Entscheidungsdatum
23.10.2018Norm
AVG §68 Abs1Spruch
I414 2171621-3/6E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (Name vor der Ehe XXXX), geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx und RA Edward W. Daigneault, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost vom 25.08.2018, Zl. XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.08.2015 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe müssen, weil sie Angst vor der Boko Haram habe und in Borno Krieg herrsche.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) vom 31.08.2017, Zl. XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.10.2017, GZ I416 2171621-1/2E, als unbegründet abgewiesen.
Am 08.02.2018 stellte die Beschwerdeführerin gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Wesentlichen mit den Fluchtgründen aus dem ersten Verfahren (F:
Haben Sie neue Fluchtgründe? A: Nein, ich bin nur krank. Ehrlich gesagt es wird auch nicht besser.), hinzugekommen sei, dass sie psychische Probleme habe (AS 3-9). Von der Beschwerdeführerin wurden unterschiedliche Arztbriefe, Laborbefunde, Überweisungsscheine, Rezepte, Medikamentenverpackungen und Ambulanzkarten wegen psychischer Probleme vorgelegt. Es wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin an Parasomnie, Erinnerungslücken und fraglichem Stimmenhören leide (AS 153). Eine regelmäßige Behandlung in der Sozialpsychiatrischen Ambulanz wurde bestätigt und sei eine Weiterbehandlung aus fachärztlicher Sicht dringend erforderlich (AS 171). Weiters wurden Bauchschmerzen und Reizdarmsyndrom (AS 165 und 169) diagnostiziert.
Mit Bescheid vom 19.05.2018, Zl. XXXXXXXX, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
Dieser Bescheid wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 16.07.2018, GZ I414 2171621-2/5E behoben, da die belangte Behörde die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gehabt hätte, dies aber unterlassen hat.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25.08.2018, Zl. XXXX, wies die die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise bestehe keine Frist (Spruchpunkt VI.).
Der Bescheid wurde der Rechtsvertretung MigrantInnenverein St. Marx nachweislich am 30.08.2018 zugestellt. Die dagegen am 25.09.2018 erhobene Beschwerde ist eine Kopie des bereits im Vorfahren zu GZ I414 2171621-2 eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes.
Im Bericht der PI vom 31.08.2018 (AS 535) wurde der gescheiterte Zustellversuch (an die Beschwerdeführerin persönlich) mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass eine Nachschau im ZMR (AS 545) ergeben habe, dass die Beschwerdeführerin nunmehr verheiratet sei, einen anderen Nachnamen trage und schon seit 30.05.2018 an einer anderen inländischen Adresse ihren Wohnsitz habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch RA Edward W. Daigneault, fristgerecht am 24.09.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit dem Beschwerdeschriftsatz wurde eine Heiratsurkunde sowie eine Passkopie (AS 571-573) des nunmehrigen Ehemannes vorgelegt. Die Beschwerdeführerin sei mit einem ungarischen Staatsangehörigen verheiratet, der in Österreich arbeitet. Eine Rückkehrentscheidung wäre gegen sie als begünstigte Drittstaatsangehörige nicht zu erlassen gewesen.
Am selben Tag wurden diese Beschwerde und der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und beantragt, die Beschwerde möge als unbegründet abgewiesen werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt und auf die angeführten Fundstellen verwiesen.
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den unbestrittenen Akteninhalten der Verwaltungsbehörde einerseits und der Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den GZ 2171621-1, 2171621-2 und 2171621-3. Ergänzend eingeholt wurden aktuelle Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, der Grundversorgung und dem Zentralen Fremdenregister inklusive Strafregister der Republik Österreich.
Dass die Beschwerdeführerin begünstigte Drittstaatsangehörige ist, ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde vom 19.05.2018, der Passkopie des Ehemannes und einem Auszug aus dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Demnach ist der Ehemann ungarischer Staatsangehöriger und bereits seit dem Jahr 2016 in Österreich erwerbstätig. Er hat von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Behebung des Bescheides:
Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zuzulassen, wenn das BVwG der Beschwerde gegen die Entscheidung, mit der ein Antrag im Zulassungsverfahren zurückgewiesen wurde, stattgibt.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913;
27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235; 17.9.2008, 2008/23/0684; 11.11.2008, 2008/23/1251; 19.2.2009, 2008/01/0344;
6.11.2009, 2008/19/0783). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (späteren) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266). Soweit nicht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder das Bundesasylamt, sondern der Asylgerichtshof oder das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig entschieden hat, ist Maßstab nicht ein Bescheid, sondern die Entscheidung dieses Gerichtes.
Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG bzw. des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431; 17.9.2008, 2008/23/0684).
Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG 2005 - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG 2005, nämlich § 28 Asylgesetz 1997 BGBl. I 76; 17.9.2008, 2008/23/0684; weiters VwGH 6.11.2009, 2008/19/0783). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193;7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480;4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329;31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226; 29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides (Vorerkenntnisses) einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).
Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391; 26.7.2005, 2005/20/0343; 27.9.2005, 2005/01/0363; 22.12.2005, 2005/20/0556; 22.6.2006, 2006/19/0245; 21.9.2006, 2006/19/0200; 25.4.2007, 2005/20/0300; vgl. weiters VwGH 26.9.2007, 2007/19/0342).
Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid (Vorerkenntnis) auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (jetzt: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400; 15.9.2010, 2008/23/0334 mwN; 15.12.2010, 2007/19/0265).
"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).
Im gegenständlichen Verfahren hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass sie wegen ihrem Gesundheitszustand in Behandlung sei. In Nigeria würde sie eine passende ärztliche Behandlung nicht bekommen und könne sie sich diese nicht leisten. Im Falle ihrer Rückkehr sei sie alleine, es werde sich niemand um sie kümmern. Die belangte Behörde dieses Vorbringen nicht als neuen Sachverhalt eingestuft, da dies von der Rechtskraft des Erstverfahrens umfasst sei. Der Beschwerde ist jedoch beizupflichten, dass die Beschwerdeführerin erst nach Rechtskraft des Erstverfahrens an psychischen Störungen erkrankt ist und die Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.10.2017 nicht einen Sachverhalt erfassen kann, der sich nach der Erlassung dessen geändert hat (VwGH 18.4.1951 Slg 2054 A). Somit hätte sich die belangte Behörde mit dem neuen Sachverhalt inhaltlich auseinandersetzen müssen.
Die Beschwerdeführerin stützte ihr Vorbringen nicht auf bloße Behauptungen, sondern wurde ein Konvolut von Arztbriefen und Attesten sowie verschriebenen Medikamenten vorgelegt. Vor dem Hintergrund der von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen zu Nigeria könnte die psychische Erkrankung, die Notwendigkeit der Einnahme bestimmter Medikamente und ihre familiäre Situation im Herkunftsstaat zu einer aussichtlosen Situation führen, was unter Umständen als asylrelevante Verfolgung zu qualifizieren wäre. Die psychische Erkrankung kann den Arztbriefen entnommen werden, im Vorverfahren konnten keine Angehörigen in Nigeria festgestellt werden und die Behandlung in Spezialkliniken, soweit vorhanden, sind laut dem Länderinformationsblatt zu Nigeria teuer und kostenpflichtig. Auf die weiters diagnostizierten Bauchschmerzen und das Reizdarmsyndrom wurde im Übrigen gar nicht eingegangen.
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Verfahren keine relevanten Ermittlungen zu dieser Fragestellung getätigt und hat eine ausreichende Einvernahme bzw. Recherchen nicht vorgenommen, in der das Risiko der Beschwerdeführerin, als möglicherweise alleinstehende und psychisch kranke Frau in eine aussichtlose Situation zu geraten, geprüft wird. Dem erkennenden Gericht ist es verwehrt, über das Vorbringen der Beschwerdeführerin erstmals inhaltlich zu entscheiden, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben war.
In Bezug aus die familiäre Situation in Österreich ist weiters anzumerken, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, trotz Hinweise auf eine Heirat Ermittlungen dahingehend anzustrengen. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass bereits am 07.06.2018 durch Beamte der PI ein geänderter Familienname der Beschwerdeführerin in einem Bericht festgehalten wurde (AS 295). Auch in der Beschwerdevorlage vom 18.06.2018 zu GZ I414 2171621-2 ging die belangte Behörde von einem neuen Nachnamen aus und wurde die Beschwerdeführerin auch unter diesem geführt (AS 339 zu I414 2171621-2). Ein weiters in diesem Gerichtsakt befindlicher Auszug aus dem ZMR belegt, dass bereits am 16.07.2018 der geänderte Nachname, die Eintragung ins Ehebuch samt Dokumentennummer und Ausstellungsdatum sowie der seit 30.05.2018 geänderte Wohnsitz ersichtlich waren. Selbiges gilt den Speicherauszug aus dem Grundversorgungssystem, in dem ebenfalls der Familienstand "verheiratet" vermerkt ist. Der belangten Behörde stehen beide Auszüge zur Verfügung und wären die geänderten Tatsachen leicht feststellbar gewesen. Trotz den Hinweisen stellte die belangte Behörde keine Ermittlungen betreffend ein geändertes Familienleben in Österreich an und spätestens nach eindeutigen und unmissverständlichen Hinweisen der PI im Zuge des Zustellversuches des nunmehr angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Heiratsurkunde in der Beschwerde steht für das erkennende Gericht fest, dass die belangte Behörde Tatsachen bewusst ignoriert haben muss. Anstatt von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung oder einem Vorgehen nach § 68 Abs 2 AVG Gebrauch zu machen, wurden Beschwerde und Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt mit dem Antrag, die Beschwerde möge als unbegründet abgewiesen werden.
Aufgrund der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nunmehr mit einem ungarischen Staatsangehörigen verheiratet ist, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, wären Ermittlungen bzw. eine Einvernahme auch hinsichtlich der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zwingend erforderlich gewesen.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die Beschwerdeführerin und gegebenenfalls den Ehemann niederschriftlich ausführlich insbesondere zum Themenkomplex der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Behandlung sowie zum geänderten Privat- und Familienleben zu befragen und den entscheidungswesentlichen Sachverhalt durch allfällige weitere Ermittlungen zu erheben haben. Unter Wahrung des Grundsatzes der amtswegigen Ermittlungspflicht und des Parteiengehörs wird die belangte Behörde auch aktuelle Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat treffen, das Vorbringen der gesetzlichen Vertretung vor dem Hintergrund der aktuellen Lage im Herkunftsstaat würdigen und schließlich die rechtlichen Konsequenzen daraus ziehen müssen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass die angefochtenen Bescheide zu beheben waren.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A wiedergegeben. (vgl. die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere VwGH vom 26.6.2014 zu Zl. 2014/03/0063).
Schlagworte
begünstigte Drittstaatsangehörige, Behebung der Entscheidung, Ehe,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2171621.3.00Zuletzt aktualisiert am
14.01.2019