TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/2 W222 2203178-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W222 2203178-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2018, Zl.XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005,

§ 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 04.10.2016 unter dem Namen XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am 05.10.2016 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu seiner Person gab er an, er heiße XXXX, sei Volksangehöriger der Punjabi, gehöre der Religion des Sikhismus an und stamme aus dem Punjab. Die Grundschule habe er von 2001 bis 2011 besucht. Im Juli 2016 habe er den Entschluss gefasst, seinen Herkunftsstaat zu verlassen. Seine Reisebewegung habe er vom Dorf XXXX begonnen, sei am 26.09.2016 mit einem Flugzeug nach Russland gereist und anschließend mit einem LKW nach Österreich gebracht worden. Die Reise habe er mit Hilfe eines Schleppers selbst organisiert. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, seine Familie habe ein Stück Ackerland für die Dauer von zwei Jahren an eine andere Familie verpachtet. Diese habe nach Ablauf der Pacht das Ackerland nicht zur Bewirtschaftung zurückgegeben. Als die Familie des Beschwerdeführers den Acker selbst bewirtschaften habe wollen, seien sie von den Pächtern mehrmals mit Messer und Werkzeugen angegriffen worden. Dabei seien der Beschwerdeführer und sein Vater verletzt worden. In weiterer Folge sei er von den Pächtern verfolgt und mit dem Umbringen bedroht worden. Seine Eltern seien zu Verwandten geflüchtet und hätten sich dort versteckt gehalten. Da er von den Pächtern exzessiv verfolgt worden sei, habe er beschlossen, Indien zu verlassen.

Am 30.05.2018 erfolgte seine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Zu seiner Person gab der Beschwerdeführer an, sein Name sei XXXX. Der Name auf seinem Ausweis stimme nicht. XXXX sei der Name seines Vaters. Der Beschwerdeführer sei gesund und nicht in ärztlicher Behandlung. Er gehöre der Volksgruppe bzw. der Kaste der Jat sowie der Religion der Sikhs an, sei ledig und habe keine Kinder. In Indien habe er acht Jahre die Grundschule besucht. Danach habe er in der Landwirtschaft mitgeholfen. Er spreche Punjabi, Hindi und Englisch in Wort und Schrift, wobei er nur ein wenig Englisch könne. Vor seiner Ausreise habe er sein ganzes Leben mit seinen Eltern in deren Haus in XXXXim Distrikt XXXX, Provinz Punjab, gelebt. Seine Eltern würden nun nicht mehr in diesem Haus, sondern bei Verwandten in Indien wohnen. Den Lebensunterhalt hätten seine Angehörigen durch die Vermietung von Grundstücken bestritten. Sein Onkel mütterlicherseits würde in XXXX, seine Tante väterlicherseits in XXXX wohnen. Wo seine übrigen Verwandten leben würden, wisse er nicht. Im September 2016 sei er legal von Indien nach Moskau geflogen und bei seiner Ausreise von indischen Beamten kontrolliert worden. Am 04.10.2016 sei er über den Landweg illegal nach Österreich eingereist. Seinen Reisepass hätten ihm die Schlepper abgenommen. Der Beschwerdeführer habe in Indien nie von sich aus eine Polizeidienststelle, ein Gericht oder eine sonstige Sicherheitsbehörde aufgesucht, sei nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten und habe weder Probleme mit der Polizei, noch mit anderen Sicherheitsbehörden, dem Militär oder Gerichten gehabt. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, es habe einen Grundstücksstreit gegeben. Sie hätten ein Grundstück vermietet. Als sie es zurückverlangt hätten, habe es einen Streit gegeben. Die Personen, mit denen sie Streit gehabt hätten, seien mächtig gewesen. Sie hätten guten Kontakt zu hohen Anhängern der Politik gehabt und seien bewaffnet gewesen. Mit diesen Waffen hätten sie den Beschwerdeführer bedroht und ihm Angst eingejagt. Deshalb habe er flüchten müssen. Ergänzend gab er an, sie seien zu ihm nachhause gekommen und hätten ihn mit dem Tod bedroht. Auf Nachfrage antwortete er, nun habe er all seine Fluchtgründe genannt.

