TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/17 G305 2188210-1

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Veröffentlicht am 17.09.2018
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Entscheidungsdatum

17.09.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G305 2188210-1/12E

G305 2188214-1/7E

G305 2188216-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die jeweils zum 21.02.2018 datierten Beschwerden 1.) der XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, 2.) der mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Jordanien, und 3.) des mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Jordanien, alle vertreten durch die ARGE RECHTSBERATUNG - DIAKONIE UND VOLKSHILFE, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Niederösterreich jeweils vom 24.01.2018, Zl. XXXX, Zl. XXXX und Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die jeweils gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide erhobenen Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, 1.) XXXX, geb. XXXX, StA. Irak (im Folgenden: Erstbeschwerdeführerin oder kurz: BF1), 2.) mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Jordanien (im Folgenden: mj. Zweitbeschwerdeführerin oder kurz: mj. BF2) und 3.) XXXX, geb. XXXX (im Folgenden: mj. Drittbeschwerdeführer oder mj. BF3) stellten am 28.10.2015, um 10:30 Uhr, vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 29.10.2015 wurde die BF1 ab 08:20 Uhr vor Organen der LPD Niederösterreich einer Erstbefragung unterzogen, anlässlich der sie zu ihren Fluchtgründen befragt angab, dass sie, als sie noch jung war, einen Fehler begangen und dabei ihre Jungfräulichkeit verloren hätte. Als sie im Jahr 2005 heiraten wollte, habe ihr Ehemann vom Arzt erfahren, dass sie nicht mehr "sauber" sei. Sie habe ihn überreden können, dies alles für sich zu behalten und habe sie 10 Jahre alles ertragen müssen. Sie sei regelmäßig geschlagen worden. Auch ihr Sohn sei regelmäßig vom Vater geschlagen worden, weil er nicht glauben wollte, dass es sein Sohn sei. Die letzten vier Jahre hätte sie eine Affäre mit einem Mann gehabt. Als am 10.10.2015 ihr Ehemann verfrüht nach Hause gekommen sei, habe er sie erwischt. Ihr Liebhaber habe ihn noch aufhalten können und sie sei aus der Wohnung geflohen. Als er das Haus wieder verließ, habe sie die Sachen geholt und sei mit ihren Kindern geflohen [BF1, AS 17].

Am 14.10.2015 sei sie gemeinsam mit ihren beiden Kindern (Anm.: die mitbeschwerdeführenden Parteien) von AMMAN nach IZMIR geflogen. Am 16.10.2015 seien sie mit einem Schlauchboot auf die griechische Insel Chios übergesetzt und seien ihnen dort von der Polizei Fingerabdrücke abgenommen worden und hätten sie einen Landesverweis erhalten. Drei Tage später seien sie mit der Fähre nach ATHEN gelangt, von wo aus sie am 20.10.2015 über die Balkanroute nach Österreich aufgebrochen seien. Am 26.10.2015 hätten sie zu Fuß die Grenze überquert und seien so ins Bundesgebiet gelangt [BF1, AS 15].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage erbrachte bei den beschwerdeführenden Parteien einen Treffer zu Griechenland (GR2XXXX vom 18.10.2015 und vom 20.10.2015) [BF1, AS 17; BF2 AS 9 und BF3, AS 9].

Die minderjährigen Beschwerdeführer stützten ihre Fluchtgründe im Wesentlichen kurz zusammengefasst auf jene der BF1.

2. Anlässlich einer von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) am 26.06.2017 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab die BF1 auf die Frage an, ob die minderjährigen Beschwerdeführer einen eigenen Fluchtgrund hätten, an, dass ihre Tochter, die mj. BF2, zwar keine eigenen Fluchtgründe hätte, wohl aber ihr Sohn, der mj. BF3, dies jedoch ohne die behaupteten Fluchtgründe ihres Sohnes näher auszuführen [BF2, AS 77].

