Entscheidungsdatum
13.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1Spruch
W222 2175135-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. OBREGON als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. gemäß § 68 Abs. 1 AVG, § 57 AsylG, 10 Abs. 1 BFA-VG iVm § 52 Abs. 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.
2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG auf 1 Jahr herabgesetzt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 13.08.2017 den ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dazu wurde er am 14.08.2017 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Am 14.09.2017 wurde der Beschwerdeführer seitens des Bundesamtes einvernommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.09.2017, Zahl: XXXX, wurde sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruch I) und gemäß § 8 Absatz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien abgewiesen (Spruch II). Dem Beschwerdeführer wurde zudem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Absatz 2 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von 2 Jahren erlassen (Spruchpunkt VI.) sowie gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 4 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt.
Gegen den abweisenden Bescheid des Bundesamtes wurde Beschwerde erhoben.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.11.2017, Zl:
W163 2175135-1/2E wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Absatz 1, 8 Absatz 1 Ziffer 1, 10 Abs.1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkte IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheids wurden gem. § 28 Abs.1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben und eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 abs. 2 FPG festgelegt.
Beweiswürdigend wurde u.a. festgehalten: "Der BF hat seine Ausreise damit begründet, dass einerseits seine Mutter von Terroristen umgebracht worden sei und er aus Furcht vor Terroristen sein Heimatdorf verlassen und nach Neu Delhi umgezogen sei, wo er etwa ein Jahr lebte und dann aufgrund der Umweltverschmutzung aus Indien ausreiste.
Andere Gründe für seine Ausreise hat der BF trotz wiederholter Nachfrage nicht behauptet und auch in der Beschwerde keine anderen Gründe einer Verfolgungsgefahr genannt.
Die belangte Behörde hat zutreffend herausgearbeitet, dass der BF nicht im Stande war, nähere Angaben zu den Geschehnisabläufen zu machen. Maßgeblich für die mangelnde Glaubhaftigkeit des konkreten Vorbringens des BF zu Ermordung seiner Mutter ist, dass er zu diesem Vorfall nur sehr oberflächliche Angaben machen konnte. Der von ihm geschilderte Geschehensablauf erschöpft sich in einer phrasenhaften Schilderung, die für die Glaubhaftmachung eines solchen Vorfalls nicht ausreichend Substanz hat. Die allgemeine Situation in der Herkunftsprovinz des BF, in der es nach den Länderberichten aufgrund des ungeklärten Konflikts zwischen Indien und Pakistan zu Gewalt kommt, vermag eine konkret und individuell dem BF betreffende Verfolgungsgefahr nicht zu begründen.
Maßgeblich ist zudem, dass dem BF innerhalb Indiens innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung stehen. Bereits aus seinen glaubhaften Ausführungen, dass er von 2016-2017 in Neu Delhi lebte und arbeitete, zeigt sich, dass der BF unbehelligt und auch ohne einer allgemeinen und allenfalls entfernt möglichen Gefährdung aufgrund von Spannungen in seiner Heimatregion ausgesetzt zu sein, an einem anderen Ort in Indien leben kann. In Hinblick auf die Länderfeststellungen ist nicht ersichtlich, dass der BF, bei dem es sich nicht um eine exponierte Persönlichkeit handelt, von Privaten nach einem Umzug in einen anderen Landesteil ausfindig gemacht werden könnte (siehe dazu auch die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung). Dass der BF im Mai 2017 Neu Delhi verließ und nach Europa reiste, begründete er mit Umweltverschmutzungen an diesem seinem Wohnort, woraus kein relevantes (Verfolgungs-) Vorbringen ersichtlich ist."
Am 26.03.2018 stellte der Beschwerdeführer den zweiten Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am gleichen Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Freund ihn aus Dubai am 13. März 2018 angerufen und ihm gesagt habe, dass er nicht nach Indien kommen solle, weil Angehörige der Partei "XXXX" ihn töten wollen.
