TE Vwgh Erkenntnis 1999/8/31 99/05/0071

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Veröffentlicht am 31.08.1999
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Index

L10012 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Kärnten;
L85002 Straßen Kärnten;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art119 Abs5;
EGVG Art2 Abs2 B Z30;
GdO Allg Krnt 1993 §34 Abs1;
GdO Allg Krnt 1993 §94 Abs1;
GdO Allg Krnt 1993 §94 Abs2;
GdO Allg Krnt 1993 §95 Abs1;
LStG Krnt 1991 §23 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Agostino Scarpa fu Giuseppe in Villach, vertreten durch DDr. Giampaolo Caneppele, Rechtsanwalt in Villach, Postgasse 8/II, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 16. Februar 1998, Zl. 3-Gem-95/4/10/99, betreffend Zulässigkeit der Vorstellung in einem Verfahren nach dem Kärntner Straßengesetz 1991 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Trebesing, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. September 1992 wurde die Kostentragung hinsichtlich der Erhaltung des Radlgrabenweges nach § 23 Abs. 1 und 2 des Kärntner Straßengesetzes 1991 in der Weise neu geregelt, dass die Beschwerdeführerin zur Tragung von 73,75 % der Gesamterhaltungskosten verpflichtet wurde. Mit Eingabe vom 30. Mai 1994, eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am 1. Juni 1994, beantragte die Beschwerdeführerin die Neuregelung der Erhaltungspflicht hinsichtlich des Radlgrabenweges und in eventu die Wiederaufnahme des beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde anhängig gewesenen Verfahrens. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es seien wichtige Bewertungskriterien bisher außer Betracht geblieben.

Da binnen sechs Monaten keine Entscheidung des Bürgermeisters erfolgte, brachte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 6. November 1998 einen Devolutionsantrag ein. Mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 hat der Gemeindevorstand in Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin vom 30. Mai 1994 in Verbindung mit dem Devolutionsantrag vom 6. November 1998 den Antrag auf Neuregelung der Erhaltungsbeiträge zurückgewiesen. Mangels Antragslegitimation komme der Beschwerdeführerin kein Anspruch auf Einleitung des von ihr angestrengten Verfahrens zu. Die Rechtmittelbelehrung enthielt den Hinweis, dass gegen diesen Bescheid die Berufung an den Gemeinderat zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin sowohl die Vorstellung an die belangte Behörde als auch eine Berufung an den Gemeinderat ein. Auf Grund der Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 16. Februar 1998 diese Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 9. Dezember 1998 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit dem Bescheid des Gemeindevorstandes sei der Antrag der Beschwerdeführerin betreffend die Neuregelung der Leistungspflichten beim Radlgrabenweg zurückgewiesen und gleichzeitig festgestellt worden, dass der Beschwerdeführerin mangels Antragslegitimation kein Anspruch auf Einleitung eines Verfahrens betreffend die Neuregelung der Erhaltungspflicht zukomme. Nach § 94 Abs. 1 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 (K-AGO) entscheide über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeindevorstand endgültig. Dieser übe gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt sei - auch die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus. Die Regelung des § 94 Abs. 2 K-AGO müsse im Hinblick auf § 34 leg. cit., demzufolge der Gemeinderat in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches das oberste Organ (der Gemeinde) darstellte, einschränkend dahin verstanden werden, dass der Gemeindevorstand die oberbehördlichen Befugnisse lediglich gegenüber dem Bürgermeister ausübe. Dem Gemeindevorstand gegenüber stünden diese Befugnisse hingegen dem Gemeinderat zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; von der belangten Behörde seien die Bestimmungen des § 94 K-AGO unrichtig ausgelegt worden, die Vorstellungsbehörde hätte inhaltlich über die Vorstellung absprechen müssen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 94 Abs. 1 der (Kärntner) Allgemeinen Gemeindeordnung 1993, LGBl. Nr. 77-AGO 1993, entscheidet über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeindevorstand endgültig. Nach Abs. 2 übt dieser - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - auch die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung hat der Bescheid eines Gemeindeorganes, gegen den eine Vorstellung gemäß § 95 zulässig ist, eine Belehrung über die Bestimmungen des § 95 Abs. 1 bis 3 zu enthalten. Nach § 95 Abs. 1 leg. cit. kann derjenige, der durch einen Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides dagegen Vorstellung an die Landesregierung erheben. Nach § 34 Abs. 1 leg. cit. ist der Gemeinderat das oberste Organ in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches.

Zunächst ist festzuhalten, dass ein Verfahren zur Festsetzung bzw. Neufestsetzung der Beitragsanteile gemäß § 23 Abs. 2 des Kärntner Straßengesetzes 1991 ein Administrativverfahren ist, auf das die Verfahrensbestimmungen des AVG anzuwenden sind. Nach § 73 Abs. 1 AVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 158/1998 sind die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Entsprechend der Bestimmung des § 94 Abs. 2 AGO 1993 hat auf Grund des eingebrachten Devolutionsantrages mit Recht der Gemeindevorstand entschieden. Der im § 73 Abs. 2 AVG vorgesehene Kompetenzübergang auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde erfordert einen Antrag einer Partei des Verfahrens im Sinne des § 8 AVG (siehe dazu den Klammerausdruck im § 73 Abs. 1 AVG). Eine Antragstellerin, die die Neufestsetzung der Erhaltungskosten an einem Ortschaftsweg, zu dessen Erhalt sie (wie hier) auf Grund eines rechtskräftigen Bescheides verpflichtet ist, beantragt, ist Partei dieses Verfahrens. Haben sich die Grundlagen nach Erlassung des Bescheides betreffend die Kostentragung wesentlich geändert, so ist die Aufteilung vom Bürgermeister neu zu bestimmen (siehe § 23 Abs. 2 letzter Satz des Kärntner Straßengesetzes 1991). Hat sich der Sachverhalt seit Bescheiderlassung nicht wesentlich geändert, so sind die Bestimmungen des § 68 AVG anzuwenden. Auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin vom 30. Mai 1994 und ihres nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 73 Abs. 1 eingebrachten Devolutionsantrages hat somit der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde als zuständige Behörde über die Anträge der Beschwerdeführerin entschieden.

Die Ansicht des Gemeindevorstandes, die dieser in seiner Rechtsmittelbelehrung zum Ausdruck gebracht hat, und die von der belangten Behörde geteilt wird, wonach sich etwa aus § 34 Abs. 1 AGO 1993 ergebe, dass gegen Bescheide des im Devolutionsweg zuständig gewordenen Gemeindevorstandes die Berufung an den Gemeinderat zulässig sei, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht teilen: Weder aus § 34 Abs. 1 AGO 1993 noch aus einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes ist ein innergemeindlicher Instanzenzug gegen im Devolutionsweg erlassene Bescheide des Gemeindevorstandes ableitbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 1997, Zl. 96/05/0274, ausgeführt, dass in einem Fall, in dem auf Grund eines Devolutionsantrages der Gemeindevorstand entschieden hat, auf Grund der AGO 1993 der Gemeinderat der Gemeinde nicht als Berufungsbehörde gegen diesen Bescheid in Betracht kommt.

Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, die trotz unrichtiger Rechtsmittelbelehrung im Bescheid des Gemeindevorstandes zu Recht eingebrachte Vorstellung auf Grund des § 95 AGO 1993 inhaltlich zu erledigen. Da die belangte Behörde dies nicht erkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. August 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999050071.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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