TE Bvwg Beschluss 2018/10/10 W125 2206762-1

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Veröffentlicht am 10.10.2018
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Entscheidungsdatum

10.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W125 2206762-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.7.2018, Zahl 486477108/160320200 beschlossen:

A)

Das Verfahren wird nach Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs 1 und 31 Abs 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hatte bereits am 13.10.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, welchen er im Wesentlichen damit begründet hatte, von Mitarbeitern des tschetschenischen Präsidenten Kadyrow verfolgt worden zu sein.

Dieser Antrag war vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis D9 405674-2/2010/37E vom 18.9.2013 als unbegründet abgewiesen worden, weil das vom Beschwerdeführer zu seiner Verfolgung erstattete Vorbringen nicht als glaubhaft erkannt worden war.

2. Am 2.3.2016 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Untersuchungshaft den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag erstbefragt. Im Zuge dieser Erstbefragung gab er an, an Hepatitis C sowie Knochentuberkulose zu leiden; dies würde seine Einvernahme jedoch nicht beeinflussen. Seit dem Herbst 2008 sei er durchgehend in Österreich aufhältig; das Sorgerecht für seine Kinder hätten er selbst sowie seine Ex-Frau.

2.1. Zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung auf internationalen Schutz befragt, führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er nicht in seinen Herkunftsstaat zurückkönne, weil seien beiden Kinder in Österreich leben würden, er sich mit seiner Ex-Frau versöhnen wolle sowie krank sei und sonst nirgends eine Behandlung bekommen würde; außerdem seien seine ursprünglichen Fluchtgründe weiter aufrecht.

2.2. Mit Verfahrensanordnung vom 8.3.2016, dem Beschwerdeführer am 9.3.2016 übergeben, wurde das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen sowie festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs 1 und 2 AsylG 2005 kein Aufenthaltsrecht zukomme und ihm daher keine Aufenthaltsberechtigungskarte nach § 51 AsylG 2005 zustehe.

2.3. Mit Schreiben vom 18.7.2016 übermittelte der Verein XXXX einen fachärztlichen Befund samt Therapiebestätigung der XXXX vom 21.6.2016 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, aus welchem hervorgeht, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt 21.6.2016 seit 21.4.2016 in stationärer Behandlung befinde. Der Beschwerdeführer leide an Hepatitis C und habe eine Schussverletzung im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die diagnostizierte Lungentuberkulose mit Wirbelkörperbeteiligung sowie Abszessen in der Bauchhöhle sei austherapiert. Festgestellt wurde weiters, dass eine Störung durch multiplen Substanzgebrauch vorliege und der Beschwerdeführer sich in einem ärztlich überwachten Ersatzdrogenprogramm befinde.

2.4. Mit Schreiben vom 29.5.2018 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch das Bezirksgericht XXXX von einer rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers verständigt (Urteil vom 24.5.2018, XXXX; Verurteilung gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten).

2.5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ersuchte mit Schreiben vom 27.3.2018 den Beschwerdeführer um Übermittlung seiner aktuellen Befunde bezüglich Tuberkulose und Hepatitis C.

2.6. Am 9.7.2018 wurde der Beschwerdeführer vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Zu seinem Gesundheitszustand befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er Substitol, jedoch keine anderen Medikamente einnehme. In Österreich lebe er von der Grundversorgung, er gehe keiner Arbeit nach und sei seit 2013 von seiner Ex-Frau geschieden; er habe gemeinsam mit seiner Ex-Frau zwei Kinder, die in Österreich leben würden.

Als Gründe für die neuerliche Asylantragstellung brachte der Beschwerdeführer vor: "Der Grund für die Asylantragstellung sind meine Kinder und das was vorher war. Außerdem hatten wir ein Haus, und das wurde uns weggenommen." Kadyrow habe ein neues Gesetz erlassen; demnach würden Leute, die ins Ausland gefahren seien, für "Kämpfer" gehalten. Ihr Vermögen werde einkassiert und bei Rückkehr würden sie als Terroristen vor Gericht gestellt. Zu Hause sei derzeit "alles normal", er könne aber nicht zurück; er habe sich an Kampfhandlungen beteiligt, der Grund seines ersten Asylverfahrens sei nach wie vor aufrecht. Zudem lebe er seit 10 Jahren in Österreich, welches für ihn wie eine Heimat sei.

2.7. Am 8.6.2018 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine interne Anfrage an die Staatendokumentation mit folgenden konkreten Fragen:

• Hat der tschetschenische Präsident Kadyrov ein Gesetz erlassen, welches beinhaltet, dass tschetschenische Personen, welche ins Ausland ausgereist sind, als Kämpfer (Terroristen) deklariert werden?

