TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/4 W265 2190102-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.09.2018
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Entscheidungsdatum

04.09.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W265 2190102-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Rainer GEISSLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.02.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass

zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" im Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin beantragte am 11.07.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass. Dazu brachte sie ein Konvolut an medizinischen Befunden in Vorlage.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 15.11.2017 basierenden Gutachten vom 05.02.2018 wurde folgendes Begutachtungsergebnis medizinisch festgestellt:

"Anamnese:

Operationen: Tonsillektomie und Appendektomie ohne Folgeschaden, Wirbelsäulen-Läsion seit 30 Jahren, Bandscheibenoperation im Lendenwirbelsäulensegment 1991 im SMZ Ost L4/L5 rechts, postoperative Besserung insbesondere Besserung der Miktionsbeschwerden, Beschwerden: Schmerzen im Lendenwirbelsäulensegment, Infiltrationen auch CT-gezielte Punktion (Facettenblockade) an der Schmerzambulanz des WSP zuletzt vor 3 Monaten, keine orale Medikation,

Arthroskopie des rechten Kniegelenkes wegen lateralen Meniskusschaden, Teilmeniskektomie per Arthroskopie 2015 im Wilhelminenspital, zufriedenstellendes Ergebnis, selten Beschwerden,

Vorgutachten 1995 wegen schubhaft verlaufender Encephalitis disseminata: 50 % Diagnosestellung einer Multiple Sklerose 1992 mittels MRT, eine Lumbalpunktion wurde 1995 durchgeführt, Beschwerden: Gangataxie mit Einschränkung der Gehleistung auf ca. 300 Metern dann muss sich die Antragwerberin niedersetzen, manchmal wird auch ein Stock als Gehhilfe verwendet, weitere Symptomatik:

Müdigkeit, Belastungsstörung, unter Rücksichtnahme des Arbeitgebers und der Kollegen kann der Beruf als Diplomkrankenschwester im Tagesdienst ausgeübt werden, es werden keine längeren Krankenstände berichtet, für längere Wegstrecken verwendete Antragwerberin ein Auto, Medikation: Gilenya 0,5 1-0-0, Lioresal 10 1-0-0, Lioresal 25 0-0-0-1, es besteht eine depressive Grundstimmung, die die Antragwerberin im Griff hat und dafür keine Medikamente anwenden müssen, letzter Rehabilitationsaufenthalt in XXXX 10/2017 über 3 Wochen,

Hypothyreose seit Jahren, Substitutionstherapie mit Euthyrox 50 1-0-0, unter Therapie euthyreote Stoffwechsellage,

plantarer Fersensporne rechts, derzeit Behandlung mit Röntgenleichtbestrahlung durch die radioonkologischen Abteilung des WSP, es sind 10 Sitzungen geplant,

Bluthochdruck seit 20 Jahren, Medikation: Valsartan HCT 320/25 1-0-0, ThAss 100 1-0-0, Iterium 1 1-0-1, unter Therapie normales Blutdruck-Verhalten, keine Adaptationszeichen dokumentiert,

Psoriasis vulgaris mit Befall der Ellbogenstreckerseiten und beider lateraler Oberschenkel, Lokaltherapie wird angewendet,

Hyperlipidämie seit Jahren, Medikation: Atorvastatin 10 0-0-1,

Cholezystolithiasis als Zufallsbefund, es wurden 3 jeweils 2cm durchmessende Gallensteine nachgewiesen, derzeit keine signifikante Klinik, kein einschlägiges Therapieerfordernis, keine Operationsindikation, guter Ernährungszustand,

Nik: 0 seit 1992, früher 30/d, Alk: selten, P: 0,

Derzeitige Beschwerden:

Gangunsicherheit, manchmal wird ein Stock als Gehhilfe verwendet, die Gehstrecke von 300m ist zu bewältigen, für längere Wegstrecken benötigt die Antragwerberin eine Gehhilfe, EDSS: 4,5

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Gilenya 0,5, Lioresal 10, Lioresal 25, Euthyrox 50, Valsartan HCT 320/25, ThAss 100, Iterium 1, Atorvastatin 10,

