Entscheidungsdatum
12.09.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W216 2128042-2/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 13.05.2016, Passnummer: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer hat am 07.10.2015 verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) eingebracht.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers jeweils am 24.11.2015, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorlägen.
1.2. Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden vom Beschwerdeführer unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel Einwendungen erhoben.
1.3. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde eine mit 11.02.2016 datierte medizinische Stellungnahme von Dr. Drucker, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.
1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung unter Zugrundelegung der eingeholten Sachverständigengutachten sowie der medizinischen Stellungnahme abgewiesen.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Die dagegen erhobenen Einwendungen seien einer abermaligen Überprüfung durch einen ärztlichen Sachverständigen unterzogen worden. Dieser habe festgestellt, dass die vorhandenen und nachgereichten Befunde berücksichtigt worden seien. Aufgrund des objektivierbaren Ausmaßes der psychischen Erkrankung und Gangstörung sei eine erhebliche Einschränkung der Gehstrecke sowie des Ein- und Aussteigens und des Transports bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht nachvollziehbar, sodass insgesamt keine für die Zuerkennung der beantragten Zusatzeintragung relevante Ausprägung der Behinderung erreicht werde. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung lägen somit nicht vor.
In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.
2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.
3. Mit Schreiben vom 18.08.2016 erstattete der Beschwerdeführer ein ergänzendes Vorbringen und gab die Vollmacht seiner gewillkürten Vertretung bekannt.
3.3. Zur Überprüfung der Einwendungen und der neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurden vom Bundesverwaltungsgericht medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, beide basierend auf der persönlichen Begutachtung des Beschwerdeführers, datiert mit 23.01.2018 und mit 07.03.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass im Vergleich zu den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten keine abweichende Beurteilung vorliege und dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
3.4. Mit Schreiben vom 08.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen eines Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.
Seitens des Beschwerdeführers wurde eine Stellungnahme erstattet, in der er sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme als nicht einverstanden zeigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 %.
Er brachte am 07.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Rezidivierende depressive Episoden 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da chronischer Verlauf mit Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und funktioneller Essstörung.
03.06.01
30 vH
02
Degenerative Veränderungen des rechten Kniegelenkes nach Meniskusläsionen mit mittelgradiger Funktionseinschränkung
02.05.20
20 vH
03
Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung Unterer Rahmensatz, da medikamentös bei unverändert massivem Nikotinabusus ausreichend gut behandelbar.
06.06.02
30 vH
04
Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsorgan Oberer Rahmensatz, da polytope Beschwerden mit rezidivierendem Cervikolumbalsyndrom, leichtergradigen Bewegungsstörungen an Hals- und Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Defizite und geringen Funktionseinschränkungen an den Schulter- und Hüftgelenken, am linken Kniegelenk und nach Achillessehnenläsion links.
02.02.01
20 vH
05
Diabetes mellitus II - orale Medikation Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da relevante Folgeerkrankungen nicht dokumentiert sind.
09.02.01
20 vH
06
Hypertonie
05.01.01
10 vH
07
Thyreopathie
09.01.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
50 vH
Es liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor.
Beim Beschwerdeführer liegt auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
Unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde kann eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung - allenfalls unter Verwendung einer Unterarmstützkrücke/eines Gehstocks, da damit die Stand- und Gangsicherheit entscheidend optimiert werden kann - ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Das erforderliche Hilfsmittel erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in erheblichem Ausmaß. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen aus. Das ständige behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung eines Rollators oder zweier Unterarmstützkrücken ist durch die festgestellten Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden nicht begründbar.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur gegenständlichen Antragstellung und zum Vorliegen eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vorliegen, basiert auf den seitens der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie der ergänzend hierzu ergangenen Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes in Verbindung mit den seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie eines Arztes für Allgemeinmedizin. Die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten basieren allesamt auf der persönlichen Begutachtung des Beschwerdeführers.
Es wird darin auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß sowie deren Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachten beinhalten auch ausführliche Untersuchungsbefunde, welche mit den gutachterlichen Beurteilungen übereinstimmen und unter Berücksichtigung sämtlicher vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden erstellt wurden.
Die Sachverständigen führen vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei aus, dass keine der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen. Ebenso wenig bestehe eine schwere Immunerkrankung. Insgesamt sei daher aus gutachterlicher Sicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gegeben.