Aufgefordert, Einzelheiten und Details zu den Vorfällen zu schildern, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, es sei das, was er gesagt habe. Auf Vorhalt, er schildere einen abstrakten Sachverhalt, führte er aus, als sein Vater, sein Opa und er zum Grundstück gegangen seien, sei er mit Baseballschlägern und einem Säbel geschlagen worden. Die Personen hätten ihnen ihr Grundstück nicht übergeben, sondern in Besitz genommen. Für die Vermietung sei eine bestimmte Zeit ausgemacht worden. Auf weitere Nachfrage gab er an, er sei mit dem Tod bedroht und mit verschiedenen Gegenständen, nämlich mit Baseballschlägern, einem Säbel und einem Revolver, geschlagen worden. Mehr könne er nicht angeben. Er sei persönlich bedroht und verfolgt worden. Auf die Frage nach der Häufigkeit der Vorfälle antwortete er, es sei regelmäßig gewesen. Eine Zahl könne er nicht nennen. Sie hätten immer Leute zu ihm geschickt, die ihn geschlagen hätten. Auf Nachfrage, was er unter dem Begriff "regelmäßig" verstehe, gab er zu Protokoll: "Jedes Mal als wir die Personen getroffen haben oder das Grundstück zurückwollten". Dies sei zwei- bis dreimal in der Woche gewesen. An das Datum, wann er zum ersten und zum letzten Mal bedroht worden sei, könne er sich nicht erinnern, aber als sie das Grundstück zurückgewollt hätten, seien sie hinter ihm her gewesen. Das Grundstück sei ursprünglich für zwei Jahre vermietet worden. Befragt, wann die Vorfälle genau stattgefunden hätten, gab er an, es habe im Jahr 2016 begonnen. Es sei lang gewesen, aber er sei danach ausgereist. Auf die Frage, wie sich diese Vorfälle gestaltet hätten, antwortete der Beschwerdeführer, er sei verprügelt und geschlagen worden. Nach Wiederholung der Frage gab er an, er sei mit einem Säbel, einem Revolver und einem Baseballschläger geschlagen worden. Erneut dazu befragt erklärte er, als sie zu ihren Gegnern gegangen seien und das Grundstück zurückverlangt hätten, seien sie von ihnen attackiert worden. Mehr könne er dazu nicht angeben. Aufgefordert, ein konkretes Vorbringen bezüglich der Streitigkeiten zu erstatten, gab er an, er sei geschlagen und verprügelt worden. Auf weitere Nachfrage wiederholte er, er sei von ihnen geschlagen und bedroht worden. Mehr könne er nicht angeben. Befragt zu den Personen, die ihn bedroht hätten, gab er an, sie seien vom Nachbardorf. Nähere Angaben könne er nicht machen. Auf Wiederholung der Frage gab er zu Protokoll, mehr könne er nicht angeben. Seine Familie hätte sicher Informationen, er aber nicht. Mehr könne er nicht angeben. Weiter zu diesem Thema befragt, führte er aus, die Personen hätten Kontakte zu Parlamentsmitgliedern, der Polizei und zu Beamten gehabt. Sie seien wohlhabend und hätten die Behörden bestochen. Auf Vorhalt, dass seine Angaben ohne konkrete und detailreiche Angaben nicht glaubhaft seien, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, es sei mit Revolvern geschossen worden und er sei bedroht worden. Nach Wiederholung des Vorhalts erklärte er, es sei lange her gewesen, er habe es vergessen. Auf weitere Nachfrage, ob man dermaßen tragische und einschneidende Ereignisse vergesse, wiederholte er, es sei mit Revolvern geschossen worden und sie hätten ihn verfolgt. Nach erneuter Aufforderung, konkrete Angaben zu machen, gab er zu Protokoll, Personen seien in das Haus seiner Familie hineingestürmt, hätten mit Revolvern geschossen und alle Gegenstände zerstört. Deshalb lebe keiner mehr zuhause. Sie hätten Angst wiederzukommen. Auf Vorhalt, sein Vorbringen sei nicht ausreichend, um eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsland glaubhaft zu machen, gab er an, wenn sein Leben dort nicht gefährdet wäre, wäre er nicht hier. Er sei zur Polizei gegangen, sei aber wieder nachhause geschickt worden. Einen Anwalt habe er sich nicht genommen. Im Falle seiner Rückkehr habe er Angst um sein Leben. Sie könnten ihn umbringen. Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, seinen Lebensunterhalt bestreite er durch die Unterstützung der Caritas. In einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft lebe er nicht. Im Bundesgebiet habe er weder Angehörige noch Freunde. In seiner Freizeit koche und lerne er zuhause. Früher sei er zum Deutschkurs gegangen, aber es habe Probleme aufgrund seines Namens gegeben, weshalb er weggeschickt worden sei. Eine Prüfung habe er nicht abgelegt. Auch in Vereinen oder Organisationen engagiere er sich nicht.

