TE Bvwg Beschluss 2018/10/29 W210 2159925-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.2018
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Entscheidungsdatum

29.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W210 2159925-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Herbert POCHIESER, Schottenfeldgasse 2-4/23, 1070 Wien, auf Wiederaufnahme 1. des mit Erkenntnis vom 02.01.2018 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu W210 2159925-1/21E und 2. des mit Erkenntnis vom 10.08.2018 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu W210 2159925-1/40E:

A)

I. Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 02.01.2018 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu W210 2159925-1/21E wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 10.08.2018 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu W210 2159925-1/40E wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Wiederaufnahmewerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in die Republik Österreich ein und stellte am 10.01.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde nach Konsultationen mit Bulgarien zugelassen und der Beschwerdeführer am 10.05.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Pashtu niederschriftlich einvernommen und hinsichtlich seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren belehrt. Dem Wiederaufnahmewerber wurde die Einvernahme rückübersetzt, er erhob keine Einwände und gab an, den Dolmetscher sehr gut verstanden zu haben.

2. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Antrag des Wiederaufnahmewerbers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Wiederaufnahmewerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Wiederaufnahmewerbers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

3. Mit Verfahrensanordnung vom 16.05.2017 wurde dem Wiederaufnahmewerber der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Der Wiederaufnahmewerber erhob, unterstützt von seinem Rechtsberater, rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Am 28.06.2017 wurde am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der Wiederaufnahmewerber sowie ein Vertreter des VMÖ teilnahmen und der Wiederaufnahmewerber im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Pashto von der erkennenden Richterin zu seinem Antrag und seiner Beschwerde einvernommen wurde. Dem Wiederaufnahmewerber wurde in dieser Verhandlung erneut eine Belehrung über seine Mitwirkungspflicht erteilt. Neben Empfehlungsschreiben legte der Wiederaufnahmewerber auch mehrere Fotos zum Vorbringen hinsichtlich der Ermordung seines Bruders vor. Er habe diese Fotos von seinem Vater über Facebook übermittelt bekommen und bereits bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Graz vorgelegt. Die Fotos seien jedoch damals nicht zum Akt genommen worden. Der Vertreter gab an, dass auch ihm diese Fotos neu seien und ersuchte um Gewährung einer Frist zur Stellungnahme.

6. Zur Stellungnahme hinsichtlich der Vorlage der Fotos aufgefordert, gab der zuständige Referent des BFA, Regionaldirektion Steiermark an, dass er sich an die Einvernahme des Wiederaufnahmewerbers am 10.05.2017 erinnern könne, dieser habe Dokumente vorgelegt, aber keine Fotos.

7. Am 12.07.2017 langte eine schriftliche Stellungnahme des Rechtsberaters des Wiederaufnahmewerbers ein, wonach der Wiederaufnahmewerber im Zuge seiner Rechtsberatung in der Außenstelle Leoben am 26.05.2017 glaublich zwei oder drei Fotoaufnahmen vorgelegt habe, auf welchen eine Operation zu sehen war. Der zuständige Mitarbeiter habe den Wiederaufnahmewerber zur Eignung als Beweismittel beraten, dieser habe danach von der Vorlage abgesehen.

8. Am 13.12.2017 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht eine Aktualisierung der Länderberichte zur Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Wiederaufnahmewerbers zur Stellungnahme. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

9. Mit Erkenntnis vom 02.01.2018 wurde die Beschwerde vollinhaltlich als unbegründet abgewiesen.

10. Am 26.01.2018 nahm der nunmehrige Vertreter des Wiederaufnahmewerbers Akteneinsicht.

11. In weiterer Folge brachte der Wiederaufnahmewerber am 16.02.2018 eine Beschwerde gegen die Entscheidung vom 02.01.2018 beim Verfassungsgerichtshof ein, dieser wurde mit Beschluss vom 14.03.2018 zu E 547/2018-5 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

12. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.06.2018 zu E 547/2018-17 wurde die Behandlung der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) abgelehnt, im Übrigen die Entscheidung (Spruchpunkt II., III. und IV.) wegen Eingriffs in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander behoben.

13. Nach Aktenrückmittlung durch den Verfassungsgerichtshof wurde der Wiederaufnahmewerber zu einer mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 geladen.

