TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/25 W241 2192563-1

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Veröffentlicht am 25.10.2018
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Entscheidungsdatum

25.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W241 2192563-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde vonXXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2018, Zahl 1150324907-170719703, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.10.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF), eine iranische Staatsangehörige, reiste am 06.05.2017 mittels eines Visums legal in Österreich ein und stellte nach Ablauf des Visums am 19.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In ihrer Erstbefragung am 19.06.2017 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi im Wesentlichen an, dass sie ursprünglich nach Österreich gekommen sei, um ihren jetzigen Ehegatten, einen Österreicher iranischer Herkunft, zu ehelichen. Allerdings hätte sie sich bereits im Iran für das Christentum interessiert und vor ihrer geplanten Rückkehr in den Iran von ihrer Schwester erfahren, dass

die iranische Geheimpolizei nach ihr suche.

1.3. Bei ihrer Einvernahme am 01.03.2018 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi, machte die BF Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen im Iran sowie zu ihren Fluchtgründen.

Ferner gab sie an, dass sie die Gottesdienste einer evangelischen Kirche in XXXX jeden Sontag besuche, getauft sei sie jedoch noch nicht.

Die BF legte in der Folge folgende Dokumente vor:

* iranischer Reisepass

* österreichische Heiratsurkunde

* österreichischen Auszug aus dem Heiratseintrag

* Schreiben einer Stadtgemeinde vom 11.05.2017

* Deutschpass der Volkshochschule XXXX.

1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 08.03.2018 den Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr den Status einer Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihr nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person der BF und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen der BF sei unglaubhaft. Sie habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung der BF in den Iran. Im Falle der Rückkehr drohe ihr keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Die BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe ihr Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung der BF in den Iran. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die die BF bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass die BF bezüglich ihrer behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund ihrer Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu ihrem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation im Iran wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Ihre Fluchtgeschichte habe die BF angesichts mehrerer dargelegter Unplausibilitäten nicht glaubhaft machen können. Ferner hätte eine Änderung ihrer inneren Überzeugung, sodass man von einer echten Konversion zum Christentum sprechen könnte, nicht festgestellt werden können.

Subsidiärer Schutz wurde ihr nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr der BF in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage im Iran nicht drohe.

1.5. Gegen diesen Bescheid brachte die BF mit Schreiben ihrer gewillkürten Vertretung vom 04.04.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein.

In der Beschwerdebegründung wurde erneut auf das Interesse der BF am christlichen Glauben und ihre Konversion verwiesen sowie ein Schreiben der XXXX vom 24.02.2017, demzufolge die BF seit 04.02.2018 jeden Sonntag die Gottesdienste besuche und Anschluss an die evangelische Kirche suche.

1.6. Die Beschwerde samt Verwaltungsakten langte am 16.04.2018 beim BVwG ein.

1.7. Am 01.10.2018 legte die BF zwei Zeugnisse bezüglich einer Deutschprüfung und einen Taufschein vor, demzufolge sie am 16.09.2016 in der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX getauft wurde.

1.8. Das BVwG führte am 22.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi durch, zu der die BF in Begleitung einer gewillkürten Vertreterin und zweier Zeugen (ihr Ehegatte Herr XXXX und ihre Taufpatin Frau XXXX) persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Dabei legte die BF folgende Schriftstücke vor:

* ein Schreiben des Obmanns der XXXX vom 12.10.2018

* einen Zeitungsartikel aus einer Gemeindezeitung, in der die Taufe der BF erwähnt wird.

Daraufhin gab die BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"RI [Richter]: Geben Sie bitte Namen, Alter und Aufenthaltsorte Ihrer näheren Angehörigen bekannt, die sich im Iran befinden!

BF: Meine Eltern sind verstorben, ich habe eine Schwester, sie lebt in Teheran.

RI: Onkel, Tanten?

BF: Die Familie seitens meiner Mutter lebt in Teheran und väterlicherseits (vs.) und die meines Vaters in Mashad.

RI: Haben Sie Kontakt zu diesen Angehörigen?

BF: Seit einiger Zeit nicht mehr.

RI: Was arbeitet Ihre Schwester im Iran?

BF: Hausfrau.

RI: Ist sie verheiratet?

BF: Ja.

RI: Was arbeitet Ihr Schwager?

BF: Er ist freiberuflich tätig.

RI: Haben Sie vor Ihrer Ausreise mit Ihrer Schwester zusammengewohnt?

BF: Wir haben beide in einem Haus gewohnt, ich habe im ersten Stock und sie im dritten Stock gewohnt.

RI: Haben Sie im Iran eine Schul- oder Berufsausbildung genossen und absolviert?

BF: Ich habe den Bachelor in Management gemacht.

RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Ich habe selber gearbeitet.

RI: Wie stellte sich Ihre finanzielle Situation bzw. die Ihrer Familie dar?

BF: Ich hatte finanziell keine Probleme.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein.

RI: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen? Auf welchem Weg sind Sie nach Österreich gelangt und wo waren Sie wielange aufhältig?

BF: Ich bin am 6. Mai 2017 per Flugzeug direkt aus Teheran, ungefähr dreieinhalb Stunden nach Wien geflogen.

RI: Wie sind Sie da eingereist, wie lange waren Sie dann hier?

BF: Ich bin mit Visum eingereist.

RI: Was war der Grund Ihrer Reise nach Österreich?

BF: Einer unserer gemeinsamen Freunde hat meinen Mann mir vorgestellt und einige Zeit hatten wir über das Internet Kontakt und haben festgestellt, dass wir gemeinsam miteinander leben können. Ich wollte einfach herkommen, um mich über die Lebenssituation meines Mannes hier erkundigen, sprich seine Wohnsituation, die Umgebung und das Umfeld hier und die Hochzeitsvorbereitung/Heiratsvorbereitungen treffen und dann wieder zurück in den Iran, denn ich hatte dort noch meine Wohnung, mein Auto, meinen Job und dass ich dort alle Vorbereitungen im Iran treffe, die Sprache lerne, einen Antrag bei der Botschaft stelle, um wieder hierher zurückzukommen.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie - außer Ihren Ehegatten - in Österreich noch andere lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Es ist nur die Schwägerin meiner Schwester, die hier in Wien, im

21. Bezirk wohnt, sie war auch diejenige, die uns miteinander bekannt gemacht hat.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF: Ja.

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen gut verstanden und auf Deutsch beantwortet hat.

Mit Übersetzung:

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Ja, ich habe bereits A2 abgeschlossen und ab 08.01. habe ich mich für B1 eingeschrieben.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein, ich habe noch keine Arbeitserlaubnis, deshalb nein.

RI: Wenn Sie hierbleiben dürften, was würden Sie gerne arbeiten?

BF: Alles, was in meiner Macht steht, denn ich habe bis jetzt immer gearbeitet und mag es nicht arbeitslos zu sein. Ich habe sogar Frau XXXX gesagt, dass ich bereit bin, freiwillig - sprich ohne Entgelt - Arbeiten zu erledigen, denn ich möchte beschäftigt sein.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Ich gehe in keinen Club oder Verein, um Sport zu betreiben, aber ich betreibe Sport und sobald meine Sprache sich verbessert, möchte ich in der Richtung noch etwas machen.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

Z1 und Z2 verlassen nach Aufforderung des Richters um 13:50 Uhr den Verhandlungssaal.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

BF: Ich bin eigentlich wegen der Heirat hergekommen, als ich meine Religion wechselte, habe ich Probleme bekommen und erfahren, dass mein Leben dort in Gefahr sei. Als ich damals zum BFA (zum zuständigen Amt) wegen meinem Asylantrag hingegangen bin, hatte ich noch 15 Tage ein gültiges Visum, deshalb sagten sie mir, ich solle dann wieder den Antrag stellen, wenn das Visum abgelaufen ist. Als ich später mit meiner Schwester telefonierte, sagte sie, dass die Sicherheitsbeamten ein paar Mal dort waren und sich nach mir erkundigten und auch meine Schwester bedrohten und sie sagten, wenn sie ihnen keine Informationen gebe, mache sich sie mitschuldig. Die Familie meines Vaters sind sehr religiös und leben auch in einer religiösen Stadt und sie sagten mir: "Falls das Gesetz dich nicht verfolgt, werden wir dich, solange du lebst, verfolgen" und haben mich bedroht. Zuerst hatte nur meine Schwester Kenntnis davon und als die Beamten immer wieder bei uns waren, hat auch mein Schwager davon mitbekommen und deshalb hat er es meiner Schwester verboten, weiterhin mit mir in Kontakt zu sein. Die einzige Person, die ich auf der Welt noch habe, ist meine Schwester, denn meine Eltern sind schon verstorben, und nach dieser Sache hat meine Schwester meine Anrufe auch nicht mehr beantwortet, und bei den letzten Telefonaten sagte sie mir, dass sie auch wegen meinem Religionswechsel Probleme dort bekommen werden und ihr Mann dies nicht möchte und keinen Kontakt mehr haben möchte.

RI: Wie sind jetzt die iranische Behörden überhaupt informiert worden, dass Sie die Religion wechseln wollen bzw. gewechselt haben?

