TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/8 LVwG-2017/12/2824-2

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Veröffentlicht am 08.08.2018
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Entscheidungsdatum

08.08.2018

Index

L40017 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

LPolG Tir 1976 §11
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Kroker über die Beschwerde des Herrn AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2017, Zl ****, betreffend fünf Übertretungen nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz wegen Verletzung des öffentlichen Anstands,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Strafverfahren wird gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2017, ****, wird dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

„Übertretung 1.)

Tatzeit: 29.07.2016, 00:03 Uhr

Tatort:  Y, Adresse 2, Stock 1

Sie haben zur oben angeführten Tatzeit und am oben angeführten Tatort gegen das Tiroler Landes-Polizeigesetz verstoßen. Konkret haben Sie in der Facebook-Gruppe „BB“ zur oben angeführten Tatzeit einen Kommentar mit dem Inhalt „Arschlochrichterin, aber die Deutschen mit Bagatellfällen verknacken, hoffentlich fickt sie mal ein Maximalpigmentierter in den Arsch den sie nicht in der Hose hat!“ verfasst und veröffentlicht. Eine namentlich nicht näher bezeichnete Richterin als „Arschloch“ zu bezeichnen und zudem noch mit rassistischer Wortwahl („Maximalpigmentierter“) eine Vergewaltigung dieser Richterin durch einen dunkelhäutigen Menschen herbeizusehnen, stellt einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit dar.

Der Kommentar und somit auch Ihr Verhalten konnte konkret von mehreren Personen wahrgenommen werden, zumal die gegenständliche Facebook-Gruppe Ihren Aussagen zufolge zumindest mehrere Mitglieder hatte und der gegenständliche Kommentar auch mindestens einmal „geliked“ wurde. Sie haben dadurch den öffentlichen Anstand verletzt.

Übertretung 2.)

Tatzeit: 31.07.2016, 00:42 Uhr

Tatort:  Y, Adresse 2, Stock 1

Sie haben zur oben angeführten Tatzeit und am oben angeführten Tatort gegen das Tiroler Landes-Polizeigesetz verstoßen. Konkret haben Sie in der Facebook-Gruppe „BB“ zur oben angeführten Tatzeit einen Kommentar mit dem Inhalt „Ich bin schon neugierig wie sich der Arschlochrichter entscheidet“ verfasst und veröffentlicht. Einen namentlich nicht näher bezeichneten Richter als „Arschloch“ zu bezeichnen, stellt einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit dar.

Der Kommentar und somit auch Ihr Verhalten konnte von mehreren Personen wahrgenommen werden, zumal die gegenständliche Facebook-Gruppe zumindest mehrere Mitglieder hatte und der gegenständliche Kommentar auch mindestens einmal „geliked“ wurde. Sie haben dadurch den öffentlichen Anstand verletzt.

Übertretung 3.)

Tatzeit: 03.08.2016, 20:15 Uhr

Tatort:  Y, Adresse 2, Stock 1

Sie haben zur oben angeführten Tatzeit und am oben angeführten Tatort gegen das Tiroler Landes-Polizeigesetz verstoßen. Konkret haben Sie in der Facebook-Gruppe „BB“ zur oben angeführten Tatzeit einen Kommentar mit dem Inhalt „Staatsanwalt Du bist ein absolut riesengroßes Arschloch“ verfasst. Einen namentlich nicht näher bezeichneten Staatsanwalt als „absolut riesengroßes Arschloch“ zu bezeichnen, stellt einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit dar.

Der Kommentar und somit auch Ihr Verhalten konnte von mehreren Personen wahrgenommen werden, zumal die gegenständliche Facebook-Gruppe Ihren Aussagen zufolge zumindest mehrere Mitglieder hatte.

Übertretung 4.)

