Entscheidungsdatum
04.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W189 2117522-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , Staatenlos, vertreten durch RA Dr. Farhad PAYA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2018, Zl. 1017666709-14601136, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrem Enkelsohn am 11.05.2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten beide am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz.
Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte die Beschwerdeführerin, Staatsangehörige von Aserbaidschan zu sein und etwa 25 Jahre aufgrund des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan illegal in der Ukraine gelebt zu haben. Durch die Unruhen in der Ukraine sei es jedoch für Ausländer wie sie gefährlich geworden. So seien in ihrer Nachbarschaft viele Familien von maskierten Männern mit Gummiknüppeln angegriffen worden. Sie habe auch nicht mehr so viel arbeiten können, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ihr Enkelsohn habe bei einer Demonstration auf dem Maidan teilgenommen und sei eine Rückkehr für sie lebensgefährlich.
1.2. Am 21.10.2014 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen wobei sie ein Konvolut an Unterlagen zur Vorlage brachte und angab staatenlos zu sein. Befragt, warum es, abgesehen von ihr, von jeder Person in ihrer Familie Dokumente gebe, führte die Beschwerdeführerin an, dass alle Dokumente bei ihrem später verstorbenen Mann in Aserbaidschan verblieben seien, als sie in die Ukraine gegangen sei. In Österreich habe sie ihren Enkelsohn und halte sich seit dem Jahr 2012 ihre Tochter mit ihrer Familie im Bundesgebiet auf. In der Ukraine würde eine Schwester der Beschwerdeführerin leben. Zu ihren Lebensumständen in der Ukraine befragt, gab sie an, als Marktverkäuferin gearbeitet und in einer Mietwohnung gelebt zu haben. Sie habe einen Schulabschluss und einen Abschluss der Musikschule. Nach Beendigung des Militärdienstes sei sie gemeinsam mit ihrem Enkelsohn nach Kiew gegangen, wo ein Freund beim Finden einer Wohnung behilflich gewesen sei. Mit Freunden in der Ukraine bestehe unvermindert Kontakt. Sie sei am 24.01.2014 jedoch in den Heimatort zurückgezogen, da sie in Kiew immer allein gewesen und ihr Enkel immer außer Haus gewesen sei. Im Übrigen sei die Situation da wie dort dieselbe.
Zu ihren Fluchtgründen befragt, erklärte sie, dass ihr Enkelsohn Probleme habe, da er an Demonstrationen am Maidan teilgenommen habe und sei er aus diesem Grund geschlagen worden. Auch sei die Beschwerdeführerin am 23.02.2014 auf der Straße angegriffen worden, wobei drei oder vier Leute sie dauernd nach ihrem Enkelsohn gefragt und diesen als "Nationalist" bezeichnet hätten. Am 09.05.2014 sei ihr Enkelsohn nachts nachhause gekommen und habe gemeint, sie müssten fliehen, da sie sonst getötet werden würden. Sie seien daraufhin geflüchtet. Es werde bis heute nach ihnen gesucht und viele Bekannte würden ihnen erzählen, dass Leute nach den Beschwerdeführern fragen würden. Sie habe sonst keine Fluchtgründe. Seit besagtem Vorfall habe sie Kopfschmerzen.
Befragt, wieso sie nach dem Angriff noch so lange in der Ukraine geblieben sei, meinte sie, auf ihren Enkelsohn gewartet zu haben. Sie selbst habe ja keine Dokumente für die Ausreise gehabt. Eine frühere Ausreise mit ihrem Enkel sei daran gescheitert, da dieser das Land nicht habe verlassen wollen. Für den Fall einer Rückkehr in die Ukraine befürchte sie von den genannten jungen Leuten in Polizeiuniformen getötet zu werden.
Sie habe nicht daran gedacht, in einen anderen Teil der Ukraine zu gehen, sondern habe sie zu ihrer Tochter nach Österreich wollen. In der Ukraine sei es im Übrigen sehr unruhig.
