TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/6 W201 2152092-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2018
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Entscheidungsdatum

06.09.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W201 2152092-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie den fachkundigen Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Einlangend am 28.09.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung". Ein Konvolut an medizinischen Unterlagen legte er seinem Antrag bei.

2. Am 19.01.2017 erfolgte die Untersuchung des Beschwerdeführers durch einen Arzt für Allgemeinmedizin. Das Sachverständigengutachten enthält auszugsweise:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach operativem Eingriff im Bereich des Rückenmarks wegen Lipom Wahl dieser (g.Z.)Position mit mittlerem Rahmensatz, da geringe Schwäche und Muskelverschmächtigung im Bereich der linken unteren Extremität sowie Störung der Sphinktermobilität.

04.03.01

30

2

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Unterer Rahmensatz, da muskuläre Verspannungen ohne relevantes funktionelles Defizit.

02.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Das führende Leiden 1 wird durch 2 nicht weiter erhöht, da keine relevante ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Geringe Entzündungszeichen im Bereich der Magenschleimhaut erreichen bei normalem

Allgemein- und Ernährungszustand keinen GdB. Das Vorliegen einer Stuhl- und Harninkontinenz ist durch aktuelle, aussagekräftige Facharztbefunde nicht ausreichend belegt.

X Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten

Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Es liegen keinerlei erhebliche funktionelle Einschränkungen im Bereich der Extremitäten vor, selbstständige und sichere Gehfähigkeit ist in ausreichendem Maße gegeben, Es liegen auch keine klinischen Hinweise auf erhebliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, intellektueller Leistungen oder auf eine Stuhl-/Harninkontinenz vor. Aus allgemeinmedizinischgutachterlicher Sicht ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein/Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln möglich.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein."

3. Mit Bescheid vom 13.02.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte fest, dass der Grad der Behinderung 30% betrage.

Begründet wurde die Abweisung mit dem Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, welches einen Grad der Behinderung von 30% ergeben habe.

4. Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 28.03.2017 Beschwerde.

Es gehe ihm gesundheitlich sehr schlecht und er könne nur kurze Strecken nur sehr mühsam bewältigen (tethered cord. Syndrom) und ersuche um eine Neubewertung seines Gesundheitszustandes.

6. Mit Schreiben vom 06.04.2017 holte das BVwG ein ergänzendes Sachverständigengutachten ein. Die Fragestellungen lauteten auszugsweise:

"In den obgenannten Beschwerdeverfahren wird um Erstellung von medizinischen Sachverständigenbeweisen - basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers - ersucht. Die Gutachten sind schriftlich zu erstatten.

Betreffend die Festsetzung des Grades der Behinderung sowie betreffend die Prüfung auf Vornahme der Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung wird um Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Unfallchirurgie ersucht.

Es wird ersucht, nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, Nachfolgendes zu beurteilen bzw. Stellung zu nehmen:

A) Betreffend Prüfung auf Vornahme der Zusatzeintragung

Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung:

1) Liegen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber/der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" vor?

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von einer Entfernung von rund 300 bis 400 m anzunehmen (VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0013). Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend. Zur Zumutbarkeit eventueller therapeutischer Optionen ist ausführlich Stellung zu nehmen.

2) Die dauernden Gesundheitsschädigungen sind als Diagnoseliste anzuführen.

Es wird ersucht auszuführen, in welchem Ausmaß die angeführten Leidenszustände vorliegen und wie sich diese auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken.

3) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

4) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

5) Stellungnahme zur Art und dem Ausmaß der vom BF angegebenen Beeinträchtigungen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; 20.10.2011, 2009/11/0032; 27.01.2015, 2012/11/0186).

Inwieweit wird der BF an der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere beim Gehen von rund 300 bis 400 Meter aus eigener Kraft, Stehen im öffentlichen Verkehrsmittel sowie Ein- und Aussteigen in dieses (Niveauunterschied) gehindert? Inwieweit wirken sich die orthopädischen Leiden des BF bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus?

B) Betreffend Festsetzung des Grades der Behinderung

1.) Die Feststellung des Grades der Behinderung hat nach der Einschätzungsverordnung zu erfolgen.

