TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 L502 2124424-1

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L502 2124424-1/43E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2016, FZ. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe,

dass Spruchpunkt III, erster Satz, zu lauten hat:

"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG nicht erteilt".

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 27.06.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am gleichen Tag fand seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, danach wurde das Verfahren zugelassen.

3. Am 17.02.2016 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Vorarlberg, einvernommen.

Dabei legte er als Beweismittel - teils im Original und teils in Kopie - Personalausweise von ihm und seinen Angehörigen im Irak, eine Heiratsurkunde, Reisepässe seiner Angehörigen, militärische Dienstausweise und Ausbildungsbestätigungen sowie diverse weitere Urkunden seine frühere militärische Tätigkeit im Irak betreffend vor (AS 81 ff).

Auf die Ausfolgung von in das Verfahren eingeführten länderkundlichen Feststellungen der Behörde zur Stellungnahme verzichtete er.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde wurde sein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I. und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, unter einem wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 und 3 FPG wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 22.03.2016 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

6. Gegen den ihm am 24.03.2016 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellten Bescheid des BFA wurde von ihm mit Schriftsatz seines Rechtsberaters vom 05.04.2016 innerhalb offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben. Der Beschwerde wurde ein handschriftliches Schreiben des BF in arabischer Sprache beigelegt.

7. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 11.04.2016 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das Verfahren in der Folge der vormals zuständigen Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

8. Das BVwG veranlasste am 12.04.2016 die Übersetzung der handschriftlichen Beilage der Beschwerde in die deutsche Sprache, die am 14.04.2016 ebendort einlangte.

9. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 15.12.2016 wurde das gg. Verfahren der nun zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

10. Am 30.01.2017 legte die Vertretung des BF ihre Verfahrensvollmacht dem BVwG vor.

11. Am 17.10.2017 führte das BVwG eine (erste) mündliche Verhandlung in der gg. Beschwerdesache durch, in der dieser selbst diverse Beweismittel beibrachte und vom Gericht länderkundliche Informationen zum Herkunftsstaat als Beweismittel beigezogen wurden.

12. Am 23.10.2017 langten beim BVwG im Wege der Vertretung des BF diverse Integrationsnachweise sowie ein länderkundliches Beweismittel ein.

13. Mit 24.10.2017 beauftragte das BVwG einen länderkundlichen Sachverständigen mit Recherchen vor Ort ausgehend von den vom BF vorgelegten Beweismitteln zur Überprüfung seiner Angaben zu seinen vormaligen beruflichen Tätigkeiten im Irak.

14. Mit 04.12.2017 wurde der BF vom BVwG aufgefordert seine bisher als Kopien vorgelegten Beschäftigungsnachweise im Original vorzulegen und näher benannte Angaben zu früheren beruflichen Tätigkeiten schriftlich zu präzisieren.

15. Mit 17.01.2018 langte der Recherchebericht des länderkundlichen Sachverständigen beim BVwG ein.

16. Am 16.02.2018 führte das BVwG eine (zweite) mündliche Verhandlung in der Beschwerdesache im Beisein des BF sowie jenes des beauftragten Sachverständigen durch, in der u.a. das Rechercheergebnis erörtert wurde und vom Gericht weitere länderkundliche Informationen zum Herkunftsstaat als Beweismittel beigezogen wurden.

17. Mit Eingabe an das BVwG vom 06.03.2018 legte der BF weitere Beweismittel seine früheren Tätigkeiten im Irak betreffend vor.

18. Eine darunter befindliche neue Urkunde aus dem Jahr 2016 betreffend wurde der BF vom BVwG mit 08.03.2018 zur Vorlage des diesbezüglichen Originals aufgefordert.

19. Mit Eingabe an das BVwG vom 23.03.2018 verneinte der BF die Möglichkeit der Vorlage dieses Originals und legte zugleich einen Ausdruck einer Konversation über die Internet-Plattform Whatsapp als Beweismittel vor.

20. Mit 29.03.2018 beauftragte das BVwG den länderkundlichen Sachverständigen mit ergänzenden Recherchen vor Ort zu den vom BF am 06.03.2018 vorgelegten Beweismitteln.