Sodann gab sie zu den Gründen ihrer Ausreise befragt, an, dass sie in der Pubertät einen Freund gehabt und mit ihm eine sexuelle Beziehung gehabt hätte. In der islamischen Gesellschaft werde ein solcher Verstoß mit dem Tod bedroht. Auch habe sie ihre Ausbildung machen und im Kunstbereich arbeiten wollen. Im letzten Studienjahr habe sie sich entschlossen, vor dem möglichen Tod zu flüchten. Die einzige Lösung, die sie gehabt hätte, sei gewesen, einen jordanischen Mann (ihren heutigen Ex-Gatten) zu heiraten. Sie habe ihm damals nicht die Wahrheit erzählt, dass sie keine Jungfrau mehr sei. Im Juni 2005 habe sie die Universität abgeschlossen und im August dieses Jahres geheiratet [BF1, AS 80]. In der Hochzeitsnacht habe ihr Mann bemerkt, dass sie keine Jungfrau mehr sei und sie bewusstlos geschlagen. Sodann habe er ihre bei der Hochzeit anwesende Mutter und den Großvater benachrichtigt, die auch gleich gekommen seien. Zu dritt hätten sie die BF1 ins Krankenhaus gebracht. Eine Ärztin habe sie untersucht und habe die BF1 sie gebeten, dass sie eine Ausrede erfinden möge. In der Folge habe die Ärztin in den Bericht geschrieben, dass die BF1 keine Jungfrau mehr sei und habe das der ganze Stamm über ihren Großvater erfahren. Sie habe ihren Ex-Gatten gebeten, sie nicht nach Hause zu schicken, da das ihr sicherer Tod wäre. Sodann habe er sich bereit erklärt, dass sie bei ihm bleiben dürfe. Das zweite Problem sei ihre Schwangerschaft mit dem mj. BF3 gewesen. Ihr Ex-Gatte habe ihr vorgeworfen, dass der mj. BF3 nicht sein Sohn sei. Er habe den mj. BF3 schlecht behandelt [BF1, AS 81]. 2011 habe sie einen jungen Mann, einen irakischen Staatsangehörigen namens XXXX, getroffen. Sie hätten sich zwei zweimal im Jahr in der Türkei getroffen und auch bei ihr zu Hause. Am 10.10.2015 sei XXXX zu ihr nach Hause gekommen, als sie - bereits entkleidet - Geräusche hörten. Als sie die Türgeräusche hörten, hätten sie sich angezogen und es habe keine Möglichkeit gegeben, zu fliehen [BF1, AS 81]. XXXX und ihr Ex-Gatte hätten sich angeschrien und sich gegenseitig mit den Fäusten geschlagen. XXXX habe versucht, sie aus den Händen ihres Ex-Gatten loszubekommen. Im Schock sei sie sofort zu ihrer Freundin gefahren. Doch habe sie dies bereut, da sie immer an ihre Kinder gedacht hätte. Am 12. habe sie einen Anwalt beauftragt, um sich scheiden zu lassen. Am 14. Um 08:10 Uhr, als ihr Ex-Gatte das Haus verließ, habe sie noch eine halbe Stunde gewartet und sei dann ins Haus. Sie habe die Kinder mitgenommen, ohne deren Sachen einzupacken [BF1, AS 82]. Würde sie in den Irak zurückkehren, würden sie und die minderjährigen Beschwerdeführer von ihrem Stamm getötet werden, da sie "unehelichen Geschlechtsverkehr" gehabt hätte.

3. Anlässlich einer am 16.10.2017 erfolgten neuerlichen niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde wurde die BF1 über die Rechercheergebnisse der belangten Behörde in Kenntnis gesetzt. Ergänzend machte sie Angaben zur Gestaltung ihres Alltages in Österreich [BF1, AS 211ff].

4. Am 20.12.2017 wurde die BF1 durch ein Organ der belangten Behörde einer neuerlichen Befragung unterzogen [BF1, AS 443ff]. Ergänzend gab sie zur Fluchtgeschichte der beschwerdeführenden Parteien an, dass die mj. BF2 und der mj. BF3 verletzt gewesen wären, als sie sie am 14.10.2015 von zu Hause aus abholte. Der mj. BF3 sei durch ein Messer am Bein verletzt gewesen und XXXX sei am Arm verletzt gewesen. Sie seien zur Apotheke gegangen und hätten sich die Wunden versorgen lassen. Dann seien sie im Einkaufszentrum XXXX gewesen; dort habe sie Kleidung gekauft. Dann seien sie im Reisebüro gewesen und hätten einen Flug in einer Reisegruppe nach XXXXgebucht [BF1, AS 445].

5. Mit Bescheiden vom 24.01.2018, Zl. XXXX/Wr. Neustadt, Zl. XXXX und Zl. XXXX wies die belangte Behörde die auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom 28.10.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines/einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen jedoch den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 3 AsylG zu (Spruchpunkt II.) und erteilte den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.01.2019 (Spruchpunkt III.).

6. Gegen die angeführten Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien eine jeweils zum 21.02.2018 datierte, jeweils gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gerichtete Beschwerde, in der sie erklärten, diese wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für sie günstigere Bescheide erzielt worden wären, anfechten zu wollen. Ihre Beschwerden verbanden die beschwerdeführenden Parteien mit den Anträgen auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, auf Behebung der angefochtenen Bescheide und Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in eventu auf ersatzlose Behebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Beschwerdesache an die belangte Behörde zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung.

7. Am 06.03.2018 legte die belangte Behörde die gegen die oben näher bezeichneten Bescheide erhobenen Beschwerden und die Bezug habenden Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht vor. Hier wurden die Beschwerdesachen der Gerichtsabteilung G 305 zur Erledigung zugeteilt.

8. Am 31.08.2018 wurde vor dem erkennenden BVwG eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich der die BF1 in Anwesenheit eines Dolmetsch für die arabische Sprache einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die im Spruch genannte BF1 (XXXX, geb. XXXX in BAGDAD) ist Staatsangehörige der Republik Irak. Sie gehört der arabischen Volksgruppe ihres Herkunftsstaates an und bekannte sich zumindest noch bei der illegalen Einreise ins Bundesgebiet zum muslimisch-sunnitischen Glauben [BF1, AS 9]. Dass sie seit ihrer Geburt an keine Religion geglaubt hätte, oder vom muslimischen Glauben gar abgefallen wäre, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 5]. Ihre Muttersprache ist arabisch.