BF: Ich habe eine Freundin im Iran, sie ist Christin und ich habe sie immer wieder in Hauskirchen begleitet und ihr Bruder hat bei diesen Veranstaltungen immer wieder gefilmt, denn es hat mich sehr interessiert und ich wollte mich mehr damit befassen. Sie hieß XXXX und leider Gottes wurde sie bei einer Feier gestgenommen und ihr Handy wurde beschlagnahmt, darin waren Videos und Aufnahmen auch von mir und einige dieser Personen, die auf dem Handy drauf waren, wurden nach und nach festgenommen. Über ihre Mutter weiß ich auch, dass sie bei ihr zu Hause waren und ihren Laptop beschlagnahmt haben.

RI: War das eine konvertierte oder eine geborene Christin, diese Freundin?

BF: Nein, sie hat auch wie ich ihre Religion gewechselt.

RI: War das immer dieselbe Hauskirche oder verschiedene?

BF: Nein, zwei, drei verschiedene Plätze.

RI: Welche Religion genau haben diesen Hauskirchen angehört, welche Richtung?

BF (auf Deutsch): Protestanten.

RI: Den Mitglieder ist doch bewusst, dass solche Hauskirchen strengstens verboten sind und trotzdem wird dort gefilmt?

BF: Das war nicht so, dass XXXX und ich die Erlaubnis hatten zu filmen, sondern wir haben uns daraus einen Spaß gemacht. Wir waren selber sehr daran interessiert und haben hauptsächlich nur uns selbst aufgenommen.

RI: Nehmen wir an, die Behörden durchsuchen das Handy von ihr und finden ein Video von Ihnen, dann habe ich nur das Video von Ihnen, wo Sie darauf zu sehen sind, aber keinen Namen und keine Adresse, wie haben die Behörden Sie überhaupt gefunden?

BF: Sie haben XXXX unter Druck gesetzt und über sie haben sie mich gesucht.

RI: Vermuten Sie das oder hat das Ihnen erzählt?

BF: Das war das, was die Mutter von XXXX meiner Schwester erzählte.

RI: Wissen Sie etwas von XXXX jetzt noch, was mit ihr ist?

BF: Die Mutter von XXXXsagte dann, sie wollte mit uns nicht mehr in Verbindung sein, denn das verursache noch weitere Probleme und bis dahin hatte sie keine Ahnung, wo sich XXXX befindet.

RI: Erzählen Sie mir einmal, wie religiös waren Sie, bevor Sie mit Christentum in Verbindung gekommen sind. Wie haben Sie diese Religion gelebt?

BF: Ich bin als Muslimin-Schiitin geboren worden und hatte keine tiefere Informationen diesbezüglich und ich wusste nur oberflächlich über die Gesetze, die im Land herrschen, nämlich, dass man Schleier tragen muss und sich an die Sitten halten muss.

RI: Haben Sie eine Moschee besucht, regelmäßig?

BF: Nur, bei der Beerdigung meiner Mutter, als sie gestorben ist bin ich zur Beerdigungsfeierlichkeiten in die Moschee gegangen.

RI: Wenn ich das richtig verstehe, hat Ihnen die Religion bisher so wenig bedeutet, warum bedeutet Ihnen die Religion jetzt so viel?

BF: Nein, die Religion war nicht wichtig. Ich hatte; bis ich von meinem ersten Mann getrennt habe, keine Probleme damit gehabt. Mein erster Mann hat mich betrogen, daraufhin bin ich zu seinem Vater gegangen und habe mich darüber beschwert. Er ist ein Angestellter des iranischen Militärs und sagte: "Mein Sohn habe nichts falsch gemacht, denn er ist nach der Scharia befugt, bis zu vier Frauen zu haben" und ich soll froh sein, dass er meinen Unterhalt zahlt und mit mir verheiratet ist. Ich dachte, wenn, das so nicht geht, ich mein Recht über ein Gericht fordern kann und habe auch das dem Gericht gesagt und sagten mir oder weniger dasselbe, wie mein Schwiegervater. Hauptsächlich sagten sie mir aber, dass mir Entschädigungen zustehen, wegen der Schläge, die ich von ihm bekommen habe. Ich wollte nich viel, ich wollte nur mein Recht fordern und ich habe bewirkt, dass ich meine Scheidung bekommen habe, aber ich stand vor nichts und habe mein Leben wieder von Null begonnen. Ich hatte die Nase voll vom Islam und ich war in der Nacht sehr verzweifelt und traurig und meine engere Freundin XXXX versuchte mich immer wieder zu beruhigen und sagte mir nach und nach, erzählte sie mir über Gott, den Vater, über Jesus Christus, aber ich konnte das nicht wirklich glauben, aber mit der Zeit fühlte ich mich immer ruhiger. Jedesmal, wennn ich mit XXXX darüber gesprochen habe, es gab mir dabei eine besondere Energie. Mit der Zeit wurde mein Glauben an Jesus Christus stärker und eines Tages zeigte sie mir bei sich zu Hause, einen Film über Jesus Christus und ich sah, wie Jesus von den Soldaten und den Feinden gequält, gefoltert und getötet wurde und dennoch sagte: "Gott vergibt ihnen.", aber das Gegenteil ist im Islam der Fall, der Mohammad befahl immer, seine Feinde zu quälen und töten. Nach XXXX Erzählungen und diesem Film kann ich sagen, dass das mein Beweggrund war, warum ich an das Christentum glaube.