Von der Möglichkeit, im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt Einsicht in das von der Behörde herangezogene Länderinformationsblatt zu nehmen und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen, machte der Beschwerdeführer nicht Gebrauch.

Am 28.06.2018 legte der Beschwerdeführer ein Schreiben, mit welchem dem MigrantInnenverein St. Marx Vollmacht erteilt wurde, sowie Kopien und Übersetzungen seines indischen Führerscheins und seiner Geburtsurkunde vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt VI.).

In der Beweiswürdigung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei. Dem Beschwerdeführer sei eine problemlose, legale Ausreise trotz Kontrolle durch die indischen Behörden möglich gewesen und er habe Probleme mit den indischen Behörden negiert. Eine Verfolgung durch den Staat habe er weder behauptet, noch habe eine solche amtswegig festgestellt werden können. Seine anfänglichen Angaben zum Fluchtgrund seien allgemein und vage gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer kaum etwas über die angebliche Bedrohung berichten habe können. Auf weiteres Nachfragen habe er weder stringent noch zusammenhängend antworten können. Obwohl er behauptet habe, zweibis dreimal in der Woche bedroht worden zu sein, habe er keine konkreten Abläufe und Einzelheiten nennen können. Zeitangaben habe er bezüglich dieser Vorfälle ebenso wenig machen können, zumal er lediglich angegeben habe, die Vorfälle hätten im Jahr 2016 begonnen und lange gedauert. Nochmals befragt, habe er nur geantwortet, er sei verprügelt und geschlagen worden. Über die mutmaßlichen Verfolger habe er lediglich gewusst, dass diese aus dem Nachbardorf stammen würden. Fraglich sei in diesem Zusammenhang, woher er gewusst habe, dass diese Leute Kontakt mit hochrangigen Politikern hätten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keinerlei Informationen über die Pächter angeben habe könne. Auf Vorhalt gab er lapidar an, seine Familie hätte mehr Informationen, er jedoch nicht.

Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Laufe seiner Einvernahme gesteigert, zumal er plötzlich behauptet habe, er sei im Zuge einer Schießerei bedroht worden. Dabei habe er seine Schilderung auf zwei Sätze beschränkt ohne Details zu erwähnen.

Nochmals befragt habe er angegeben, die Personen hätten sein Haus gestürmt, mit Revolvern geschossen und alle Gegenstände zerstört. Seine diesbezüglichen Angaben seien insofern unvollständig, als sie in kein Bezugssystem eingebettet worden seien. Nähere Umstände, der konkrete Hergang der vorgeblichen Bedrohung sowie die beteiligten Personen seien nicht beschrieben worden. Der Beschwerdeführer habe sich sohin in seinen Ausführungen nur auf Allgemeinplätze beschränkt. Es sei davon auszugehen, dass er die Vorfälle wesentlich genauer schildern hätte können, wenn er sie tatsächlich erlebt hätte.

Davon abgesehen habe der Beschwerdeführer zu Beginn seiner Einvernahme angegeben, er habe von sich aus nie eine Polizeidienststelle aufgesucht, während er später erklärte, er sei bei der Polizei gewesen, diese habe ihn aber wieder weggeschickt. Das Bundesamt führte dazu weiter aus, dass die indischen Behörden schutzwillig und schutzfähig seien. Es gebe ordentliche Gerichte. Daher hätte sich der Beschwerdeführer an die Behörden seines Herkunftslandes wenden können, um den mutmaßlichen Problemen zu entgehen. Selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben, hätte er sich an einen anderen Ort innerhalb Indiens begeben können, da die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert sei. Sikh-Gemeinden gebe es im ganzen Land und könne er seine Religion auch in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Zudem habe er Angehörige, die ihn in Indien unterstützen könnten, sei dort aufgewachsen, habe Berufserfahrung und spreche Punjabi, Hindi sowie Englisch. Es sei ihm daher zumutbar, sich an einem anderen Ort in Indien niederzulassen. Im Rahmen der amtswegigen Prüfung ergebe sich sohin keine Gefahr einer systematischen, landesweiten, staatlich geduldeten asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers.

