TE Lvwg Erkenntnis 2017/3/9 VGW-151/032/15732/2016

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Veröffentlicht am 09.03.2017
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Entscheidungsdatum

09.03.2017

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
72/01 Hochschulorganisation

Norm

NAG §11 Abs1
NAG §11 Abs2
NAG §64 Abs1
NAG §64 Abs3
UniversitätsG 2002 §75 Abs6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde des H. O. , vertreten durch Mag. R., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, vom 9. November 2016, Zl. MA35-9/3027607-03, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" gemäß § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG, § 8 Z 7 lit. b NAG-DV iVm § 75 des Universitätsgesetzes, abgewiesen wurde, nach mündlicher Verhandlung am 9. Februar 2017 und am 24. Februar 2017 und Verkündung der Entscheidung am 24. Februar 2017

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 70/2015, wird dem Beschwerdeführer in Stattgebung der Beschwerde der Aufenthaltstitel "Studierender" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang

1.       Mit dem gegenständlichen Antrag vom 31. Juli 2014 begehrte der Beschwerdeführer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels "Studierender".

2.       Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies die belangte Behörde den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. November 2016 gemäß § 64 Abs. 3 NAG iVm § 8 Z 7 lit. b NAG-DV iVm § 75 Universitätsgesetz ab, weil der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für den angestrebten Aufenthaltstitel nicht erfülle.

3.       Der Beschwerdeführer habe in seinem Studium nur einen geringen Studienerfolg vorweisen können, dem Studium werde nicht ernsthaft nachgegangen. Die vom Beschwerdeführer angegeben Gründen stellten keinen unabwendbaren oder unvorhergesehen Hinderungsgrund iSd § 64 Abs. 3 NAG dar.

4.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die – rechtzeitig erhobene – Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels begehrt. Der Beschwerdeführer sei durch unvorhergesehene und unabwendbare Hindernisse iSd § 64 Abs. 3 NAG an der Erbringung seines Studienerfolgs gehindert gewesen; seine Mutter sei psychisch erkrankt gewesen, zudem hätten fehlende Deutschkenntnisse den Beschwerdeführer an der Erbringung des Studienerfolgs gehindert. Nach einer Besserung der individuellen Lage und einem Studienwechsel könne er aber mittlerweile wieder einen Studienerfolg vorweisen.

5.        Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt der Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

6.       Das Verwaltungsgericht Wien führte am 9. Februar 2017 und am 24. Februar 2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurde. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde die Entscheidung spruchgemäß verkündet.

Am 3. März 2017 beantragte der Landeshauptmann von Wien gemäß § 29 Abs. 2a Z 1 VwGVG die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung iSd § 29 Abs. 4 VwGVG.

II.      Sachverhalt

1.       Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Der Beschwerdeführer ist am ...1994 geboren und Staatsbürger von Guatemala. Sein Reisepass ist bis 20. Februar 2022 gültig. Ihm wurde zuletzt eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" mit Gültigkeit vom 1. August 2015 bis 1. August 2016 erteilt. Der Beschwerdeführer war ab dem 16. Juli 2014 an der Wirtschaftsuniversität Wien für das Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" als ordentlicher Studierender gemeldet. Seit dem Wintersemester 2016 ist er an der Universität Wien für das Bachelorstudium "Politikwissenschaft" als ordentlicher Studierender gemeldet.

Der Beschwerdeführer hat im Studienjahr 2015/2016 an einem "Tandemprogramm in der Sprachkombination "Spanisch-Deutsch" mit der Beurteilung "Sehr Gut" teilgenommen, diese Teilnahme war als freies Wahlfach im Ausmaß von 4 ECTS für das Studium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" anrechenbar. Ansonsten hat der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum sämtliche Prüfungsantritte negativ absolviert (die Prüfung "Europäisches und Öffentliches Recht I" im Ausmaß von 4 ECTS jeweils negativ am 24. November 2015, am 1. März 2016 und am 21. Juni 2016; die Prüfung "Mathematik" im Ausmaß von 4 ECTS negativ am 20. Juni 2016). Hätte der Beschwerdeführer die Prüfungen "Europäisches und Öffentliches Recht I" und "Mathematik" im Juni 2016 bestanden, hätte er noch im Sommersemester 2016 zu der Prüfung "Volkswirtschaftslehre" im Ausmaß von 4 ECTS antreten können. Auf Grund des wiederholt negativen Antritts zur Prüfung "Europäisches und Öffentliches Recht I" konnte der Beschwerdeführer nach der Studienordnung der Wirtschaftsuniversität Wien im Sommersemester 2016 zu keinen weiteren Prüfungen antreten.