Tatzeit: 05.08.2016, 19:29 Uhr

Tatort:  Y, Adresse 2, Stock 1

Sie haben zur oben angeführten Tatzeit und am oben angeführten Tatort gegen das Tiroler Landes-Polizeigesetz verstoßen. Konkret haben Sie in der Facebook-Gruppe „BB“ zur oben angeführten Tatzeit einen Kommentar mit dem Inhalt „Den Richtern haben sie wirklich ins Hirn geschissen, aber sie sind ja meistens selbst pädophil“ verfasst. Der Berufsgruppe „Richter“ zu unterstellen, dass man ihnen „ins Hirn geschissen habe“ und diese Gruppe zudem einer verächtlichen Eigenschaft, konkret Pädophilie, zu bezichtigen, stellt einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit dar.

Der Kommentar und somit auch Ihr Verhalten waren öffentlich einsehbar und könnte auch konkret von mehreren Personen wahrgenommen werden, zumal die gegenständliche Facebook-Gruppe Ihren Aussagen zufolge zumindest mehrere Mitglieder hatte.

Übertretung 5.)

Tatzeit: 05.08.2016, 22:55 Uhr

Tatort:  Y, Adresse 2, Stock 1

Sie haben zur oben angeführten Tatzeit und am oben angeführten Tatort gegen das Tiroler Landes-Polizeigesetz verstoßen. Konkret haben Sie in der Facebook-Gruppe „BB“ zur oben angeführten Tatzeit einen Kommentar mit dem Inhalt „Sollten sich die Arschlochrichter mal vor Augen halten, dass das selbe mit ihrer Tochter wäre, ich hätte den in der nächsten Kläranlage entsorgt, ohne Beweise, sprich der Leiche kann ich nicht angeklagt werden !!!“ verfasst. Namentlich nicht näher bezeichnete Richter als „Arschlöcher“ zu bezeichnen und zudem noch davon zu sprechen, dass man unter gewissen Umständen einen Menschen ermorden und in einer Kläranlage entsorgen würde, stellt einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit dar.

Der Kommentar und somit auch Ihr Verhalten war öffentliche einsehbar und konnte auch konkret von mehreren Personen wahrgenommen werden, zumal die gegenständliche Facebook-Gruppe Ihren Aussagen zufolge zumindest mehrere Mitglieder hatte und der gegenständliche Kommentar auch mindestens 5 Mal „geliked“ wurde. Sie haben dadurch den öffentlichen Anstand verletzt.“

Der Beschwerdeführer habe durch diese fünf Übertretungen jeweils § 11 Tiroler Landes-Polizeigesetz idF LGBl Nr 1/2014 verletzt und wurde über ihn jeweils eine Geldstrafe von Euro 50,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 46 Stunden) „gemäß § 8 Abs 1 lit f“ unter gleichzeitiger Festsetzung der Verfahrenskosten verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die am 03.12.2017 innerhalb offener Frist eingebrachte Beschwerde des Beschwerdeführers in welcher er zusammengefasst ausführt, dass die vorgeworfenen Taten Bagatelldelikte seien und es sich hierbei um eine Verschwendung von Steuergeldern handle, da er gegen kein Gesetz verstoßen habe. Seine nicht sehr feine Ausdrucksweise entspreche dem Volksjargon von 50 % der österreichischen „rechtsfreundlich“ eingestellten Bevölkerung, die mit der undemokratischen Arbeitsweise der Polizei und Justiz nicht im Mindesten einverstanden sei. Noch dazu sei die Frist für eine Verfolgung dieser ihm vorgeworfenen Bagatelldelikte abgelaufen. Außerdem bestätige eine Frau Staatsanwalt im Akt, dass er keine Übertretungen von geltenden österreichischen Bundes- oder Landesgesetzen begangen habe. Seine etwas unseriöse Ausdrucksweise sei zudem im Zustand von absolut berechtigter Erregung geprägt worden. Sollte man sich doch zu einer Verhandlung gegen seine Person hinreißen lassen, beantrage er einen entsprechenden rechtlichen Beistand. Überdies erscheine ihm die Ersatzfreiheitsstrafe von 233 Stunden im Verhältnis zum Gesamtbetrag der Strafe von € 365,00 als zu hoch bemessen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Da der Antrag auf Beistellung eines Verfahrenshilfeverteidigers nur für den Fall der Abhaltung einer Verhandlung gestellt wurde, erübrigte sich daher auch ein Abspruch über diesen Antrag.