21. Am 07.05.2018 langte beim BVwG der Recherchebericht des Sachverständigen ein.

22. Am 14.05.2018 langte eine vom Sachverständigen veranlasste Übersetzung der vom BF vorgelegten Konversation über die Internet-Plattform Whatsapp in die deutsche Sprache ein.

23. Mit 22.05.2018 wurde den Verfahrensparteien Parteiengehör zum Recherchebericht des Sachverständigen eingeräumt.

24. Am 06.06.2018 langte beim BVwG eine schriftliche Stellungnahme des BF dazu ein.

25. Vom BVwG wurden abschließend aktuelle Auszüge aus dem Informationssystem Zentrales Fremdenregister, dem Grundversorgungsinformationssystem, dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister erstellt, Einsicht genommen in den Verfahrensakt des BVwG einen gemeinsam mit dem BF eingereisten Antragsteller betreffend, der ein im Wesentlichen identes Vorbringen zu den Ausreisegründen erstattet hatte, und aktuelle länderkundliche Informationen zum Herkunftsstaat dem Akt angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist irakischer Staatsangehöriger, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der schiitischen Glaubensrichtung und verheiratet.

Er schloss im Jahr 2009 die Ehe mit einer irakischen Staatsangehörigen, dieser Ehe entstammen zwei Kinder im Alter von derzeit ca. acht und vier Jahren. Gattin und Kinder leben weiterhin im Irak in XXXX und wohnen abwechselnd bei verschiedenen Verwandten. Auch seine Mutter sowie zwei Brüder und eine Schwester leben in XXXX, wo beide Brüder erwerbstätig sind.

Er stammt aus dem Stadtteil XXXX von XXXX, wo er für acht Jahre die Schule, u.a. Colleges für Fotografie und Computertechnik, besuchte und die Matura absolvierte. Er war vorerst als Elektriker im Betrieb eines Onkels berufstätig, ehe er zwischen 2007 und 2008 für ein amerikanisches Sicherheitsunternehmen in der irakischen Provinz Anbar als Wachmann tätig war. In späterer Folge ging er dem Beruf eines Fotografen nach. Ab Jänner 2012 stand er im Dienst des irakischen Verteidigungsministeriums. Im Rahmen dessen absolvierte er nach einer militärischen Grundausbildung eine spezielle Ausbildung als Computerfachmann bzw. Trainer für computerunterstützte Gefechtssimulationen (auch: MILSIM / Military Simulations) und war ab Juni 2012 als solcher in einem Joint Training Center von US-Army und irakischer Armee in einer Militärbasis am Rande von XXXX sowie innerhalb einer Militärakademie in XXXX tätig. Als letztes Ausstellungsdatum seines militärischen Dienstausweises war der 02.02.2014 feststellbar. Nicht feststellbar war, wann genau er seinen Dienst quittierte, er gab seine Tätigkeit innerhalb des genannten Projekts jedenfalls aus eigenem Entschluss auf. Er wurde mit April 2016 offiziell aus dem Militärdienst entlassen.

Er reiste am 06.06.2015 auf dem Luftweg aus dem Irak in die Türkei aus und gelangte anschließend schlepperunterstützt über Griechenland bis nach Österreich, wo er - gemeinsam mit einem mitgereisten Landsmann - am 27.062015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält.

Er bezieht seit der Einreise in das Bundesgebiet bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er betätigt sich hierorts ehrenamtlich beim Privatfernsehsender OKTO als Kameramann und Redakteur und fertigt selbst Videofilme an, die auch öffentlich gezeigt wurden. Er widmet sich auch dem Hobby der Fotografie. Er hat einen Deutschkurs auf dem Referenzniveau A1 absolviert und verfügt über alltagstaugliche Kenntnisse der deutschen Sprache. Er verfügt im Bundesgebiet über keine Angehörigen oder Verwandten, jedoch über normale soziale Kontakte.

Er ist bis dato in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Es war nicht feststellbar, dass der BF, wie von ihm behauptet wurde, vor der Ausreise von Dritten, im Genaueren von Mitgliedern einer schiitischen Miliz, entführt, bedroht und erpresst wurde um einen militärischen Vorgesetzten an diese zu verraten bzw. diesen an diese auszuliefern. Eine aus diesem Vorbringen behaupteter Weise resultierende Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Irak war folglich ebenso nicht feststellbar.

