TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/5 L509 2187635-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L509 2187635-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 25.11.2015 illegal in das Bundesgebiet von Österreich ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde dazu von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.11.2015 erstbefragt. Zur Begründung des Antrages gab er zunächst an, er habe seine Religion "auf römisch-katholisch gewechselt" und hätte Probleme mit der Religionspolizei bekommen.

2. Im Rahmen der asylbehördlichen Einvernahme am 17.01.2018 gab der Beschwerdeführer an, er hätte bei der Erstbefragung gemeint, dass er am christlichen Glauben allgemein Interesse hätte (AS 61) und nicht wie dort steht, am katholischen Glauben. Er sei Christ und dies nun seit ca. 2 Jahren (AS 62). Im Iran hätte er allerdings nur Interesse am Christentum gehabt und könne er nicht sagen, dass er dort schon Christ gewesen sei. Er sei über einen Freund in Kontakt mit dem Christentum gekommen und hätte dort Kirchen besucht und einige Christen kennen gelernt. Er sei zwar in einer muslimischen Familie geboren, jedoch als solcher nie gläubig gewesen. Von den Eltern sei er nicht religiös erzogen worden und er habe die (islamische) Religion - wie alle anderen Jungen - erst in der Schule kennen gelernt. In der Schule käme man sowieso in Kontakt mit dem Islam und man müsse das lernen. An der Uni habe er das Christentum kennengelernt. Ein Freund habe ihm eine Bibel geschenkt und er habe angefangen, darin zu lesen. Er habe diesen Freund dann auch gebeten, ihn in die Kirche mitzunehmen. Er sei mindestens zwei Mal im Monat in der Kirche gewesen und dort von allen gut aufgenommen worden. Die Rede sei immer von der Liebe und der Liebe zu Gott gewesen und er habe immer mehr über das Christentum wissen wollen. Nach diesen Kirchenbesuchen habe er langsam an Jesus geglaubt. Als er einmal die Kirche kurz verlassen habe, um Essen für die Kirchenmitglieder zu kaufen, habe er bei seiner Rückkehr festgestellt, dass alle festgenommen worden waren. Danach sei er zu einem Cousin gegangen und von seinem Bruder habe der BF erfahren, dass auch beim BF zu Hause jemand nach ihm gefragt und einige Sachen des BF mitgenommen habe. Sein Bruder habe ihm auch gesagt, dass diese Leute ihn festnehmen wollten und ständig nach ihm fragen. In Österreich sei er von Leuten, die Deutschkurse gaben, mit in die Kirche genommen worden. Er nehme dort an Aktivitäten teil, besuche Kurse, Seminare und Bibelstunden. Er habe auch selbst entschieden, getauft zu werden (AS 65 - 71).

3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 06.02.2018, Zl. XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2015 abgewiesen (Spruchpunkt I.).

Des Weiteren wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Dem BF wurde außerdem kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III). Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I NR. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran gem. § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise des BF wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.) festgesetzt.

Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF bloß zum Schein konvertiert wäre und aus einer lediglich aus formalen Gründen erfolgte Konversion zum christlichen Glauben ohne Vorliegen einer exponierten Tätigkeit, wie etwa missionarischer Aktivitäten, keine asylrechtlich relevante Gefährdung resultiere. Eine echte und nachhaltige Konversion habe im Fall des BF nicht festgestellt werden können, ebenso wenig eine tiefe Verbundenheit mit dem christlichen Glauben. Es sei somit nicht anzunehmen, dass der BF das Bedürfnis habe, im Fall der Rückkehr den christlichen Glauben öffentlich zu leben. Er befinde sich auch nicht in einer derart exponierten Position, dass die iranischen Behörden auf ihn aufmerksam werden könnten.

Die belangte Behörde erkannte weder Gründe für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten noch für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen. Der BF habe in Österreich keine familiären Bindungen. Nach Abwägung der öffentlichen Interessen gegen die privaten Interessen des BF käme erstgenannten besondere Bedeutung zu und es seien keine Umstände ersichtlich, die zu Gunsten des BF sprechen würden. Der im Zuge der Rückkehrentscheidung mögliche Eingriff in die durch Art., 8 EMRK geschützten Rechte sei jedenfalls als gerechtfertigt anzusehen. Die Rückkehrentscheidung sei nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei. Eine Abschiebung in den Herkunftsstaat Iran sei zulässig. Dem BF sei eine Frist zu freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung zu gewähren.

4. Mit Verfahrensanordnung vom 07.02.2018 wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Mit weiterer Verfahrensanordnung vom 07.02.2018 wurde der BF verpflichtet, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

4. Der Beschwerdeführer ließ über den von ihm bevollmächtigten Verein Menschenrechte Beschwerde gegen den o.a. Bescheid einbringen. Der Bescheid wird wegen mangelhaften Ermittlungsverfahrens und unschlüssiger Beweiswürdigung vollumfänglich angefochten.

Der BF habe sich durch die Teilnahme an Treffen von Christen einem großen Risiko ausgesetzt, da solche Treffen regelmäßig vom iranischen Geheimdienst ausgehoben werden würden. Dies ergebe sich schon aus den Länderinformationen. Er werde sich außerdem bei der Wiedereinreise einer genauen Überprüfung zu unterziehen haben, was bedeute, dass eine illegale Ausreise zu intensiven Nachforschungen, ob die betreffende Person kriminelle oder gegen sonst vom islamischen Regime verpönte Handlungen im Iran oder im Ausland begangen hat, führe. Es sei beim BF eine von Ernsthaftigkeit und innerer Überzeugung zum Glaubenswechsel ausgegangen werden. Eine Verheimlichung oder Abkehr von seiner gewonnenen Glaubensüberzeugung sei im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht zuzumuten. Bei der Feststellung der Glaubwürdigkeit des BF habe die belangte Behörde den Anforderungen der amstwegigen Ermittlungspflicht nicht entsprochen. Es genüge im Asylverfahren die Glaubhaftmachung der asylrelevanten Verfolgung und Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt wurden, könnte im Rahmen einer Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein. Eine öffentliche Ausübung für vom Islam abgefallener Anhänger des Christentums sei im Iran nicht gegeben und habe der BF asylrelevante Verfolgung aus diesem Grund zu befürchten. Es hätte ihm daher der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müssen.

Der Beschwerde ist eine Stellungnahme angeschlossen, die dem Anschein nach zwar vom BF ausgeführt, jedoch von einer anderen Person zu Papier gebracht wurde. In der Stellungnahme wird u. a. angeführt, dass die Veränderung der inneren Haltung und Einstellung einer Person nur von jemanden beurteilt werden könne; der einem über einen längeren Zeitraum begleitet. Im Fall des BF wäre dies Hr. W.

D: von der Evangelikalen Gemeinde. Letztgenannter legte der Beschwerde ein Begleitschreiben bei. Gemäß diesen Ausführungen stünde es für Hrn. W.D. fest, dass der BF aus innerer tiefer Überzeugung Christ sei.

Der BF legte im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren eine von Ing. H.P. als Mitglied des Leitungskreises der Evangelikalen Gemeinde in J. unterschriebene Bestätigung der Evangelikalen Gemeinde J. vor, dass er regelmäßig an den Sonntagsgottesdiensten teilnehme; weiters legte er eine von einem Pastor unterzeichnete Taufbescheinigung der Freikirchen in Österreich vor. Eine zeugenschaftliche Einvernahme dieser oder anderer Personen, die über die religiöse Betätigung und Einstellung des BF Auskunft geben könnten ist nicht erfolgt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und den obigen Ausführungen.

2. Feststellungen:

Die belange Behörde stützt sich bei ihren Feststellungen, dass der Beschwerdeführer nicht glaubwürdig sei und sich bloß zum Schein darauf berufe, vom islamischen Glauben zum Christentum konvertiert zu sein und deshalb im Falle der Rückkehr in den Iran einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt zu sein, bloß auf die Aussage des Beschwerdeführers, ohne weitere Erhebungen durchgeführt zu haben. Einzig darauf gestützt geht sie davon aus, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsland Iran keiner Verfolgung ausgesetzt ist. Damit hat die belangte Behörde wesentliche Ermittlungen außer Acht gelassen und den Sachverhalt nicht vollständig erhoben. Wie sich aus der Aktenlage ergibt, war es durchaus möglich, das Umfeld des Beschwerdeführers, seine Praxis der Religionsübung, Hinweise auf seine innere Einstellung und überhaupt die näheren Umstände des angeblichen Religionswechsels zu erheben. Dazu ergeben sich aus der Aussage des Beschwerdeführers sogar Hinweise auf Zeugen, wie etwa den Pastor oder sonstige Personen, die den Beschwerdeführer beim Glaubenswechsel begleitet haben und Auskunft über den Werdegang des Beschwerdeführers hätte geben können.

Damit verletzt die belangte Behörde ihre Ermittlungsplicht in eklatanter Weise und lassen sich derartige Verfahrensschritte keineswegs "einsparen", zumal die Einvernahme von Zeugen in solchen Fällen ganz wesentlich zur Verifizierung der Aussagen des Antragstellers beitragen können und ein Verzicht darauf wohl zu einer nicht zulässigen antizipierenden Beweiswürdigung führt. Die gegenständliche von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung ist schon aus diesem Grunde jedenfalls unschlüssig. Nebenbei bemerkt verursacht die belangte Behörde dadurch nur weiteren Aufwand, der letztlich auf das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelinstanz überwälzt werden würde.

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

2.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

2.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 28 VwGVG lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Da Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden; VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063.

Im Zuge der Prüfung der behaupteten Konversion hat es die belangte Behörde im Hinblick auf die Ermittlung der aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers unterlassen, die Personen als Zeugen der religiösen Aktivitäten des BF in Österreich zu befragen, von denen aufgrund ihres Kontaktes zum BF und des Umstandes, dass sie diesen getauft bzw. bei seine religiösen und gesellschaftlichen Aktivitäten begleitet haben, durchaus Auskünfte über das Leben und die Einstellungen des BF zu erwarten sind. Allein die Annahme, dass diese möglicherweise nur für die Konversion sprechende Auskünfte über den BF geben werden, entbindet die Behörde insbesondere dann nicht von der Ermittlungspflicht, wenn sie selbst an der Ernsthaftigkeit des Religionswechsels zweifelt. Die belangte Behörde hat, obwohl der Aufnahme weiterer Beweise keine tatsächlichen Hindernisse entgegenstanden, nur die Aussage des Beschwerdeführers zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Asylwerbers zu seiner Konversion herangezogen. Die belangte Behörde hätte in dieser konkreten Fallkonstellation jedenfalls Vertreter der Evangelischen Kirche und Glaubensgemeinschaften, bei denen er die Vorbereitung zur Taufe und des Weiteren seine Religion praktiziert zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts und somit insbesondere zur Frage der Ernsthaftigkeit der Konversion als Zeugen einvernehmen müssen. Indem die belangte Behörde dies unterlassen hat, ist ihr ein gravierender Verstoß gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 normierte amtswegige Ermittlungspflicht und sohin gegen einen tragenden Grundsatz des Verfahrensrechts unterlaufen (vergl. dazu 23.05.2017, Ra 2017/18/0028).

Die gänzliche Unterlassung dieser Ermittlungstätigkeit stellt sich für das Bundesverwaltungsgericht als krasser bzw. gravierender Verstoß gegen die Ermittlungspflicht der belangten Behörde dar.

Der belangten Behörde musste bewusst sein, dass sich die Befragung von Zeugen im gegenständlichen Verfahren zur Sachverhaltsfeststellung als notwendig erweist. Es sind also konkrete Anhaltspunkte anzunehmen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Somit hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall, wie oben dargestellt, essentielle Ermittlungen unterlassen und ist sie davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, ohne sich mit sämtlichen, hierfür notwendigen Voraussetzungen bzw. dem entsprechend relevanten Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, weswegen im gegenständlichen Fall im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung des VwGH davon auszugehen ist, dass besonders krasse bzw. gravierende Ermittlungslücken vorliegen, die eben zur Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde (das BFA) führen.

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die belangte Behörde zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B)

Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Behebung und Zurückverweisung eines angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG wegen Ermittlungsmängel konzeptionell im Wesentlichen der Bestimmung des § 66 Abs. Abs. 2 AVG (bzw. des § 41 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012). Die zu diesen Bestimmungen ergangene Judikatur ist ausführlich und auf den hier in Betracht kommenden § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG infolge seiner konzeptionellen Ausgestaltung anwendbar (vergl. z.B. 17.10.2006, Zl 2005/20/0459 und grundsätzlich zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG in Asylverfahren VwGH 21.11.2002, Zln. 2002/20/0315, 2000/20/0084 und insbesondere VwGH vom 21.06.2010, Zl. 2008/19/0379, wo der VwGH ausdrücklich einen Vergleich zwischen den beiden Normen § 66 Abs. 2 AVG und § 41 Abs. 3 ASylG 2005 - Fassung vor dem 01.01.2014 - zieht).

Schlagworte

Befragung, Ermittlungspflicht, Kassation, Konversion, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Religion, Zeugenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L509.2187635.1.01

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten