TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/8 W144 2163719-1

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Veröffentlicht am 08.10.2018
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Entscheidungsdatum

08.10.2018

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
AsylG 2005 §35 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W144 2163719-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft in Damaskus/Syrien vom 22.06.2017, Zl.:XXXX, aufgrund des Vorlageantrags der XXXX, geb. XXXX, StA von Syrien, über ihre Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Damaskus vom 27.03. 2017 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG und 35 Abs. 1 und 5

AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige aus Syrien, stellte am 25.07.2016 bei der österreichischen Botschaft in Damaskus (im Folgenden: ÖB Damaskus) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG.

Begründend führte die BF aus, dass sie die Ehegattin des am 11.11.2015 nach Österreich eingereisten XXXX, XXXX geb., sei, der seit 24.05.2016 anerkannter Flüchtling im Bundesgebiet sei. Die Ehe sei am XXXX traditionell-muslimisch geschlossen und am XXXX standesamtlich eingetragen worden.

In der Folge übermittelte die ÖB Damaskus den Antrag und Sachverhalt am 27.07.2017 an das BFA zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten an die BF im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine.

Mit Schreiben vom 20.02.2017 erstattete das BFA eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Zuerkennung des Status nicht wahrscheinlich sei, weil die Ehe der Antragstellerin nicht bereits im Herkunftsland bestanden habe. Die Ehe sei erst am XXXX eingetragen worden und würden lediglich traditionell geschlossene Ehen nicht anerkannt. Zudem sei die Ehe zu einem Zeitpunkt eigetragen worden, zu dem sich der Ehegatte der Antragstellerin bereits in Österreich befunden habe, sodass eine "Stellvertreterehe" vorliege, die dem ordre public widerspreche.

Mit Schreiben vom 20.02.2017 wurde die BF seitens der ÖBB Damaskus aufgefordert, zur Gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA Stellung zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom (einlangend) 28.02.2017 erstattete die BF eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass mit der Registrierung die Eheschließung rückwirkend gültig sei, und dass bei der Registrierung nach syrischem Recht unerheblich sei, ob beide Eheleute anwesend seien.

Mit Schriftsatz vom 09.03.2017 erstattete die BF eine weitere Stellungnahme, in welcher im Wesentlichen Gleiches vorgebracht wurde. Ergänzt wurde, dass das syrische Familienrecht keine "regulatory exclusivity on marriage" beanspruche, sondern auch "andere Formen normierender Ordnung parallel zum staatlichen Rechtssystem" zulasse. Auch ein beispielsweise in Deutschland geschlossener Ehevertrag werde nach Registrierung in Syrien in der BRD von seinem Abschluss an für gültig erachtet. Zudem müssten die Eheleute bei der nachträglichen Registrierung der Ehe nicht beide anwesend sein, sodass eine Stellvertretung bei der Registrierung keine "Stellvertreterehe" sei.

Am 10.03.2017 übermittelte die ÖB Damaskus diese weitere Stellungnahme der BF an das BFA.

Mit Schreiben via e-mail ebenfalls vom 27.03.2017 teilte das BFA der ÖB Damaskus mit, dass

Die Entscheidung aufrecht bleibe, da zum Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson eben keine gültige Ehe bestanden habe.

Mit Bescheid vom 27.03.2017, zugestellt am 28.03.2017, verweigerte die ÖB Damaskus das Visum mit der Begründung, dass das BFA an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 25.04.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die BF im Wesentlichen wiederholend aus, dass nach syrischem Recht eine nachträglich registrierte Ehe rückwirkend gültig sei und dass es der Bezugsperson nicht zumutbar gewesen sei, die Ehe vor der Flucht zu registrieren.

In der Folge erlies die ÖB Damaskus mit Bescheid vom 22.06.2017 eine Beschwerdevorentscheidung gem. § 14 Abs. 1 VwGVG, mit welcher die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend führte die Botschaft im Wesentlichen Folgendes aus:

"... Jenseits und unabhängig von der oben angeführten Bindungswirkung teilt die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass eine Familienangehörigeneigenschaft im Sinne des Asylgesetzes nicht vorliegt, weil die Ehe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden hat. So wurde die Ehe am XXXX, und damit erst nach Ausreise und Asylantragsstellung der Bezugsperson am 12.11.2015 in Österreich eingetragen. Lag aber keine Trauung vor, bei der nicht beide Parteien persönlich vor Ort anwesend gewesen waren, sondern war eine Vertretung organisiert worden, so lag auch dann de facto niemals eine Trauung zwischen Mann und Frau vor. Eine Ehe zwischen Stellvertretern widerspricht nämlich eindeutig dem Ordre public nach § 6 IPR-Gesetz (...) ."