Der Beschwerdeführer war während des Wintersemesters 2015 in Sorge über den Gesundheitszustand seiner in Guatemala lebenden Mutter, diese Sorge hat aber kein krankheitsähnliches Ausmaß erreicht und hat ihn an der Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Prüfungen nicht gehindert.

Der Beschwerdeführer hat im Mai 2016 an einer akuten Gastroenteritis gelitten, welche ihm für etwa zwei Wochen die Vorbereitung auf die Prüfungen im Juni 2016 verunmöglicht hat. Wäre der Beschwerdeführer im Mai 2016 nicht erkrankt, hätte er die Prüfungen im Juni 2016 möglicherweise positiv absolvieren können.

Der Beschwerdeführer hat für das Bachelorstudium "Politikwissenschaft" im Wintersemester 2016 bislang die Lehrveranstaltungen "STEOP: Modulprüfung: Grundlagen sozialwissenschaftlicher Methodologie" (6 ECTS), "STEOP: Modulprüfung BAK 1.2 Fachspezifische Einführung" (9 ECTS), "BAK2.4 VO Politik und Ökonomie" (4 ECTS) und "UK OLV – Wegweiser" (2 ECTS) positiv absolviert.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten. Er ist seit seinem Studienbeginn bei der Wiener Gebietskrankenkasse gemäß § 16 ASVG selbstversichert, der monatliche Beitrag beträgt derzeit € 101,72. Der Beschwerdeführer wohnt in einem Studierendenwohnheim, der Heimplatz kann nur jährlich verlängert werden. Zuletzt erfolgte eine solche Verlängerung bis 30. September 2017. Er zahlt dort monatlich € 407,— Miete inklusive Betriebskosten, Strom und Gas. Der Beschwerdeführer wird von seinen Eltern, hauptsächlich von seinem Vater, durch regelmäßige Unterhaltszahlungen auf das Konto des Beschwerdeführers in unterschiedlicher Höhe finanziell unterstützt; der Beschwerdeführer bezieht alle ihm verfügbaren Geldmittel ausschließlich aus den Unterhaltszahlungen seiner Eltern. Aktuell stehen dem Beschwerdeführer € 12.322,84 auf seinem Konto zur Verfügung.

2.       Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ergibt sich hinsichtlich der Studienleistungen des Beschwerdeführers unzweifelhaft aus dem Akteninhalt und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen. Hinsichtlich der Hinderungsgründe an der Erbringung eines entsprechenden Studienerfolgs im Studienjahr 2015/2016 ergeben sich die Feststellungen aus der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Verwaltungsgericht Wien und den im Akt erliegenden Unterlagen; zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Erkrankung im Mai 2016 hat der Beschwerdeführer ärztliche Bestätigungen vorgelegt. Die Schilderungen des Beschwerdeführers über seinen Gesundheitszustand in diesem Zeitraum waren für das Verwaltungsgericht Wien überzeugend und sind nicht weiter anzuzweifeln.

Die Feststellungen zu Lebensunterhalt, Wohnsituation und Krankenversicherung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner wiederholt negativen Antritte für zur Prüfung "Europäisches und Öffentliches Recht I" im Sommersemester 2016 schließlich für weitere Prüfungsantritte an der Wirtschaftsuniversität Wien gesperrt war, ergibt sich aus den eigenen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

III.     Rechtliche Beurteilung

1.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 70/2015, lauten:

"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

         1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

         2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

         3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

         4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

         5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

         6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

         1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

         2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

         3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

         4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

         5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

         6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

[…]

Studierende

§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie

         1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

         2. ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule oder einen anerkannten privaten Studiengang oder anerkannten privaten Hochschullehrgang absolvieren und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient.

Eine Haftungserklärung ist zulässig.

[…]

(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule oder anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule erbringt. Gleiches gilt beim Besuch eines anerkannten privaten Studienganges oder anerkannten privaten Hochschullehrganges. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.