Es war nicht feststellbar, dass der BF im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit für das irakische Verteidigungsministerium (vgl. die Feststellungen oben) wegen des von ihm behaupteten Vorwurfs der Desertion aus dem Militärdienst bei einer Rückkehr strafrechtlich verfolgt wird.

1.3. Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um XXXX sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.05.2018 noch ca. 2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,8 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. 83 % der im März und April 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 119.000 Binnenvertriebenen stammten alleine aus der Provinz Ninava, weitere Schwerpunkte für Rückkehrende sind Anbar mit den Bezirken Fallujah, Ramadi und Heet, Salah al-Din mit den Bezirken Tikrit und Al Shirqat und Kirkuk.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogen. Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an XXXX anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in XXXX und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 mußte der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mit zustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk. Am 15.10.2017 wurden die in Kirkuk stationierten kurdischen Sicherheitskräfte von Einheiten der irakischen Armee und der Polizei sowie der sogen. der Zentralregierung nahestehenden Volksmobilisierungseinheiten angegriffen, die sich in der Folge aus Kirkuk zurückzogen. Zuletzt kam es zur Besetzung weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze sowie von Grenzübergängen an der irakisch-syrischen Grenze durch die irakische Armee und die Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via XXXX möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt geworden.

Die Sicherheitslage im Großraum XXXX war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die oben genannten Ereignisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des IS im Zentralirak. Seit 2016 kam es jedoch im Stadtgebiet von XXXX zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. So wurden am 13. und 15. Jänner 2018 von Selbstmordattentätern zwei Sprengstoffanschläge auf öffentliche Plätze in XXXX verübt, deren genaue Urheber nicht bekannt wurden. Für den Großraum XXXX sind im Gefolge der nunmehrigen Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet nur mehr wenige sicherheitsrelevante Ereignisse bzw. Entwicklungen bekannt geworden. Zuletzt kam es am 06.06.2018 im Stadtteil Sadr-City zu einem Anschlag unbekannter Täter auf eine Moschee, bei dem 18 Menschen starben und 90 verletzt wurden.

(Quellen: Institute for the Study of War; IOM Iraq; IFK - Institut für Friedensforschung und Konfliktmanagement; Spiegel.online; Tagesschau.de; tripadvisor.com)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, die Einsichtnahme in die von ihm vorgelegten Urkunden und sonstigen Beweismittel, die Durchführung von Recherchen im Herkunftsstaat durch einen vom Gericht beauftragten länderkundlichen Sachverständigen, die Heranziehung aktueller länderkundlicher Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat durch das BVwG sowie durch amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, regionale Herkunft und soziale wie wirtschaftliche Verhältnisse des BF und seiner Angehörigen im Herkunftsstaat vor der Ausreise sowie aktuell in Österreich konnten auf der Grundlage seiner persönlichen Angaben vor dem BFA und dem BVwG in der Zusammenschau mit dem Inhalt der von ihm beigebrachten Beweismittel und den vom BVwG zuletzt erstellten Datenbankauszügen als unstrittig festgestellt werden.

2.3. Die Feststellungen zu seinen vormaligen beruflichen Tätigkeiten im Irak vor seiner Ausreise stützen sich ebenso auf seine persönlichen Angaben vor dem BFA und dem BVwG in der Zusammenschau mit dem Inhalt der von ihm beigebrachten Beweismittel, wobei im Einzelnen dazu wie folgt auszuführen ist:

Soweit er behauptete, im Zeitraum ab 2007 oder 2008 als Wachmann für ein im Irak aktives amerikanisches Sicherheitsunternehmen tätig gewesen zu sein, waren seine zeitlichen Aussagen dazu über den Verfahrensverlauf hinweg inkonsistent. Den von ihm vorgelegten Urkunden (Bestätigungsschreiben vom 25.11.2009, Ausweis vom 01.01.2008) war wiederum zu entnehmen, dass er diese Tätigkeit von 01.04.2007 bis 17.02.2008 ausübte und der Dienstausweis eine Gültigkeit bis 30.06.2008 hatte. Diese Daten wurden sohin vom Gericht als maßgeblich erachtet. Zwar wurden vom recherchierenden länderkundlichen Sachverständigen Zweifel an der Richtigkeit der Behauptungen angemeldet, die sich auf die äußere Form der Urkunden richteten, zumal auch seine Recherchen vor Ort keine belastbaren Informationen über die behauptete Tätigkeit des BF hervorbrachten. Die Aussagen des BF wiederum in der zweiten mündlichen Verhandlung erweckten den Eindruck eines tatsächlich erlebten Geschehens, zuletzt legte er noch ein elektronisches Bestätigungsschreiben einer früheren leitenden Mitarbeiterin des Unternehmens vor. Im Lichte dessen traf das Gericht die Feststellungen oben, wobei anzumerken ist, dass diese keine Relevanz für die Frage einer allfälligen Gefährdung des BF bei einer Rückkehr entfalteten, hatte er selbst doch seine Verfolgungsbehauptung nie in einen Zusammenhang mit dieser früheren beruflichen Tätigkeit gebracht, weshalb weitere Beweisaufnahmen dazu obsolet waren.

Soweit er behauptete, im Zeitraum nach der - nicht genau datierbaren - Beendigung seiner Tätigkeit für dieses amerikanische Sicherheitsunternehmen bis 2012 als selbständiger Fotograf tätig gewesen zu sein, war seinen Angaben mangels Widersprüchen zu folgen, wenn auch hierzu anzumerken ist, dass diese ebenso keine Relevanz für die Frage einer allfälligen Gefährdung des BF bei einer Rückkehr entfalteten.

Als Nachweise für eine behauptete frühere Tätigkeit als Trainer für computerunterstützte Gefechtssimulationen im Rahmen eines Joint Training Centers von US-Army und irakischer Armee ab 2012 legte er diverse Beweismittel in Form von Empfehlungsschreiben früherer Ausbildner, Teilnahmebestätigungen für Ausbildungsveranstaltungen, einen Dienstausweis des irakischen Verteidigungsministeriums, Urkunden in Kopie über seine Aufnahme in den Militärdienst und schließlich eine Kopie einer Entlassungsbestätigung vor. Im Lichte dieser Urkunden war in der Zusammenschau mit seinen Aussagen dazu vor dem BVwG zu den Feststellungen oben zu gelangen, wiewohl auch diesbezüglich vom länderkundlichen Sachverständigen Zweifel angemeldet wurden, zumal insbesondere die vorgelegten Empfehlungsschreiben früherer Ausbildner seiner Ansicht nach bedenklich waren, demgegenüber wurden aber die Teilnahmebestätigungen für Ausbildungsveranstaltungen als von ihrer äußeren Form her als authentisch erachtet und die mündlichen Aussagen des BF zu den Örtlichkeiten seiner dienstlichen Tätigkeit als nachvollziehbar erachtet. Auch erschienen dem erkennenden Gericht die Aussagen des BF zu seiner konkreten Tätigkeit als Trainer für computerunterstützte Gefechtssimulationen in der Zusammenschau mit dem Inhalt der dazu vorgelegten Urkunden als plausibel und wurde dieser Sachverhalt vom BF insgesamt widerspruchsfrei dargestellt.

Keine belastbaren Angaben konnte der BF demgegenüber zu Zeitpunkt und Ablauf der Beendigung dieser Tätigkeit machen, ebenso wie er dazu keine sonstigen Beweismittel beibrachte. Zu vage waren diesbezüglich auch seine Aussagen dahingehend, dass er dieser Tätigkeit "bis zur Ausreise" nachgegangen sei. Soweit er diese Fragen in einen Zusammenhang mit den von ihm behaupteten Rückkehrbefürchtungen brachte, ist an dieser Stelle auf die Ausführungen dazu unten zu verweisen. Das zuletzt von ihm im Beschwerdeverfahren noch vorgelegte Beweismittel gab wiederum nur Auskunft darüber, dass er erst einige Zeit nach seiner Ausreise, konkret im April 2016, aus dem Militärdienst entlassen wurde.