14. Mit Eingabe vom 02.07.2018, mit ERV übermittelt am 06.07.2018, teilte der Vertreter des Wiederaufnahmewerbers mit, dass er noch keinen Kontakt mit seinem Mandanten habe herstellen können. In weiterer Folge wurden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Grundversorgungssystem eingeholt und am 10.07.2018 telefonischer Kontakt mit dem Rechtsanwalt des Wiederaufnahmewerbers aufgenommen. Dieser teilte mit, dass die Vollmacht nach wie vor aufrecht sei und er sich bemühe bis zur mündlichen Verhandlung, den Aufenthaltsort zu klären. Zudem wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit der Dublin-Unit der belangten Behörde Kontakt aufgenommen, um zu klären, ob der Wiederaufnahmewerber sich in einem anderen Staat aufhält und dort einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat. Dies war jedoch nicht der Fall.

15. An der mündlichen Verhandlung am 12.07.2018 nahm der gewillkürte Vertreter des Wiederaufnahmewerbers teil sowie die geladene Dolmetscherin, der Wiederaufnahmewerber selbst erschien nicht. Der bisherige Akteninhalt wurde verlesen, auf die wortwörtliche Verlesung wurde dabei verzichtet. Der Vertreter gab in dieser an, zuletzt vor Einbringung der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof am 16.02.2018 Kontakt mit dem Wiederaufnahmewerber gehabt zu haben, er gehe davon aus, dass der Wiederaufnahmewerber untergetaucht sei. Es gebe eine Mutmaßung, wonach sich der Wiederaufnahmewerber in Frankreich aufhalten könnte, diese Spur habe sich über eine Kontaktperson ergeben. Der Vertreter beantragte die Einstellung des Verfahrens sowie die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum psychischen Gesundheitszustand des Wiederaufnahmewerbers, um seinen Schutzbedarf hinsichtlich subsidiären Schutzes abklären zu können. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden neue Länderberichte in das Verfahren eingebracht und dazu eine Stellungnahmefrist von 10 Tagen gewährt. Zudem wurde eine Stellungnahmemöglichkeit dazu gegeben, dass der Wiederaufnahmewerber sich seit Februar 2018 nicht mehr in Österreich aufhielt und weder dem Bundesverwaltungsgericht (§ 15 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005) noch dem Verfassungsgerichtshof und selbst seinem eigenen Vertreter seinen Aufenthaltsort nicht mitgeteilt hatte.

16. Mit Eingabe vom 23.07.2018 brachte der Vertreter des Wiederaufnahmewerber eine Stellungnahme ein, und führte zu den Mitwirkungspflichten gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 aus, dass diese den Umgang mit dem eigenen Rechtsvertreter nicht betreffen würden, daher bedürfe es keiner weiteren Stellungnahme. Aufgrund der Tatsache, dass die Entscheidung vom 02.01.2018 vom Verwaltungsgericht willkürlich getroffen worden sei, habe der Wiederaufnahmewerber "verschwinden müssen". Die Bezeichnung der Sicherheitslage in Kunar als sicher fände keine Deckung in den Länderfeststellungen, ebenso würde die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul aufgrund der schlechten Sicherheitslage Willkür darstellen, zumal Kabul nunmehr "als genauso gefährlich oder sogar noch gefährlicher als in Kunar" beschrieben würde. Weiters wurde auf das "Stahlmann Gutachten" und "eine bisher unberücksichtigte Neu-Evaluierung des UNHCR März 2018" verwiesen, nach beiden Quellen würde keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Rückkehr von arbeitsfähigen jungen Afghanen ohne besonderen Schutzbedarf sei veraltet, es müsse und dürfe ihr nicht gefolgt werden. Es bestehe aufgrund der schlechten Sicherheitslage in Kabul und der noch schlechteren Sicherheitslage in Kabul keine innerstaatliche Fluchtalternative. Die Rückführung sei unzumutbar, es sei dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zu erteilen.

17. Mit Erkenntnis vom 10.08.2018, W210 2159925-1/40E, wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II., III. und IV. als unbegründet abgewiesen, wobei zu Spruchpunkt II. festgehalten wurde, dass dem Wiederaufnahmewerber eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung steht. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde beiden Verfahrensparteien mit Wirksamkeit vom 13.08.2018 zugestellt.