• Wenn ja, wie heißt dieses Gesetz, wann wurde dieses Gesetz beschlossen und wann ist es in Kraft getreten?

• Wurde dieses Gesetz auch im Internet veröffentlicht?

Die Staatendokumentation übermittelte in der Folge am 17.7.2018 die Anfrage an die Konsularabteilung der Österreichischen Botschaft in XXXX, da in öffentlich zugänglichen Internetquellen im Raumen der zeitlich begrenzten Recherche in deutscher und englischer Sprache keine Informationen gefunden worden seien. Die Konsularabteilung der Österreichischen Botschaft in XXXX übermittelte dazu die Auskunft, dass das Bestehen eines solchen Gesetzes nicht festgestellt habe werden könne.

2.8. Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid vom 27.7.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). In Spruchpunkt VII. wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 2.3.2016 verloren habe. Schließlich wurde gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer weder neue asylrelevante Fluchtgründe vorgebracht habe, noch neue Tatsachen entstanden wären, die für die Erteilung von internationalem oder subsidiärem Schutz sprächen; die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes wurden für notwendig und verhältnismäßig erachtet.

2.9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 22.8.2018 rechtzeitig Beschwerde.

Die Behörde habe Ermittlungspflichten hinsichtlich der Lage in der Russischen Föderation unterlassen; bezüglich der Rückkehrentscheidung wurde vorgebracht, dass die Behörde deren Verhältnismäßigkeit nur unzureichend geprüft und von ihrem Ermessen - im Hinblick auf soziale Anknüpfungspunkte und die aktuelle Situation in der Russischen Föderation - rechtswidrig Gebrauch gemacht habe.

2.10. Am 27.9.2018 erfolgte die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht und wurde die vorliegende Rechtssache in Anwendung der geltenden Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung W125 zugewiesen.

2.11. Mit Schreiben vom 2.10.2018 zog der Beschwerdeführer seine Beschwerde zurück, da er sich entschlossen habe, einen Antrag nach § 133a StVG zu stellen und ehestmöglich in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren; er habe diesbezüglich bereits mit dem russischen Konsulat und dem XXXX Kontakt aufgenommen.

II. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

1. Anzuwendendes Recht:

§ 1 BFA-VG in der geltenden Fassung bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

§ 16 Abs 6 und §18 Abs 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, , und des DVG, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Anzuwenden waren weiters das AsylG 2005 und das FPG, auf die sich der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassene Bescheid stützt.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Das VwGVG trifft - im Unterschied zum VwGG - keine ausdrückliche Regelung über die Vorgangsweise im Falle der Zurückziehung von Beschwerden. Es sind daher subsidiär die Regelungen des AVG heranzuziehen.

Dazu wurde ausgeführt:

"Die im AVG nicht ausdrücklich vorgesehene Einstellung eines Verwaltungsverfahrens wird dann als zulässig angesehen, wenn keine Partei einen Erledigungsanspruch (mehr) hat. [...] Eine nach außen hin in Erscheinung tretende Form, insbesondere Bescheidform, der Verfahrenseinstellung ist im AVG [...] weder für amtswegig [...] noch für auf Antrag eingeleitete Verfahren vorgesehen. [...] Die Verfahrenseinstellung kann vielmehr durch bloßen Aktenvermerk im Sinne des § 16 AVG beurkundet werden; [...]" über die Einstellung muss allerdings bescheidförmig erkannt werden, wenn das Vorliegen eines Einstellungsgrundes strittig ist (siehe Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Teilband, Wien 2005, 650, Rz 87, 88 zu § 56 AVG).

2. Rechtlich folgt daraus:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.7.2018 und wurde vom Beschwerdeführer wieder zurückgezogen.

Mit der Zurückziehung der Beschwerde ist das Rechtsschutzinteresse weggefallen und einer Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht die Grundlage entzogen. Der angefochtene Bescheid erwuchs mit der Zurückziehung der Beschwerde in Rechtskraft. Das gegenständliche Verfahren wird daher eingestellt.

Zu Spruchteil B):

Gemäß §25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im maßgeblichen Zusammenhang auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe auch oben das obige Zitat aus einem Gesetzeskommentar). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Gegenstand dieses Beschlusses ist ausschließlich der Umstand, dass er Beschwerdeführer während des laufenden Beschwerdeverfahrens freiwillig die Beschwerde zurückgezogen hat und damit einer Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht die Grundlage entzogen wurde.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asylantragstellung, entschiedene Sache, freiwillige Ausreise,
Verfahrenseinstellung, Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W125.2206762.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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