2.4. Zu den Feststellungen oben unter 1.2. gelangte das BVwG aus nachstehenden Erwägungen:

2.4.1. Anlässlich seiner Erstbefragung führte der BF hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass er von der Terrororganisation Islamischer Staat (ISIS, IS) mit dem Tod bedroht worden sei, weil er für "die amerikanische Abteilung im Verteidigungsministerium" gearbeitet habe.

In seiner erstinstanzlichen Einvernahme führte er auf Befragen aus, dass er gemeinsam mit einem - zugleich mit ihm aus- bzw. nach Österreich als Asylwerber eingereisten - Freund "Assistent" und "Sicherheitspersonal" eines irakischen Militäroffiziers gewesen sei. Für diese Aufgabe seien sie deshalb ausgewählt worden, weil sie zwar Schiiten seien, der Offizier aber Sunnit, und dieser ihnen deshalb vertraut habe, weil sie zuvor "mit den Amerikanern" gearbeitet hatten. Am 02.06.2015 seien er und sein Freund nachts auf der Fahrt mit dem PKW von zwei anderen Fahrzeugen aufgehalten worden, maskierte Personen in Militäruniform hätten sie befragt, getrennt an einen anderen Ort gebracht, dort verhört und misshandelt und aufgefordert ihnen binnen Wochenfrist den vorgesetzten Offizier auszuliefern. Diese unbekannten Personen ordnete der BF schiitischen Milizen zu.

2.4.2. Die belangte Behörde erachtete im Rahmen ihrer Entscheidungsbegründung dieses Vorbringen das behauptete Bedrohungsszenario betreffend mangels Nachvollziehbarkeit und Plausibilität des Vorbringens als nicht glaubhaft.

2.4.3. In der Beschwerde wurde das Vorbringen in der erstinstanzlichen Einvernahme bloß wiederholt, in der handschriftlichen Beilage des BF wurde pauschal eine Verfolgung "von mehreren Seiten", im Genaueren durch "die irakische Regierung", "(Zitat: dreckige) Milizen" sowie einer "terroristischen (vermutlich:) Organisation" in den Raum gestellt und erstmals näher auf die - oben genannte - frühere berufliche Tätigkeit als Trainer für computerunterstützte Gefechtssimulationen im Rahmen eines Joint Training Centers von US-Army und irakischer Armee sowie auf die dieser Tätigkeit vorausgegangene Ausbildungen verwiesen.

2.4.4. In einer Gesamtbetrachtung dieses Vorbringens des BF war zum einen zu konstatieren, dass er anläßlich seiner Erstbefragung noch ein Bedrohungsszenario ins Treffen führte, das im weiteren Verlauf des Verfahrens keine Bedeutung mehr hatte, nämlich eines ausgehend von der Terrororganisation Islamischer Staat. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass den Angaben eines Antragstellers in einer Erstbefragung zu seinen Ausreisegründen angesichts der Priorität anderer Angaben als jener zu den Antragsgründen sowie der Ausnahmesituation nach der Einreise in das Bundesgebiet nicht das gleiche Gewicht zukommt wie den in einer nachfolgenden umfassenden Einvernahme gemachten. Doch können auch die in der Regel nur kursorischen Aussagen dazu in einer Erstbefragung in einer Würdigung derselben nicht außer Acht gelassen werden, wenn diese, wie im gg. Fall, ein gänzlich anderes Szenario wiedergeben als die Aussagen in der Einvernahme vor dem BFA. Dieser in deren Gegenüberstellung offenbar gewordenen Widersprüchlichkeit kam insbesondere auch deshalb Gewicht zu, da der BF in der Einvernahme auf Nachfrage deutlich zum Ausdruck brachte, dass seine Angaben in der Erstbefragung zu seinen Ausreisegründen korrekt festgehalten worden seien.

