nov-31985L0073 Art1 Z3;
31996L0043 Nov-31985L0073/31990L0675/31991L0496;
61991CJ0156 Hansa Fleisch VORAB;
B-VG Art10 Abs1 Z12;
EURallg;
FleischUG 1982 §47 Abs2 idF 1994/118;
FleischUG 1982 §47 idF 1994/118;
FleischuntersuchungsgebührenG OÖ 1995 §2 Abs1;
FleischuntersuchungsgebührenG OÖ 1997 §2 Abs1;
FleischuntersuchungsgebührenV OÖ 1995 §1 Abs1;
FleischuntersuchungsgebührenV OÖ 1997 §1 Abs1;
F-VG 1948 §3;
F-VG 1948 §6;
F-VG 1948 §7 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):98/17/0103 98/17/0105 Serie (erledigt im gleichen Sinn):98/17/0325 E 27. September 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der R GesmbH & Co, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in U, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung 1. vom 26. Jänner 1998, Zl. VetR - 330222/2 - 1997 - A (zur Zahl 98/17/0100), 2. vom 26. Jänner 1998, Zl. VetR - 330228/2 - 1997 - A (zur Zahl 98/17/0101), 3. vom 26. Jänner 1998, Zl. VetR - 330230/2 - 1997 - A (zur Zahl 98/17/0102), 4. vom 26. Jänner 1998, Zl. VetR - 330234/2 - 1997 - A (zur Zahl 98/17/0103), und 5. vom 26. Jänner 1998, Zl. VetR - 330214/2 - 1997 - A (zur Zahl 98/17/0105), betreffend Fleischuntersuchungsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

2. Im Übrigen werden die Beschwerden (soweit sie sich gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides richten) als unbegründet abgewiesen.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 75.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen erstinstanzliche Abgabenbescheide des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung, mit welchen Fleischuntersuchungsgebühren für einzelne Monate zwischen Jänner und Mai 1997 vorgeschrieben wurden, als unbegründet abgewiesen.

Mit Spruchpunkt II der angefochtenen Bescheide wurden Anträge, der jeweiligen Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zurückgewiesen.

Begründend verweist die belangte Behörde in allen drei Bescheiden im Wesentlichen übereinstimmend nach Wiedergabe des § 47 Abs. 1 bis 3 Fleischuntersuchungsgesetz, BGBl. Nr. 522/1982 idF der Novelle BGBl. Nr. 118/1994, und des § 17 Abs. 1 Fleischuntersuchungsgesetz zunächst auf die mit 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Rechtsgrundlagen für die Fleischuntersuchungsgebühren in Oberösterrreich, das Oberösterreichische Fleischuntersuchungsgebührengesetz 1997 - Oö FlUGG 1997, LGBl. Nr. 79/1996, und die Oberösterreichische Fleischuntersuchungsgebühren-Verordnung 1997, LGBl. Nr. 116/1996.

Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Gebühr wird auf § 2 Abs. 1 Oö FlUGG 1997 und die sich daraus ergebende Verordnungsermächtigung für die Landesregierung und die in diesem Paragraphen vorgesehenen Determinanten für die Festsetzung der Höhe der Gebühr hingewiesen.

Sodann wird im Einzelnen dargestellt, welche Gebühr die Abgabepflichtigen gemäß § 1 Abs. 1 Oberösterreichische Fleischuntersuchungsgebühren-Verordnung 1997, LGBl. Nr. 116/1996, zu entrichten hätten.

Die Festsetzung der Höhe der Gebühren sei auf Grund der in § 2 Oberösterreichisches Fleischuntersuchungsgebührengesetz festgelegten Richtlinien und Komponenten und insbesondere unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des Abs. 1 in einem solchen Ausmaß erfolgt, "dass der dem Land und Gemeinden bei der Vollziehung des Fleischuntersuchungsgesetzes entstehende Aufwand voll ersetzt" werde. Dieses Kostendeckungsprinzip entspreche der Grundsatzbestimmung des § 47 Abs. 2 Fleischuntersuchungsgesetz, wobei festgelegt sei, dass die Höhe der Gebühren unter Bedachtnahme auf die Art der Tiere in einem solchen Ausmaß festzusetzen sei, dass der den Ländern und Gemeinden durch die Vollziehung des Gesetzes entstehende Aufwand voll ersetzt werde.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen betreffend die Umsetzung der einschlägigen EG-Richtlinien wird dargelegt, dass in der Materialienleiste der Kundmachung des Oberösterreichischen Fleischuntersuchungsgebührengesetzes auf die Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Jänner 1985 über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch, die Richtlinie 93/118/EG zur Änderung dieser Richtlinie und die Richtlinie 88/409/EWG des Rates vom 15. Juni 1988 mit Hygienevorschriften für Fleisch für den Inlandsmarkt und zur Festlegung der gemäß der Richtlinie 85/73/EWG für die Untersuchung dieses Fleisches zu erhebenden Gebühren hingewiesen worden sei. § 2 Abs. 5 Oö FlUGG sehe weiters vor, dass in der Verordnung auf die Richtlinie 85/73/EG und die beiden anderen genannten Richtlinien Bedacht zu nehmen sei.