Sozialanamnese:

erl. Diplomkrankenschwester, derzeit als Ambulanzschwester an der Schmerzambulanz des WSP tätig, kein Wechseldienst, keine längeren Krankenstände, ledig, keine Kinder, Lebensgemeinschaft, Antragwerberin lebt in einer Wohnung im Erdgeschoss, zum Erreichen der Wohnung müssen 9 Stufen überwunden werden, kein Pflegegeld

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Allgemeiner Befund der neurologischen Abteilung des XXXX vom 12.10.2017/Diagnose: Multiple Sklerose, schubförmige Verlauf, und seit 1992, EDSS = 4,5, Gehstrecke: 300m,

Abschlussbericht der Klinik XXXX vom 02.10.2017/Diagnosen: Multiple Sklerose, Erstdiagnose 1992, EDSS = 4,5, essenzieller Hypertonie, Hyperglykämie, Hyperlipidämie, Hyperurikämie, frühere Erkrankungen:

St. p. Diskusprolaps L4/5, Operation 2001, St. p.

arthroskopielaterale Meniskus rechts 07/2015, St. p. Appendektomie und Tonsillektomie, Gehstrecke 300 m möglich, medikamentöse Therapie: Gilenya 0,5 1-0-0, Iterium 1 1-0-1, Valsartan/HCT 320/25 1-0-0, Lioresal 10 1-0-0-2,5, Valsartan 320 0-0-1, Oleovit D3 gtt 70 gtt/Woche,

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

guter Allgemeinzustand

Ernährungszustand:

guter Ernährungszustand

Größe: 160,00 cm Gewicht: 96,00 kg Blutdruck: 140/90

Klinischer Status - Fachstatus:

Sauerstoffsättigung der Raumluft: pO2: 97 %, Puls: 89/min, keine Ruhedyspnoe

Kopf: Zähne: lückenhaft, teilsaniert, Gleitsichtbrille, Sensorium frei, Nervenaustrittspunkte unauff.,

Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o.B.,

Thorax: symmetrisch,

Herz: normal konfiguriert, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche,

Lunge: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, son. Klopfschall,

Wirbelsäule: endlagige Einschränkung der Rotation der Halswirbelsäule, Kinn-Jugulum- Abstand 2cm, rechtskonvexe Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule, Hyperlordose der Lendenwirbelsäule, Fingerbodenabstand 20cm, thorakaler Schober 30/33cm, Ott: 10/13cm, Hartspann der Brust- und Lendenwirbelsäule,

Abdomen: weich, über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, blande Narbe nach Appendektomie,

Nierenlager: beidseits frei,

obere Extremität: frei beweglich bis auf endlagige Elevationsstörung beider Arme, an beiden Ellbogenstreckerseiten kleinpustulöses Psoriasisbefall, Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff möglich,

untere Extremität: frei beweglich, geringe Störung der Feinmotorik an beiden Beinen, blande Narbe nach Arthroskopie des rechten Kniegelenkes bei festem Bandapparat und freie Beweglichkeit, Umfang des rechten Kniegelenkes: 45cm (links: 46cm), keine signifikante Involutionsatrophie der Unterschenkelmuskulatur, Umfang des rechten Unterschenkels: 40cm (links: 39,5cm), keine Ödeme, keine trophischen Hautstörungen, Reflex lebhaft auslösbar, Babinski negativ, Zehenballen- und Fersengang möglich,

Gesamtmobilität - Gangbild:

leicht unsicheres Gangbild, keine Gehhilfe erforderlich, verwendet einen Stock zur Sicherung,

Status Psychicus:

zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, normale Kommunikation möglich

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

schubhaft verlaufende Form einer Encephalitis disseminata unterer Rahmensatz, da leichte Gangataxie bei einwandfrei nachgewiesener Herdbildung; inkludiert eine Begleitdepression,

04.08.02

50

2

degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Zustand nach erfolgreicher Bandscheibenoperation im Segment L4/L5, Zustand nach CT-gezielte Facettenblockade oberer Rahmensatz, da nachvollziehbare Symptomatik ohne Erfordernis einer analgetischen Dauertherapie und geringe Funktionseinschränkung

02.01.01

20

3

mäßiger Bluthochdruck fixer Rahmensatz

05.01.02

20

4

Zustand nach arthroskopische Teilmeniskektomie rechts unterer Rahmensatz, da intermittierende Beschwerden ohne nachweisbare Funktionsstörung

