Entscheidungsdatum
24.09.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L524 2183214-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, Mozartstraße 11/6, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2017, Zl. 1101413804-160037648, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid
behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.
2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 19.10.2017 bejahte der Beschwerdeführer unter anderem die Frage, ob "staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc." gegen ihn bestünden. Es gebe auch Fotos, die den Beschwerdeführer bei Demonstrationen zeigen würden. Es werde nach ihm gefahndet, weil er politisch aktiv gewesen sei. Die Polizei habe ihn festnehmen wollen und sei deswegen auch bei seinem Vater gewesen.
3. Mit Bescheid des BFA vom 15.12.2017, Zl. 1101413804-160037648, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zurückverweisung an das BFA:
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2104/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde:
Der Beschwerdeführer brachte in der Einvernahme vor dem BFA vor, dass "staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc." gegen ihn bestünden. Es werde nach ihm gefahndet, weil er politisch aktiv gewesen sei. Die Polizei habe ihn festnehmen wollen und sei deswegen auch bei seinem Vater gewesen. Im angefochtenen Bescheid (Seite 99) geht das BFA davon aus, dass gegen den Beschwerdeführer ein Haftbefehl bestünde. Diesbezüglich hat es das BFA unterlassen, weitere Ermittlungen anzustellen. So hätte das BFA den Beschwerdeführer etwa zur Vorlage dieses Haftbefehls auffordern müssen. Zudem ist unklar geblieben, in welcher Form staatliche Fahndungsmaßnahmen gegen den Beschwerdeführer bestehen.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, dass er bei Demonstrationen teilgenommen habe und es dazu Fotos gebe. Diese Fotos finden sich jedoch nicht im Akt. Außerdem ist nicht klar, um welche Demonstrationen es sich dabei gehandelt hat. Schließlich zeigte der Beschwerdeführer auch in der Einvernahme Fotos vor, doch geht aus dem Einvernahmeprotokoll nicht hervor, was auf diesen Fotos zu sehen ist. Auch diesbezüglich ist der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben.
Die belangte Behörde hat damit bloß ansatzweise ermittelt. Auf Grund der dargestellten Mängel ist es nicht möglich, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Das BFA hat daher im fortgesetzten Verfahren, um den maßgeblichen Sachverhalt feststellen zu können, den Beschwerdeführer zur Vorlage des Haftbefehls aufzufordern und zu ermitteln, welche Fahndungsmaßnahmen gegen den Beschwerdeführer bestehen. Das BFA hat den Beschwerdeführer auch zu den von ihm vorgebrachten Demonstrationen und den Fotos näher zu befragen und dazu Feststellungen zu treffen.
Der Vollständigkeit halber wird auch festgehalten, dass die iSd §§ 58 und 60 AVG gebotene Entscheidungsbegründung verlangt, in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben (vgl. VwGH 11.11.2015 2013/11/0244 unter Hinweis auf VwGH 15.10.2015, 2013/11/0079). Im angefochtenen Bescheid finden sich unter dem Titel "Beweiswürdigung" keine beweiswürdigenden Überlegungen. Das BFA legt nicht dar, weshalb es von dem von ihr festgestellten Sachverhalt ausgeht. Es findet sich lediglich eine Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers und eine rechtliche Beurteilung desselben.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem, weil das Ermittlungsverfahren nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.
In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das behördliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war (VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
Der Bescheid war daher nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung an das BFA stützt sich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Schlagworte
Begründungspflicht, Bescheinigungsmittel, Beweiswürdigung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L524.2183214.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.01.2019