Dagegen brachte die BF am 28.06.2017 und somit fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht ein und verwies in inhaltlicher Hinsicht auf die bereits erstatteten Stellungnahmen.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 06.07.2017 wurde am 10.07.2017 dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt dem Verwaltungsakt übermittelt.

Mit Erkenntnis vom 03.01.2018, Zl. W144 2163719-1/2E, wurde die Beschwerde gemäß Art. 35 Abs. 1 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt. Dieser Entscheidung wurde die Feststellung zugrunde gelegt, dass die BF die Bezugsperson XXXX, XXXX geb., syrischer StA, der mit Bescheid des BFA vom 20.04.2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und Asyl gewährt wurde, in Syrien amXXXX traditionell-muslimisch nach Scharia-Recht geheiratet hat und ihre Verbindung am XXXX beim Standesamt (Zentralamt Bezirk Damaskus) eingetragen wurde. Begründend wurde zur Abweisung der Beschwerde ausgeführt, dass "die Gültigkeit von Rechtsakten, die ihre Grundlage für gewisse Zeiträume allein im Scharia-Recht haben, klar den Grundwerten der österr. Rechtsordnung widerspricht, sodass die in Rede stehende Eheschließung für den österreichischen Rechtsverkehr erst mit der standesamtlichen Eintragung in Syrien am XXXX als rechtsgültig angesehen werden kann" , sowie dass die "Argumentation der ÖB Damaskus und des Bundesamtes, wonach vor Einreise der Bezugsperson nach Österreich keine Ehe mit der BF bestanden hat und ihr damit nicht die geforderte Familienangehörigeneigenschaft iSd. § 35 AsylG zukommt, zutreffend ist."

Dagegen erhob die BF außerordentliche Revision an den VwGH, der diese als zulässig und begründet qualifizierte und das angefochtene Erkenntnis des BVwG mit Erkenntnis vom 06.09.2018, Zl. Ra 2018/18/0094-8, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufhob. Begründend führte der VwGH zur Frage der rückwirkenden Gültigkeit von traditionellen Eheschließungen durch ihre nachfolgende staatliche Registrierung Folgendes aus (Fettdruck im Original nicht enthalten):

"Inhaltliche Vorbehalte gegen die revisionsgegenständliche Eheschließung - wie etwa eine Verletzung des Verbotes der Kinderehe oder des Ehezwanges - hat das BVWG nicht festgestellt, sondern vielmehr festgehalten, dass die Anwesenheit beider Eheleute "jedenfalls bei der traditionell-muslimischen Heirat gegeben" gewesen sei und "daher am Willen der Brautleute keine Zweifel" bestünden.

Der bloße Umstand der Anerkennung einer traditionellen Eheschließung mit ihrer nachfolgenden staatlichen Registrierung bereits ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung im ausländischen Recht verstößt allerdings - entgegen der Annahme des BVwG - nicht gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung im Sinne der zitierten Judikatur der Höchstgerichte."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.) Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.

Zudem wird festgestellt, dass die BF die Bezugsperson XXXX, XXXX geb., syrischer StA, der mit Bescheid des BFA vom 20.04.2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und Asyl gewährt wurde, in Syrien am XXXX traditionell-muslimisch nach Scharia-Recht geheiratet hat und ihre Verbindung am XXXX beim Standesamt (Zentralamt Bezirk Damaskus) eingetragen wurde.

Die Anwesenheit beider Eheleute war jedenfalls bei der traditionell-muslimischen Heirat gegeben und bestehen daher am Willen beider Brautleute keine Zweifel.

Gemäß Art. 1 syrisches Personalstatutgesetz, Gesetz Nr. 59 vom 17.09.1953, geändert durch Gesetz Nr. 34 vom 31.12.1975 (sPSG), ist die Eheschließung ein Vertrag zwischen einem Mann und einer Frau, die zu heiraten ihm gesetzlich erlaubt ist, zum Zwecke der Gründung einer Lebensgemeinschaft und der Zeugung von Nachkommen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 sPSG ist beim Abschluss des Ehevertrages die Stellvertretung zulässig (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ordner XVIII, Syrien-Tunesien, S. 11f). Die Eheschließung zwischen Muslimen kann von jedem bekannten Imam oder einem Scharia-Gelehrten durchgeführt werden. Damit ein Eintrag der Eheschließung ins Familienbuch erfolgen kann, muss eine Registrierung bzw. Anmeldung oder staatliche Anerkennung der Eheschließung erfolgen. Eheschließungen, die von einer religiösen Stelle vollzogen wurden, müssen bei den Behörden für zivilrechtliche Angelegenheiten registriert werden, um staatlich anerkannt zu sein. Wurde die Hochzeit vor einem Scharia-Gericht durchführt, besteht die Möglichkeit, das vom Scharia-Gericht erhaltene Zertifikat an die Behörde zu schicken und die Ehe auf diese Weise zu registrieren. Erst durch die Registrierung durch die Behörde wird die Ehe staatlich anerkannt (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation an den VB für Syrien zur Frage der Wirkung einer Eheschließung in Syrien).