Die im Spruch genannte minderjährige Zweitbeschwerdeführerin (die mj. BF2 XXXX, geb. XXXX) ist Staatsangehörige der Republik Jordanien und gehört auch sie der arabischen Ethnie an. Sie ist die leibliche Tochter der BF1 und ihres vormaligen Ehegatten, von dem sie sich am 17.12.2015 scheiden ließ. Auch sie gehörte (im Entscheidungszeitpunkt des erstinstanzlichen Bescheides) zumindest bis zu ihrer Einreise ins Bundesgebiet dem muslimischen Glauben, sunnitischer Ausrichtung an. Am 01.03.2017 - sohin nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - erklärte sie gegenüber der Bezirkshauptmannschaft XXXX ihren Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft [mj. BF2, AS 69]. Die mj. BF2 wurde allerdings christlich getauft.

Der im Spruch genannte minderjährige Drittbeschwerdeführer (der mj. BF3 XXXX, geb. XXXX) ist ebenfalls Staatsangehöriger der Republik Jordanien und gehört auch er der arabischen Ethnie an. Er ist der leibliche Sohn der BF1 und deren vormaligen Ehegatten. Die Muttersprache der minderjährigen Beschwerdeführer ist ebenfalls arabisch. Am 01.03.2017 erklärte der mj. BF3 gegenüber der Bezirkshauptmannschaft XXXX den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft [mj. BF3, AS 71]. Die Austrittserklärung erfolgte nach Erlassung und Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 24.01.2018. Am 22.04.2018 wurde er in der römisch-katholischen Pfarre XXXX auf den Namen XXXX getauft und ist die Taufe in der dortigen Taufmatrik XXXX, eingetragen. In Österreich besucht er seit dem 05.09.2016 die XXXX [mj. BF3, AS 73].

Die Erst- und die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin sind gesund und nehmen keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder bzw. bewusstseinsbeeinträchtigender Wirkung. Auf Grund einer - nicht näher definierten - posttraumatischen Belastungsstörung nimmt der mj. BF3 zwar an Therapiesitzungen teil; allerdings nimmt er keine Medikamente.

Dass auch nur eine der beschwerdeführenden Parteien an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden würde, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 4].

1.2. Zur Einreise der Beschwerdeführer ins Bundesgebiet und zu ihrer persönlichen Situation im Irak:

Die BF1 besuchte in ihrem Herkunftsstaat Irak die sechsjährige Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und fünf Jahre die XXXX. Anschließend besuchte sie XXXX an der Universität XXXX und schloss diese Ausbildung - nach eigenen Angaben - im Juni 2005 mit dem akademischen Grad eines Bachelors ab [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 7].

Bis zu ihrer Auswanderung nach Jordanien lebte sie in ihrem Elternhaus in XXXXin BAGDAD [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 20]. Für ihren Lebensunterhalt im Herkunftsstaat ist ihr Vater XXXX aufgekommen [Ebda., S. 7].

Noch während ihres Studiums XXXX lernte sie ihren späteren Ehegatten, XXXX, einen jordanischen Staatsangehörigen kennen. Nach erfolgter Absolvierung ihres Hochschulstudiums folgte sie ihm nach Jordanien, wo sie ihn am XXXX2005 vor dem Personenstandsgericht XXXX, das im Norden von Jordanien liegt, ehelichte. Am selben Tag wurde auch der Ehevertrag errichtet [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 10]. Ob sie ihn auch traditionell (nach islamischem Ritus) ehelichte, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden. Die Ehe wurde XXXX2015 geschieden [siehe dazu den Widerspruch in den Angaben der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 6, wo die BF1 angab, dass die Ehe mit ihrem Ehegatten XXXX 2016 geschieden worden sei und dem Scheidungsurteil XXXX (JORDANIEN) zu Urteilsnummer: XXXX, aus dem als Datum der Ehescheidung XXXX2015 hervorgeht [BF1, AS 189]].

Dass die BF1 ihren Herkunftsstaat Irak wegen des Verlusts ihrer Jungfräulichkeit verlassen hätte, konnte nicht festgestellt werden [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 12].

Am 16.05.2006 wurde der gemeinsame Sohn des Ehepaares, der mj. BF3, in Jordanien, geboren. Die mj. BF2 wurde am XXXX ebenfalls in Jordanien geboren und besitzen beide minderjährigen Beschwerdeführer die jordanische Staatsangehörigkeit. Beide minderjährigen Beschwerdeführer sind auf Grund ihres Lebensalters schulpflichtig.

Zuletzt lebten die beschwerdeführenden Parteien in AMMAN (Jordanien), das die beschwerdeführenden Parteien am 14.10.2015 gemeinsam mit dem Flugzeug nach IZMIR (Türkei) verließen. Am 16.10.2015 setzten sie mit dem Schlauchboot auf die griechische Insel XXXXüber. In der Folge fuhren sie mit der Fähre nach ATHEN, wo sie sich am 20.05.2015 einer Gruppe Flüchtlinge anschlossen und über die Balkanroute nach Österreich reisten, wo sie am 26.10.2015 die Grenze zu Fuß überquerten. Sodann gelangten sie mit dem Bus nach WIEN und fuhren zwei Tage später in die EAST Traiskirchen [BF1, AS 15].