2.4.5. Was das erstmals in der Einvernahme dargebotene Geschehen, das zur Ausreise geführt habe, angeht, war dieses bereits im Lichte der Aussagen des BF vor der belangten Behörde dazu als nicht plausibel anzusehen, wie schon diese erwogen hatte. Diese verwies zutreffend darauf, dass der BF nicht nachvollziehbar darzustellen vermochte, weshalb von ihm als sehr mächtig charakterisierte Milizen auf die Hilfestellung von zwei Assistenten eines Offiziers angewiesen hätten sein sollen um dieses Offiziers habhaft zu werden, indem die beiden diesen aus seiner Kaserne gelockt hätten. Im Übrigen vermeinte der BF in weiterer Folge, dass dieser Offizier ohnehin, wenn auch nur selten, seine Kaserne eigenständig verlassen habe. Schließlich wurde auch nicht nachvollziehbar, weshalb der BF und sein Freund, ihren Worten nach, ihren Vorgesetzten nicht in Kenntnis dieser Bedrohung setzten, ebenso wie es als lebensfremd anmutete, dass sie bereits wenige Tage nach der behaupteten Erpressung durch Milizangehörige das Land verließen, aber der BF seine nächsten Angehörigen der Gefahr einer indirekten Verfolgung durch seine Verfolger aussetzte, indem er sie zurückließ.

Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle noch festzuhalten, dass sich in der Darstellung der Ausreisegründe in der Einvernahme auch keinerlei Bezugnahme auf eine frühere Tätigkeit des BF "für die Amerikaner" als kausal für seine Ausreise mehr fand, wie er in der Erstbefragung noch behauptet hatte.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde das in der erstinstanzlichen Einvernahme dargebotene Geschehen nochmals mit dem BF erörtert. Im Zuge dessen bekräftigte dieser, dass der genannte vorgesetzte Offizier in Begleitung seines Sicherheitspersonals regelmäßig, wenn auch nur ein bis zwei Mal pro Monat, seine Kaserne verlassen habe um sich in öffentliche Lokale zu begeben, was neuerlich das erstinstanzlich behauptete Geschehen um eine Entführung und Erpressung durch Milizangehörige, um des Offiziers habhaft zu werden, als nicht plausibel anmuten ließ.

Dem BF wurde in der Verhandlung auch vorgehalten, dass sein mit ihm mitgereister vormaliger Arbeitskollege und Freund, der sich ebenso auf dieses Geschehen als Ausreisegrund gestützt hatte, zwischenzeitig freiwillig in den Irak zurückgekehrt ist, wie aus seinem Verfahrensakt zu gewinnen war. Zwar versuchte der BF diese Rückkehr damit zu erklären, dass die Mutter seines Freundes schwer erkrankt war und diese in die Türkei zur Behandlung gebracht werden sollte. Diese Darstellung wertete das Gericht jedoch als bloße Schutzbehauptung des BF um damit, wenn auch erfolglos, der Schlussfolgerung entgegen treten zu können, dass dieser Freund offenkundig eine Rückkehr in den Irak nicht für maßgeblich bedrohlich hielt.

2.4.6. Erst auf Nachfrage in der Beschwerdeverhandlung führte der BF erstmals im Hinblick auf seine Rückkehrbefürchtungen an, dass er sich als "Deserteur" aus der irakischen Armee erachte, dem bei einer Rückkehr ein Strafverfahren vor einem Militärgericht drohe.

Diesbezüglich war schon vorweg zu konstatieren, dass es ihm zutreffendenfalls ja seit der Einreise möglich gewesen wäre vorzubringen, dass er aus der Armee "desertiert" sei und deshalb Konsequenzen fürchte, was er jedoch völlig außer Betracht ließ. Bereits dies weckte Zweifel am behaupteten Szenario, auch wenn er erklärend vermeinte, er habe erst nach Beschwerdeeinbringung von einem früheren Arbeitskollegen darüber gehört, der ihn über eine Liste von gesuchten Deserteuren unterrichtet habe, zumal er unabhängig von dieser Behauptung eines Freundes ja schon seit der Ausreise aus dem Irak als vormaliger Armeeangehöriger von der Bedeutung einer tatsächlichen Desertion in Kenntnis sein musste. Als bloße Schutzbehauptung war in diesem Zusammenhang auch zu werten, dass es der BF seiner Darstellung nach nicht verabsäumt hatte, nach Erhalt dieser Mitteilung seines Freundes im Wege seines kostenlosen Rechtsberaters ein ergänzendes Beschwerdevorbringen an das BVwG zu erstatten, sondern er etwa ein Jahr lang durch bloße äußere Umstände daran gehindert gewesen sei.