[…]"

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I 120/2002 idF BGBl. I 131/2015, lauten:

" Zeugnisse

§ 75. (1) Die Beurteilung der Prüfungen und wissenschaftlichen sowie künstlerischen Arbeiten ist jeweils durch ein Zeugnis zu beurkunden. Sammelzeugnisse sind zulässig.

[…]

(6) Die Universität hat einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat."

2.       Der Beschwerdeführer fällt als ordentlicher Studierender in den Anwendungsbereich des § 64 NAG. Für die – hier gegenständliche – Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist gemäß § 64 Abs. 3 NAG erforderlich, dass vom Studierenden ein entsprechender Studienerfolgsnachweis zu erbringen ist. Der Studienerfolg ist nicht für die gesamte bisherige Studienlaufbahn zu prüfen, sondern lediglich für das vorangegangene Studienjahr. Das ist grundsätzlich dasjenige, das vor dem Gültigkeitsende des bestehenden Aufenthaltstitels liegt (VwGH 21.1.2016, Ra 2015/22/0094).

Der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers war bis August 2016 gültig. Das letzte vor diesem Gültigkeitsende abgeschlossene Studienjahr wäre das Studienjahr 2014/2015 gewesen. Das jüngst abgeschlossene Studienjahr kann jedoch als maßgeblich herangezogen werden, wenn während des anhängigen Verlängerungsverfahrens ein weiteres Studienjahr vollendet wurde (VwGH 19.4.2016, Ro 2015/22/0004). Das während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zuletzt vollendete Studienjahr ist das Studienjahr 2015/2016. Die Studienleistungen des Beschwerdeführers in diesem Studienjahr sind daher der Beurteilung des Studienerfolgs zugrunde zu legen. Wenngleich der Beschwerdeführer im laufenden Studienjahr bereits den für einen Studienerfolgsnachweis erforderlichen Studienerfolg erbracht haben mag, ist dieser nicht zu berücksichtigen, weil es auf den Nachweis über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr ankommt (VwGH 19.4.2016, Ro 2015/22/0004).

3.       Der Beschwerdeführer hat zweifellos im Studienjahr 2015/2016 den erforderlichen Studienerfolg von 16 ECTS (siehe § 75 Abs. 6 UG 2002) nicht erbracht. Er hat aber im verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Vorliegen eines Hinderungsgrundes iSd § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG behauptet. Nach dieser Bestimmung kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden, wenn Gründe vorliegen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind.

3.1.    Für das Verwaltungsgericht Wien sind solche Gründe in der vom Beschwerdeführer dargelegten Sorge über den Gesundheitszustand seiner Mutter im Wintersemester 2015 nicht erkennbar. Diese Unmutsgefühle haben den Beschwerdeführer nach dessen eigenen Angaben weder von einer Teilnahme an Lehrveranstaltungen noch am Antritt von Prüfungen abgehalten oder sonstwie in seiner alltäglichen Lebensführung beeinträchtigt (vgl. auch VwGH 13.12.2011, 2011/22/0274, wonach psychische Belastungen durch den Tod eines Familienangehörigen oder eines Haustieres den Tatbestand des § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG nicht erfüllen).

3.2.    Die im Mai 2016 aufgetretene etwa zweiwöchige Erkrankung unmittelbar in der Phase der Prüfungsvorbereitung ist hingegen grundsätzlich geeignet, ein Absehen vom Erfordernis des Studienerfolgs iSd § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG zu begründen (vgl. zu vorübergehenden Erkrankungen 19.11.2014, Ra 2014/22/0128). Während der zwei Wochen, in denen der Beschwerdeführer an dieser Erkrankung litt, war ihm eine Vorbereitung auf anstehende Prüfungen aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Der Hinderungsgrund ist nach den beiden Wochen wieder weggefallen, es handelt sich daher um kein dauerhaftes Hindernis an der Erbringung entsprechender Studienleistungen (vgl. zu einem solchen Fall zB 19.11.2014, Ra 2014/22/0128).

Das Verwaltungsgericht Wien geht in der Folge davon aus, dass der Beschwerdeführer, wäre er im Mai 2016 nicht durch die Erkrankung an der Prüfungsvorbereitung gehindert gewesen, im Juni 2016 die beiden Prüfungen "Europäisches und Öffentliches Recht I" und "Mathematik" positiv absolvieren hätte können. Antritte zu weiteren Prüfungen im Sommersemester 2016 waren dem Beschwerdeführer durch die negativen Prüfungsantritte im Juni 2016 jedoch verwehrt, weil nach der für den Beschwerdeführer geltenden Studienordnung eine Sperre für weitere Antritte eingetreten war.