1.3. Am 02.06.2015 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergänzend befragt. Sie leide an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und legte eine Deutschkursbestätigung sowie eine fachliche Äußerung einer Psychotherapeutin vor. Abgesehen von ihrer Familie habe sie keine persönlichen Beziehungen in Österreich und stehe sie mit ihren Freunden in der Ukraine auch weiterhin in Kontakt.
Nach Erörterung von aktuellen Feststellungen zur Situation in der Ukraine und insbesondere zu Rückkehrfragen erklärte sie, Vertriebene aus der Ostukraine, die keine Ukrainer seien, hätten Probleme im Westen, da diese alle sehr national orientiert seien. Sie habe keine Dokumente gehabt, weshalb sie nie mit den Sicherheitsbehörden und der Polizei zu tun gehabt habe. Nur den Beamten der Polizeistelle ihres Wohnortes habe sie Geld bezahlt, um arbeiten zu dürfen. Mangels Dokumente habe sie sich in der Ukraine nicht frei bewegen können. Momentan werde alles von der Polizei und vom Militär kontrolliert. Es sei alles sehr teuer und es gebe keine Arbeit. Sie kenne die Lage in der Ukraine aus dem Fernsehen. In den Herkunftsort könne sie auch nicht zurückkehren. Dort würden Muslime leben und würde sie als Christin getötet werden.
1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.10.2015, Zl. 1017666709-14601136 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Ukraine festgestellt. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Nicht festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführerin den Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hätte. Auch eine sonstige Gefährdung wurde für die Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr in die Ukraine nicht festgestellt, zumal es dort soziale Anknüpfungspunkte gebe und es der Beschwerdeführerin möglich sei, sich überall in der Ukraine niederzulassen. Die Beschwerdeführerin habe aus näher dargelegten Gründen ihren illegalen Aufenthalt in der Ukraine auch nicht glaubhaft darlegen können, was insbesondere mit einer problemlosen Aus- und Wiedereinreise in die Ukraine begründet wurde.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.10.2015, Zl. 1017666502-14601128, wurde auch der Antrag des Enkelsohnes der Beschwerdeführerin vollinhaltlich abgewiesen. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass eine Einberufung zum Heer eine Bürgerpflicht und keine asylrelevante Verfolgung darstelle, zumal in der Ukraine keine Lage vorherrsche, dass aktive Soldaten dazu gezwungen werden würden, an völkerrechtswidrigen Handlungen teilzunehmen. Die Haftbedingungen, sofern der Strafrahmen ausgenutzt werden würde, würden auch nicht westlichen Standards entsprechen, aber keine Gefährdung für Leib und Leben darstellen. Die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes wurde insbesondere damit begründet, dass auch im Lichte des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers, für den Fall einer Rückkehr in die Ukraine, keine Verletzung von Art. 3 EMRK erkannt werden könne.
1.5. Der gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden wurde insofern stattgegeben, als dass sie mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2017, Zlen. W189 2117522-1/5E und W189 2117523-1/6E, behoben und zur Erlassung neuer Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurden.