Sachverhalt:

Der zur Tatzeit in der Adresse 2 in Y wohnhafte Beschwerdeführer hat von seinem damaligen Wohnsitz aus folgende Einträge/Kommentare in der Facebook-Gruppe „BB“ gepostet:

?    am 29.07.2016, 00:03 Uhr: „Arschlochrichterin, aber die Deutschen mit Bagatellfällen verknacken, hoffentlich fickt sie mal ein Maximalpigmentierter in den Arsch den sie nicht in der Hose hat!“

?    am 31.07.2016, 00:42 Uhr: „Ich bin schon neugierig wie sich der Arschlochrichter entscheidet“.

?    am 03.08.2016, 20:15 Uhr: „Staatsanwalt Du bist ein absolut riesengroßes Arschloch“.

?    am 05.08.2016, 19:29 Uhr: „Den Richtern haben sie wirklich ins Hirn geschissen, aber sie sind ja meistens selbst pädophil“.

?    am 05.08.2016, 22:55 Uhr: „Sollten sich die Arschlochrichter mal vor Augen halten, dass das selbe mit ihrer Tochter wäre, ich hätte den in der nächsten Kläranlage entsorgt, ohne Beweise, sprich der Leiche kann ich nicht angeklagt werden !!!“

Die Gruppe „BB“ hatte als die NS-Meldestelle die Meldung betreffend den Beschwerdeführer erstattete 12.176 Mitglieder, welche allesamt die Meldungen des Beschwerdeführers einsehen konnten. Die Gruppe hat keinen Administrator, das heißt man kann durch einen einfachen Klick auf den Button „Gruppe beitreten“ Mitglied werden und dort posten. Die zur Anzeige gebrachten Meldungen konnten alle Gruppenmitglieder lesen. Man kann auch als Nicht-Mitglied mittels Suchfunktion nach Personen suchen und deren Meldungen lesen.

II.      Beweiswürdigung:

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus dem Akt der Verwaltungsbehörde, Zl ****, und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol. Insbesondere im Abschlussbericht des LPD Tirol, des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 19.01.2017, GZ: ****, sind die Screenshots der Kommentare des Beschwerdeführers enthalten. Aus dem im Akt befindlichen Auszug aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich der Wohnort des Beschwerdeführers zur Tatzeit, nämlich der Adresse 2 in Y.

Bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er von diesem Ort aus zu den angeführten Tatzeiten die Postings bzw Kommentare verfasst hat und wurde der Beschwerdeführer auch im Behördenverfahren zu diesen vorgeworfenen Übertretungen einvernommen. Im gesamten Verfahren hat der Beschwerdeführer bislang nicht bestritten, dass er die Kommentare bzw Postings zur angegebenen Tatzeit und am angeführten Tatort verfasst hat.

Die Anzahl der Mitglieder der Facebook-Gruppe „BB“ zu den Tatzeiten, die Möglichkeit dort jederzeit Mitglied zu werden und auch die Möglichkeit, als Nichtmitglied Postings bestimmter Personen abzurufen, ergibt sich aus dem Schreiben der Landespolizeidirektion Tirol, Abteilung Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Zl ****.

III.     Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen aus dem Tiroler Landespolizeigesetz, LGBl Nr 60/1976 (im Folgenden: TLPG), und dem B-VG lauten wie folgt:

4. Abschnitt

Wahrung des öffentlichen Anstandes

§ 11

Verbot

(1) Es ist verboten, den öffentlichen Anstand zu verletzen.

(2) Als Verletzung des öffentlichen Anstandes gilt jedes Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt.

§ 13

Strafbestimmung

Wer den öffentlichen Anstand verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 360,- Euro zu bestrafen.