Wodurch kann das Vorbringen Abl. 27 entkräftet werden bzw. resultiert daraus eine abweichende Beurteilung?

2) Ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen und vorgelegten medizinischen Beweismitteln des BF.

Abl. 27 Beschwerde

Vorgelegter Befund im Verfahren 1. Instanz, Abl. 4-13

Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung.

Gutachten Abl.14-16"

6. Am 18.09.2017 langte eine Vollmachtsbekanntgabe des KOBV - Der Behindertenverband, ein.

7. Am 24.05.2017 erfolgte eine Untersuchung des Beschwerdeführers durch einen Arzt für Allgemeinmedizin. Das am 28.08.2017 erstellte

Sachverständigengutachten enthält auszugsweise:

Beantwortung der Fragen:

zu Punkt 1)

Es liegen keine Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel vor, da keine hochgradige Funktionseinbuße an den unteren Extremitäten ermittelt werden konnte. Es finden sich im klinischen Befund keine signifikanten motorischen Ausfälle. Der Beschwerdeführer kann eine Strecke von mehr als 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Aufstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen.

zu Punkt 2) Folgende dauernde Gesundheitsschädigung wurden ermittelt:

Zustand nach operiertem Tethered Cord-Syndrom mit Muskelverschmächtigung der linken unteren Extremität und Störung der Sphinktermotilität,

Infolge der Muskelverschmächtigung und damit verbundenen Gangablaufstörung besteht eine geringgradige Störung der Mobilität, die es dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht unmöglich macht, kurze Wegstrecken wie unter Punkt l) beschrieben zu bewältigen.

zu Punkt 3): Bei der klinischen Untersuchung wurde festgestellt, dass keine erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten vorliegt.

zu Punkt 4): Von der dauernden Gesundheitsschädigung unter lf. Nr. I und 2) geht keine hochgradige Schwäche aus, die zu einer Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit führt.

zu Punkt 5): Wie im Ganglaborbefund des beschrieben und anlässlich der klinischen Untersuchung vom 13.04.2017 hierorts ermittelte wurde, besteht nur eine geringe Störung des Gangablaufes mit ausreichender Bodenfreiheit in der Schwungphase zur Überwindung von Niveauunterschieden, die es dem Beschwerdeführer ermöglicht ein öffentliches Verkehrsmittel gefahrlos zu benützen. Insbesondere kann der Berufungswerber eine Strecke von 300-400 Metern aus eigener Kraft ohne Auftreten einer maßgeblichen Schmerzsymptomatik, alleine und ohne Verwendung von Hilfsmitteln zurücklegen. Die dauernde Gesundheitsschädigung wirkt sich nicht auf das Stehen sowie Ein- und Aussteigen unter Verwendung von Aufstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel maßgeblich aus.

ad B)

zu Punkt 1): es wurden folgende dauernde Gesundheitsschädigung nach der

Einschätzungsverordnung ermittelt

l) Zustand nach operiertem Eingriff im Bereich des Rückenmarks wegen Lipom Pos.: 04.03.01 mittlerer Rahmensatz, da geringe Schwäche und Muskelverschmächtigung im Bereich der linken unteren Extremität sowie Störung der Sphinkter Mobilität

2) degenerative Veränderung der Wirbelsäule Pos.: 02.01.01 unterer Rahmensatz, da muskuläre Verspannung ohne relevantes fünktionelles Defizit

Nachsatz: geringe Entzündungszeichen Bereich der Magenschleimhaut bedingen ohne ständiges Therapicerfordernis bei gutem Ernährungszustand keinen Grad der Behinderung. Die geltend gemachte Inkontinenzsymptomatik und Blasenentleerungsstörung wird nicht befunddokumentiert.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 %, weil das führende Leiden unter lf. Nr. 1) durch Leiden 2) nicht erhöht wird, da keine relevante ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Die im Vorbringen des Beschwerdeführers (ABL 27) angeführte gesundheitliche