Im Rahmen der Einvernahme am 05.06.2018 seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gab der Beschwerdeführer auf die Frage: "Sie haben in Österreich bereits ein Asylverfahren betrieben. Dieses Verfahren wurde rechtskräftig negativ abgeschlossen. Im Zuge der Erstbefragung haben sie angegeben, dass die Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren noch bestehen würden. Sind diese Angaben korrekt?" an: "Ja, die alten Fluchtgründe sind noch immer die gleichen und aufrecht. Aber ich habe neue Fluchtgründe." Die Frage, ob er neue Beweise zu seinen neuen Fluchtgründen hätte, verneinte dieser und gab an, dass sein Freund in Dubai ihn nur einmal angerufen hätte. Weiters gab der Beschwerdeführer an: "Ich habe jetzt neue Probleme und zwar habe ich Probleme mit den Leuten der Partei XXXX." Er kenne die Leute, mit denen er Probleme habe nicht, diese seien die Leute der Partei.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 13.06.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gemäß § 29 AsylG 2005 erhalten habe, in welcher ihm mitgeteilt worden sei, dass seitens des BFA die Absicht bestehe seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer gab an, keiner legalen Arbeit nachzugehen und ein wenig Deutsch sprechen zu können. Er sei von seinem Freund ein einziges Mal angerufen worden. Sein Freund habe ihn aus einer Telefonzelle angerufen und er habe keine Beweise, dass sein Freund ihn angerufen habe.
Am 13.06.2018 unterschrieb der Beschwerdeführer ein Antragsformular für unterstütze freiwillige Rückkehrhilfe.
Mit Schreiben vom 21.06.2018 wurde folgende Stellungnahme abgegeben:
"Festzustellen ist, dass geringfügige Unterschiede in der Rückerzählung tatsächlich selbst erlebter Ereignisse zu erwarten sind, und dem Antragsteller daher gerade in Hinblick darauf, dass die fluchtauslösenden Ereignisse schon einige Jahre zurückliegen, kein Vorwurf zu machen ist. Im Kern hat der Antragsteller die fluchtauslösenden Ereignisse sehr konsistent und glaubwürdig geschildert. Die Reisefreiheit in Indien ist insoweit zu relativieren, dass neben den großen kulturellen und sprachlichen Schwierigkeiten einer Migration innerhalb Indiens, Personen wie der Antragsteller sich nicht in anderen Landesteilen Indiens frei bewegen können, sondern häufig ethnischer Verfolgung ausgesetzt sind. Die Lebensgrundlage des Antragstellers wäre daher außerhalb seiner Heimatregion extrem prekär, insbesondere wegen des gänzlichen Fehlens von familiären und sozialen Kontakten in anderen Landesteilen.
Außerdem geht aus den Länderberichten hinsichtlich des Asylvorbringens des Antragstellers hervor, dass seine Angaben bezüglich der Korruption indischer Behörden glaubwürdig sind, und aus den Länderberichten ebenfalls hervorgeht, dass Folter in Polizeianhaltung häufig vorkommt, und davon insbesondere ärmere Bevölkerungsschichten betroffen sind. Gerade daher ist die Befürchtung des Antragstellers, von den indischen Behörden keinen Schutz erhalten zu können, gerechtfertigt und auch asylrelevant in Hinblick auf die entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Nach ständiger Judikatur kann auch einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung Asylrelevanz zukommen, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden.
Der Verwaltungsgerichtshof erkannte beispielsweise in seiner Entscheidung 2011/23/0064:
"Für einen Verfolgten macht es nämliche keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat, oder ihm dieser Nachteil auf Grund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen."
Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Antragsteller daher nicht zur Verfügung, zumal er in anderen Landesteilen keinerlei familiäre Kontakte besitzt, die ihm eine Reintegration ermöglichen könnten. Der Antragsteller ist in seiner Heimat asylrelevant verfolgt wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, und eine Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit der indischen Sicherheitsbehörden ist nicht gegeben, und ich ersuche, ihm Flüchtlingsstatus zuzuerkennen. Allenfalls ersuche ich, aufgrund der begründeten Befürchtung, dass der Antragsteller bei einer Abschiebung nach Indien einer existenzbedrohenden Notlage ausgesetzt wäre, um die Gewährung subsidiären Schutzes. Festgestellt wird bezüglich der Integration des Antragstellers, dass er schon vor ein Jahr zum Zwecke der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nach Österreich gekommen ist, und in der Zeit seines Aufenthaltes große Anstrengungen um eine Anpassung an die österreichische Gesellschaft unternommen hat. Er kann sich im Alltag auf Deutsch problemlos verständigen, er ist unbescholten und bestreitet seinen Lebensunterhalt durch die Ausübung eines selbständigen Gewerbes ohne auf die Gebietskörperschaft angewiesen zu sein.