18. Der Wiederaufnahmewerber wandte sich gegen das Erkenntnis vom 10.08.2018 an den Verfassungsgerichtshof, die Eingabe wurde zu E 3797/2018 protokolliert, sowie an den Verwaltungsgerichtshof, diese Eingabe wurde zu Ra 2014/14/0146 protokolliert.

19. Mit Eingabe vom 17.09.2018 stellte der Wiederaufnahmewerber, vertreten durch seinen gewillkürten Vertreter, den im Spruch genannten, auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.08.2018 abgeschlossenen Verfahrens. Unter einem wurde mit näherer Begründung der Antrag gestellt, dem Wiederaufnahmeantrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Auch erfolgte der "Hinweis", dass der belangten Behörde Gelegenheit zu geben sei, nach § 68 Abs. 3 AVG vorzugehen.

Zur Begründung seines Antrages brachte der Wiederaufnahmewerber vor, es seien nach Abschluss des Verfahrens neue Tatsachen bzw. Beweismittel hervorgekommen, welche im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptteil des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Konkret wurde ausgeführt, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes sei damit begründet worden, dass Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative darstelle. Aufgrund der Annahme, es liege eine innerstaatliche Fluchtalternative, nämlich in Kabul vor, sei dem Wiederaufnahmewerber sowohl die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten verweigert worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe seine Entscheidung auf Länderberichte der Staatendokumentation gestützt.

Nunmehr sei der Wiederaufnahmewerber in den Besitz der "Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan" des UNHCR vom 30.08.2018 (im Folgenden: UNHCR-Richtlinien) gelangt, aus denen sich ergebe, dass Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme.

Aufgrund der bereits zum Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in Kabul, aber erst in den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 festgestellten realen Gefahr einer Verletzung der Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK hätte das Bundesverwaltungsgericht dem Wiederaufnahmewerber den Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Aus den neuen UNHCR-Richtlinien gehe eindeutig hervor, dass Kabul keine innerstaatliche Fluchtalternative darstelle. Die UNHCR-Richtlinien, von denen der Wiederaufnahmewerber im Verfahren ohne Verschulden nicht Gebrauch machen habe können, wären geeignet gewesen, in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens eine stattgebende Entscheidung herbeizuführen.

Zur Rechtzeitigkeit wurde ausgeführt, dass der Wiederaufnahmewerber die Informationen zu den UNHCR-Richtlinien am 03.09.2018 durch ein E-Mail der Asylkoordination Österreich vom 03.09.2018 mit einem Link zu diesen Richtlinien erhalten habe, sodass die zweiwöchige Wiederaufnahmefrist gewahrt sei.

Abschließend wurde beantragt, die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.08.2018, W210 2159925-1/40E, abgeschlossenen Verfahrens zu bewilligen und dem Antragsteller den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 zuzuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 zuzuerkennen, in eventu auszusprechen, dass ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005, nach § 56 AsylG 2005 oder nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen ist, sowie festzustellen, dass seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet unzulässig ist.

20. Mit Aufforderung vom 11.10.2018 erging ein Mängelbehebungsauftrag zur Präzisierung des Hauptantrags (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 39), da das Erkenntnis vom 10.08.2018 zu W210 2159925-1/40E keinen Abspruch hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten enthält.

21. Mit Eingabe vom 19.10.2018 präzisierte der Wiederaufnahmewerber seinen Antrag dahingehend, dass sich der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.01.2018 zur GZ W210 2159925-1/21E beziehen würde und der Antrag unter Punkt 5.1. des Wiederaufnahmeantrages dahingehend korrigiert werde, dass die Wiederaufnahme des Asylverfahrens bewilligt werden möge und die Entscheidung vom 02.01.2018 zur GZ W210 2159925-1/21E behoben werden möge und der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Asylgesetz 2005 zuerkannt werde. Die Anträge gemäß Punkt 5.2. a bis e und 3. würden sich weiterhin auf das Erkenntnis vom 10.08.2018 zur GZ W210 2159925-1/40E beziehen. Es werde deshalb beantragt, dieses Erkenntnis aufzuheben und dem Wiederaufnahmewerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Asylgesetz zuzuerkennen, in eventu einen Aufenthaltstitel gemäß § 54 ff Asylgesetz zu erteilen und festzustellen, dass seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet unzulässig ist.