Die Oberösterreichische

Fleischuntersuchungsgebühren-Verordnung sei auf der Grundlage des Oberösterreichischen Fleischuntersuchungsgebührengesetzes erlassen worden. Es könne daher der Standpunkt vertreten werden, dass der Hinweispflicht entsprochen worden sei, zumal die Richtlinie es dem Mitgliedstaat freistelle, ob er in der Vorschrift selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf die Richtlinie verweise.

Insbesondere sei der Anhang, Kapitel I der Richtlinie 93/118/EG bei der ziffernmäßigen Festlegung der Höhe der Gebühren in der Oberösterreichischen Fleischuntersuchungsgebühren-Verordnung berücksichtigt. Nach der zitierten Richtlinie erfolge die Festlegung der Gebühren in Form von Pauschalbeträgen in ECU/je Tier. Zusätzlich werde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, die Gebühren zur Deckung höherer Kosten anzuheben oder eine spezifische Gebühr zu erheben, die die tatsächlichen Kosten deckt (Anhang, Kapitel I Z 1 bis 4). Daraus folge, dass dem Einzelnen kein Recht zustehe, lediglich die in der Richtlinie festgesetzten Beträge zahlen zu müssen.

Die Höhe der Fleischuntersuchungsgebühren sei demzufolge in der Oberösterreichischen Fleischuntersuchungsgebühren-Verordnung LGBl. Nr. 116/1996 unter Bedachtnahme auf die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG festgelegt und widerspreche daher nicht dem Gemeinschaftsrecht.

Schließlich wird die Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Hinweis darauf begründet, dass die Oö LAO keine Rechtsgrundlage für einen solchen Antrag enthalte.

Gegen diesen Bescheid (zur Gänze) richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen die Aufhebung des jeweils angefochtenen Bescheides (zur Gänze) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt wird.

In der Beschwerde wird insbesondere geltend gemacht, dass die nach den oberösterreichischen Rechtsvorschriften einzuhebende Gebühr über der nach den einschlägigen EG-Vorschriften (Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 88/408/EWG und der Richtlinie 93/118/EG) vorgesehenen Gemeinschaftsgebühr liege. Die belangte Behörde habe die oberösterreichische Fleischuntersuchungsgebühren-Verordnung 1997 angewendet. Die einschlägige Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Jänner 1985 (in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG) sei nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden. Die Vorschreibung einer höheren Gebühr als der festgesetzten Gemeinschaftsgebühr sei nur zulässig, wenn der Bund die Bundesländer zu einer derartigen Vorschreibung ermächtige; die Erhebung einer höheren Gebühr müsse im Mitgliedstaat Republik Österreich zur Deckung höherer Kosten erforderlich sein.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die unmittelbare Anwendbarkeit der von der Beschwerdeführerin genannten Richtlinien im Hinblick auf die rechtzeitige und richtige Umsetzung der Richtlinien in innerstaatliches Recht bestritten wird. Die Richtlinie 93/118/EG räume den Mitgliedstaaten einen Spielraum bezüglich der Höhe der Gebühren ein, sodass dem Einzelnen kein Recht erwachse, tatsächlich nur die in der Richtlinie angeführten Pauschalgebühren entrichten zu müssen.