Verschlechterung und die geltend gemachte höhergradige Mobilitätseinbuße mit nur mühsam zurückbelegbaren kurzen Wegstrecken kann weder anhand des hierorts erhobenen klinischen Befundes noch aufgrund der vorliegenden objektiven medizinischen Befunde insbesondere der Ganganalyse bestätigt werden. Sohin muss an der Einschätzung festgehalten werden.

zu Punkt 2): Der Beschwerdeführer macht in seinen Einwendungen auf ABL 27 geltend, dass er nur mühsam kurze Wegstrecken zurücklegen könne und es ihm gesundheitlich sehr schlecht gehe. Dieses subjektive Empfinden kann weder in der klinischen Untersuchung vom

13.04.2017 ermittelt werden noch geht es aus den vorliegenden objektiven Befunden hervor. Insbesondere liegt keine höhergradige Mobilitätseinbuße vor, die eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel bedingt. In den vorliegenden medizinischen Befunden (siehe ABL 4-13) wird zwar eine Schwäche im Bereich der linken unteren Extremität ausgewiesen und eine Störung der Sphinktermuskulatur beschrieben, jedoch liegt kein Befund vor der die geltend gemachte maßgebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes und eine maßgebliche Einschränkung der Gehleistung nachvollziehen lässt.

Gegenüber dem erstinstanzlichen Gutachten ergibt sich sohin kein abweichendes Kalkül."

8. Der Beschwerdeführer wurde am 02.10.2017 vom BVwG über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Es wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

9. Der Beschwerdeführer gab im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung eine Stellungnahme ab. Es seien sehr wohl Befunde in Bezug auf die Stuhlentleerungsproblematik mitvorgelegt worden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die PosNr 04.03.02. nicht mit einem GdB von 50% herangezogen werde, obwohl mehrere Muskelgruppen betroffen seien.

10. Am 01.03.2018 ersuchte das BVwG den Sachverständigen um Ergänzung des Gutachtens vom 28.08.2018. Die Fragestellungen lauteten auszugsweise:

"1.) Der Beschwerdeführer hat im Rahmen des Parteiengehörs (OZ 6) vorgebracht, dass sehr wohl Befunde vorgelegt worden seien, die die Inkontinenzsymptomatik und Blasenentleerungsstörung belegen. Weiters legte der BF ein neurologisches Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt vor, das die neurogenen Mastdarm- und Blasenstörung belegen sollen.

2.) Darüber hinaus wird um Ausführung ersucht, warum nicht die Positionsnummer 04.03.02 mit einem GdB von 50% herangezogen wurde, obwohl nach Aussage des BF im Parteiengehör, mehrere Muskelgruppen betroffen sein sollen.

Bitte um ausführliche Stellungnahme zu diesen Einwendungen des Beschwerdeführers.

3.) Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung."

11. Aufgrund des Umstandes, dass der Erstgutachter die weitere Bearbeitung des Falles abgelehnt hat, wurde das unter Pkt. 10 genannte Ersuchen einem anderen Sachverständigen für Allgemeinmedizin übermittelt.

12. Am 10.06.2018 erstellte der befasste Sachverständige ein Aktengutachten, dieses enthält auszugsweise:

"STELLUNGNAHME ZU DEN PUNKTEN DER VORSCHREIBUNG:

Die vorliegenden Befunde und Gutachten werden in der Beurteilung berücksichtigt. Im Vordergrund der Symptomatik stehen aus gutachterlicher Sicht die Folgen der deutlichen diffusen Muskelatrophie des linken Beines und nicht die neurogene Mastdarmund

Blasenentleerungsstörung, die eher gering ausgeprägt ist. Es liegt keinesfalls eine komplette Stuhl- oder Harninkontinenz vor.

Unter Berücksichtigung des vorliegenden Aktenmaterials wurde Punkt 1 der Beurteilung korrekt

Position 04.03.02 mit 50% kommt nicht zur Anwendung, da zwar Schwächen in einzelnen Muskelgruppen, aber keine Muskelparesen vorliegen. Das Gangbild ist leicht hinkend, ausreichend sicher und eine Gehhilfe oder beispielsweise eine Peronaeusschiene sind nicht erforderlich. Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar - siehe dazu die Ausführungen im Erstgutachten.