Sowohl im Irak, als auch in Jordanien leben noch Verwandte der beschwerdeführenden Parteien. Im Irak leben noch die Mutter der BF1, die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1958 geborene XXXX, sowie die beiden Schwestern der BF1, die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1977 geborene XXXX und die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1982 geborene XXXX, sowie zwei Brüder der BF1, der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1991 geborene XXXX und der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt geborene XXXX [BF1, AS 13; PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 9]. In Bezug auf die Angehörigen der im Irak aufhältigen Kernfamilie der BF1 konnte weder deren Familienstand, noch der Beruf, dem sie nachgehen würden, festgestellt werden, da die BF1 angab, mit ihren Angehörigen der Kernfamilie keinen Kontakt zu haben [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 10].

Keiner der beschwerdeführenden Parteien war in deren jeweiligen Herkunftsstaat Mitglied einer politischen Partei, einer anderen politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung oder betätigte sich in einer Oppositionspartei.

Niemand von den beschwerdeführenden Parteien hatte mit einer Behörde, den Gerichten oder der Polizei des Herkunftsstaates Probleme. Sie wurde auch nie vor einem irakischen Gericht wegen einer Straftat angeklagt oder inhaftiert [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 10].

1.3. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

Die beschwerdeführenden Parteien haben - außer sich selbst - lediglich eine im Bundesgebiet lebende Familienangehörige, und zwar die am XXXX geborene XXXX [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 13]. Dass die BF1 und die minderjährigen beschwerdeführenden Parteien zu dieser Schwester Kontakt hätten, konnte nicht festgestellt werden, zumal die BF1 auf die Frage, ob sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte hätte, angab, dass sie nur ihre Kinder hätte [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 11].

Die BF1 ist im Bundesgebiet ohne Beschäftigung bzw. geht sie hier keiner regelmäßigen Beschäftigung nach. Alle beschwerdeführenden Parteien stehen in der Grundversorgung des Bundes [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 11].

Die beschwerdeführenden Parteien sind - soweit ersichtlich - strafrechtlich unbescholten und weisen sie gegenwärtig eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

Die BF1 weist Grundkenntnisse der deutschen Sprache auf den Niveaus A1 und A2 auf. Sie besucht in Österreich weder eine Schule, noch eine Universität. Sie gibt am Samstag Tanzunterricht für Frauen und hat im Auftrag der CARITAS Erwachsene mit Behinderung unterstützt. Mit dieser Tätigkeit hat sie erst nach Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides der belangten Behörde vom 24.01.2018, Zl.XXXX, begonnen [Verhandlungsniederschrift vom 31.08.2018, S. 11f].

Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4. Zur allgemeinen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Irak:

1.4.1. Am Dienstag, den 10.06.2014, eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt MOSSUL (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von MOSSUL gelegenen Provinz ANBAR konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In MOSSUL wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.

Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben. In den Länderinformationen scheint nicht auf, dass muslimische Araber, darunter solche sunnitischer Glaubensrichtung, von den Angehörigen des IS unter Druck gesetzt oder gar vertrieben worden wären

(https://zavd.de/wp-content/uploads/2015/12/ZAVD-Dokumentation-Ereignisse-Irak-2014.pdf) (Stand: 23.03.2018). Auch ist anlassbezogen nicht hervorgekommen, dass der BF, der zudem über die IS-Hochburg AL RAQQA ausgereist ist, einer asylrelevanten Bedrohung durch den IS ausgesetzt gewesen wäre.

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier ABADI MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt TALLAFAR durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie eine Enklave um HAWIJA südwestlich von KIRKUK.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass die beschwerdeführenden Parteien einer asylrelevanten Bedrohung durch den IS nach der erfolgten Übernahme der Stadt am 10.06.2014 ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es den beschwerdeführenden Parteien - selbst bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - verwehrt gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

"Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 25.08.2018)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 25.08.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 25.08.2018)."

1.4.2. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak:

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

Die beschwerdeführenden Parteien sind in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat. Sie selbst kommen aus einem sunnitisch besiedelten (von der schiitischen Mehrheitsbevölkerung BAGDADS abgeschirmten) Stadtteil des Herkunftsstaates. Dor lebt auch ein Teil ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihnen nicht möglich wäre, dort zu leben. Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit in anderen - ihnen bekannten - sunnitisch mehrheitlich bzw. ausschließlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR.

"Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 26.08.2018).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.08.2018)"

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL, als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

"Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 27.08.2018)"

1.4.3. Zur Lage von Frauen und Kindern im Irak

1.4.3.1. Zur Lage von Frauen, insbesondere im Hinblick auf Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25% im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30%) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen.

Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Diskriminierung von Frauen ist im Irak auch im sozialen und religiösen Kontext Alltag. Vor allem in schiitisch dominierten Bereichen herrschen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt. Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO¿s und andere internationale Akteure, z. B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irak mit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen. So hat die irakische Regierung gegenüber der UNDAF die Zusage zur Förderung von Frauen und Mädchen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auch für den Zeitraum von 2015 bis 2019 wiederholt.

Im Jahr 2014 lag die Erwerbsquote von Frauen im Irak bei ca. 14%, stieg allerdings in den letzten Jahren an und lag im Jahr 2016 bei 17,8%. Die Anzahl möglicher Betätigungsfelder für Frauen im Irak steigt stetig an, so sind Frauen nicht nur im öffentlichen Sektor tätig sondern etablieren sich, trotz der nach wie vor vorherrschenden gesellschaftlichen Ressentiments und Widerständen, zunehmend als Unternehmerinnen bzw. Eigentümerinnen von Geschäftigen (z.B. Buchgeschäften oder Kaffeehäusern) etc.

In den Jahren 2014 und 2015 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Cafés und Restaurants in BAGDAD und BASRA, wobei der Umstand, dass dort Frauen beschäftig werden bzw. waren, oftmals als Motiv genannt wurde, jedoch auch als Vorwand gesehen wird, ein unliebsames Lokal zu schließen. Gegen die Zahlung von Schutzgeld war es Lokalbesitzern in BASRA möglich, auch Kellnerinnen einzustellen, die freizügiger angezogen waren. Grundsätzlich schützen die irakischen Gesetze Frauen, die in Kaffeehäusern oder Casinos arbeiten, es besteht seitens der irakischen Regierung ein Problembewusstsein für diese Thematik. Dennoch kommt es bei Frauen, die als Kellnerinnen arbeiten, oftmals zu Übergriffen.

"Quellen:

Adnan Abu Zeed, Nightclubs, cafes still risky business for Iraqi women, 05.12.2017,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/12/nightclub-girls-club-baghdad-iraq-harassment.html#ixzz56XBcW5nl (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Ergänzende Informationen zu Vorschriften zur Frauenbekleidung durch Gesellschaft und Milizen sowie Ergänzungen zur Lage von Kellnerinnen, 13.11.2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1418160/5209_1511256710_irak-mr-sog-bekleidungsvorschriften-fuer-frauen-lage-von-kellnerinnen-ergaenzende-afb-2017-11-10ke.doc (Letzter Zugriff am 27.08.03.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

Mustafa Saadoun, Iraq's female booksellers turn the page on gender roles, 19.10.2017,

https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/10/iraqi-women-take-another-male-profession-in-bookstores.html (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

UN-Women, Humanitarian actors highlight women's role in recovery and peacebuilding in Iraq, 20.09.2017, http://www.unwomen.org/en/news/stories/2017/9/news-humanitarian-actors-highlight-womens-role-in-recovery-and-peacebuilding-in-iraq (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

UN-Women, Iraq [Stand: 2016],

http://arabstates.unwomen.org/en/countries/iraq (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

UN-Women, UN Women meets with Women Leaders and Civil Society Organizations in Baghdad [EN/AR/KU], 02.08.2017 https://reliefweb.int/report/iraq/un-women-meets-women-leaders-and-civil-society-organizations-baghdad-enarku (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

WKO Länderprofile, 10/2017,

http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-irak.pdf (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

Zahra Ali, Women's rights are under threat in Iraq, 20.11.2017, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/11/20/womens-rights-are-under-threat-in-iraq/?utm_term=.781f3d0fb747, (Letzter Zugriff am 28.08.2018)"

1.4.3.2. Zur Lage von Kindern im Irak im Hinblick auf innerstaatlich Vertriebene

Kinder sind als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten des Irak betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind entweder für sich genommen von Gewalt betroffen oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden. Vor allem Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien innerhalb des Iraks flüchten, sind von besonderer Vulnerabilität. Junge Männer laufen in Krisenherden zudem Gefahr, als Soldaten rekrutiert zu werden.

Im Irak ist ein Anstieg an Kinderehen, besonders bei Binnengeflüchteten und Binnenvertriebenen, zu beobachten, da Heirat oft als Möglichkeit gesehen wird, Frauen und Mädchen zu schützen. Obwohl die gesetzlichen Regelungen einer Eheschließung vor dem Erreichen des 15. Lebensjahres entgegenstehen, werden diese Normen oftmals vor allem ländlichen und in schiitisch dominierten Gebieten oftmals nicht durchgesetzt.

Die große Zahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen im Nord- und Südirak haben die Kapazitäten der regionalen staatlichen Stellen und auch der vor Ort tätigen internationalen Hilfsorganisationen stark in Anspruch genommen und die Möglichkeiten der Unterbringung und Versorgung der Betroffenen stark beansprucht. Es gelingt diesen dennoch, wesentliche Aufgaben so zu erfüllen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. Zahlreiche Hilfsorganisationen leisten dabei vor Ort internationale Unterstützung und zeugen auch die zahlreichen Berichte internationaler staatlicher Quellen zur Lage von Binnenflüchtlingen und Binnenvertriebenen im Nord- und im Südirak von einem entsprechenden Problembewusstsein der Staatengemeinschaft in dieser Hinsicht.

Es kann festgestellt werden, dass immer mehr Binnenflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, so wird berichtet, dass, obwohl nach wie vor ca. 2,6 Millionen irakische Staatsangehörige nach wie vor Schutz in anderen Teilen des Iraks suchen, Ende des Jahres 2017 ca. 3,2 Millionen Binnenvertriebene wieder in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt sind. Es ist auch festzustellen, dass sich in den Gebieten, die vom IS befreit wurden, das Leben auch für Kinder wieder langsam stabilisiert. Dass Kinder in Regionen, in denen derzeit keine Kriegshandlungen gesetzt werden, z.B. in BAGDAD, ERBIL oder BASRA, von einer über die allgemeine angespannte Sicherheitslage hinausgehenden humanitären Kriegs- oder Krisensituation ausgesetzt wären, konnte nicht festgestellt werden.

"Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

IOM, Number of Returns Exceeds Number of Displaced Iraqis: UN Migration Agency, 12.01.2018,

https://www.iom.int/news/number-returns-exceeds-number-displaced-iraqis-un-migration-agency (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016-November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 28.08.2018)"

1.4.4. Zur medizinischen Grundversorgung im Irak

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt, so ist im Irak zwar ein qualifiziertes Ärzte- und Krankenhauspersonal vorhanden, doch sind viele Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitssektor aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Irak geflohen oder haben ihre Arbeit niedergelegt. Das Gesundheitsministerium ist der Hauptanbieter im Gesundheitsbereich, das öffentliche Gesundheitssystem basiert auf einem Kostenteilungsmodell, bei dem die Regierung einen Teil der Kosten medizinischer Leistungen übernimmt und den Patienten eine geringe Gebühr in Rechnung gestellt wird. Der Mangel an politischer Stabilität und Staatssicherheit im Irak macht es schwierig, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Neben der öffentlichen Gesundheitsversorgung existiert ein privater Gesundheitssektor, welcher ebenfalls heilmedizinische Leistungen anbietet, diese können jedoch, wenn weitere Leistungen nötig werden (z.B. MRT, Medikamente oder operative Eingriffe) durchaus kostspielig sein.

Einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad sind Untersuchungen und Behandlungen im öffentlichen Sektor kostenfrei verfügbar. Nach einem IOM-Bericht gibt es ebenso öffentliche Gesundheitszentren. Neben Krankenhäusern in ERBIL sind dazu das Ainkawa Health Care Center, das Pirzeen Health Care Center oder das Shaqlawa Hospital Safin Health Care Center. Ebenso gibt es in AL SULAYMANIYAH eine Reihe öffentlicher Krankenhäuser, sowie weitere Gesundheitszentren im Umland, die jedoch im Allgemeinen schlecht ausgestattet sind und oftmals nur die notwendigste Versorgung gewährleisten können, z.B. das Bakrajo Health Center, das Kakamand Health Center oder das Sarchnar Health Center. Medizinische Versorgung ist auch im Südirak gegeben, so sind neben den Krankenhäusern in BASRA in diesem Zusammenhang das Hay Al-Mohandesin Typical Healthcare Centre und das Haji Khudair Healthcare Centre, die jedoch ebenfalls schlecht ausgestaltet sind. Den Länderberichten lässt sich nicht entnehmen, dass eine Behandlung des mj. BF3 nicht möglich wäre.

"Quellen:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad, 30. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423351/5209_1517480519_irak-rf-mev-diverse-medikamente-und-behandlung-in-baghdad-2018-01-30-k.odt (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 28.08.2018)"

1.4.5. Zur Freiheit der Religionsausübung im Irak

Die Verfassung des Irak erklärt den Islam als die offizielle Religion und legt fest, dass kein Gesetz beschlossen werden darf, das den "bestehenden Vorschriften des Islam" widerspricht. Die Verfassung gewährt das Recht auf Religionsfreiheit für Muslime, Christen, Jesiden, und Saebäer/Mandäer. Das Gesetz verbietet allerdings das Ausüben des Bahai-Glaubens und des wahabitischen Zweiges des sunnitischen Islam (USDOS 10.8.2016).

Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im Parlament vertreten, wofür ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze die Grundlage dafür bildet. So entfallen auf die christliche Minderheit fünf Sitze sowie jeweils ein Sitz auf Jesiden, Sabäer, Mandäer und Schabaks. Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und Assyrische Christen und für einen für Armenier vor (AA 7.2.2017).

Der Verfassungsentwurf der Autonomen Kurdischen Region enthält die Scharia als eine der Gesetzesquellen, jedoch verbietet dieser nicht die Existenz von Gesetzen, die im Widerspruch zum islamischen Recht stehen (wie dies in der irakischen Verfassung festgeschrieben ist) und anerkennt dieser die Rechte von Nicht-Muslimen (UNCIRF 26.4.2017).

Im Irak bestehen weder Gesetze im Zivil-, noch im Strafrecht, die Strafen für Personen vorsehen würden, die vom islamischen Glauben abfallen. Aus den Länderberichten zum Irak lassen sich keine Anhaltspunkte dahingehend entnehmen, dass Personen, die den islamischen Glauben ablegen wollen, von den Gerichten, Behörde und/oder der Polizei des Irak verfolgt würden.

"Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf (letzter Zugriff am 17.09.2018).

IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (2.9.2016): Iraq:

Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available (2013-September 2016) [IRQ105624.E],

http://www.ecoi.net/local_link/329716/470759_de.html , letzter Zugriff am 17.09.2018).

USDOS - US Department of State (10. 8. 2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/328414/469193_de.html, (letzter Zugriff am 17.09.2018)."

1.5. Zur allgemeinen Lage der beschwerdeführenden Parteien in Jordanien:

1.5.1. Allgemeine politische Lage in Jordanien:

Jordanien ist eine konstitutionelle Monarchie und verfassungsmäßig als Zentralstaat mit zwölf Gouvernoraten organisiert. Diese nehmen administrative Aufgaben, aber keine eigenen politischen Befugnisse wahr. Staatsoberhaupt ist seit dem 07.02.1999 König Abdullah II. Ibn Al-Hussein.

1.5.1.1. Aktuelle innenpolitische Lage

Jordanien ist weiterhin bemüht, als Vorreiter für Reformen in der Region zu gelten. König Abdullah II. strebt für sein Land nach systematischer Modernisierung, wobei der Fokus eher auf der Verbesserung der sozioökonomischen Situation liegt als auf innenpolitischen Reformen.

Am 20.09.2016 fanden Unterhauswahlen statt, wobei diese von Beobachtern unter anderen der Europäischen Union beobachtet wurden. Die EU bewertete die Wahlen als "technisch gut verwaltet trotz vorhandener Unzulänglichkeiten im rechtlichen Rahmenwerk". Das im Jahr 2016 verabschiedete neue Wahlrecht griff manche Empfehlungen der EU auf.

Die neue Regierung unter Premierminister Hani Mulki wurde am 27.09.2016 vom König vereidigt; im Januar 2017 und Februar 2018 kam es zu Regierungsumbildungen. Die Regierung sieht sich unmittelbar mit der Bewältigung verschiedener Herausforderungen konfrontiert. Hiezu zählen vor allem die Auswirkungen des Syrienkriegs auf Jordanien sowie die derzeitige Wirtschaftskrise.

Der Syrien-Konflikt hat aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen in Jordanien in der Zwischenzeit nicht mehr nur sozioökonomische Folgewirkungen. Eine Anzahl von mehr als 655.000 vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) registrierten syrischen Flüchtlingen bedeutet für den jordanischen Staat und die jordanische Bevölkerung eine erhebliche Belastung. Die Auswirkungen auf Staatshaushalt, soziales Gefüge, Wirtschaft und Infrastruktur - einschließlich Gesundheits- und Bildungssystem, Preisniveaustabilität und Wasserversorgung - sind spürbar.

Schwierig bleibt auch die wirtschaftliche und fiskalische Lage Jordaniens. Der damalige Premierminister Ensour setzte im November 2012 die Reduktion von staatlichen Subventionen für Brennstoffe durch, trotz mehrtägiger landesweiter und teilweise gewalttätiger Proteste. Im Februar 2017 kam es nach Steuererhöhungen, Subventionsabbau und allgemeinen Preissteigerungen zu eintägigen Protesten in mehreren Städten. Weiterhin steht die Umsetzung des vom König geforderten Dezentralisierungsplans an, bei dem einige Kompetenzen im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung von der Zentralregierung an die Gouvernorate abgegeben werden sollen.

"Quellen:

https://amman.diplo.de/jo-de/themen/willkommen/laenderinfos/innenpolitik Stand März 2018 (letzter Zugriff: 17.09.2018)."

1.5.1.2. Parlament

Das jordanische Parlament ("Majlis al-Umma") setzt sich aus einem Unterhaus ("Majlis al-Nuwaab", Repräsentantenhaus) und einem Oberhaus ("Majlis al-Aayan", Senat) zusammen.

Das Unterhaus, das am 20.09.2016 gewählt wurde, hat seit der Wahlrechtsreform des nach dem 2016 reformierten Wahlrecht nun 130 Sitze, wovon sich 29 Sitze quotenmäßig auf Frauen (15 Sitze), Christen (9 Sitze) und sonstige Minderheiten (3 Sitze) verteilen. Überdies zogen 5 weitere Frauen ein, sodass das neue Parlament mit 20 Parlamentarierinnen den höchsten Frauenanteil in seiner Geschichte hat. Der insgesamt 65 Mitglieder umfassende Senat wird direkt vom König ernannt (zuletzt am 29.09.2016).

"Quellen:

https://amman.diplo.de/jo-de/themen/willkommen/laenderinfos/innenpolitik Stand März 2018 (letzter Zugriff: 17.09.2018)."

