TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/17 W144 2117790-1

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Veröffentlicht am 17.10.2018
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Entscheidungsdatum

17.10.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W144 2117790-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, XXXX geb., StA. von Russland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2015, Zl. IFA: XXXX, VerfZl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger von Russland, verließ sein Heimatland am 29.03.2015 und flog mit einem tschechischen Schengenvisum der Kategorie C, gültig von 29.03.2015 bis 20.04.2015, nach Tschechien, von wo aus er nach einem 4-tägigen Aufenthalt mit der Bahn von Prag nach Wien reiste. Am 07.04.2015 stellte er letztlich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf der Erstbefragung durch Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 07.04.2015 gab der BF neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er sich vom 03.04.2015 bis 07.04.2015 bei seiner Ehefrau, die seit 12 Jahren anerkannter Flüchtling in Österreich sei, in Wien aufgehalten habe. Das tschechische Visum habe er über ein russisches Reisebüro beantragt. Seine Ehefrau wohne in Wien und er wolle mit ihr zusammenleben. Eine Heiratsurkunde habe er im Original bei sich. Er sei seit Jänner 2015 mit seiner Frau standesamtlich verheiratet, traditionell verheiratet sei er mit ihr schon seit vielen Jahren.

Das BFA richtete unter Hinweis auf das tschechische Visum und das Vorbringen des BF, wonach er mit einer als Flüchtling anerkannten in Wien lebenden Frau verheiratet sei, am 17.04.2015 bezüglich des BF ein auf Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Tschechien. Tschechien stimmte mit Fax vom 22.05.2015 diesem Ersuchen ausdrücklich zu.

In der Folge wies das BFA sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 18.09.2015 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Tschechien gemäß 12 Abs. 2 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Tschechien zulässig sei.

Die gegen diese Entscheidung fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 03.12.2015, Zl. W144 2117790-1/3E, gem. §§ 5 AsylG und 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Dieses Erkenntnis des BVwG wurde jedoch nach Einbringung einer Revision mit Erkenntnis des VwGH vom 17.09.2018, Ra 2016/19/0011-12, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben, wobei der VwGH im Wesentlichen Folgendes ausführte (Hervorhebung im Original nicht enthalten):

"Die Revision führt zur Begründung ihrer Zulässigkeit aus, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung abgelaufen sei. Durch die nicht erfolgte Wahrnehmung des damit bewirkten Zuständigkeitsübergangs sei das Erkenntnis von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Bezugnahme: VwGH 16.5.2013, 2012/21/0218) abgewichen. Österreich müsse daher in das Verfahren eintreten.

[ ... ]

..... Sollte das Revisionsvorbringen zutreffen und die sechsmonatige Überstellungsfrist im vorliegenden Fall abgelaufen sein, wäre die Zuständigkeit zur Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 29 Abs. 2 erster Satz Dublin III-VO auf Österreich übergegangen.

Hinsichtlich der Frage des Beginns und des Laufs der Überstellungfrist nach Art. 29 Dublin III-VO wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2017, Ra 2015/20/0231, verwiesen.

Da im vorliegenden Fall dem Rechtsmittel zu keiner Zeit aufschiebende Wirkung zukam, ist der Lauf der Überstellungsfrist allein nach der ersten Voraussetzung des Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO, nämlich nach dem Datum der - hier ausdrücklichen - Zustimmung der ersuchten Mitgliedstaates zu beurteilen. Die sechsmonatige Frist begann gegenständlich somit mit Annahme des Aufnahmeersuchens durch Tschechien am 22. Mai 2015 und endete am 22. November 2015.

Nachdem die Überstellung des Revisionswerbers nach Tschechien nicht innerhalb dieser Frist, die im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung bereits abgelaufen war, durchgeführt wurde, war Tschechien nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO nicht mehr zur Aufnahme des Revisionswerbers verpflichtet und ging die Zuständigkeit zur Prüfung des Antrages auf Österreich über."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG idgF lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

[ ... ]

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

[ ... ]

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

[ ... ]

und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) lauten wie folgt:

Artikel 29:

Modalitäten und Fristen

(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez- passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

Art. 42:

Berechnung der Fristen

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:

a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei der Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.

b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten.

Vor dem Hintergrund der obzitierten Ausführungen des VwGH vom 17.09.2018 war spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende Bescheid des BFA zu beheben und das Verfahren zuzulassen.

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt und sich das Bundesverwaltungsgericht bei der erheblichen Rechtsfrage auf das zitierte Judikat des VwGH vom 14.12.2017 stützen konnte.

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Überstellungsfrist, Verfristung,
Zulassungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W144.2117790.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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