Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. Heinz Moser in Möllbrücke, vertreten durch Dr. Maximilian Motschiunig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Bahnhofstraße 29/II, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 30. April 1999, Zl. 8 B-BRM-330/1/1999, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Lurnfeld, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Mit Bescheid vom 31. August 1998 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde H.M. die Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues. Der dagegen erhobenen Berufung des beschwerdeführenden Anrainers gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 28. Jänner 1999 keine Folge. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass gegen diesen Bescheid gemäß § 95 Abs. 1 K-AGO die Vorstellung an die Kärntner Landesregierung möglich sei. Die Vorstellung sei binnen zwei Wochen, gerechnet vom Tag der Zustellung des Bescheides an, schriftlich oder telegrafisch beim Gemeindeamt Lurnfeld in Möllbrücke einzubringen. Sie habe den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Antrag zu enthalten. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 9. Februar 1999 in Möllbrücke zugestellt.
Am 24. Februar 1999 brachte der Beschwerdeführer die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes auf dem Meldeamt der Marktgemeinde Lurnfeld ein. Es wurde ihm von den Sachbearbeiterinnen laut einem Aktenvermerk erklärt, dass der RSA-Brief mit der Hinterlegung beim Postamt Möllbrücke als zugestellt gelte und die Berufungsfrist ab diesem Datum (Beginn der Abholfrist) zu laufen beginne. Mit Schriftsatz vom 26. Februar 1999 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig eine weitere Vorstellung an die belangte Behörde. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass der letztinstanzliche Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 28. Jänner 1999 nicht ihm persönlich habe zugestellt werden können, da er sich wochentags beruflich in seiner Arztpraxis außerhalb von Möllbrücke aufhalte. Aus diesem Grund sei der Berufungsbescheid am 9. Februar 1999 beim Postamt 9813 Möllbrücke hinterlegt worden. Er habe von ihm erst am 12. Februar 1999 (Freitag nachmittag) behoben werden können, da zu diesem Zeitpunkt seine Arztpraxis nicht mehr geöffnet gewesen sei. Dabei sei der Beschwerdeführer irrtümlich davon ausgegangen, dass die vierzehntätige Frist zur Vorstellung vom Tag der Behebung weg zu laufen beginne; daher sei er davon ausgegangen, dass der 26. Februar 1999 der letzte Tag für die fristgerechte Überreichung der Vorstellung sei. Aus diesem Grunde habe er seine Vorstellung vom 22. Februar 1999 unter der irrigen Annahme, fristgerecht zu handeln, am 24. Februar 1999 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingebracht. Noch am selben Tage habe er anlässlich der zufälligen Begegnung mit einem rechtskundigen Bekannten von diesem darüber aufgeklärt werden müssen, dass das Schriftstück mit dem Tag der Hinterlegung als zugestellt gelten würde, also von diesem Tag an Rechtsmittelfristen zu laufen beginnen würden und nicht erst ab dem Tag der tatsächlichen Behebung. Nach dem Beschwerdevorbringen habe der Beschwerdeführer sich beim zuständigen Leiter der Vorstellungsbehörde am 23. Februar 1999 erkundigen wollen, ob die Baubewilligung entgegen der bereits ausgeschöpften zulässigen Baudichte und der nicht gegebenen Abstandsflächen gegen zwingendes Recht verstoße und somit rechtswidrig sei. Der Leiter der Vorstellungsbehörde sei an diesem Tag nicht anwesend gewesen, weshalb der Beschwerdeführer an eine Kollegin desselben verwiesen worden sei. Diese habe ihm bestätigt, dass die von ihm vorgefasste Vorstellung, die er anlässlich seiner Rechtsberatung bei sich hatte, der Form halber in Ordnung sei und dass er diese bei der Marktgemeinde Lurnfeld abgeben möge, dies jedoch ausdrücklich ohne jeglichen Hinweis auf die Frist. Auf Grund der Undeutlichkeit der Rechtsbelehrung sei der Beschwerdeführer als Laie der Meinung gewesen, dass der rechtliche Zustellungsbegriff ident mit dem tatsächlichen Zugang des Bescheides an ihn als Person sei. Nachdem er also am 24. Februar 1999 - also nach Ende der Vorstellungsfrist - erstmals erfahren habe, dass die Zustellung mit dem Tag der Hinterlegung beim Hinterlegungspostamt als vorgenommen gelte, und auch ab diesem Tag die vierzehntätige Frist zu laufen beginne, habe er unverzüglich seinen Rechtsfreund mit der Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrages beauftragt, der dann auch am 26. Februar 1999 an die Marktgemeinde Lurnfeld via Fax und im Original postalisch abgefertigt worden sei.
Mit Bescheid vom 30. April 1999 hat die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 28. Jänner 1999 abgewiesen und die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen.
Zur Begründung wurde nach Darlegung der maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, dass er sich wochentags beruflich in seiner Arztpraxis außerhalb von Möllbrücke aufhalte und daher der Berufungsbescheid am Dienstag, dem 9. Februar 1999 beim Postamt Möllbrücke hinterlegt worden sei und er diesen erst nach Ende der "Arztpraxis" (Ordinationszeit) am Freitag, dem 12. Februar 1999 habe beheben können. Eine vorübergehende Abwesenheit, die die Zustellung durch Hinterlegung unzulässig machen bzw. die Anwendung des § 17 Abs. 3 3. Satz des Zustellgesetzes nach sich ziehen würde, liege nur dann vor, wenn der Empfänger dadurch gehindert sei, Zustellvorgänge wahrzunehmen, wie etwa im Fall einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes. Die berufliche Abwesenheit von der Wohnung während des Tages sei keine vorübergehende Abwesenheit. Der Beschwerdeführer habe selbst eingeräumt, dass er sich nur wochentags beruflich in seiner Arztpraxis aufhalte, wobei nach Mitteilung der mitbeteiligten Marktgemeinde die Entfernung von der Arztpraxis bis zum Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers ca. 10 km betrage, sodass ein Fall der vorübergehenden Abwesenheit hier nicht gegeben sei. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nicht näher präzisiert habe, weshalb es ihm - trotz Grippewelle - nicht möglich gewesen sein sollte, die Briefsendung im vom Ordinationsort Lind vom ca. 10 km entfernten Wohnort Möllbrücke zu beheben, zumal laut Rückschein der erste Zustellversuch am 8. Februar 1999 erfolgte, könne diese von ihm ins Treffen geführte berufliche Unabkömmlichkeit keinesfalls ein Hindernis sein, die Briefsendung rechtzeitig, das heißt am Tag der Hinterlegung zu beheben. Der Beginn der Abholfrist sei in diesem Rückschein mit 9. Februar 1999 angegeben worden. Von einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis könne daher keine Rede sein. Der Wiedereinsetzungswerber dürfe nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt, die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, dass ihn die Ankündigung über den Zustellversuch am 8. Februar 1999 nicht erreicht hätte. Mit dem Vorbringen, er sei irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass die Frist zur Einbringung der Vorstellung erst am Tag der Behebung des Bescheides zu laufen beginne, die rechtliche Bedeutung des Zustellbegriffes auf einem Denkfehler seinerseits beruhe und dieser wieder auf eine unvollständige Rechtsmittelbelehrung zurückzuführen sei, habe der Beschwerdeführer nicht durchdringen können. Eine unrichtige Beurteilung der Rechtslage stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Im Übrigen sei in der Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen worden, dass die Vorstellung binnen zwei Wochen, gerechnet vom Tag der Zustellung (also nicht der Behebung), einzubringen sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe daher abgewiesen werden müssen, die erst am 24. Februar 1999 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingebrachte Vorstellung sei, bezogen auf den 9. Februar 1999, nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht worden, weshalb sie als verspätet zurückgewiesen werden müsse.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Beschwerdeführer habe sich keinesfalls auffallend sorglos im Hinblick auf die Einhaltung von Terminen und Fristen im Umgang mit Behörden verhalten, sondern sei lediglich selbst als Akademiker (praktischer Arzt) dem Widerspruch der wörtlichen und rechtlichen Bedeutung des Begriffes "Zustellung" unterlegen. Er habe aus der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides des Gemeindevorstandes keinen Hinweis darauf entnehmen können, dass der Fristenlauf mit der Hinterlegung beginne und die Zustellung mit der Hinterlegung beim Postamt gegeben sei. Über seinen Irrtum sei er weder durch den Bescheid der Marktgemeinde Lurnfeld in ausreichender Form aufgeklärt worden, noch durch die Kärntner Landesregierung, die er am 23. Februar 1999 kontaktiert habe. Im Rahmen der Rechtsmittelbelehrung hätte es ausgereicht darzustellen, dass mit der rechtmäßigen Hinterlegung die Zustellung erfolgt sei, um als Nichtjurist erkennen zu können, dass der Fristenlauf ab der Hinterlegung zu berechnen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1991 in der Fassung BGBl. Nr. 158/1998, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist ein Ereignis dann unabwendbar, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann, unvorhergesehen ist es hingegen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. die schon von der belangte Behörde zitierten hg. Erkenntnisse vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0162, sowie vom 22. September 1992, Zl. 92/04/0194).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/05/0084).
Mit Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass nicht nur ein äußeres Ereignis, sondern auch ein "Irrtum" ein Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG sein kann (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg.Nr. 9024/A). So könnte ein Irrtum ein Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG sein, wobei im Einzelfall jedenfalls das Ausmaß des Verschuldens zu prüfen ist und ein Wiedereinsetzungsgrund nur dann zu verneinen wäre, wenn die Partei mehr als ein minderer Grad des Versehens trifft.
Nun normiert § 17 Abs. 2 des Zustellgesetzes, dass der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen ist. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen. Entsprechend der gesetzlichen Anordnung des § 17 Abs. 2 letzter Satz leg. cit., wonach auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen ist, enthält das gemäß § 1 der Verordnung über die Formulare für Zustellvorgänge, BGBl. Nr. 600/1982, aufgelegte Formular 1 zu § 17 Abs. 2 Zustellgesetz den fettgedruckten Hinweis: "Die Hinterlegung gilt grundsätzlich als Zustellung."
Gerade der Hinweis, dessen Fehlen der Beschwerdeführer in der Beschwerde beklagt, nämlich, dass es ausgereicht hätte darzustellen, dass mit der rechtmäßigen Hinterlegung die Zustellung erfolgt ist, ist im Formular für die Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes enthalten. Dass er diese Verständigung aus einem besonderen Grund nicht erhalten hätte, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Wenn er die Verständigung aber nicht gelesen hat, und ihm damit der Satz "die Hinterlegung gilt grundsätzlich als Zustellung" entgangen ist, so handelte er damit in einem Maße sorglos, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht.
Dass der Beschwerdeführer die Sachbearbeiterin der Kärntner Landesregierung, die er am 23. Februar 1999 kontaktiert hatte, über den Zustellvorgang in Kenntnis gesetzt, hinsichtlich des Beginnes des Fristenlaufes gefragt und dabei eine falsche Auskunft erhalten hätte, hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.
Da der Beschwerdeführer somit bei der Behebung des hinterlegten Schriftstückes durch Nichtlesen des Hinweises auf der Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes die die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat, hat die belangte Behörde mit Recht seinen Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen. Die erst am 24. Februar 1999 bei der zuständigen Behörde eingebrachte Vorstellung war, bezogen auf den 9. Februar 1999, verspätet und wurde somit zu Recht von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen.
Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 31. August 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999050140.X00Im RIS seit
20.11.2000