Wie der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in seinem Gutachten vom 23.01.2018 zutreffend festhält, lägen keine Funktionseinschränkungen aus psychiatrischer Sicht vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke zur nächsten Haltestelle (300-400 m) im urbanen Raum, dass Ein- und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel maßgeblich verunmöglichen würden. Als führende Diagnose bestehe eine depressive Störung, die angegebenen Panikattacken seien definitionsgemäß nicht situationsgebunden. Die drei Faktoren klaustrophobe, soziophobe und Kontrollelemente seien bei der Begutachtung von Relevanz. Als Voraussetzung für eine dauernde psychische Erkrankung müssten alle sinnvollen, verfügbaren und zumutbaren Therapiemethoden zum Einsatz gekommen und nachgewiesen sein ("nervenärztliche Behandlung > 1 Jahr, mit zielführender Medikation, die bei Wirkungslosigkeit geändert wurde - die antidepressive Medikation ist seit vielen Jahren unverändert - und auch psychotherapeut. Methoden > 1 Jahr").
Es könne keine psychiatrische Diagnose objektiviert werden, die für die Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel von Relevanz sei. Ein stationär psychiatrischer Aufenthalt liege viele Jahre zurück (wegen Essstörung), die antidepressive medikamentöse Therapie sei seit vielen Jahren unverändert.
Der Arzt für Allgemeinmedizin führt in seinem Gutachten vom 07.03.2018 nachvollziehbar aus, in welchem Ausmaß die festgestellten Leidenszustände vorliegen und wie sich diese auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken. So hält er fest, dass das Leiden 2, die Kniegelenksabnützung links, mäßiggradig sei. Eine maßgebliche negative Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei bei Verwendung einer Orthese und beispielsweise eines einfachen Gehbehelfs - Gehstock/Unterarmstützkrücken - nicht gegeben. Das Leiden 3, die vorliegende Lungenerkrankung, sei mäßiggradig ausgeprägt. Eine maßgebliche negative Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dadurch nicht gegeben - keine Dauersauerstofftherapie erforderlich. Die Leiden 4-7 seien gering ausgeprägt und hätten damit keine negative Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Der Beschwerdeführer ist den seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass sein Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Die Ausführungen in der Stellungnahme zum Parteiengehör vermochten keine substantiierten Einwendungen gegen die eingeholten Sachverständigengutachten darzustellen. Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der erstatteten Stellungnahme auch keinerlei Befunde vor, die eine andere Einschätzung der Funktionsstörungen hervorbringen oder eine Verschlechterung des Zustandes seit der Untersuchung durch den Sachverständigen belegt hätten.
Der Beschwerdeführer vermochte somit mit seinem Beschwerdevorbringen die erfolgte Einschätzung der hinzugezogenen Sachverständigen und die Schlussfolgerungen der belangten Behörde nicht in Zweifel zu ziehen. Die im Auftrag der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten, die ergänzende medizinische Stellungnahme sowie die beiden vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten werden vom Bundesverwaltungsgericht als vollständig, nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei angesehen. Das Bundesverwaltungsgericht findet daher auch keinen Anlass zur Annahme, dass diese mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen in Widerspruch stehen und diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, idF BGBl. I. Nr. 57/2015, (BBG), hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
...
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:
§ 1 ....
(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls
einzutragen: 1. ....... 2. ...... 3. die Feststellung, dass dem
Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(4)......"
Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, ist gemäß § 5 Abs. 1 leg.cit. mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten. Die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. Nr. 86/1991, ist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft getreten.
Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die durch die belangte Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten zu Grunde gelegt. In diesen wird schlüssig und nachvollziehbar verneint, dass die beim Beschwerdeführer vorliegenden Funktionseinschränkungen die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigen.
Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die in der Beschwerde erhobenen Einwendungen sowie jene im eingeräumten Parteiengehör nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften. Neue Befunde, welche die Gutachten entkräften konnten, wurden nicht vorgelegt. Es ist daher im Beschwerdefall davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für Zusatzeintragungen nach Maßgabe des § 41 Abs.2 BBG in Betracht kommt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel betreffend den Beschwerdeführer unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen überprüft. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W216.2128042.2.00Zuletzt aktualisiert am
17.01.2019