Hätte der Beschwerdeführer die Prüfung "Europäisches und Öffentliches Recht I" im Juni 2016 positiv bestanden, hätte er im Sommersemester 2016 noch die Prüfung "Volkswirtschaftslehre" absolvieren können. Die positive Absolvierung auch dieser Prüfung vorausgesetzt hätte der Beschwerdeführer damit insgesamt im Studienjahr 2015/2016 für sein Curriculum anrechenbare Prüfungen im Ausmaß von 16 ECTS erreicht und damit die Voraussetzungen für einen Studienerfolgsnachweis iSd § 75 Abs. 6 UG 2002 erbracht.

Die Erkrankung des Beschwerdeführers im Mai 2016, welche unzweifelhaft ein Hindernis iSd § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG darstellt, weggedacht, wäre dem Beschwerdeführer die Erbringung des erforderlichen Studienerfolgs damit möglich gewesen. Vom Erfordernis des Studienerfolgs war daher im Beschwerdefall abzusehen.

4.       Im Beschwerdefall sind zudem die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 und 2 NAG erfüllt:

4.1.    Hinsichtlich des erforderlichen Lebensunterhalts sind Belastungen von monatlich € 508,72 zu berücksichtigen (Miete und Versicherungskosten). Davon ist der Wert der freien Station im Ausmaß von € 284,32 abzuziehen, es verbleiben somit monatliche Belastungen von € 224,4 (für zwölf Monate: € 2.692,6).

Dem Beschwerdeführer steht im Entscheidungszeitpunkt ein Geldguthaben von € 12.322,84 zur Verfügung (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0024, uva, wonach auch ein Sparguthaben beim erforderlichen Lebensunterhalt zu berücksichtigen ist); es ist zudem davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer während des kommenden Jahres wie schon bisher regelmäßige Geldzahlungen von seinem – unterhaltspflichtigen – Vater in beträchtlicher Höhe erhalten wird. Der gemäß § 293 ASVG iVm § 11 Abs. 5 NAG für Einzelpersonen erforderliche Richtsatz beträgt monatlich € 889,84 (für zwölf Monate: € 10.678,08). Auf Grund der regelmäßigen Unterhaltszahlungen des Vaters des Beschwerdeführers ist prognostisch davon auszugehen, dass damit die Differenz zwischen vorhandenem Sparguthaben (abzüglich der regelmäßigen Ausgaben für zwölf Monate) und erforderlichem Lebensunterhalt für zwölf Monate in der Höhe von insgesamt € 1.048,04 (für zwölf Monate) ausgeglichen wird (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung VwGH 19.4.2016, Ra 2015/22/0153, wonach bei der Berechnung des Lebensunterhalts eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen ist).

4.2.    Hinsichtlich der sonstigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen bestehen keine Anhaltspunkte, wonach diese im Beschwerdefall nicht erfüllt wären.

5.       Nachdem im Beschwerdefall sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für eine Verlängerung des Aufenthaltstitels "Studierender" erfüllt sind, ist dieser dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 3 NAG für weitere zwölf Monate (vgl. § 20 Abs. 1 NAG) zu erteilen.

6.       Die ordentliche Revision ist im Beschwerdefall zuzulassen, weil – soweit für das Verwaltungsgericht Wien ersichtlich – bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dazu vorliegt, ob für das Absehen vom Erfordernis des Studienerfolgs nach § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG ausreicht, dass bei Wegdenken des unabwendbaren oder unvorhergesehenen Grundes hypothetisch ein Studienerfolg prognostiziert werden kann, der nicht nur unmittelbar durch den Grund verhinderte Studienleistungen beinhaltet, sondern auch weitere hypothetische Studienleistungen umfasst, welche allenfalls bei Absolvierung der durch den Grund verhinderten Studienleistungen später noch erbracht hätten werden können.

Schlagworte

Studienerfolgsnachweis, maßgebliches Studienjahr, vorübergehender Hinderungsgrund, Kausalzusammenhang, hypothetische Studienleistungen

Anmerkung

VwGH v. 13.12.2018, Ro 2017/22/0007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.032.15732.2016

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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