Art 10 Bundes-Verfassungsgesetz BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 62/2016

(1) Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

         1.       

         7.       Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einschließlich der ersten allgemeinen Hilfeleistung, jedoch mit Ausnahme der örtlichen Sicherheitspolizei; Vereins- und Versammlungsrecht; Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens und der Namensänderung; Fremdenpolizei und Meldewesen; Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen, Schießwesen;

Art 15 Bundes-Verfassungsgesetz BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 51/2012

(1) Soweit eine Angelegenheit nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist, verbleibt sie im selbständigen Wirkungsbereich der Länder.

(2) In den Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei, das ist des Teiles der Sicherheitspolizei, der im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden, wie die Wahrung des öffentlichen Anstandes und die Abwehr ungebührlicherweise hervorgerufenen störenden Lärmes, steht dem Bund die Befugnis zu, die Führung dieser Angelegenheiten durch die Gemeinde zu beaufsichtigen und wahrgenommene Mängel durch Weisungen an den Landeshauptmann (Art. 103) abzustellen. Zu diesem Zweck können auch Inspektionsorgane des Bundes in die Gemeinde entsendet werden; hievon ist in jedem einzelnen Fall der Landeshauptmann zu verständigen.

IV.      Erwägungen:

Gemäß § 11 Abs 1 Tiroler Landespolizeigesetz (TLPG) ist es verboten, den öffentlichen Anstand zu verletzen. Gemäß Abs 2 leg cit gilt als Verletzung des öffentlichen Anstandes jedes Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes durch ein Verhalten erfüllt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Bei der Beurteilung der Verletzung jener Formen des äußeren Verhaltens, die nach Auffassung gesitteter Menschen der Würde des Menschen als sittlicher Person bei jedem Heraustreten aus dem Privatleben in die Öffentlichkeit entsprechen, ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl VwGH 30.09.1985, 85/10/0120 samt der dort angeführten Vorjudikatur, 15.10.2009, 2008/09/0272).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur bereits klargestellt, dass durch das Beschimpfen auf unflätige und obszöne Weise der öffentliche Anstand verletzt wird (vgl VwGH 25.11.1975, 2287/74). Die vom Beschwerdeführer getätigten Formulierungen (Arschlochrichterin, aber die Deutschen mit Bagatellfällen verknacken, hoffentlich fickt sie mal ein Maximalpigmentierter in den Arsch den sie nicht in der Hose hat!; Ich bin schon neugierig wie sich der Arschlochrichter entscheidet; Staatsanwalt Du bist ein absolut riesengroßes Arschloch; Den Richtern haben sie wirklich ins Hirn geschissen, aber sie sind ja meistens selbst pädophil; Sollten sich die Arschlochrichter mal vor Augen halten, dass das selbe mit ihrer Tochter wäre, ich hätte den in der nächsten Kläranlage entsorgt, ohne Beweise, sprich der Leiche kann ich nicht angeklagt werden) sind jedenfalls als obszöne bzw unflätige Beschimpfungen bzw Aussagen iSd dieser Judikatur zu werten.

Es muss dem einzelnen Bürger zugestanden werden, im Rahmen seiner Meinungsäußerungsfreiheit seinen Unmut über Entscheidungen von Justizorganen "in geordneten Bahnen" kundzutun. Davon kann jedoch bei dem dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhalten keine Rede sein. Diese Aussagen verstoßen gegen jene ungeschriebenen Regeln über das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben der Menschen angesehen wird (VwGH 11.11.1985, 84/10/0227). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können insbesondere auch Ausdrücke wegen ihrer Derbheit und ihres unziemlichen Inhaltes geeignet sein, den Anstand zu verletzen (VwSlg. 8078 A), was gegenständlich der Fall ist.

