TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 W216 2128042-1

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Veröffentlicht am 12.09.2018
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Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W216 2128042-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 11.05.2016, Passnummer: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat am 07.10.2015 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge: belangte Behörde) unter Vorlage medizinischer Befunde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers jeweils am 24.11.2015, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH bewertet wurde.

1.2. Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden vom Beschwerdeführer unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel Einwendungen erhoben.

1.3. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde eine mit 11.02.2016 datierte medizinische Stellungnahme von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 und § 41 BBG stattgegeben und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH festgestellt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 50 vH vorliegen würde. Die dagegen erhobenen Einwendungen seien einer abermaligen Überprüfung durch einen ärztlichen Sachverständigen unterzogen worden. Dieser habe festgestellt, dass durch die Einwendungen keine Änderung der getroffenen Einschätzung bewirkt habe werden können.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Mit Schreiben vom 18.08.2016 erstattete der Beschwerdeführer ein ergänzendes Vorbringen und gab die Vollmacht seiner gewillkürten Vertretung bekannt.

3.3. Zur Überprüfung der Einwendungen und der neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurden vom Bundesverwaltungsgericht medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, beide basierend auf der persönlichen Begutachtung des Beschwerdeführers, datiert mit 23.01.2018 und mit 07.03.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass im Vergleich zum eingeholten Sachverständigengutachten keine abweichende Beurteilung vorliege und der Gesamtgrad der Behinderung 50 vH betrage.

3.4. Mit Schreiben vom 08.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen eines Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

Seitens des Beschwerdeführers wurde eine Stellungnahme erstattet, in der er sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme als nicht einverstanden zeigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.

1.2.1. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Rezidivierende depressive Episoden 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da chronischer Verlauf mit Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und funktioneller Essstörung.

03.06.01

30 vH

02

Degenerative Veränderungen des rechten Kniegelenkes nach Meniskusläsionen mit mittelgradiger Funktionseinschränkung

02.05.20

20 vH

03

Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung Unterer Rahmensatz, da medikamentös bei unverändert massivem Nikotinabusus ausreichend gut behandelbar.

06.06.02

30 vH

04

Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsorgan Oberer Rahmensatz, da polytope Beschwerden mit rezidivierendem Cervikolumbalsyndrom, leichtergradigen Bewegungsstörungen an Hals- und Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Defizite und geringen Funktionseinschränkungen an den Schulter- und Hüftgelenken, am linken Kniegelenk und nach Achillessehnenläsionen links.

02.02.01

20 vH

05

Diabetes mellitus II - orale Medikation Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da relevante Folgeerkrankungen nicht dokumentiert sind.

09.02.01

20 vH

06

Hypertonie

05.01.01

10 vH

07

Thyreopathie

09.01.01

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

 

 

50 vH

Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 wegen funktioneller Zusatzrelevanz jeweils um eine Stufe erhöht. Keine Erhöhung durch die Leiden 4-7, da diese Gesundheitsschädigungen die Hauptleiden nicht maßgeblich ungünstig beeinflussen und da diese Leiden keine maßgebliche funktionelle Zusatzrelevanz aufweisen.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen hinsichtlich der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung des Beschwerdeführers gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Die im Beschwerdeverfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, beide basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen von persönlichen Untersuchungen erhobenen klinischen Befunden, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Das Beschwerdevorbringen wurden insofern berücksichtigt, als die in diesem Zusammenhang neu vorgelegten Beweismittel in die ärztliche Beurteilung eingeflossen sind und die befassten Sachverständigen - wie vorhin dargelegt - sich eingehend damit auseinandergesetzt haben.

So wird vom Arzt für Allgemeinmedizin schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass die vorliegende Lungenerkrankung korrekt beurteilt worden sei und eine Fettleber ohne Syntheseleistungsstörung keinen Grad der Behinderung bedinge. Darüber hinaus seien das Stütz- und Bewegungsorgan sowie der Diabetes mellitus korrekt bewertet worden. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie hält korrekt fest, dass die 3 Faktoren klaustrophobe, soziophobe und Kontrollelemente bei der Begutachtung von Relevanz seien. Als Voraussetzung für eine dauernde psychische Erkrankung müssten alle sinnvollen, verfügbaren und zumutbaren Therapiemethoden zum Einsatz gekommen und nachgewiesen sein ("nervenärztliche Behandlung > 1 Jahr, mit zielführender Medikation, die bei Wirkungslosigkeit geändert wurde - die antidepressive Medikation ist seit vielen Jahren unverändert - und auch psychotherapeut. Methoden > 1 Jahr").

Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der eingeholten Sachverständigenbeweise, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Das Beschwerdevorbringen und die Einwendungen im Rahmen des Parteiengehörs (inkl. der vorgelegten medizinischen Beweismittel) waren somit nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH vorliegt, zu entkräften.

Soweit sich die Einwendungen auf Mobilitätseinschränkungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens der Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beziehen, ist anzumerken, dass dies nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides - welcher lediglich über den Grad der Behinderung abspricht - gewesen ist (siehe diesbezüglich auch die Ausführungen unter Punkt II.3.1.).

Die im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen substantiiert in Zweifel zu ziehen. Die durch die nachgereichten Beweismittel dokumentierten Funktionseinschränkungen wurden ausreichend berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer ist den - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Die im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) ist die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten anhängigen Verfahren auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 54 Abs. 12 BBG treten § 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft.

Gemäß § 55 Abs. 4 BBG ist die Bestimmung des § 41 Abs. 1 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum

31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt.

Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 07.10.2015 gestellt worden ist und auch am 01.09.2010 kein rechtskräftiger Bescheid iSd § 55 Abs. 4 letzter Satz BBG vorlag, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 der Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. VwGH 01.06.1999, 94/08/0088 mit Hinweis auf E 19.11.1997, 95/09/0232, 0233).

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind das Beschwerdevorbringen und die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 50 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspräche.

Falls sich der Leidenszustand des Beschwerdeführers maßgebend verschlechtert, ist es zulässig, einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zu stellen.

Bezüglich des Vorbringens betreffend die (Un)Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird - wie bereits unter Punkt II.2. ausgeführt - festgehalten, dass dies nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG für die Berufungsbehörde die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat und nicht das, was der Berufungswerber zum Inhalt der Berufungsschrift gemacht hat (VwGH 11.11.1991, 90/19/0505).

Diese Judikatur ist auf die Begrenzung des Beschwerdegegenstandes der Verwaltungsgerichte übertragbar. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder aufgrund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Ein im Beschwerdeverfahren vorgebrachtes Begehren, welches den Gegenstand des angefochtenen Verfahrens überschreitet, kann den zulässigen Beschwerdegegenstand nicht darüber hinaus erweitern.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern bzw. Beweismittel vorzulegen. Die erhobenen Einwendungen waren allerdings - wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt - nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Feststellungen hervorzurufen. Es wurden auch keine Beweismittel vorgelegt, welche die sachverständige Beurteilung überzeugend in Zweifel ziehen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W216.2128042.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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