RI: Wann haben Sie das erste Mal eine Hauskirche besucht?

BF: Das war im Sommer 2016 (Sommer 1395).

RI: Wie ist das abgelaufen, wie sind Sie da reingekommen, das ist normaler Weise eine "eingeschworene Gemeinschaft"?

BF: Über XXXX, denn sie hatte Verbindungen zu dieser Kirche.

RI: Wissen Sie etwas von anderen Mitgliedern, die dort teilgenommen haben, ob die verhaftet wurden oder denen etwas passiert ist?

BF: Ich habe keine Information darüber.

RI: Haben Sie zu Hause irgendwelche religiöse Unterlagen gehabt, Bibel?

BF: Ja, ich hatte Bücher, ich hatte auch eine Bibel, bei mir zu Hause, auch die Unterlagen von dieser Hauskirche und auch die Filme, die wir gedreht haben, waren auf meinem Laptop.

RI: Diesen Laptop haben Sie zurückgelassen?

BF: Ja.

RI: Haben Sie auf Ihren Handy nicht auch Filme gehabt, die Sie mitgefilmt haben, Sie haben gesagt, Sie haben auch zum Spaß gefilmt?

BF: Nein, denn XXXX hat diese Aufnahme mit ihrem Handy gemacht, diese mir dann weitergeschickt und habe sie dann auf meinen Laptop übertragen.

RI: Wie ist es dann weitergegangen, als Sie in Österreich waren? Warum haben Sie sich gerade dieser evangelischen Kirche zugewandt? Wann haben Sie sich denen zugewandt? Wann haben Sie erste Gottesdienste besucht?

BF: Ich habe über XXXX diese evanglische Richtung kennengelernt, außerdem ist diese protestantische Richtung im Iran viel aktiver unterwegs als die Katholiken und versuchen immer wieder neue Mitglieder zu finden. Mein erster Gottesdienst muss im Jahr 2018 gewesen sein.

RI: Jetzt waren Sie schon ein halbes Jahr in Österreich und haben sich nicht für die Kirche interessiert?

BF: Nein, denn ich kannte hier die Wege nicht, ich konnte die Sprache nicht und selbst die Kirche, die ich hier besuchte, habe ich über eine Kollegin, die mit mir den Deutschkurs besucht, kennengelernt, aber davor habe ich wohl zu Hause gebetet.

RI: Was für Gebete haben Sie gebetet, kennen Sie Gebete?

BF: Ja, Vaterunser.

RI: Können Sie mir davon die ersten Zeilen sagen.

BF nennt die Bibelstelle (Matthäus 6, 9 - 13) und sagt das Vaterunser auf Farsi auf.

RI: Können Sie mir Ihren Taufspruch wiederholen?

BF: Ja, ich sagte aus dem Matthäus 5, Vers 3 - 10: Die wahre Glückseligkeit.

RI: Auf Ihren Taufschein steht der Taufspruch: Psalm 84.

BF: Nein, ich wurde dort gefragt, welche Geschichte es gibt, die ich gerne habe, und ich habe mir die Josefsgeschichte ausgesucht.

RI wiederholt die Frage, dass es um den im Taufschein vermerkten Taufspruch geht.

BF: Als ich dort befragt wurde, habe ich diesen Teil über Glückseligkeit gesagt und das ist sogar im Form einer Tafel wiederproiijziert worden.

RI: Sie haben sich für diese Josefsgeschichte interessiert, um was geht es da?