Rechtlich führte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. aus, es sei eine der wesentlichen Voraussetzungen des Asylgesetzes, dass der Antragsteller glaubhafte Angaben mache. Die Angaben des Beschwerdeführers seien widersprüchlich und vage gewesen. Sohin sei er nicht in der Lage gewesen, dem Glaubwürdigkeitsanspruch des Gesetzes gerecht zu werden, weshalb es in seinem Fall keinesfalls zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und damit verbunden zur Anerkennung als Flüchtling kommen habe können, zumal nichts hervorgekommen sei, das eine Verfolgung oder die Furcht davor glaubhaft annehmen ließe.

Zu Spruchpunkt II. hielt das Bundesamt fest, dass im konkreten Fall eine Gefährdungslage nicht glaubhaft gemacht worden sei, wie schon in der Begründung zur Entscheidung über den gegenständlichen Antrag ausgeführt worden sei. Es sei nichts dahingehend ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Auch aus der allgemeinen Situation in seinem Herkunftsstaat bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine lasse sich eine solche nicht ableiten. Zudem stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. In Anbetracht dessen, dass es sich bei ihm um eine erwachsene und gesunde Person handle, könne erwartet werden, dass er in der Lage sei, sich im Herkunftsstaat eine Existenz aufzubauen. Er verfüge über Schulbildung sowie Berufserfahrung. Er Spreche Punjabi, Hindi und Englisch. Er sei mit der Sprache und Kultur seines Herkunftsstaates bestens vertraut. Er verfüge weiterhin über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in Indien. Was seine Lebensverhältnisse und die Frage einer Arbeitsmöglichkeit betreffe, so sei auf die Ausführungen im vorhergehenden Teil zu verweisen, aus welchen klar hervorgehe, dass eine völlig ausweglose Situation in seinem Fall nicht zu erwarten sei. Auch aus der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat sei eine Gefährdung nicht ersichtlich.

Zu Spruchpunkt III., IV., V. und VI. führte das Bundesamt zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht erfülle. Sein derzeitiger Aufenthalt beruhe lediglich auf der Einbringung eines nunmehr negativ beschiedenen Asylantrags, es liege keine Integration im Bundesgebiet vor. Die Bindung zu seinem Herkunftsstaat überwiege daher deutlich. Wie unter Spruchpunkt I. und II. dargelegt, bestehe im Falle einer Rückkehr keine Gefährdung iSd § 50 FPG. Folglich sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtmäßig und die Abschiebung nach Indien zulässig. Besondere Umstände, die bei der Bemessung der Frist zur freiwilligen Ausreise zu berücksichtigen seien, seien nicht geltend gemacht worden.

Mit Beschwerde vom 31.07.2018 wurde dieser Bescheid fristgerecht wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung vollinhaltlich angefochten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Zur Beweiswürdigung wurde ausgeführt, das Bundesamt habe sich bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers unverhältnismäßig auf die Kürze der Aussagen gestützt. Es sei hingegen nicht berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Aussage geblieben sei und keine Angaben zu Sachverhalten gemacht habe, von denen er nichts wisse. Die Beurteilung der Plausibilität seines Vorbringens hätte zudem vor dem Hintergrund der Berichtslage in Indien erfolgen müssen. Detaillierte Informationen zum konkreten Thema, nämlich Grundstücksstreitigkeiten in Indien, seien jedoch nicht eingeholt worden. Folglich sei der Sachverhalt nicht ausreichend geklärt und das Verfahren sohin mangelhaft. Mit der Frage der allfälligen Gewährung von subsidiären Schutz sowie des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative habe sich die Behörde nur unzureichend auseinandergesetzt. Auch mit dem Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers im Bundesgebiet habe sie sich in ihrer Begründung nicht ausreichend beschäftigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger, stammt aus dem Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er ist gesund, ledig und hat keine Kinder. In Indien besuchte er die Grundschule und arbeitete anschließend in der Landwirtschaft. Er spricht Punjabi, Hindi und ein wenig Englisch.

In Österreich ist der Beschwerdeführer unbescholten. Er hat im Bundesgebiet weder Freunde noch Familienangehörige, während in Indien seine Eltern, seine Tante väterlicherseits sowie sein Onkel mütterlicherseits wohnen. In einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt er nicht. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch Unterstützungsleistungen der Caritas. In seiner Freizeit kocht er und versucht, sich selbst Deutsch beizubringen. In Vereinen oder sonstigen Organisationen engagiert er sich nicht.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen - konkret aufgrund der Bedrohung, Verfolgung und Verletzung seiner körperlichen Integrität infolge eines Grundstücksstreits - verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

a.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 16.8.2016).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 16.8.2016).

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafand

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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