Wesentliche Tatbestandsvoraussetzung des § 11 Abs 1 TLPG ist aber weiters, dass das inkriminierte Verhalten „öffentlich“ erfolgt.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Aussagen von seiner Wohnung aus in der Facebook-Gruppe „BB“ gepostet. Die Gruppe „BB“ hatte zu dieser Zeit ca 12.176 Mitglieder, welche allesamt die Meldungen des Beschwerdeführers einsehen konnten. Die Gruppe hat keinen Administrator, das heißt man kann durch einen einfachen Klick auf den Button „Gruppe beitreten“ Mitglied werden und dort posten. Die zur Anzeige gebrachten Meldungen konnten alle Gruppenmitglieder lesen. Zudem kann man auch als Nicht-Mitglied mittels Suchfunktion nach Personen suchen und deren Meldungen lesen.

Gegenstand des § 11 ff Landes-Polizeigesetzes sind Regelungen zur Wahrung des öffentlichen Anstandes. Kompetenzgrundlage für diese landesgesetzliche Bestimmung ist der Art 15 Abs 1 B-VG und auch aus Art 10 Z7 B-VG geht hervor, dass für die örtliche Sicherheitspolizei eine ausschließliche Zuständigkeit des Landesgesetzgeber besteht. Was unter der örtlichen Sicherheitspolizei zu verstehen ist, ergibt sich aus Art 15 Abs 2 B-VG. Demnach ist die örtliche Sicherheitspolizei jener Teil der Sicherheitspolizei, der im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden, wie die Wahrung des öffentlichen Anstandes und die Abwehr ungebührlicherweise hervorgerufenen störenden Lärmes.

Gegenstand einer landesgesetzlichen Regelung können daher auch nur Anstandsverletzungen sein, deren Hintanhaltung im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.

Als Verletzung des öffentlichen Anstandes gilt gemäß § 11 Abs 2 TLPG jedes Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt.

Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Zuständigkeit des Landesgesetzgebers nur für die örtliche Sicherheitspolizei kann daher nur ein Verhalten im Tiroler Landes-Polizeigesetz geregelt werden, das in einer „Öffentlichkeit“ stattfindet, die in einer „örtlichen Gemeinschaft“ gelegen ist. Wenn nun dem Beschwerdeführer „Postings“ auf einer deutschsprachigen Facebook-Seite vorgeworfen werden, gelangen diese Äußerungen nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts zwar an die „Öffentlichkeit“, doch ist eine „Facebook-Gruppe mit 12.176 Personen, die durch einfachen Knopfdruck Mitglied wurden, nicht mehr auf eine örtliche Gemeinschaft beschränkt bzw liegt der Inhalt der Postings nicht im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft und ist die Hintanhaltung einer solchen Anstandsverletzung letztlich auch nicht geeignet, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.

Dem § 11 TLPG kann daher aus kompetenzrechtlichen Überlegungen nicht ein Inhalt unterstellt werden, wonach auch ein Verhalten, das auf die beschriebene Art und Weise an eine über eine örtliche Gemeinschaft hinausgehende Öffentlichkeit tritt, nach dieser Bestimmung strafbar ist. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen fünf Übertretungen sind daher nicht unter § 11 Abs 1 TLPG subsumierbar. Nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG ist die Einstellung eines Strafverfahrens zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Eine Revision durch den Beschwerdeführer ist – was die begangene Anstandsverletzung anbelangt – gemäß § 25a Abs 4 VwGG gegenständlich schon deshalb ausgeschlossen, da

1) in der Verwaltungsstrafsache nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz bloß eine Geldstrafe von maximal Euro 360,00 und keine Primärfreiheitsstrafe vorgesehen ist und überdies 2) im Straferkenntnis der belangten Behörde für die Anstandsverletzung nur eine Geldstrafein Höhe von je Euro 50,00 ausgesprochen worden ist.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Kroker

(Richterin)

Schlagworte

Anstandsverletzung; Facebook; örtliche Sicherheitspolizei

Anmerkung

Mit Erkenntnis vom 19.12.2018, Z Ra 2018/03/0110-6, hob der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der ao Revision das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 08.08.2018, Zl LVwG-2017/12/2824-2, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.12.2824.2

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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