2.1. Am 04.10.2017 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen, wobei sie eingangs der Befragung angab, hohen Blutdruck und Probleme mit dem Gedächtnis zu haben. Nach den Fluchtgründen gefragt führte die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass alles gleich geblieben sei. Zu ihren Verwandten in der Ukraine führte die Beschwerdeführerin an, dass ihre Schwester in Kiew leben würde, wobei sie selten Kontakt hätten, da diese krank sei. Ihre Schwester hätte noch drei Kinder, die ebenfalls dort leben würden. Weiters habe die Beschwerdeführerin eine jüngere Schwester in Armenien, zu welcher sie jedoch keinen Kontakt habe; ihr Mann sei gegen einen Kontakt, da er Aserbaidschaner sei und keine Armenier möge. Die Beschwerdeführerin selbst sei in Aserbaidschan geboren worden, habe die sowjetische Staatsangehörigkeit besessen und dort gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Eltern gelebt. Nach ihrer Flucht in die Ukraine, wo sie 25 Jahre illegal in Kharkov gelebt habe, sei sie staatenlos geworden. Sie habe keine Dokumente, die das belegen können und könne sie auch keine solchen besorgen. Sie habe in der Ukraine immer am Markt gearbeitet, wobei sie 80,- bis 100,- USD verdient habe. Die Polizei schaue da nicht genau hin, wenn man sie monatlich mit 20,- USD besteche, was die Beschwerdeführerin getan habe. Zwischendurch habe sie bei einer Freundin in einem Restaurant gearbeitet, jedoch sei die Beschwerdeführerin niemals krankenversichert gewesen. Private Ärzte habe es viele gegeben und hätte sie notfalls den Reisepass ihrer Schwester vorgelegt, wenn sie jemals ins Krankenhaus hätte gehen müssen. Diese hätte den sowjetischen Reisepass gehabt und dadurch die ukrainische Staatsangehörigkeit erlangt. Die Tochter der Beschwerdeführerin habe jedoch ebenfalls keine Dokumente; dessen Kind, der Enkelsohn der Beschwerdeführerin, sei hingegen Ukrainer, da der Nachbar sich aus Gefälligkeit als sein Vater ausgegeben habe, um dem Militärdienst entkommen zu können. Der echte Vater habe Probleme gemacht und bestehe kein Kontakt mehr zu diesem. Das sei auch der Grund, wieso die Tochter der Beschwerdeführerin nach Österreich gekommen sei. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe es nicht geschafft, in die Ukraine nachzukommen. Er habe das Haus verkaufen wollen und sei gemeinsam mit den Eltern der Beschwerdeführerin nach Armenien gegangen, wo er Ende 1989 verstorben sei. Auf die Frage, woher die Beschwerdeführerin von seinem Tod erfahren habe, gab die zu Protokoll, dass ihre Mutter sie angerufen und es ihr mitgeteilt habe. Das Haus in Aserbaidschan sei in Brand gesetzt worden und sei ihr Vater gezwungen worden, eine Urkunde zu unterschreiben, damit das Haus in den Besitz der Leute, die sie bedroht hätten, übergeht. Schließlich erneut danach gefragt, warum sie sich nie bemüht habe, Dokumente aus Aserbaidschan zu besorgen gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie es versucht habe, jedoch seien alle Nachbarn Armenier gewesen und seien sie bereits in die Ukraine geflüchtet, als ihr Mann verstorben sei. Die Beschwerdeführerin habe in Aserbaidschan jedenfalls eine Geburtsurkunde gehabt. Nach ihrem Vater befragt führte sie an, dass er die sowjetische Staatsangehörigkeit und danach wahrscheinlich die Armenische gehabt habe.
Schließlich wurden der Beschwerdeführerin die Länderberichte zur Situation in der Ukraine näher gebracht und gab sie dabei an, dass sie in der Ukraine nichts Gutes erwarten würde, da sie wegen ihres Enkelsohnes umgebracht werden könne. Dies, weil er zur Familie gehöre und immer bei ihr gelebt habe. Zur Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegnete die Beschwerdeführerin, dass es nicht ändere, da die Regierung überall die Gleiche sei.
Zu den Lebensumständen im Bundesgebiet gab der Beschwerdeführerin an, dass sie von der Grundversorgung lebe.
2.2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihr Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.) und ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, gegen sie unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen betrage.