Seitdem der Antragsteller nach Österreich gekommen ist, lebt er durchgehend hier, er lebt in einer ortsüblichen Unterkunft, und er wünscht weiter in Österreich bleiben zu dürfen, weil er nach wie vor Verfolgung in seiner Heimat befürchtet und wegen der Verbundenheit zu Österreich, die sich im Laufe seines bereits geraumen Aufenthaltes hier entwickelt hat. Allenfalls wird daher in Hinblick auf die Integration des Antragstellers in Österreich, der hier sowohl sprachlich wie sozial und beruflich verwurzelt ist, darum ersucht, eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären."
Mit Bescheid vom 09.08.2018, Zahl: XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrens-gesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (FPG) erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei, wobei gemäß § 55 Abs. 1aFPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe. Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Absatz 2 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von 2 Jahren erlassen (Spruchpunkt IV.)
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren dieselben Gründe, die er im ersten Asylverfahren behauptet habe, vorgebracht habe. "Sie beziehen sich im gegenständlichen Verfahrensgang nach wie vor auf Rückkehrhindernisse, welche bereits im Kern in Ihrem Vorverfahren zur Sprache gebracht wurden, erweiterten die Bedrohungen in Indien nun aber damit, dass Sie mit ein Junge namens XXXX aus Ihren Dorf gegen die Hindus demonstriert haben und dieser Junge (XXXX) wurde im Jahr 2018 von den Hindus angeblich umgebracht. Ein anderer Junge namens XXXX welcher in Dubai lebt, hat Ihnen das mitgeteilt, dass XXXX ermordet wurde und XXXX nicht zurück nach Indien reisen dürfen.
In Ihrem Vorverfahren gaben Sie an, dass Terroristen Ihre Mutter umgebracht hätten, deshalb hätten Sie das Land verlassen. Weiters gaben Sie in Ihrem Vorverfahren an, dass auch die Umweltverschmutzung in Delhi ein Grund für Sie gewesen ist ihr Heimatland zu verlassen.
Die nun im gegenständlichen Verfahren dargestellten Angaben hinsichtlich Ihres Fluchtgrundes, also, dass Ihr Freund Sie aus Dubai anrief um Ihnen mitzuteilen, dass ein Junge mit denen Sie gegen die Hindus demonstriert haben angeblich umgebracht wurde und Sie deshalb nicht zurückkehren dürfen, sind nicht geeignet, um darin einen neuen Sachverhalt zu erkennen. Dieser Vorfall steht für das Bundesamt in keinerlei Beziehung zu Ihnen oder der von Ihnen im ersten Asylverfahren in Österreich vorgebrachten Fluchtgründe. Überdies machten Sie keine detaillierteren Angaben im Verfahren.
Schließlich ist noch darauf zu verweisen, dass Sie im Zuge des nunmehrigen Verfahrens keine neu entstandenen Beweismittel vorgelegt haben, die zu einem abweichenden Verfahrensergebnis führen könnten. Sie haben sich in der Einvernahme vor dem Bundesamt auf ein Telefonat mit einem Freund namens XXXX, welcher in Dubai lebt, telefoniert wonach Sie von diesem Freund (XXXX) erfahren haben, dass ein Junge (XXXX) mit dem Sie gegen die Hindus demonstriert haben, angeblich von den Hindu ermordet wurde. Dieser Hinweis auf ein Telefonat mit XXXX ist jedoch nicht geeignet, die behauptete Bedrohungssituation zu bescheinigen, dies schon im Hinblick darauf, dass Sie diese Informationen auf telefonischem Wege nicht aufgezeichnet haben. Der bloß allgemeine Hinweis auf ein in der Vergangenheit mit XXXX geführtes Telefonat kann nicht als neu entstandenes Beweismittel gewertet werden. Es liegen nämlich keinerlei Aufzeichnungen über das Telefonat vor und kann vom Asylgerichtshof daher nicht nachvollzogen werden, ob das behauptete Telefonat tatsächlich geführt wurde.