02.05.18

10

5

Schilddrüsenunterfunktion unterer Rahmensatz, da mit Substitutionstherapie euthyreote Stoffwechsellage erzielt werden kann

09.01.01

10

6

plantarer Fersensporne rechts fixer Rahmensatz

02.05.40

10

7

Psoriasis vulgaris fixer Rahmensatz, Wahl dieser Position da geringe Ausbreitung und therapeutisch gut beherrschbar

01.01.01

10

Ergebnis der

durchgeführten Begutachtung:

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden unter lf. Nr. 1) wird durch die Gesundheitsschädigung unter lf. Nr. 2) bis 7) nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Übergewicht, erhöhter Blutfett- und Harnsäurespiegel stellen zwar einen Risikofaktor dar, erreichen jedoch keinen Grad der Behinderung.

Cholezystolithiasis ohne Therapieerfordernis und ohne Operationsindikation erreicht bei gutem Ernährungszustand keinen Grad der Behinderung.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Hinsichtlich der bereits anerkannten Gesundheitsschädigung unter lf. Nr. 1) ergibt sich kein abweichendes Kalkül. Durch die neu aufgenommenen Leiden unter lf. Nr. 2) bis 7) ist keine Änderung der Gesamteinschätzung gerechtfertigt.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Keine

X Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine, da die anerkannten Gesundheitsschädigungen keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge haben. Im Gutachten wurde festgestellt, dass bei der AW keine höhergradige Funktionsstörung der unteren Extremitäten vorliegt. Es finden sich im klinischen Befund keine signifikanten motorischen Ausfälle. Wie auch in den vorliegenden objektiven medizinischen Befunden beschrieben kann die AW auch unter Zuhilfenahme eines Stockes eine kurze Wegstrecke von 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Von dem anerkannten Leiden unter lf. Nr. 1) geht keine hochgradige Schwäche mit einer Belastungsstörung aus, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein, da keine erhebliche Einschränkung des Immunsystems durch objektive medizinische Befunde belegt wird."

Unter Zugrundelegung dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens wurde der Beschwerdeführerin am 06.02.2018 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Hingegen wies die belangte Behörde mit angefochtenem Bescheid vom 07.02.2018 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab. Begründend stützte sich die belangte Behörde in diesem Bescheid auf das Gutachten vom 05.02.2018, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung mit E-Mail vom 19.03.2018 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass in den bereits vorgelegten Befunden stehe, die Beschwerdeführerin sei aufgrund ihrer stark fluktuierenden Gehleistung auf 200 - max. 200 Meter reduziert. Neben der Gehstrecke stehe vor allem ihre Gangunsicherheit im Vordergrund, weshalb sie nicht mehr in der Lage sei in Bussen oder Straßenbahnen ein- und auszusteigen. Die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet Neurologie wurde angeregt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde in der Folge die neuerliche Begutachtung der Beschwerdeführerin durch eine Fachärztin für Neurologie veranlasst. Folgen Fragen wurden herangetragen:

"Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m anzunehmen.

Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

1) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

2) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit LVEF unter 30%

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden

> Es wird ersucht auszuführen, in welchem Ausmaß sich die festgestellten Leidenszustände nach ihrer Art und Schwere - auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel) auswirken.

> Auch ist zu allfälligen Schmerzzuständen (Art und Ausmaß) Stellung zu nehmen, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen.

> Sofern aus medizinischer Sicht zumutbare therapeutischen Optionen oder Kompensations-möglichkeiten betreffend die festgestellten Leidenszustände gegeben sind, sind diese darzulegen.

Bitte ausführlich begründen, wenn eine Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt.

3) Ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin Abl. 55-58, vorgelegte Befunde Abl. 14-28

4) Stellungnahme zu allf. von den angefochtenen Gutachten Abl. 38-45 abweichenden Beurteilungen.

5) Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

6) Wurden im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung Befunde vorgelegt, welche der Neuerungsbeschränkung unterliegen?

Wenn ja, Stellungnahme, ob aus den neu vorgelegten Befunden eine andere medizinische Beurteilung abzuleiten wäre."