Begründend führte die Behörde aus, dass die ukrainische Bevölkerung zwar von den Auseinandersetzungen des ukrainischen Staates mit den separatistischen Bewegungen betroffen sei, jedoch habe die Beschwerdeführerin problemlos in Kiew leben können und hätte sie sich dennoch dazu entschlossen, mit ihrem Enkel zurück nach Kharkiw zu ziehen. Es fehle ihr sohin schon an jener Verhaltensweise, die eine Person nach allgemeiner Lebenserfahrung in einer solchen Situation an den Tag legen würde, nämlich den Wohnsitz zu verlegen, anstatt unter Bezahlung eines relativ hohen Geldbetrages die Flucht ins Ausland anzutreten. Es sei auch nicht glaubhaft gewesen, dass die Beschwerdeführerin illegal mit ihrer Tochter in der Ukraine gelebt habe, zumal sie angegeben habe, dass sie die Ukraine ohne Dokument in Richtung Russland verlassen habe, um sich mit ihren Familienmitgliedern in Russland niederzulassen und später wieder in die Ukraine zurückgekehrt sei. Insgesamt betrachtet liege mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Grund für eine individuelle Bedrohung oder Gefährdung der Person der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat vor. So komme die entscheidende Behörde zu dem Schluss, dass die von ihr vorgebrachten Verfolgungsbefürchtungen nicht asylrelevant gewesen seien. Unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes sowie der diesbezüglichen Judikaturlinie des EGMR, stehe der Beschwerdeführerin eine Abschiebung Art. 3 EMRK nicht entgegen und seien andere Gründe, die gegen ihre Rückkehr sprechen würden, nicht feststellbar gewesen. Schließlich würden keine Gründe bestehen, die gegen eine Rückkehrentscheidung sprechen würden, zumal die Beschwerdeführerin illegal in das Bundesgebiet eingereist, ihr Aufenthalt lediglich aufgrund des laufenden Asylverfahrens legalisiert und keine besondere Integrationsverfestigung feststellbar sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Ukraine bei der Wiedereingliederung in die ukrainische Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenüberstehen würde. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die die Beschwerdeführerin bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
2.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig Beschwerde und wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Fluchtgründe genau erläutert, woraus sich die Staatenlosigkeit der Beschwerdeführerin ergebe. Weiters wurde vorgebracht, dass sie in der Ukraine aufgrund ihrer politischen Gesinnung verfolgt worden sei, zumal ihr Enkelsohn an den Demonstrationen am Maidan teilgenommen habe. Aus diesem Grund könne sie keinesfalls nach Kharkiw zurück. Auch würde sich die Beschwerdeführerin - insbesondere im Hinblick auf ihren gesundheitlichen Zustand, ihr Alter und den herangezogenen Länderberichten - für den Fall einer Rückkehr in eine existentielle Notlage begeben und könne von ihrer in der Ukraine lebenden Schwester keine finanzielle Unterstützung erwartet werden. Unter Berücksichtigung des langjährigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, ihrer Unbescholtenheit und der in Österreich lebenden Familie, hätte eine Rückkehrentscheidung nicht ergehen dürfen. Auch bemühe sie sich, die deutsche Sprache zu erlernen und identifiziere sie sich mit den demokratischen Werten der österreichischen Rechtsordnung. Auch sei sie arbeitsfähig und arbeitswillig. Aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung erhöhe sich die Schutzwürdigkeit des Privatlebens der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
2.5. Laut im Akt aufliegendem Schreiben hat der Enkelsohn der Beschwerdeführerin im Rahmen der freiwilligen Rückkehr das Bundesgebiet am 30.04.2018 verlassen und ist in die Ukraine zurückegehrt.
Im Verfahren vorgelegt wurden:
* Geburtsurkunden der Eltern der Beschwerdeführerin;
* Heiratsurkunde der Eltern der Beschwerdeführerin;
* Diverse Fotos;
* Schulzeugnisse;
* Parteiausweis der Schwester der Beschwerdeführerin;
* Armenische Einvernahme des Vaters der Beschwerdeführerin;
* Reisepasskopie der Mutter der Beschwerdeführerin;
* Armenische Asylbescheide der Eltern der Beschwerdeführerin;
* Sterbeurkunde des Vaters der Beschwerdeführerin;
* Bestätigung eines Freundes der Beschwerdeführerin mit Passkopie, wonach in der Ukraine nach der Beschwerdeführerin und ihrem Enkelsohn gefahndet werde;
* Medizinischer Schriftverkehr;
* Fachliche Äußerung ASPIS;
* Deutschkursbescheinigung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Beschwerdeführerin, beinhaltend die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.05.2014, die niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.10.2014 und am 02.06.2016 sowie am 04.10.2017, durch die im Akt aufliegende Ausreisebestätigung vom 03.05.2018 hinsichtlich des Enkelsohnes der Beschwerdeführerin und schließlich durch Einsicht in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS und IZR sowie durch Einsichtnahme in das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine.