Über diese Erwägungen hinaus brachte die nähere Betrachtung der dazu von ihm vorgelegten Beweismittel und deren Übersetzung durch das Gericht hervor, dass der BF im April 2016 schlicht aus dem Heeresdienst entlassen wurde, wie dies aus dem Inhalt des Schreibens des Verteidigungsministeriums vom 12.04.2016, Anordnung Nr. 114, und der namentlichen Nennung des BF ebendort - wie im Übrigen auch jener seines mitgereisten Freundes - zu gewinnen war, mutmaßlich wohl angesichts seiner dauerhaften Abwesenheit bzw. seines unbekannten Aufenthalts.

Dieser Sachverhalt wurde auch von den Ergebnissen der Recherchen des vom BVwG beauftragten länderkundlichen Sachverständigen gestützt, der erhoben hatte, dass der BF auch den von ihm eingeholten Auskünften zufolge zwar tatsächlich Heeresangehöriger war, seine weiterhin bestehende Registrierung bloß auf das Phänomen der sogen. "Geistersoldaten" in der irakischen Armee, für die trotz Abwesenheit von Dritten deren Sold eingestrichen wird, hingedeutet habe und nicht zuletzt kein Hinweis auf ein militärstrafrechtlich relevantes Verhalten und ein daraus folgendes behördliches Handeln hervorgekommen sei.

Nicht zuletzt hatte der BF ja auch in seiner erstinstanzlichen Einvernahme angedeutet, dass er seine frühere Tätigkeit als Trainer für computerunterstützte Gefechtssimulationen im Verteidigungsministerium schon längere Zeit vor der Ausreise bzw. den behaupteten Drohungen schiitischer Milizionäre beendet hatte und als Leibwächter eines Offiziers tätig gewesen sei. Ein Zusammenhang mit einer angeblichen Desertion aus dem Heeresdienst wurde von ihm dabei aber nicht einmal angedeutet.

Im Lichte dieser Erwägungen war für das Gericht festzustellen, dass der BF entgegen seiner letzten Darstellung weder als Deserteur aus der irakischen Armee anzusehen noch daraus ein Bedrohungsszenario bei einer Rückkehr zu folgern war.

Ein spezifisches Eingehen auf verfügbare länderkundliche Informationen zu gesetzlich vorgesehenen sowie in der Praxis tatsächlich angewendeten strafrechtlichen Sanktionen für eine Desertion waren im Lichte dessen obsolet.

2.4.7. In einer Gesamtsicht all dieser Erwägungen gelangte das BVwG zum Ergebnis, dass der BF angesichts seiner mehrfach variierenden, widersprüchlichen und nicht plausiblen Angaben zu seinen Ausreisegründen wie auch seinen Rückkehrbefürchtungen weder glaubhaft darlegen konnte, er sei aus behaupteten Gründen einer Bedrohung durch Angehörige einer schiitischen Miliz ausgesetzt gewesen oder einer Verfolgung durch diese bei einer Rückkehr ausgesetzt, noch dass er im Gefolge seiner Rückkehr als Deserteur angesehen und militärstrafrechtlich verfolgt werde.

2.5. Die länderkundlichen Feststellungen des BVwG zur allgemeinen Lage im Irak stützen sich auf das Amtswissen des erkennenden Gerichtes und die als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignisse im Irak in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen.

Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, mit seinem Vorbringen glaubhaft darzulegen, dass er aus asylrelevanten Gründen seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder aus diesen Gründen bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.

1.3. Vor diesem Hintergrund war daher die Beschwerde gegen Spruchteil I des angefochtenen Bescheides spruchgemäß abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex:

"Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes - lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesem nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

2.2. Aus dem erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergab sich schlüssig, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für den Beschwerdeführer nicht vorlagen:

Stichhaltige Hinweise darauf, dass dieser im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, kamen im Rahmen des behördlichen Ermittlungsverfahrens nicht hervor.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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