1.5.1.3. Menschenrechte in Jordanien

Die Menschenrechtslage in Jordanien ist im regionalen Vergleich weniger kritisch, auch wenn Defizite bei der Gleichberechtigung von Frauen, der Pressefreiheit und der Situation ausländischer Arbeitnehmer festgestellt werden können. Die jordanische Regierung ist in Menschenrechtsfragen dialogbereit und unterstützt eine Vielzahl von Projekten internationaler Partner, die sich sowohl mit staatlichen Stellen als auch mit Nichtregierungsorganisationen um eine Verbesserung der Menschenrechtslage bemühen. Die staatlichen Anstrengungen in vielen Bereichen (z.B. Frauenrechte, Rechte von Hausangestellten) zeigen Willen und Problemsensibilität. Der rechtlichen Rahmensetzung folgt jedoch oftmals eine nur zögerliche Implementierung.

Zwischen den Militär- und Staatssicherheitsgerichten, deren Verhandlungen nichtöffentlich sind, besteht eine Parallele. In den Gefängnissen und in Polizeigewahrsam Jordaniens sind Fälle politisch motivierten "Verschwindenlassens" nicht bekannt.

Jordanien hat alle wesentlichen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnet, aber zum Teil einschränkende Vorbehalte geltendgemacht (noch nicht ratifiziert sind die Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance CED sowie die International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of Their Families CMW).

Verheiratete jordanische Frauen können ihre Staatsangehörigkeit nach wie vor nicht an ihre Kinder weitergeben. Über Ehrenmorde an Frauen wird aktuell wenig berichtet, doch werden solcherart motivierte Tötungen strafrechtlich verfolgt. Das im September 2008 neu gefasste Gesetz über Nichtregierungsorganisationen wurde nach Protesten zivilgesellschaftlicher und anderer Gruppen 2009 erneut geändert. Trotz Verbesserungen sieht es weiterhin starke Eingriffs- und Genehmigungsrechte staatlicher Stellen vor, die aber bislang restriktiv gehandhabt werden.

Als erstes Land der Region stimmte Jordanien der Einrichtung eines Menschenrechts-Unterausschusses im Rahmen des EU-Assoziierungsabkommens zu. Jordanien war bis Ende 2012 Mitglied im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (VN). Im Februar 2009, April 2010 und im Oktober 2013 wurde die Menschenrechtslage in Jordanien im Rahmen der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung des VN-Menschenrechtsrats untersucht. Jordanien ist auch das bisher einzige Land in der Region, das eine uneingeschränkte und dauerhafte Einladung an alle Sonderberichterstatter der VN ausgesprochen hat.

Zu den weiteren positiven Entwicklungen gehören die Rücknahme eines die Freizügigkeit von Frauen betreffenden Vorbehaltes gegen das VN-Abkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung gegen die Frau, sowie im Januar 2009 die Einrichtung eines Ombudsmannes, bei dem alle Jordanier Beschwerden gegen die Entscheidungen staatlicher Stellen vorbringen können. Auch die Berichterstattung in den Medien hat sich seit dem Frühjahr 2011 spürbar liberalisiert.

Jordanien hatte seit 2006 den Vollzug der Todesstrafe de facto ausgesetzt, nachdem bereits in einem früheren Schritt die Todesstrafe für eine Reihe von Tatbeständen abgeschafft worden war. Die Mehrzahl der Delinquenten an denen die Todesstrafe vollstreckt wurde, erstreckte sich auf wegen Terrorismus verurteilte Straftäter.

"Quellen:

https://amman.diplo.de/jo-de/themen/willkommen/laenderinfos/innenpolitik Stand März 2018 (letzter Zugriff: 17.09.2018)."

1.5.1.4. Religionsfreiheit in Jordanien

Die Bevölkerung besteht (gemäß einer Schätzung aus dem Jahr 2010) offiziell zu etwa 97 Prozent aus vorwiegend sunnitischen Muslimen und 2 Prozent Christen. Buddhisten und Hindus sowie andere Religionen sind mit weniger als einem Prozent vertreten (CIA 5.6.4016).

Zwar ist der Islam Staatsreligion, doch sind Christen als religiöse Minderheit anerkannt und können frei Gottesdienste abhalten (FH 28.1.2015). Den Länderinformationen zu Jordanien lässt sich nicht entnehmen, dass Christen in ihrer Religionsausübung in Jordanien eingeschränkt oder diskriminiert würden, oder der Religionsausübung rechtliche Hürden gesetzt wären (USDOS 14.10.2015).

Die Regierung überwacht die Gebete in den Moscheen, und die Prediger dürfen nur nach Einholung einer schriftlichen Genehmigung von der Regierung praktizieren. Nur staatlich ernannte Räte können religiöse Edikte erlassen, und es ist illegal, diese Regeln zu kritisieren (FH 28.1.2016) Die Verfassung sowie andere Gesetze und Maßnahmen gewähren - mit einigen Einschränkungen - Religionsfreiheit. Die Verfassung ermöglicht die freie Religionsausübung gemäß der in Jordanien geltenden Sitten, solange die öffentliche Ordnung und Moral nicht verletzt werden. Außerdem verbietet die Verfassung Diskriminierung aus religiösen Gründen.

Die Religionszugehörigkeit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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