1. Feststellungen:
1.1. Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin staatenlos ist und ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Ukraine hatte. Sie ist in Aserbaidschan geboren worden und aufgewachsen, wo sie die Schule besucht hat und gemeinsam mit ihren Eltern und Ehemann lebte. Im Jahr 1989 flüchtete die Beschwerdeführerin in die Ukraine, wo sie 25 Jahre und bis zu ihrer Flucht, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Sie ist Zugehörige der Volksgruppe der Armenier und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Beschwerdeführerin spricht die Sprachen Russisch und Armenisch. Ihre Identität steht nicht fest.
Die Beschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise am 11.05.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin in der Ukraine eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht. Die Beschwerdeführerin kann auch in Kiew leben, wo sie sich auch in der Vergangenheit niedergelassen hat und wo die Lage ruhig ist. Naheliegend ist, dass sie den Herkunftsstaat aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage verließ.
Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.
Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Die Beschwerdeführerin leidet nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit. Sie wurde in der Vergangenheit gynäkologisch behandelt, hat Bluthochdruck - weswegen sie Medikamente (Norvasc 5 und Candesartan) einnimmt - und leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, welche ebenfalls behandelt wurde.
Im Bundesgebiet lebt die Tochter der Beschwerdeführerin, welche sich im Asylverfahren befindet und verfügt diese über kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Der Enkelsohn der Beschwerdeführerin reiste im Rahmen der freiwilligen Rückkehr am 30.04.2018 aus dem Bundesgebiet aus.
Die unbescholtene Beschwerdeführerin hält sich seit ihrer illegalen Einreise im Mai 2014 durchgehend im Bundesgebiet auf und besuchte einen Deutschkurs (Alphabetisierungs- und Grundkurs). Die Beschwerdeführerin ist nicht Vereinsmitglied, besucht keine Schule oder sonstigen Kurse, lebt von der Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Eine überdurchschnittlich fortgeschrittene Integration konnte nicht festgestellt werden. Im Herkunftsstaat lebt jedenfalls der Enkelsohn der Beschwerdeführerin, welcher das Bundesgebiet nach rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens am 30.04.2018 freiwillig verlassen hat und in die Ukraine zurückkehrte. Auch lebt eine Schwester der Beschwerdeführerin sowie dessen drei Neffen in der Ukraine, die in Kiew wohnhaft sind. Überdies verfügt die Beschwerdeführerin über Freunde und Bekannte in der Ukraine.
Die Beschwerdeführerin wurde in der Vergangenheit beim Diebstahl gemäß § 127 StGB auf frischer Tat betreten und war sie der Tat geständig.
1.3. Zum Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)
Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).
Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).
Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).
Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).
Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €
an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).
Quellen:
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DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,
http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017
-
DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017
-
DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,
http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,
https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017
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UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017
Politische Lage
Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):
Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)
142
Volksfront (Narodny Front)
81
Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)
43
Selbsthilfe (Samopomitsch)
26
Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)
20
Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)
20
Gruppe Wolja Narodu
19
Gruppe Widrodshennja
24
Fraktionslose Abgeordnete
48
(AA 2.2017a)
Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).
Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).
Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017
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DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,
http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017
Sicherheitslage
Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).
Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).
Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).
Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon
9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).
Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017
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AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
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AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017
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ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine
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USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017
Halbinsel Krim
Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:
Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).
Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.
a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).
Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).
Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).
Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).
Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).
Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).
Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).
Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).
Quellen:
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17