Das auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierende Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 07.06.2018 sei hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben:

"Anamnese:

59 Jahre alte Frau, die in Begleitung ihres Lebenspartners zur Untersuchung kommt. Sie sei noch in einem aufrechten Dienstverhältnis als Krankenschwester im Wilheminenspital, in der Schmerzambulanz tätig, was sie noch schaffe, da sie dort sitzen könne und auch nur Tagdienste machen müsse. Keine Nachtdienste mehr. Ihr Partner sei schon in Pension. Keine Kinder.

Frühere Erkrankungen:

+ AE, TE, Psoriasis

+ CHE 3.5.2018

+ Niercencyste

+ Diskus-Operation L4/5

+ Stenose der arteria carotis (50 %)

+ Hypertonie

+ Multiple Sklerose seit 1 992, erstes Symptom Sturz, dann schubhaft, die erste Zeit nur Schübe, die letzten 10 Jahre chronisch progredient geworden. Seit Jahre benötigt sie zur Sicherheit einen Gehstock, seit einigen Monaten 1 Krücke rechts. Sonst auch Walking Stöcke.

Symptome: Augensymptome. Dann auch Bamstigkeit vor allem rechts, Zehe und Fuß. Auslassen des Fußes rechts. Tysabri, dann Antikörper entwickelt. Copaxone, BetaInterferon 15 Jahre lang. Derzeit Gilenya 0,5 mg lxl .

Vegetativ: Größe: 1 63 cm Gewicht: ca. 95 kg Nikotin: O Alkohol:

gelegentlich. Drogen: O

Medikamentöse Therapie:

Thrombo Ass 100 mg 1, Iterium 1 mg Valsartan/hct 1 mg 1, Atorvastatin 10 mg 1, Euthyrox 100 yg 1/2, Gilenya 0,5 mg 1, Lioresal 10 mg 1, Lioresat 25 mg 1 abends, Hydal retard 2 mg 2x1, Lyrico 50 mg 1, Lyrica 75 mg 1 abends.

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Im Bereich der oberen Extremitäten, Kraft rechts 4-5, links besser, Koordination rechts dysmetrisch, Reflexe rechts gesteigert, Sensibilität rechts bamstig, links weitgehend unauffällig. An den unteren ebenfalls rechts Reflexsteigerung, Kraft 3-4, links 4, Koordination beidseits gestört, rechts mehr als links. Sensibilität rechts mehr als links Dys- und Parästhesien. Babinski positiv rechts. Romberg ungerichtete Unsicherheit. Unterberger nicht durchführbar. Zehenstand und Fersenstand wegen Unsicherheit nicht möglich. Gangbild im Zimmer (ca. 4 Meter) unsicher und leicht ataktisch, rasch ermüdend.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht.

Befindlichkeit ausgeglichen, freundlich, kooperativ. In alle Richtungen gut mitschwingend.

Stabil. Keine Suizidalität.

Beantwortung der gestellten Fragen, die bitte dem Akt zu entnehmen sind:

1. Es liegen erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten vor.

Beschwerdeführerin (BF) leidet seit 1992 an Multipler Sklerose, die sich von einem schubhaften Verlauf in den letzten Jahren zu einer chronisch progredienten Form entwickelt hat. In den letzten Jahren hat die Krankheit einen derartigen Verlauf genommen, dass BF nicht mehr in der Lage ist, eine Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ohne Pause und ohne übergroße Schmerzen zurückzulegen. Auch ist sie nicht mehr in der Lage ausreichend sicher in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen. Auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht mehr gewährleistet, da die Standsicherheit nicht gegeben ist und auch das Anhalten ist wegen der Schwäche der oberen Extremität nicht ausreichend sicher möglich.

2. Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit liegen nicht vor.

3. Stellungnahme zu den Einwendungen der BF:

AB 55-58: In dem Beschwerdeschreiben verweist BF auf verschiedene Gründe, die dafür sprechen, warum sie die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benützen kann und zitiert Befunde.

Antwort:

Im Befund von XXXX vom 2.10.2017 steht unter anderem "nach wie vor ist das Gleichgewichtsgefühl reduziert, ebenso die Gangausdauer, die Ziele wurden damit teilweise erreicht, die Gangsicherheit und die Ausdauer sind allerdings nach wie vor reduziert. Beim Gehen sind noch eine Circumduktion rechts sowie eine reduzierte Schritthöhe auffällig. Die Ziele konnten teilweise erreicht werden.