BF: Josef wird von seinen Brüdern in einen Brunnen geworfen. Er wird aus diesem Brunnen rausgezogen und wird einem römischen Befehlshaber namens Potifa (phonetisch) übergeben. Die Frau von ihm interessierte sich sehr für Josef und wollte mit ihm eine Beziehung haben, aber Josef war nicht daran interessiert, dennoch wird Josef dafür bestraft und wird ins Gefängnis geschickt. Zwei andere Personen, die auch am Hof arbeiteten, werden beschuldigt und kommen auch ins Gefängnis und träumen etwas und Josef deutet ihren Traum und genau das passiert auch. Eine von denen wird dann freigelassen und arbeitet wieder für den Kaiser und eines Tages hat der Kaiser einen Alptraum und niemand konnte seinen Traum deuten, bis dieser ehemaliger Mithäftling sich daran erinnert, dass Josef dazu in der Lage ist. Josef deutete seinen Traum und sagte: "Wir werden sieben Jahre genug zum Essen haben, aber es werden sieben Jahre Hunger und Not folgen." Der Kaiser glaubt ihm und informiert sich, was er tun soll, damit im Falle einer Dürre oder Hunger, er genügend Reserven hat, um über die Runden zu kommen. Er befehlt, dass Josef während dieser sieben Jahre Dürre, die Aufsicht über die Verteilung der Nahrungsmittel haben soll. Die Dürre kommt und erreicht dieses Gebiet, wo Jakob, wo der Vater von Josef und seine Brüder lebten und der Vater von Josef befiehlt den Brüder nach Ägypten zu gehen und Getreide zu kaufen. Josef erkennt seine Brüder, aber sie erkennen ihn nicht wieder. Er gibt ihnen das Getreide, aber er behält einen der Brüder namens Benjamin bei sich, denn Benjamin war nach Josef,

Jakobs Lieblingssohn und sagte: "Geht, aber bringt meinen Vater mir zurück." Jakob glaubt zuerst nicht daran, aber schließlich geht er mit und sie erkennen ihn wieder und ersuchen um Vergebung und er bringt seine gesamte Familie, die ungefähr 70 Personen umfasst nach Ägypten. Alle Geschichten in der Bibel sind schön, man kann nicht sagen, welche schöner ist.

RI: Wissen Sie, welcher für die evanglische Glaubensgemeinschaft, der nächste wichtige Feiertag ist?

BF: Ostern, der Freitag.

RI: Ich habe es so gemeint, ab heute der nächste Feiertag, der kommt?

BF: Am 25. Dezember ist - glaube ich - der wichtigste Feiertag.

RI: Sie sind jetzt Protestantin und Sie müssen wissen, welche der nächste wichtige Feiertag Ihrer Glaubengemeinschaft ist.

BF: Der wichtigste Feiertag bei Protestanten ist Karfreitag.

RI: Ich frage Sie den nächsten wichtigsten Feiertag in der evangelischen Kirche, den müssen Sie mir nennen können?

BF: Die Auferstehung Jesus.

RI: Das ist nicht der nächste. Im Oktober noch, wenn Sie evangelische Christin sein möchten, müssen Sie mir den sagen können. 31. Oktober, was könnte das sein?

BF: Ja, das war am 31. Oktober 1517, als Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht.

RI: Warum sagen Sie das nicht gleich?

BF: Ich bin gestresst.

RI: Wissen Sie, wie man diesen Tag nennt?

BF: Ja, übersetzt heißt das Reformationstag.

RI: Sagen Sie mir bitte, wie ist die evangelische Kirche entstanden, was ist der Unterschied zwischen der evanglischen und anderen christlichen Kirchen, wie z. B. der katholischen Kirche?

BF: Martin Luther wehrte sich über die Thesen dagegen, dass man sich von seinen Sünden durch Geld freikaufen kann. Er sagte, dass es nur die "heilige Schrift" gibt und jeder kann die Bibel für sich selber interpretieren und brauche dafür nicht den Papst. Die Katholiken erkennen die Maria als eine Heilige an, aber die Protestanten als eine Jungfrau. Die Katholiken glauben an das Fegefeuer, dass dieses existiert, aber die Protestanten nicht. Dass bei Katholiken manche nicht heiraten dürfen, aber bei Protestanten nicht.

RI: Wer darf bei den Katholiken nicht heiraten?

BF: Sowohl Priester und Nonnen dürfen bei den Katholiken nicht heiraten, Martin Luthers Frau war zuerst eine Nonne, hat ihn aber später geheiratet. In der katholischen Kirche existiert das "heilige Wasser", aber bei Protestanten nicht.

RI: Was ist das "heilige Wasser"?

BF: Ich war noch nicht in einer katholische Kirche, aber ich habe gehört, so etwas wie Weihwasser. (BF meint damit das Weihwasserbecken, wo man sich beim Eintritt in die katholische Kirche bekreuzigt). Die Heiligenstaturen, die sich in der katholischen Kirche befinden, sind bei den Protestanten nicht sichtbar.

RI: Sind Heiligenstaturen bei den Protestanen überhaupt sichtbar?

BF: Nein, sie glauben nur an Jesus, es gibt nur ein Wort und Gottes Wort und nur ein Buch, die "heilige Schrift". Die Katholiken haben sieben Sakramente und die Protestanten nur zwei.

RI: Lesen Sie auch privat zu Hause auch in der Bibel?

BF: Ja.

RI: Haben Sie sie mit?

BF: Ja.

RI schaut sich die farsisprachige Bibel an, es sind einige Textstellen farblich und mit einem Kugelschreiber unterstrichen bzw. markiert und die Bibel enthält auch handschriftliche Notizen.

RI: Können Sie mir sagen, wer Jesus verraten hat, als er damals gekreuzigt wurde?

BF: Judas für 30 Silbermünzen.

RI: Ist Jesus getauft worden?

BF: Ja, er ist von Johannes dem Täufer getauft worden.

RI: Ist Jesus alleine gekreuzigt worden?

BF: Nein, mit zwei anderen Diebe, eine rechts von ihm und der andere links von ihm gekreuzigt worden.

RI: Wer hat Jesus eigentlich verurteilt?

BF: Pontius Pilatus.

RI: Sagt Ihnen, nachdem Jesus auferstanden ist, eine Geschichte mit dem Apostel Thomas etwaas?

BF: Als Jesus Christus seinen Jüngern das erste Mal erschienen ist, war Thomas nicht dabei und Thomas sagte: "So lange ich nicht die Löcher auf seinen Handflächen selber sehe bzw. die Lanze, die er seitlich bekommen hat, um zu erfahren, ob er noch lebt oder schon tot ist, glaube ich nicht daran." Als Jesus dann wieder seinen

Jünger erschienen ist, sagte er zu Thomas: "Komm und schau dir das an" und Jesus fragte ihn: "War das notwendig, dass du das siehst, um das zu glauben? Geheiligt, sind diejenigen, die daran glauben, ohne den Beweis zu haben."

RI: Wie oft gehen Sie in die Kirche?

BF: Ich besuche jeden Gottesdienst dort, jede Woche, wir sind eine Gruppe von fünf bis sechs Frauen und unsere Gruppe heißt "Gebetskreis" und sitzen jeden Donnerstag gemeinsam und lesen aus der Bibel. Davor hatte Frau XXXX (Z2) einen Bibelkreis, wo alle Iraner daran teilgenommen und sie aus der Bibel gelesen haben. Das ist aber schon beendet, aber es ist vorgesehen, dass einige Sitzungen in der Zukunft noch stattfinden.

RI: Neben Sie - außer diesen religösen Veranstaltungen - noch anderen Festen der Kirche teil?

BF: Ja, soweit ich kann, nehme ich daran teil. Z. B. es finden Ausflüge statt. Z. B. vor meiner Taufe war ein gewisser Herr XXXX in meiner Kirche, der die Taufvorbereitungen erklärte und er wollte für die Kirchengemeinde iranisches Essen kochen und ich habe ihn dabei geholfen.

RI: Von wann bis wann haben Sie Taufunterricht gehabt?

BF: 30 Stunden insgesamt. Am Anfang waren es alle 14 Tage und später jede Woche. Ich kann mich wirklich nicht genau erinnern, dann am Anfang war das eine Woche und eine Woche hatten wir einen "Bibelkreis" und dann später war es jede Woche. Wenn Sie Frau XXXX (Z2) fragen, dann kann sie Ihnen alles sagen.

RI an BFV: Haben Sie noch Fragen an die BF?

BFV: Nein.

Die Verhandlung wird von 15:10 Uhr bis 15:20 Uhr unterbrochen.

RI: Es gibt ein Video auf "Facebook" von Ihnen, was wurde da aufgenommen, wo war das?

BF: In Wien ist das.

RI: Was ist die "XXXX"?

BF: Diese "XXXX" befindet sich in die Niederlande, aber sie haben auch Kirchen in Österreich und andere Ländern, mit denen sie zusammenarbeiten und die Taufe vollziehen. Ich habe über XXXX im Iran das erste Mal davon erfahren.

RI: Wann sind Sie das erste Mal zu dieser Versammlung gegangen?

BF: Als ich hergekommen bin, das erste Mal war im September 2017.

RI: Sie haben sich dort nicht taufen lassen?

BF: Das war mein Problem, ich bin überhaupt nicht in einer Kirche getauft worden, sondern es war so etwas wie ein Kindergarten, das war ein Kindergarten.

BFV: Das ist keine offiziell anerkannte Kirche. Die BF ist dort zwar einer Art "Taufe" unterzogen, aber richtig getauft wurde sie erste in der evangelischen Kirche. Diese "XXXX" ist in Wien und jetzt ist sie in Salzburg aufhältig, wo sie auch Mitglied der Pfarrgemeinde ist. Jetzt habe ich mit dieser "XXXX" nichts mehr zu tun, weil sie in SALZBURG auch keine Kirchengemeinde hat.

