Entscheidungsdatum
27.09.2018Norm
AsylG 2005 §4Spruch
I405 2204403-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX, geb. XXXX, StA. Sudan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3.Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2018, Zl. 1088255400-151406113, zu Recht erkannt:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerden der Malika Q SSISSEM, geb. 01.05.1967, StA. Marokko, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3.Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2018, Zl. 1099166009-161069122, zu Recht erkannt:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der 1.-Beschwerdeführer (im Folgenden: 1.-BF) ist der Ehemann der 2.- Beschwerdeführerin. Der 1.-BF stellte nach seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet am 12.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die 2.-BF stellte am 01.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der 1.-BF und die 2.-BF wurden am 10.07.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid des BFA vom 26.07.2018, Zl. 1088255400-151406113, wurde der Antrag des 1.-BF vom 12.08.2015 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den 1.-BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt III.) sowie zugleich festgestellt, dass die Abschiebung des 1.-BF gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt V.).
Mit Bescheid des BFA vom 26.07.2018, Zl. 1099166009-161069122, wurde der Antrag der 2.-BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die 2.-BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt III.) sowie zugleich festgestellt, dass die Abschiebung der 2.-BF gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt V.).
Mit den am 23.08.2018 eingebrachten Schriftsätzen erhoben die BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden vom BFA am 28.08.2018 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 29.08.2018) vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Da der 1.-BF und die 2.BF verheiratet sind und die Ehe bereits vor der Einreise bestand, sind die gegenständlichen Verfahren als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 zu führen.
Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2.Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 10.04.2013 zu Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).
Der angefochtene Bescheid des 1.-BF erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:
Zur anzuwendenden Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen des § 4 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. Nr. 56/2018, lauten:
Drittstaatsicherheit
"§ 4. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige in einem Staat, mit dem ein Vertrag über die Bestimmungen der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz nicht besteht oder die Dublin - Verordnung nicht anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).
(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht, wenn einem Drittstaatsangehörigen in einem Staat, in dem er nicht gemäß § 8 Abs. 1 bedroht ist, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht oder über einen sonstigen Drittstaat gesichert ist (Asylverfahren), er während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt ist und er dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat hat, sofern er in diesem gemäß § 8 Abs. 1 bedroht ist. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.
(3) Die Voraussetzungen des Abs. 2 sind in einem Staat widerlegbar dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention, der EMRK und des Protokolls Nr. 6, Nr. 11 und Nr. 13 zur Konvention umgesetzt hat.
(4) Trotz Schutz in einem sicheren Drittstaat ist der Antrag auf internationalen Schutz nicht als unzulässig zurückzuweisen, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Rückkehrentscheidung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(5) Kann ein Drittstaatsangehöriger, dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen, die nicht in seinem Verhalten begründet sind, nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit der Entscheidung zurückgeschoben oder abgeschoben werden, tritt die Entscheidung außer Kraft."
Hiezu ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, Zl. U5/08-9, vom 08.10.2008 auszugsweise zu zitieren:
"Bei der Beurteilung der Drittstaatssicherheit kommt es nicht allein auf die formalen Kriterien der Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention, der Abgabe einer Erklärung nach Art. 25 EMRK und das Vorhandensein eines Asylgesetzes an, sondern es ist darauf abzustellen, ob der Schutz auch tatsächlich gewährt wird. Dazu müssen die Asylbehörden laufend Vorkehrungen treffen, dass ihnen einschlägige Informationen namhafter Stellen unverzüglich zukommen, die seine Beurteilung der faktischen Situation erlauben. [...]"
Die belangte Behörde stützte die zurückweisende Entscheidung in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides des 1.-BF ausschließlich darauf, dass Marokko die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert habe und die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie auch des Protokolls Nr. 6, Nr.11 und Nr. 13 erfüllt werden. Die belangte Behörde unterließ jedoch gänzlich jedwede Ermittlungen zur Ausgestaltung des Asylverfahren in Marokko, ob es dem 1.-BF möglich ist, um Asyl in Marokko anzusuchen bzw. ob im konkreten Fall die Möglichkeit bestünde, in Marokko internationalen Schutz zu erlangen bzw. Refoulementschutz zu erhalten. Die Länderberichte der belangten Behörde enthalten keinerlei Feststellungen zum marokkanischen Asylsystem. Folglich wurden dem 1.-BF in seiner Einvernahme weder Feststellungen zum marokkanischen Asylverfahren vorgehalten noch finden sich im angefochtenen Bescheid irgendwelche Feststellungen hiezu.
Die belangte Behörde hat hinsichtlich der Frage des Vorliegens der Drittstaatsicherheit sohin keinerlei Ermittlungen vorgenommen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich hierbei um besonders schwerwiegenden Ermittlungsfehler.
Unter Berücksichtigung der relevanten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014 (siehe Punkt 1.) hat die belangte Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die Mängel in den Länder- und sonstigen Feststellungen können - im Gegensatz zum Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches durch die bei ihm eingerichtete Staatendokumentation rasch und effizient erforderliche Feststellungen nachholen kann - durch das erkennende Gericht nicht schneller und kostensparender behoben werden.
Diese Entscheidung schlägt sich im Wege des Familienverfahrens auch die 2.-BF durch:
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
Abs. 5 leg.cit. normiert, dass die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht gelten.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, waren in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass die angefochtenen Bescheide zu beheben waren.
Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR/EuGH stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Verfassungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Begründungspflicht, Beweisverfahren, Beweiswürdigung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I405.2204403.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.01.2019