AB 14-28: Einerseits Befund des Aufenthalts in XXXX vom 2.10.2017, so wie in obiger Antwort beantwortet. Andererseits Befund des XXXX

Neurologische Abteilung vom 12.10.2017, mit folgendem Status:

"Gehleistung maximal 200 bis 300 Meter mit starken Tagesschwankungen", weiteres "bei Frau XXXX besteht seit 25 Jahren eine schubförmige MS mit inzwischen zumindest mittelschwerer Behinderung, einem EDSS von 4,5 entsprechend. Die stark fluktuierende Gehleistung ist auf 200 bis maximal 300 Meter reduziert, neben der Gehstrecke ist jedoch vor allem die Gangunsicherheit im Sinne einer Rumpfataxie stark ausgeprägt."

Antwort:

Dies deckt sich mit meinem erhobenen Status.

4. Der heute erhobene Befund weicht vom Gutachten vom 15.11.2017 (Anmerkung: Untersuchung, Datum richtig: 05.02.2018) ab, da Beschwerdeführerin mit oder ohne Verwendung von Hilfsmitteln erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten aufweist durch Schwäche der rechten Extremität und Schmerzen, sowie durch Ataxie und dadurch bedingte Unsicherheit. Die Grunderkrankung bedingt eine rasche Ermüdbarkeit und Erschöpfung, sodass die 200 bis 300 Meter, wenn überhaupt, nicht ohne Pausen und auch nicht ohne große Schmerzen zurückgelegt werden können.

5. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

6. Nein."

Beide Parteien wurden mit Schreiben vom 10.07.2018 über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und es wurde innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Innerhalb der zweiwöchigen Frist langte beim Bundesverwaltungsgericht keine Stellungnahme der Parteien ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses.

Sie brachte am 11.07.2017 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.02.2018 wurde dieser Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass abgewiesen.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt nicht zumutbar.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, den wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 07.06.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründet sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 07.06.2018, in dem sich die medizinische Sachverständige umfassend und nachvollziehbar mit der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten Befunde und Gutachten, insbesondere mit den im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde, auseinandergesetzt hat. Die Gutachterin kommt zum Ergebnis, dass im Fall der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten vorliegen. Die Beschwerdeführerin leidet seit 1992 an Multipler Sklerose, die sich von einem schubhaften Verlauf in den letzten Jahren zu einer chronisch progredienten Form entwickelt hat. In den letzten Jahren hat die Krankheit einen derartigen Verlauf genommen, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Lage ist, eine Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ohne Pause und ohne übergroße Schmerzen zurückzulegen. Auch ist sie nicht mehr in der Lage ausreichend sicher in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen. Auch der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht mehr gewährleistet, da die Standsicherheit nicht gegeben ist und auch das Anhalten ist wegen der Schwäche der oberen Extremitäten nicht ausreichend sicher möglich.

Dieses neurologische Sachverständigengutachten vom 07.06.2018 blieb von der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs unbestritten; es wird in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Der Vollständigkeit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.02.2018 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

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Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

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arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

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Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

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hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

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Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

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COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

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Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

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mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

..."

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Unter Zugrundelegung des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ergänzenden neurologischen Sachverständigengutachtens vom 07.06.2018, das sich mit der dauerhaften Mobilitätseinschränkung der Beschwerdeführerin und ihrer Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise auseinandersetzt, ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" im Sinne des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen im Fall der Beschwerdeführerin aktuell wegen Vorliegens erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen, weil die Krankheit der Beschwerdeführerin (Multiple Sklerose) einen derartigen Verlauf genommen hat, dass sie nicht mehr in der Lage ist, eine Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ohne Pause und ohne übergroße Schmerzen zurückzulegen. Ebenso wenig ist sie nicht mehr in der Lage ausreichend sicher in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen. Auch der sichere Transport ist einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht mehr gewährleistet, da die Standsicherheit nicht gegeben ist und auch das Anhalten ist wegen der Schwäche der oberen Extremität nicht ausreichend sicher möglich.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

Die genannte Zusatzeintragung im Behindertenpass wird daher in weiterer Folge vo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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