Nach Wiedergabe der Entstehungsgeschichte und Auszügen aus den Materialien der Fleischuntersuchungsgesetz-Novelle 1994 und der oberösterreichischen Rechtsvorschriften, die für den Beschwerdefall anwendbar sind, wird die Auffassung vertreten, dass nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 93/118/EG die Mitgliedstaaten einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühr erheben könnten, sofern die erhobene Gesamtgebühr die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreite und dass entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin Anhang Kapitel I Z 4 lit. b der Richtlinie 93/118/EG die Vorschreibung höherer Gebühren zur Deckung tatsächlicher Kosten decke. In diesem Zusammenhang werden einige Hinweise gegeben, aus welchen Gründen die belangte Behörde die Festsetzung höherer Gebühren für das Land Oberösterreich als gerechtfertigt ansieht (erhöhter Untersuchungsaufwand durch besondere Uneinheitlichkeit der Schlachttiere; geringe durchschnittliche Herdengröße; noch nicht ausreichend durchgeführte Vorselektion im Herkunftsland im Rahmen einer umfassenden Herdenbetreuung und Gesundheitszertifizierung; erhöhte Warte- und Ausfallszeiten für die Fleischuntersuchungsorgane, meist bedingt durch technische und innerbetriebliche Unzulänglichkeiten u.a.). Im Zusammenhang mit den zuletzt erwähnten Sonderzeiten wird ausgeführt, dass diese zwar durch Zuschläge abgegolten würden, jedoch dennoch besondere Anforderungen an die zeitliche Verfügbarkeit des Untersuchungsorganes stellten und somit eine angemessene, dem Zeitaufwand entsprechende Entlohnung darstellten. Die normale Entlohnung der tierärztlichen Leistung richte sich nach einer Empfehlung der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs und betrage rund S 800,-- + MwSt pro Stunde (das seien S 960,--).

Obwohl die Ausstattung und der technische Standard der Frischfleischbetriebe in Oberösterreich zum gegenwärtigen Zeitpunkt unterschiedlich sei, habe man einheitliche Pauschalgebühren festgelegt und für Betriebe mit besonderer technischer Ausstattung und einer bestimmten Schlachtkapazität einen 20 %igen Abschlag von den zu entrichtenden Gebühren festgelegt. Es wird sodann anhand eines Rechenbeispieles darzulegen versucht, dass die zu entrichtenden Gebühren keinesfalls überhöht seien. Es wird dargelegt, dass der einem Untersuchungsorgan bei der Untersuchung von Rindern gebührende Anteil bei der Untersuchung von Schweinen unter Berücksichtigung der zulässigen Höchstuntersuchungsanzahl pro Stunde nur geringfügig über der empfohlenen Stundenabgeltung (nämlich bei S 1.080,--) liege, während bei der Untersuchung von Rindern der dem Untersuchungsorgan gebührende Anteil je Stunde nur S 585,-- betrage. Der Mindererlös aus der Untersuchung von Rindern solle durch einen geringfügigen Mehrerlös aus der Schweineuntersuchung ausgeglichen werden, da die Fleischuntersuchungsorgane die erforderlichen Untersuchungen in der Regel an beiden Tierarten durchführten und oftmals zusätzlich mit der Untersuchung in kleinen Betrieben oder sogar mit Einzeluntersuchungen beauftragt seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf den sachlichen und persönlichen Zusammenhang die Beschwerdefälle zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und erwogen:

1. Zu Spruchpunkt I der Bescheide:

Für die Einhebung von Fleischuntersuchungsgebühren ist im Rahmen des EG-Rechts die Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Jänner 1985 über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch in der Fassung der Richtlinien 88/409/EG und 93/118/EWG sowie (nunmehr) der Richtlinie 96/43/EWG, wodurch die Richtlinie auch kodifiziert wurde, maßgeblich. Die durch die zuletzt genannte Richtlinie vorgenommenen Änderungen waren nach Art. 4 dieser Richtlinie zu unterschiedlichen Zeitpunkten umzusetzen, wobei grundsätzlich, soweit keine besondere Anordnungen getroffen wurden, der 1. Juli 1997 als Termin für die Umsetzung der Änderungen festgelegt wurde.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie wurden in dem Erkenntnis vom 21. Juni 1999, Zlen. 97/17/0501, 0502 und 0503 wiedergegeben, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.

Strittig ist in den vorliegenden Beschwerdefällen insbesondere, ob die nach den oberösterreichischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Fleischuntersuchungsgebühren in Übereinstimmung mit der einschlägigen EG-Richtlinie stehen.

Die Beschwerdefälle gleichen insoweit hinsichtlich des Sachverhalts und der maßgeblichen Rechtsfragen jenen, die dem hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1999, Zlen. 97/17/0501, 0502 und 0503, zugrunde lagen. Der sachverhaltsmäßige Unterschied, dass die Abgabenzeiträume in den vorliegenden Beschwerdefällen so gelagert sind, dass bereits die oberösterreichischen Vorschriften für das Jahr 1997 anzuwenden sind, stellt keinen entscheidenden Unterschied dar, weil auch nach diesen Vorschriften die Fleischuntersuchungsgebühr höher ist als die nach dem Anhang Kapitel I der genannten Richtlinie der EG vorgesehene Gemeinschaftsgebühr.

Die belangte Behörde hat auch in den beschwerdegegenständlichen Verfahren keine Sachverhaltsfeststellungen zur Frage getroffen, ob die Einhebung einer höheren als der in Nr. 1 des Anhanges, Kapitel I, der EG-Richtlinie 85/73/EWG in der für Jänner bis Mai 1997 maßgeblichen Fassung zulässig war. Auch in den vorliegenden Fällen ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die EG-Richtlinie nicht unmittelbar anwendbar sei.

Soweit in den Beschwerden auch geltend gemacht wird, dass die Erhebung einer höheren Gebühr als der Gemeinschaftsgebühr eine bundesgesetzliche Ermächtigung voraussetze, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem EG-Recht - worauf die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend hingewiesen hat - die Umsetzung der die Mitgliedstaaten bindenden Richtlinien der nationalen Rechtsordnung entsprechend der danach gegebenen Zuständigkeitsverteilung überlassen ist (vgl. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 41 (1986), 1ff, insbesondere 10ff, und Art. 23d Abs. 5 B-VG, Egger, Die Durchführung von EG-Recht durch die Bundesländer in Österreich, ZÖR 53 (1998), 443ff, Budischowsky, Die Umsetzung von EU-Normen in den Ländern, ÖJZ 1998, 881, Öhlinger, Bundesstaatsreform und Europäische Integration, in: Pernthaler (Hrsg), Bundesstaatsreform als Instrument der Verwaltungsreform und des europäischen Föderalismus, 1997, 43, hier: 48). Die Bezugnahme (in einer Richtlinie) auf Erfordernisse in einem Mitgliedstaat bedeutet noch nicht, dass diese Erfordernisse im gesamten Mitgliedstaat gegeben sein müssten bzw. dass in bundesstaatlich strukturierten Staaten sich eine derartige Anordnung nur an den Bund, nicht jedoch an die Teilstaaten richtete. Mangels weiterer Anhaltspunkte (wie etwa in den Erwägungsgründen oder in Materialien zu einer Richtlinie, die einen Rückschluss auf einen diesbezüglichen gesetzgeberischen Willen des Gemeinschaftsorganes zulassen) kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Bezugnahme auf die Verhältnisse in den Mitgliedstaaten bedeute, dass die relevanten Verhältnisse im gesamten Mitgliedstaat gegeben sein müssten und daher nur der Gesamtstaat die Entscheidung treffen könne, ob (wie hier) die Voraussetzungen für die Einhebung der höheren Gebühr gegeben seien. Allfällige Wahlmöglichkeiten für die Mitgliedstaaten können ferner in Bundesstaaten von den einzelnen Teilstaaten ausgeübt werden, wenn diese nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung für die Umsetzung des EG-Rechts zuständig sind. Auch aus dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 1996, BVerwG 3 C 7.95, ergibt sich nichts Gegenteiliges. In diesem Urteil wird lediglich festgehalten, dass in Deutschland vom Bundesgesetzgeber die konkurrierende Kompetenz ausgeübt worden sei und dass der Bundesgesetzgeber den Ländern auch die Bedachtnahme auf die einschlägigen Rechtsakte der Gemeinschaft überbürdet hätte. Die gleiche Rechtslage ist nach den vorstehend skizzierten Grundsätzen auch ohne diesbezügliche ausdrückliche Bezugnahme in § 47 FlUG in Österreich gegeben:

§ 47 Abs. 1 FlUG erklärt die Fleischuntersuchungsgebühren zu ausschließlichen Landes(Gemeinde)abgaben; er erfüllt damit die Funktion der Bestimmung der Besteuerungsrechte und Verteilung der Gesetzgebungskompetenz gemäß §§ 3 und 6 F-VG durch den Bundesgesetzgeber (Mayer, B-VG2, 439; insoweit sind die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle zum Fleischuntersuchungsgesetz, BGBl. Nr. 118/1993, 1136 BlgNR, 18. GP, 11, die die Kompetenz des Bundes zur Erlassung des Gesetzes ausschließlich auf Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG stützen, unvollständig). Die Vorschrift ist somit hinsichtlich ihres Abs. 1 innerstaatlich eine Kompetenzbestimmung für die Erlassung von Vorschriften betreffend Fleischuntersuchungsgebühren.