Eine abweichende Beurteilung ist nicht zu treffen.

Zusammenfassung:

Es wird abschließend festgehalten, dass aus gutachterlicher Sicht nach neuerlicher allgemeinmedizinischer aktenmäßiger Untersuchung und nach Berücksichtigung der im Akt vorliegenden Befunde und Gutachten - siehe dazu die Ausführungen oben - der Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H. beträgt. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist zumutbar."

14. Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 13.06.2018 die Möglichkeit eingeräumt, binnen 2 Wochen eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer hat keine Stellungnahme abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Österreich. Er stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens ergibt sich ein Grad der Behinderung von 30%. Beim Beschwerdeführer Zustand nach einem operativen Eingriff im Bereich des Rückenmarks wegen eines Lipom vor. Daraus resultierend eine Hyperplasie der Beinmuskulatur links, eine Kraftminderung im distalen Bereich der linken unteren Extremität und milde neurogene Blasen-und Stuhlentleerungsstörung. Weiters leidet er an einer Anpassungsstörung mit rezidivierender depressiver Symptomatik. Diese Leiden wurden mit einem GdB von 30 % eingestuft. Darüber hinaus liegen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit muskulären Verspannungen vor, welche mit einem GdB von 10 % durch den Sachverständigen beurteilt wurden. Dies ergibt insgesamt einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 %.

1.3. Der Beschwerdeführer erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem vom BVwG ergänzend eingeholten fachärztlichen Gutachten.

Das ergänzende ärztliche Sachverständigengutachten vom 10.06.2018 ist schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Es wurde gutachterlich festgestellt, dass die Position 04.03.02., wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, nicht zur Anwendung kommt, da zwar Schwächen in einzelnen Muskelgruppen, aber keine Muskelparesen vorliegen. Das Gangbild wurde vom Sachverständigen zwar als leicht hinkend beschrieben, jedoch als ausreichend sicher. Eine Gehhilfe oder beispielsweise eine Peronaeusschiene sind nicht erforderlich. Der Sachverständige ging auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 25.10.2017 ausführlich ein und führte in seiner Stellungnahme aus, dass im Vordergrund der Symptomatik die Folgen der deutlichen diffusen Muskelatrophie des linken Beines Stück stehen und die neue Routine Mastdarm-und Blasenentleerungsstörung, die als eher gering ausgeprägt anzusehen ist. Es liege auch keinesfalls eine komplette Stuhl-oder Harninkontinenz vor. Daher sei auch die Einstufung in Positionsnummer 04.03.01 richtig.

Unter Berücksichtigung aller vom Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren beigebrachten Befunde ergibt sich aus der Sicht des Sachverständigen weiterhin ein Grad der Behinderung von 30% und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde als zumutbar erachtet.

Das genannte Sachverständigengutachten wird in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. Der Beschwerdeführer ist dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063; VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005).

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 2 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Auf den Fall bezogen:

Gegenstand des angefochtenen Bescheides vom 13.02.2017 war die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Begründet wurde die Abweisung durch die belangte Behörde mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 %, womit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt seien.

Im ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten vom 10.06.2018 wurde - wie oben angeführt - festgestellt, dass selbst unter Berücksichtigung aller vom Beschwerdeführer übermittelten Befunde der Grad der Behinderung weiterhin nur 30% beträgt.

Es wurde auch dargelegt, warum nicht die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Einschätzung von 50% zur Anwendung kommt und festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel als zumutbar erachtet wurde.

Der Beschwerdeführer ist dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht entgegengetreten.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Behindertenpasses liegen daher nicht vor. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

Da ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 30% nicht zu erteilen ist, kann auch die beantragte Zusatzeintragung nicht gewährt werden, da diese zwingend mit der Innehabung eines Behindertenpasses verknüpft ist. Zudem wurde im Sachverständigengutachten festgestellt, dass überdies eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Im Übrigen wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (vgl. VwGH vom 24.04.2014, Zl. Ra 2014/01/0010; VwGH vom 24.03.2014, Zl. Ro 2014/01/0011) zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W201.2152092.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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