2.) Beweiswürdigung:

Die Festgestellungen zum Verfahrensgang ergeben sich unzweifelhaft aus dem Akt der ÖB Damaskus, jene zu den Daten der Eheschließung ergeben sich dabei insbesondere aus der Übersetzung der Eheschließungsurkunde des syrischen Standesamtes und wurden diese Daten seitens der Parteien auch niemals bestritten.

Die Feststellungen zum syrischen Eherecht ergeben sich aus der dort zitierten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Bescheides:

§§ 34 und 35 Asylgesetz 2005 (AsylG) lauten:

Sonderbestimmungen für das Familienverfahren

Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

----------

1.-einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2.-einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt

worden ist oder

3.-einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben

Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

1.-dieser nicht straffällig geworden ist und

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein

Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

1.-dieser nicht straffällig geworden ist;

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3.-gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt

wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4.-dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

----------

1.-auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2.-auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der

Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem

Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen

um ein minderjähriges lediges Kind;

3.-im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption

(§ 30 NAG).

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

----------

1.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär

Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status

anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.-das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den

öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.-im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des

§ 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß

§ 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des

Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die

Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich

Gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

§§ 11 Abs. 1 ,11a und 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

...

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

....

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idgF lauten wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

Durch die oben zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist nunmehr klargestellt, dass syrische, traditionell-muslimisch geschlossene Ehen, die nachfolgend staatlich registriert werden, grundsätzlich rückwirkend mit dem Datum der traditionell-muslimischen Hochzeit als rechtsgültig anzusehen sind, sofern keine sonstigen dem ordre public widersprechenden Umstände (wie etwa Kinderehe oder Ehezwang) gegen die Gültigkeit der Ehe sprechen.

Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Ehe der BF mit der Bezugsperson bereits mit XXXX als rechtsgültig anzusehen ist.

Der Einwand der ÖB Damaskus im behördlichen Verfahren, wonach in casu eine dem ordre public nach § 6 IPRG widersprechende und damit rechtsungültige "Stellvertreterehe" vorliege, erscheint im vorliegenden Fall verfehlt, da beide Brautleute jedenfalls zum Zeitpunkt der traditionell-muslimischen Eheschließung anwesend waren, sodass am Ehewillen beider keine Zweifel bestehen. Eine nochmalige Anwesenheit beider Eheleute bei der nachfolgenden staatlichen Registrierung der traditionell-muslimischen Ehe ist jedoch nach syrischen Eherecht nicht notwendig, da, wie sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation durch den VB für Syrien (vgl. Stellungnahme des BFA vom 20.02.2017, Seite 4) ergibt, die traditionellen Heiratsdokumente allenfalls auch an die Behörde "gesendet" werden können, um eine behördliche Registrierung vorzunehmen. Hieraus erhellt, dass eine Anwesenheit der Brautleute bei der staatlichen Registrierung für die Gültigkeit der Ehe nicht notwendig erscheint. Wesentlich erscheint in dem Zusammenhang, dass jedenfalls zu einem Zeitpunkt - entweder (wie hier) bei der traditionell-muslimischen Hochzeit oder bei der nachfolgenden staatlichen Registrierung - beide Brautleute persönlich bei der Begründung der Ehe anwesend waren, damit ein Ehezwang bzw. eine bloße Stellvertreterehe ausgeschlossen ist.

Somit bestand die Ehe der BF mit der Bezugsperson bereits (rückwirkend) seit XXXX und somit bereits vor der Einreise der Bezugsperson am 11.11.2015 nach Österreich.

Die Antragstellung der BF gem. § 35 AsylG erfolgte am 25.07.2016, sohin weniger als 3 Monate nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Bezugsperson am 24.05.2016, sodass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht zu erfüllen sind.

Da die Familienangehörigeneigenschaft der BF zur Bezugsperson somit gegeben ist und keine Hinweise dafür vorliegen, dass die Bezugsperson straffällig geworden oder im Hinblick auf ihre Person ein Verfahren zur Aberkennung ihres Status anhängig wäre, erscheinen in casu die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 34 Abs. 2 und 35 Abs. 1 und 5 AsylG erfüllt, sodass der Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Entscheidung zu beheben war.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg.cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Ehe, Einreisetitel, Prognose, Rechtsanschauung des VwGH,
Registrierung, Stellvertreter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W144.2163719.1.02

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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