Die Begründung des neuerlichen Asylantrages reicht nicht aus, einen neuen gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Sie konnten Ihre Aussage auch auf keinerlei Beweise stützen. Für das Bundesamt weisen die von Ihnen neu vorgebrachten Gründe keinerlei Veränderung im Hinblick auf Ihre Fluchtgründe, welche bereits im ersten Verfahren als nicht asylrelevant bewertet wurden, auf.
Es ist festzuhalten, dass im Hinblick auf Ihre vorgebrachten Fluchtgründe kein glaubhafter geänderter Sachverhalt dargestellt wurde, weswegen sich zum jetzigen Zeitpunkt auch hinsichtlich der im Erstverfahren getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien ebenfalls keine Änderung ergeben hat und diese daher nach wie vor für zulässig erachtet wird. Die von Ihnen nun neu ins Treffen geführten Aspekte entbehren jeder Asylrelevanz, sind darüber hinaus nicht glaubhaft und stellen daher keinen berücksichtigungswürdigen neuen Sachverhalt dar. Über die sonst von Ihnen abermals vorgebrachten Gründe, nämlich die Verfolgung durch die Brüder der Person, welche Ihr Bruder angeblich getötet hätte, wurde bereits in Ihrem ersten Asylverfahren in Österreich rechtskräftig negativ entschieden. Die nun im Verfahren dargestellte Veränderung, nämlich den Suizid Ihrer Schwester, konnten Sie weder beweisen, noch einen Zusammenhang mit einem Rückkehrhindernis für Ihre Person nach Indien herstellen.
Das Bundesamt kommt somit zum Erkenntnis, dass Sie keinen glaubhaften und neu entstandenen Sachverhalt vorgebracht haben, welcher nach Abschluss Ihres vorherigen Asylverfahrens entstanden wäre. Ihre nun gemachten Angaben sind weiters nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken.
Das Bundesamt kann sohin nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist. Es liegt sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor."
Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger Indiens. Der Beschwerdeführer hat bereits einmal in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde erst im November 2017 durch das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung bezogen auf den Herkunftsstaat verbunden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers wurde dabei als nicht glaubhaft beurteilt. Der Beschwerdeführer bringt im gegenständlichen Verfahren im Kern die gleichen Asylgründe vor, wie in seinem ersten Verfahren. Er erweitert diese lediglich um die Behauptung ein einziges Mal von einem Freund angerufen worden zu sein, der ihm gesagt hätte, dass er nicht nach Indien zurückkehren solle, da er gesucht werde. Dieser neuen Behauptung kann kein glaubhafter Kern attestiert werden.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten oder sonstige Personen, zu denen eine besonders enge Beziehung bestehen würde, hingegen hält sich seine Tante in Indien auf. Er spricht geringfügig Deutsch und ist in keiner Form substanziell integriert. Der Beschwerdeführer ist seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen, sondern hat einen zweiten Asylantrag gestellt.
Zur Lage in Indien:
Politische Lage
Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).
Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).
Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).
Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:
FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).
Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).
Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).
Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.
Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).
Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).
Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016
-
AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016
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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,
http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016
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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook
-
India,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017
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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,
http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017
-
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,
http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016
Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).
Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011
Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).
Pakistan und Indien
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).
Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016
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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,
http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016
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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,
http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,
http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016
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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):
Asylländerbericht Indien
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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,
http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017
Punjab
Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).
Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).
Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).
Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:
BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).
Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).
Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).
In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).
Quellen:
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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017
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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,
http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017
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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017
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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):
Asylländerbericht Indien
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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016
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USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017
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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016
Allgemeine Menschenrechtslage
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).
Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:
Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).
Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).
Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem