TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/6 W217 2195065-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2195065-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER L.L.M, sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, gegen die Beschwerdevorentscheidung des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.04.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (in der Folge: BF) beantragte mit am 04.10.2017 eingelangten Antrag beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) die Ausstellung eines Behindertenpasses, die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in diesen sowie die Ausstellung eines Parkausweises.

2. Im von der belangten Behörde hierzu eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.02.2018, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, wurde von DDr. XXXX, Fachärztin für Orthopädie, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Anamnese:

Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Valgusgonarthrose

Zustand nach 5x Facetteninfiltration und Denervierung L3 bis S1 rechts

Diabetes mellitus Typ 2, zuletzt HbA1c 5,7 %

Derzeitige Beschwerden:

‚Das Stehen, Stiegensteigen und Gehen ist ein Problem, ich koche im Sitzen, kann keine Stiegen steigen vor allem wegen der Kniegelenke. Eine Operation wurde nicht empfohlen, da die postoperative Rehabilitation bei Wirbelsäulenproblemen eingeschränkt ist. Hatte bereits fünfmal eine Facettengelenksinfiltration, hat keine Besserung gebracht. Es wurde bereits ein Rollstuhl genehmigt. Gehe teilweise mit Rollator, hergekommen bin ich mit einem Gehstock, wurde mit dem Auto von einem Bekannten gebracht, er hat mich bis zum Ordinationsraum begleitet.'

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Metformin, Urosin, Diltiazem, Iterium, Indapamid, Agopton, Atorvastatin, Mexalen, Novalgin, Oleovit, Tramabene, Telmisartan, Folsan.

Allergie: Schalentiere

Nikotin:0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX (Sohn)

Sozialanamnese:

Verwitwet, 2 Söhne, lebt in Wohnung im 2. Stockwerk mit Lift alleine.

Berufsanamnese: Pensionistin, zuvor Geschäftsführerin einer Modekette

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Pflegegeldgutachten vom 3. 5. 2017 (Allgemeine Schwäche, degenerative Veränderungen des Stütz-und Bewegungsapparates, Valgusgonarthrose, Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2, Nephropathie Grad III, Bluthochdruck. Sie könne nur wenige Schritte gehen und brauche ständig den Rollstuhl)

Bericht Dr. XXXX, Facharzt für Anatomie, 24. 1. 2017 (Meine Mutter, Frau XXXX ist seit Jahren in meiner regelmäßigen Behandlung; neben Infiltrationen, maueller Therapie und Akupunktur und Magnetfeldtherapie versuche ich, sie, den Umständen entsprechend, möglichst mobil zu halten, um im häuslichen Bereich unter Zuhilfenahme des Rollators autonom leben zu können. Es bestehen generalisierte Osteophyten, Randzacken und Neuroforaminaeinengungen in mehreren WS-abschnitten sowie eine beidseits stark ausgeprägte Gonarthrose/Coxarthrose bei de facto irreversiblen Fußdeformitäten. Von ärztlicher Seite wäre ein Rehabaufenthalt mit intensivier Therapie fraglos sehr vorteilhaft, eben um den möglichst autonomen Lebensbereich auch in Hinkunft zu gewährleisten.)

Nachgereichte Befunde:

Bericht Diabetesambulanz XXXX Krankenhaus vom 29. 5. 2017 (HbA1c 5,7 %, Augenkontrolle unauffällig.)

Bericht orthopädische Abteilung Krankenhaus XXXX vom 17. 5. 2013

(Facettendenervierung L3 bis S1 bei Lumbalgie, Valgusgonarthrose beidseits)

Bericht XXXX vom 26. 11. 2017 (schwere Valgusgonarthrose beidseits, Coxarthrose bds., Lumbalgie, Zustand nach Facetteninfiltration und Denervierung L3 bis S1 rechts)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut, 79a

Ernährungszustand: sehr gut

Größe: 165,00 cm Gewicht: 97,00 kg Blutdruck: 140/90

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse zeigt mäßige Valgusstellung der Kniegelenke. Annähernd symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, mäßig Ödeme beide Unterschenkel, keine sichtbaren Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Hüftgelenke beids.: kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz.

Kniegelenke beids.: deutliche Umfangsvermehrung, keine wesentliche Überwärmung, Krepitation, Patella deutlich verbacken, stabil.

Sprunggelenke beidseits: geringgradig Druckschmerzen, geringgradige

Umfangsvermehrung bei distalen Unterschenkelödemen, geringgradige Valgusstellung.

Senkspreizfuß beidseits.

Massiv Hallux valgus beidseits

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S 0/90, IR/AR 20/0/20, Knie 0/10/95, Sprunggelenke annähernd frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, mäßig verstärkte Kyphose der BWS, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Deutlich Hartspann paralumbal. Klopfschmerz über der unteren LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen annähernd frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 0 cm, in allen Ebenen annähernd frei beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock in Begleitung, das Gangbild mit Gehstock ist vorgeneigt, verlangsamt, Schrittlänge verkürzt, behäbig. Barfußgang im Untersuchungszimmer ohne Gehhilfe mit teilweisem Anhalten ist verlangsamt, Schrittlänge verkürzt, insgesamt jedoch sicher und raumgewinnend möglich, Wendemanöver unauffällig, sicher.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Valgusgonarthrose beidseits Wahl dieser Position, da deutlich eingeschränkte Streck- und Beugefähigkeit

02.05.21

40

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Unterer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden und Zustand nach mehrmaliger Facetteninfiltration, jedoch gute Beweglichkeit und kein Hinweis für neurologisches Defizit.

02.01.02

30

3

Diabetes mellitus Typ II, nicht insulinpflichtig 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Diät und medikamentöse Therapie für ausgeglichene Stoffwechsellage erforderlich.

09.02.01

20

4

Bluthochdruck

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Leiden 3 und 4 erhöhen nicht, da kein ungünstiges Zusammenwirken mit führendem Leiden 1 besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Hüftgelenke: keine funktionelle Einschränkung feststellbar.

(...)

X Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme der Wirbelsäule und Kniegelenke im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels, zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. Die behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung eines Rollators zum Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden nicht begründbar. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein"

3. Mit Bescheid vom 08.02.2018 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, welches ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

4. In ihrer Beschwerde vom 18.02.2018 führte die BF aus, dass sie keine 300-400 m, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels, zurücklegen könne.

5. Die bereits befasste Fachärztin für Orthopädie führt in ihrer hierauf von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahme Folgendes aus:

"Antwort(en):

Beschwerde vom 18.02.2018 (2004 wegen Schmerzen beim Gehen in den beiden Knien und in der Lendenwirbelsäule Treppenlift in den 2. Stock installiert, mit Rollator Einkäufe für den täglichen Bedarf selbstständig tätigen sei möglich, sie benötige aber einen Behindertenparkplatz. Sie könne keine 300-400 m gehen, sei mit Rollstuhl mobil, Ende Jänner 2018 sei von der XXXX Gebietskrankenkasse ein elektrischer Rollstuhl genehmigt worden.

Eine Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei ihr seit über 20 Jahren nicht mehr möglich. Dies nicht nur wegen des Zustands beider Knie und der LWS, sondern auch wegen der nicht ausreichend vorhandenen Kraft der Arme zum Hochziehen bei einem Geländer.

Eine Operation der Kniegelenke sei nicht mehr möglich.

Sie sei sehr wohl auch überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen.)

Folgende Dokumente werden vorgelegt:

Mietvertrag Fa. XXXX vom 25.01.2018 (Rollstuhl laut VO XXXX)

Bestätigung für Finanzamt, Bundespolizeidirektion, vom 20.12.1994 (GdB 70%, Diät wegen chron. Gelenksentzündung der rechten Hüfte, erhöhter Blutdruck. Gehbehindert)

Befund CT-gesteuerte Facettenblockade L3/4, L4/5 und L5/S1 re. vom 30.05.2012

(Theraphieresistente pseudoradikuläre Schmerzsymptomatik bei aktiviertem Facettensyndrom)

Gutachten über die Abnahmeprüfung der Aufzugsanlage für behinderte Personen vom 22.03.2017

Röntgen LWS und Beckenübersicht vom 27.02.2004 (Höhergradige Spondylosis deformans, Bandscheibenschädigungen Th 10 - S 1. Ventrales Wirbelgleiten bei L 3/L 4. Spondylarthrose L 3 - S 1 mit Gelenksspaltverschmälerung, subchondraler Sklerosierung und groben Randzacken bei L 4 und L 5. Coxarthrose bds. mit Pfannendachsklerose und teilweise groben Wulstbildungen an den Pfannenerkern. Der Hüftgelenksspalt bds., rechts deutlicher als links, verschmälert.

Ausgeprägte Gonarthrose mit Abflachung der Condylen und Sklerosierung der Gelenkslinien. Der Kniegelenksspalt bds. vor allem lateral deutlich verschmälert, hier sieht man grobe chondromatöse Anlagerungen an den Gelenksrändern (Meniscopathie).

Retropatellararthrose mit groben Zacken an der Patellahinterfläche sowie Exostosenbildungen an den Femura.)

Attest Dr.XXXX vom 27.02.2004

Stellungnahme:

Nach nochmaliger Durchsicht sämtlicher vorgelegter Dokumente und des Ergebnisses der klinischen Untersuchung vom 18.01.2018 wird an der getroffenen Beurteilung festgehalten.

Es liegt weder ein aktueller Befund der bildgebenden Diagnostik über höhergradige degenerative Veränderungen vor noch liegen Befunde über regelmäßige fachärztliche Behandlungen vor. Es konnte bei der Untersuchung am 18.01.2018 zwar mit Gehstock ein vorgeneigtes, verlangsamtes behäbiges Gangbild mit Verkürzung der Schrittlänge festgestellt werden. Barfußgang im Untersuchungszimmer war ohne Gehhilfe mit teilweisem Anhalten verlangsamt, insgesamt sicher und raumgewinnend möglich, Wendemanöver unauffällig und sicher. Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten, liegen jedoch nicht vor.

Die Gesamtmobilität ist ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels, zum Beispiel eines Gehstock, zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich.

An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen nicht erheblich erschwert ist.

Die behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung eines Rollators oder Rollstuhls zum Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden und auch durch die nachgereichten Dokumente nicht ausreichend begründbar."

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.04.2018, OB: XXXX, wurde die Beschwerde der BF abgewiesen. Hierauf beantragte die BF fristgerecht die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht und führte aus, es sei ihr nicht möglich, mehr als 100 m mit dem Rollator und 20 kleine Schritte mit dem Stock zu gehen. Ihre unteren Extremitäten seien erheblich, die körperliche Belastbarkeit, bedingt durch Schmerzen und Übergewicht, sehr eingeschränkt, selbst bei kurzen Strecken brauchen sie eine Begleitperson. Bei öffentlichen Verkehrsmitteln brauche sie beim Ein- und Aussteigen eine Hilfe. Sie könne keine Stiegen steigen.

7. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 14.5.2018 ein.

8. In der Folge holte das Bundesverwaltungsgericht ein weiteres Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, ein. Dr. XXXX, Facharzt für Unfallchirurgie, führt in seinem orthopädischen Sachverständigengutachten vom 25.06.2018 Folgendes aus:

(...)

Vorgelegte, neue orthopädisch/unfallchirurgisch relevante Befunde:

Röntgen DZ XXXX 17.4.2018: rechter Daumen: hochgradige Rhizarthrose

Gesamte Wirbelsäule: Osteopenie; Fehlhaltung; Osteochondrosen C4-7,

thoracale und lumbale Osteochondrosen, p.m. L5/S1.

Geringe bis mäßige Coxarthrose beidseits

Valgusgonarthrose beidseits, rechts deutlicher als links,

Femoropatellararthrose.

Bilder mitgebracht, wurden eingesehen.

Relevante Anamnese:

Aufbraucherscheinungen des Bewegungs- und Stützapparates.

Keine Operationen Wirbelsäule, Hüfte- oder Kniegelenke.

Facetteninfiltration, Denervierung L3-S1.

Jetzige Beschwerden:

Medikation: Urosin, Diltiazem, lterium, Agopton, Novalgin, Telmisartan, Metformin, Vitoza, Atorvastatin.

Sozialanamnese: verwitwet, zwei Kinder; in Pension.

Wohnung mit Lift; Autofahren ist ihr möglich.

Allgemeiner Status:

165 cm grosse und 97 kg schwere Frau in gutem Allgemein- und Ernährungszustand.

Thorax symmetrisch.

Relevanter Status:

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 45-0-45, F 10-0-10, KJA 1 cm, Reklination 14 cm.

Gering verstärkte Brustkyphose, BWS-drehung 25-0-25,

FKBA 20 cm, Seitneigung bis 10 cm ober Patella. Druckschmerz lumbal.

Obere Extremitäten:

Schultern in S 30-0-170, F 170-0-40, R 70-0-70, Ellbögen 0-0-130, Handgelenke 50-0-55, Faustschluß beidseits möglich. Druckschmerz beide Daumensattelgelenke, rechts mehr als links.

Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenke in S 0-0-95, F 20-0-20, R 20-0-10, Kniegelenke in S rechts 0-5-110 zu links

0-10-105, bandfest, reizfrei.

Sprunggelenke 15-0-45. Senkspreizfuß, Hallux valgus beidseits.

Schwellung beide Unterschenkel.

Gangbild/Mobilität:

Wird im Rollstuhl gebracht. Transfer auf Untersuchungsliege mit Hilfe des Sohnes Dr. XXXX, der sie erinnert, den auch mitgebrachten Gehstock zu verwenden. Gang in Strassenschuhen nicht ausreichend prüfbar.

Zehenspitzen- und Fersenstand allerdings mit Anhalten sehr gut möglich. Von der Liege zum Rollstuhl schneller und behender als auf die Liege.

BEURTEILUNG

Ad1) Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bez. ÖVM liegen nicht vor.

Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten.

Alle Gelenke sind stabil und ausreichend beweglich, ein relevantes Muskeldefizit findet sich nicht, auch keine relevante peripherere Nervenschädigung. Es besteht eine Einschränkung beider Kniegelenke und der Wirbelsäule. Vorrangig ist ein allgemeiner Alterungsprozeß mit Abnützungen auch der Wirbelsäule.

Ein relevantes sensomotorisches Defizit der Extremitäten ist weder klinisch erhebbar noch befundmäßig ableitbar.

Beide Arme können in Gebrauchsstellung gebracht werden, alle Gelenke der oberen Extremitäten sind stabil und ausreichend beweglich.

Die bestehende Osteopenie macht auch Schmerzen, wechselnde, keinen Dauerschmerz.

Die Mobilität der BF ist zweifelsfrei eingeschränkt, aber nicht relevant.

Eine Gehstrecke von 300 bis 400 Metern ist ihr sicher möglich. Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen dem gezeigten Bild und der angegebenen Fähigkeit, Auto zu fahren.

Ad2) 1) Valgusgonarthrose beidseits 02.05.21 40%

Wahl der Position, da Streck- und Beugedefizit, der EVO entsprechend.

2) degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 02.01.02 30%

Unterer Rahmensatz, da kein Hinweis auf sensomotorisches Defizit

Wahl der Position, da Zustand nach Facetteninfiltration bei mittelgradigen radiologischen Veränderungen und Beweglichkeitseinschränkungen

3) Diabetes mellitus Typ Il 09.02.01 20%

eine Stufe über unterem Rahmensatz, da Diät und orale Therapie ausreichend

Wahl der Position, da nicht insulinpflichtig

4) Bluthochdruck 05.01.01 10%

Fixer Rahmensatz

Wahl der Position, da ohne dokumentierte Folgeschäden

Leiden 1 wird durch Leiden 2 wegen ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht; Leiden 3 und 4 sind nicht weiter wechselwirksam erhöhend.

Ad3) Es liegen keine erheblichen Einschränkungen neurologischer Fähigkeiten vor, keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten.

Es treten beim Gehen von 300-400 Metern bis zu leichte Schmerzen auf, beim Ein- und Aussteigen kurzfristigst bis zu mittleren, starke sind nicht zu erwarten.

Ein Stehen im ÖVM ist möglich, auch die Sitzplatzsuche; es bestehen keine relevanten Bewegungsdefizite.

Alle notwendigen Griffarten können geleistet werden.

Es ist im Alter vieles beschwerlicher, das ist meines Erachtens hier ein Hauptpunkt; der begründet aber keine Unzumutbarkeit.

Ad4) Die Beschwerde Abl. 54 beschreibt einen Zustand des Alterns mit dementsprechenden Beschwerden. Die vorliegenden Befunde ergeben aber ein anderes Bild. Zweifellos ist es für die BF beschwerlicher als für Jüngere, die Degenerationen sind aber mittelgradig, auch in Ihrer Gesamtheit nicht schweren Grades.

Es ist schön, dass sich die Söhne so sehr bemühen; aber die Tatsache, dass das Autofahren möglich ist, relativiert manche angegeben Defizite.

Ad5) Es ist keine Veränderung zum Gutachten erster Instanz objektivierbar.

Ad6) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

9. Die Gelegenheit, zu dem vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Sachverständigengutachten Stellung zu nehmen, blieb seitens der BF und der belangten Behörde ungenützt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 04.10.2017 langte bei der belangten Behörde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein.

Die BF ist seit Februar 2018 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 %.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.

Bei der BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen:

> Valgusgonarthrose beidseits (GdB 40%)

> Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 30%)

> Diabetes mellitus Typ II (GdB 20%)

> Bluthochdruck (GdB 10%)

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass auf dem Akteninhalt. Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führen, gründen sich auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie. Unter Berücksichtigung der von der BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung der BF wurde von dem medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die BF zumutbar ist.

Der Facharzt für Unfallchirurgie gelangte unter den von ihm geprüften Gesichtspunkten auf Grundlage der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung der BF am 22.06.2018 zu dem Schluss, dass im Fall der BF öffentliche Verkehrsmittel zumutbar sind, da bei der BF - trotz ihrer anerkannten Gesundheitsschädigungen - keine erheblichen Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten bestehen. Die Gelenke sind stabil und ausreichend beweglich, ein relevantes Muskeldefizit findet sich nicht, auch keine relevante peripherere Nervenschädigung. Es besteht zwar eine Einschränkung beider Kniegelenke und der Wirbelsäule, vorrangig ist allerdings ein allgemeiner Alterungsprozess mit Abnützungen auch der Wirbelsäule. Ein relevantes sensomotorisches Defizit der Extremitäten ist weder klinisch erhebbar noch befundmäßig ableitbar. Beide Arme können in Gebrauchsstellung gebracht werden, alle Gelenke der oberen Extremitäten sind stabil und ausreichend beweglich. Die bestehende Osteopenie macht zwar auch wechselnde Schmerzen, jedoch keinen Dauerschmerz. Die Mobilität der BF ist zweifelsfrei eingeschränkt, aber nicht relevant. Eine Gehstrecke von 300 bis 400 Metern ist der BF sicher möglich. Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen dem gezeigten Bild und der angegebenen Fähigkeit, Auto zu fahren.

Diese Schlussfolgerungen des medizinischen Sachverständigen finden insbesondere Bestätigung in den Aufzeichnungen des Sachverständigengutachters bei der persönlichen Untersuchung am 22.06.2016 im Rahmen des oben wiedergegebenen Untersuchungsbefundes zu den oberen und unteren Extremitäten bzw. zum Gangbild ("Obere Extremitäten: Schultern in S 30-0-170, F 170-0-40, R 70-0-70, Ellbögen 0-0-130, Handgelenke 50-0-55, Faustschluss beidseits möglich. Druckschmerz beide Daumensattelgelenke, rechts mehr als links. Nacken- und Kreuzgriff durchführbar. Untere Extremitäten:

Hüftgelenke in S 0-0-95, F 20-0-20, R 20-0-10, Kniegelenke in S rechts 0-5-110 zu links 0-10-105, bandfest, reizfrei. Sprunggelenke 15-0-45.Senkspreizfuß, Hallux valgus beidseits. Schwellung beide Unterschenkel. Gangbild/Mobilität: Wird im Rollstuhl gebracht. Transfer auf Untersuchungsliege mit Hilfe des Sohnes Dr. XXXX, der sie erinnert, den auch mitgebrachten Gehstock zu verwenden. Gang in Strassenschuhen nicht ausreichend prüfbar. Zehenspitzen- und Fersenstand allerdings mit Anhalten sehr gut möglich. Von der Liege zum Rollstuhl schneller und behender als auf die Liege."), aus denen sich - auch unter Berücksichtigung der bei der BF tatsächlich vorliegenden Funktionseinschränkungen - ergibt, dass die von der BF subjektiv empfundenen, in der Beschwerde angegebenen Leidenszustände nicht in entsprechendem Ausmaß - im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der oberen oder unteren Extremitäten nach dem Maßstab des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und vom Parkausweisen - objektiviert werden konnten. Aus diesen Befundungen ergibt sich aber auch, dass die BF in der Lage ist, sich beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei der Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt festzuhalten.

Somit waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwände nicht geeignet, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften, da sie nicht ausreichend substantiiert waren.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des gegenständlichen medizinischen Sachverständigengutachtens.

Das medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde seitens des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung der BF basierenden Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 25.06.2018 nachvollziehbar dargestellt, dass im Fall der BF - trotz der bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass nicht vorliegen. Bei der BF sind, wie bereits in den beweiswürdigenden Ausführungen ausgeführt wurde, ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren sowie der oberen Extremitäten im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert; im Rahmen der persönlichen Begutachtung haben sich auch keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass die BF nicht in der Lage wäre, 300-400 m ohne Pause und ohne Auftreten starker Schmerzen, ohne Unterbrechung und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Auch unter Berücksichtigung der bei der BF bestehenden Einschränkungen und der in der Beschwerde erwähnten damit verbundenen Erschwernissen und Mühseligkeiten vermag die BF noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Bei der BF liegen laut dem vorliegenden Sachverständigengutachten weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren oder oberen Extremitäten, noch der körperlichen Belastbarkeit vor, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Die BF ist den Ausführungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten, sie hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine Sachverständigenaussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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