Die BF wird um 15:27 Uhr vom RI ersucht, den Verhandlungssaal zu verlassen. Der Z1, XXXX, der Ehemann der BF betritt um 15:27 Uhr den Verhandlungsaal.

Auf Grund der guten Deutschkenntnisse des Z1, wird die Zeugeneinvernahme in deutscher Sprache durchgeführt, bei Verständigungsprobleme wird die Hilfe der Dolmetscherin in Anspruch genommen.

Der Zeuge wird gemäß § 51 AVG iVm § 49 AVG iVm § 17 VwGVG belehrt

[...]

R an Z1: Sind sie muslimischen Glaubens?

Z1: Ich bin ohne Bekenntnis.

R an Z1: Ihre Frau hat mir gesagt, Sie sind mit Ihr über das Internet in Kontakt getreten, war Religion schon Thema gewesen?

Z1: Nein, wir haben zwar und zu darüber gesprochen, aber war nicht das Hauptthema unserer Gespräche.

R an Z1: Wie ist es Ihnen dann vorgekommen, wie Ihre Frau dann in Österreich war, hat sie sich für die Religion dann interessiert?

Z1: Als ich sie noch im Iran war, habe ich mir gedacht, dass es eher selten ist, dass Menschen dort konvertieren, da es ja verboten ist. Hier in Österreich habe ich dann gemerkt, dass sie sich für den Islam nicht interessiert hat.

R an Z1: Kommt es Ihnen selber vor, dass Sie mehr in der Bibel liest, dass Sie sehr religiös eingestellt ist?

Z1: Ja, schon.

R an Z1: Erzählt Sie Ihnen, was in der Kirche passiert ist?

Z1: Ich bin oft dabei.

R an Z1: Sie gehen mit, weil Ihre Frau dort ist, Sie würden sich nicht taufen lassen.

Z1: Ich habe Respekt vor anderen Religionen, wenn eine die andere nicht unterdrückt und auch die anderen Meinungen akzeptiert und nicht andere Religionen terrorisiert. Ich bin auch oft bei den außerkirchlichen Veranstaltungen der Pfarrgemeinde zugegen.

RI an BFV: Haben Sie noch Fragen an den Z1?

BFV: Nein.

RI: Hat irgendwie Ihre Frau versucht, Sie zu überzeugen sich taufen lassen oder reicht es einfach aus, wenn Sie einfach bei der Messe dabei sind?

Z1: Es reicht ihr, wenn ich sie immer zur Messe begleite.

Der Z1 verlässt um 15:38 Uhr den Verhandlungssaal.

Die Z2, XXXX, betritt um 15:38 Uhr den Verhandlungssaal.

Die Z2 wird gemäß § 51 AVG iVm § 49 AVG iVm § 17 VwGVG belehrt [...]

R an Z2: Erzählen Sie mir bitte, wie Sie die BF kennengelernt, wie sie mit der Kirche auf Sie gestoßen ist.

Z2: Die BF ist über einen Mitschüler der Volkshochschule, einen Iraner, zu unserer Pfarrgemeinde gekommen.

RI: Wann war das?

Z2: Das war im Februar 2018, ich kann das genaue Datum nicht sagen. Ich sehe sie jeden Sonntag im Gottesdienst dort und wir sitzen meistens nebeneinander.

RI: Wissen Sie, wann die BF den Taufunterricht begonnen hat?

Z2: Den habe ich selber gemacht, im April 2018 hat er begonnen, es waren dabei die BF und drei weitere Flüchtlinge.

RI: Sie sind die Taufpatin der BF geworden?

Z2: Der Taufunterricht hat sich hingezogen, zuerst 14-tägig, dann wöchentlich, damit die Beteiligten dann selbstständig Bibeltexte lesen, interpretieren und in ihrem Alltag aufnehmen können. Der Taufunterricht ging bis knapp vor der Taufe, Ende August. Es ist alles protokolliert bei der evangelischen Kirche in XXXX.

RI: Dann hat sie ungefähr fünfeinhalb Monate Unterricht gehabt, dauert das normal länger?

Z2: Die evangelische Kirche macht das schon genau. Es kann auch ein Jahr brauchen, 40 Stunden müssen es sein, auch die BF hat diese 40 Stunden absolviert.

RI: Wie kommt Ihnen die BF persönlich vor, glauben Sie, dass sie selbst interessiert ist an diesem Glauben?

Z2: Wenn nur die Hälfte der geborenen evangelischen Kirchenmitglieder so einen Glauben hätte, wäre in Österreich eine bessere Gesellschaft. Ich bin persönlich sehr davon überzeugt, dass die BF eine wirkliche evangelische Christin ist.