Darüber hinaus enthält § 47 Abs. 2 FlUG als Grundsatzbestimmung im Sinne des § 7 Abs. 3 F-VG auch Determinanten für die Höhe der von den Ländern festzusetzenden Gebühr. Vorschriften gemäß § 7 Abs. 3 F-VG können, müssen jedoch nicht vom Bundesgesetzgeber erlassen werden. Sie sind daher für die Umsetzung von EG-Richtlinien auch nicht erforderlich.

§ 47 FlUG wurde vor dem Beitritt Österreichs zur EG erlassen. Ungeachtet der Frage, ob Österreich auch im EWR durch die für die Gebührenerhebung einschlägige Richtlinie gebunden war, ist die Bestimmung jedenfalls seit dem Wirksamwerden des Beitritts zur EG gegebenenfalls EG-rechtskonform auszulegen.

Soweit die Regelung daher in Abs. 2 Determinanten für die Festsetzung der Höhe der Abgabe enthält, ist sie gegebenenfalls EG-rechtskonform auszulegen.

Wie sich aus den oben zitierten Materialien ergibt, hat der Gesetzgeber bei der Erlassung des § 47 Abs. 2 FlUG nicht an eine Umsetzung von EG-Vorschriften gedacht; die Erläuterungen zu § 47 FlUG beziehen sich ausschließlich auf die innerstaatliche, finanzverfassungsrechtliche Rechtslage. Sie sind überdies insofern missverständlich, als die Formulierung von der Anpassung an die finanzverfassungsrechtliche Rechtslage anzudeuten scheint, dass die frühere Rechtslage nicht oder nicht mehr mit der Finanz-Verfassung in Einklang gestanden wäre. Im Hinblick auf die hier interessierende Frage der Gebührenhöhe entsprechen die Erläuterungen insofern auch nicht der bereits vor dem EG-Beitritt bzw. dem Abschluss des EWR-Abkommens 1987 und 1989 erlassenen Richtlinie der Bundesregierung über die EG-Konformitätsprüfung (vgl. die Nachweise bei Holzinger, Gutachten für den 12. ÖJT, I/1, 119), da die generelle Feststellung der Übereinstimmung mit EG-Recht sichtlich eine sehr globale ist und in keiner Weise dargestellt wird, worauf sich diese Beurteilung im Hinblick auf die Fleischuntersuchungsgebühren stützt (in der Materialienleiste des Gesetzes wird auch die Richtlinie 85/73/EWG nicht genannt). Es ist daher zu vermuten, dass anlässlich der Ausarbeitung der Regierungsvorlage nur die für die übrigen Bestimmungen des Gesetzes relevanten (materiellen) Regelungen betreffend die Fleischuntersuchung, nicht jedoch die für die Gebührenvorschreibung relevanten Richtlinien geprüft wurden. Dieser Umstand ändert jedoch nichts am Erfordernis einer allfälligen europarechtskonformen Interpretation der Bestimmung (bzw. allenfalls am europarechtlichen Gebot, sie insoweit unbeachtet zu lassen, als sie mit Europarecht in Widerspruch stehen).

Es steht aber nichts einer innerstaatlichen Umsetzung von Europarecht dergestalt entgegen, dass der nach dem nationalen Verfassungsrecht zuständige Gesetzgeber, dem nach § 3 F-VG insofern eine Kompetenz-Kompetenz zukommt, (lediglich) die Zuständigkeit zur Erlassung der für die Umsetzung erforderlichen Normen regelt und gleichzeitig (und vor dem Erfordernis der Umsetzung, im konkreten Fall aufgrund des Beitritts zur EG mit Wirkung vom 1.1.1995) in Ausübung einer Grundsatzgesetzgebungskompetenz Vorgaben für die Höhe der Gebühr regelt, aufgrund derer die Landesgesetzgebung (unter Einhaltung des Gebots, bei der Umsetzung auf den Umstand der Umsetzung von EG-Recht hinzuweisen) die entsprechende konkrete Regelung zur Umsetzung der EG-Richtlinie vornimmt. Soferne in einem derartigen Fall die Bundesvorschrift (betreffend die Determinanten für die Höhe der Abgabe) nicht dem EG-Recht entsprechen sollte, wäre sie entsprechend anzupassen, aufgrund des Vorrangs von EG-Recht gegenüber nationalem Recht jedoch die allenfalls europarechtswidrige Ermächtigungsnorm vom Landesgesetzgeber aber insoweit, als sie mit EG-Recht in Widerspruch steht, auch vor einer Abänderung unangewendet zu lassen (insofern richtet sich in diesem Fall das Gebot, mit EG-Recht in Widerspruch stehendes nationales Recht unangewendet zu lassen, an den Ausführungsgesetzgeber). Da aber dem Verfassungsgerichtshof - wie dies im Erkenntnis vom 21. Juni 1999, Zlen. 97/17/0501, 0502 und 0503, allgemein für die Gesetzgebung dargestellt wurde - keine Kompetenz zur Prüfung von Grundsatzgesetzen auf ihre Übereinstimmung mit dem Europarecht zukommt, ist auch das Beschwerdevorbringen im Hinblick auf § 47 Abs. 2 FlUG grundsätzlich nicht geeignet, allenfalls eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 89 iVm Art. 140 Abs. 1 B-VG auszulösen.

Zu der in den Beschwerden vertretenen Auffassung, dass der Landesgesetzgeber aufgrund § 47 Abs. 2 FlUG nicht ermächtigt wäre, von der in der EG-Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit der Einhebung einer höheren Gebühr als der Gemeinschaftsgebühr Gebrauch zu machen, ist daher aus den vorstehenden Gründen festzuhalten, dass das Fehlen einer diesbezüglichen bundesgesetzlichen Ermächtigung nicht bedeutet, dass der Landesgesetzgeber die entsprechende Möglichkeit nicht ausnützen könnte. Die Bestimmung ist vielmehr im Lichte des EG-Rechts nunmehr dahingehend zu verstehen, dass der Landesgesetzgeber nur dann zur Vorschreibung einer sämtliche in § 47 Abs. 2 FlUG genannten Kostenfaktoren berücksichtigenden Gebühr ermächtigt ist, wenn dies mit EG-Recht in Einklang steht. Auch insofern werden gegebenenfalls Feststellungen im Verwaltungsverfahren zu treffen sein. Es gelten für die Beurteilung der hier dargestellten speziellen Auslegungsfrage dieselben Grundsätze, wie sie im genannten Erkenntnis vom 21. Juni 1999 dargestellt wurden.

Auch aus dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten (oben erwähnten) Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich nichts Anderes. Aus der Feststellung des Umstandes der ausdrücklichen Anordnung der Bedachtnahme auf Europarecht durch den Bundesgesetzgeber in Deutschland folgt nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten hätte, dass es einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Erhebung einer höheren Gebühr als der Gemeinschaftsgebühr durch den Bundesgesetzgeber bedurft hätte; dies ergibt sich auch aus dem Hinweis im Urteil, dass durch den erst 1993 aufgenommenen Hinweis auf die Bedachtnahme auf die einschlägigen Rechtsakte der Gemeinschaft keine "inhaltliche Erweiterung der Bestimmung erfolgt sei". Der Grund für die Aufhebung des Berufungsurteils des Schleswig-Holsteinischen VG war vielmehr das Fehlen einer Regelung der Gebührentatbestände im Landesrecht.

Es besteht daher keine Notwendigkeit, § 47 FlUG des Bundes dahingehend auszulegen, dass er aus europarechtlichen Gründen nur so zu verstehen sei, dass die Länder nicht ermächtigt wären, gegebenenfalls von den in der einschlägigen EG-Richtlinie vorgesehenen Möglichkeiten der Einhebung einer höheren Gebühr als der Gemeinschaftsgebühr Gebrauch zu machen.

Die angefochtenen Bescheide leiden daher aus denselben Gründen, wie sie in dem genannten Erkenntnis näher dargestellt wurden und auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die angefochtenen Bescheide waren daher schon aus diesem Grund hinsichtlich ihres Spruchpunktes I gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2. Soweit sich die Beschwerden auch gegen Spruchpunkt II des jeweils angefochtenen Bescheides richten, enthalten sie keine Ausführungen, worin die Rechtswidrigkeit erblickt werde. Die Beschwerdeführerin kann durch die Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch nicht in dem geltend gemachten Beschwerdepunkt, die Abgabe entsprechend EG-Recht vorgeschrieben zu erhalten, verletzt sein.

Die Beschwerden waren daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. August 1999

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998170100.X00

Im RIS seit

04.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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