Ende der Befragung der Z2 um 15:53 Uhr.

RI an BF: Wenn Sie in den Iran zurückgehen müssten, würden Sie weiterhin Ihren Glauben ausüben wollen und auch andere Leute dort überzeugen wollen, sich dem Christentum zuzuwenden?

BF: Ja, sicherlich, denn genauso wie es in Matthäus 5, Vers 15 steht, "niemand zündet ein Licht an um dieses zu verbergen, sondern es soll wie eine Fackel leuchten."

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in den Iran zurückkehren müssten?

BF: Ich habe Angst um mein Leben, denn ich weiß, dass die Sicherheitsbeamten mehrmals da waren und nach mir suchten."

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 19.06.2017 und der Einvernahme vor dem BFA am 01.03.2018 sowie die Beschwerde vom 04.04.2018

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat der BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)

* Einvernahme der BF und von zwei Zeugen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 22.10.2018

* Einsicht in die von der BF vorgelegten Schriftstücke

* Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 03.07.2018

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person der BF:

3.1.1. Die BF führt den NamenXXXX, geboren am XXXX, ist Staatsangehörige des Iran und mit einem österreichischen Staatbürger verheiratet. Die Muttersprache der BF ist Farsi, sie spricht bereits auch Deutsch.

Die Eltern der BF sind bereits verstorben, im Iran sind noch eine Schwester, ihr Schwager und verschiedene Verwandte der Eltern aufhältig.

Die BF verließ am 06.05.2017 den Iran und reiste mittels eines Visums legal nach Österreich.

3.1.2. Die BF wurde als schiitische Muslimin im Iran geboren und kam bereits in ihrem Herkunftsstaat durch eine Freundin mit dem Christentum in Kontakt, indem diese ihr eine Bibel überließ und die BF in Hauskirchen mitnahm.

In der Folge interessierte sich die BF auch in Österreich für das Christentum und besuchte die evangelischen PfarrgemeindeXXXX und die XXXX. Sie ist vom Islam zum Christentum konvertiert, hat bei evangelischen Pfarrgemeine XXXX Taufunterreicht erhalten und wurde schließlich am 16.09.2018 getauft.

Die BF ist praktizierende Angehörige der evangelischen Glaubensgemeinschaft und aktiv am christlichen Leben der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX und der XXXX beteiligt. Sie besucht regelmäßig den Gottesdienst der Pfarrgemeinde XXXX und nimmt auch an sonstigen Aktivitäten in der Pfarrgemeinde teil.

Bei einer Rückkehr in den Iran würde die BF nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christin bleiben.

3.2. Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in den Iran auf Grund ihrer nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt.

Der BF steht als vom Islam zum Christentum Konvertierte keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

3.3. Es liegen keine Gründe vor, nach denen die BF von der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss der BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat der BF (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über den Iran vom 03.07.2018):

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 6.2018a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 9.2017). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer" (GIZ 3.2018a).

Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: 19.05.2017). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami/ Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar und April 2016 statt. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer [auch Oberster Rechtsgelehrter oder Revolutionsführer], seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 9.2017). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 2.3.2018).

Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein europäisches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. AA 6.2018a, FH 1.2018, BTI 2018).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln. Zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind

Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2018a).

Parteien nach westlichem Verständnis gibt es nicht, auch wenn zahlreiche Gruppierungen nach dem iranischen Verfahren als "Partei" registriert sind. Bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen werden keine Parteien, sondern Personen gewählt (AA 6.2018a, vgl. GIZ 3.2018a). Zahlreiche reformorientierte Gruppierungen wurden seit den Präsidentschaftswahlen 2009 verboten oder anderweitigen Repressionen ausgesetzt. Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA 6.2018a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 1.2018, vgl. AA 2.3.2018).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft: Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte in Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher noch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt war die Publikation der Bürgerrechtscharta im Dezember 2016. Die rechtlich nicht bindende Charta beschreibt in 120 Artikeln die Freiheiten, die ein iranischer Bürger haben sollte (ÖB Teheran 9.2017).

Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dass sich die USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurückziehen werde, stieß international auf Kritik. Zudem will Trump die in der Folge des Wiener Abkommens von Juli 2015 ausgesetzten Finanz- und Handelssanktionen wiedereinsetzen (Kurier 9.5.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (6.2018a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 20.6.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

-

BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

-

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 21.3.2018

-

Kurier (9.5.2018): Trump kündigt Iran-Abkommen: So reagiert die Weltgemeinschaft,

https://kurier.at/politik/ausland/trump-kuendigt-iran-abkommen-so-reagiert-die-weltgemeinschaft/400033003, Zugriff 25.6.2018

-

GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a):

Geschichte und Staat Iran,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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