Weiters wird ausgeführt, dass die Abweisung des Asylantrages vor dem Hintergrund der unzutreffenden Annahme erfolgt sei, dass dem Beschwerdeführer in seiner Heimatprovinz keine Verletzung der Artikel 2 und 3 EMRK drohe. Da laut dem neuen UNHCR-Dokument eine IFA/IRA auch in Kabul ausgeschlossen werde, sei auch der Asylantrag bzw. auch die Glaubwürdigkeit des Asylvorbringens vor dem aktuellen Hintergrund, dass weder in der Heimatprovinz, noch in der Stadt Kabul eine Verletzung der Artikel 2 und 3 EMRK mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werde können, neu zu prüfen. Das Ausmaß der Gewalt in seiner Heimatprovinz, aber auch in Kabul, welches von dem neuen UNHCR-Dokument ausführlich dokumentiert werde, ließe auch das Asylvorbringen wahrscheinlicher und damit auch glaubwürdiger erscheinen, sodass auch darüber erneut abzusprechen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Rechtzeitigkeit des Antrags:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall mangels einer anderslautenden Bestimmung in den Materiengesetzen durch Einzelrichter.

Die in § 32 Abs. 2 VwGVG festgesetzte Frist, einen Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt einbringen zu müssen, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, ist im vorliegenden Fall gewahrt. Der Wiederaufnahmewerber erlangte am 03.09.2018 Kenntnis von den UNHCR-Richtlinien und vorliegender Antrag wurde am 17.09.2018 eingebracht. Der Antrag erweist sich somit als rechtzeitig.

2. Zu A) zur Abweisung des Wiederaufnahmeantrages:

Der Antrag ist aber nicht begründet:

2.1. Anzuwendende Rechtslage:

§ 32 VwGVG lautet wie folgt:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

..."

2.2. Zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung:

Im vorliegenden Fall wird die Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG begehrt und damit begründet, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen wären, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden hätten werden können und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten:

Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass die das seinerzeitige Verfahren abschließende Entscheidung mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar, also formell rechtskräftig ist. Die Zulässigkeit und auch die Erhebung von Rechtsmitteln bei den Höchstgerichten hindern, selbst wenn der Beschwerde oder der Revision aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (VwGH 16.09.1980, 1079/79; 23.02.2012, 2010/07/0067; 28.02.2012, 2012/05/0026). Entscheidungen eines Verwaltungsgerichtes werden mit ihrer Erlassung rechtskräftig. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.08.2018 wurde mit seiner Zustellung per 13.08.2018 rechtskräftig (vgl. VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0018; 19.01.2016, Ra 2015/01/0070; 24.05.2016, Ra 2016/03/0050; 31.01.2017, Ra 2017/03/0001). Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.01.2018 wurde infolge der Ablehnung der Beschwerdebehandlung zur Abweisung des Antrags auf Gewährung des Status eines Asylberechtigten durch den Verfassungsgerichtshof mit seiner Zustellung am 05.01.2018 rechtskräftig.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (RV 2009 BlgNR 24. GP) wurde festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen aufgrund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können (vgl. in diesem Sinne etwa VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136).

Nach ständiger - auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbarer - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen d.h. Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, d.h. Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.04.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.

Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens").

Neu entstandene Tatsachen, also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhalts die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl. dazu VwGH 19.02.1992, 90/12/0224 ua; 25.10.1994, 93/08/0123; 25.11.1994, 94/19/0145; 18.12.1996, 95/20/0672; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 17.02.2006, 2006/18/0031).

2.3. Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten und der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.01.2018 zur GZ W210 2159925-1/21E:

Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.01.2018 zu W210 2159925-1 wurden unter anderem die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten abgewiesen. Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers gründeten auf den folgenden Überlegungen:

"2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen Fluchtgründen:

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357). Die erkennende Richterin konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung am 28.06.2017 einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer gewinnen.

Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen:

....

Die Feststellung, dass weder die Volksgruppenzugehörigkeit noch die Glaubensrichtung des Beschwerdeführers ihm in Afghanistan Probleme bereitete, fußt auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (BVwG-Akt, OZ 7, Seite 10).

Die Negativfeststellung hinsichtlich des Fluchtvorbringens gründet vor allem darauf, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens widersprüchliche Angaben machte, diese aber selbst auf Nachfrage der erkennenden Richterin nicht aufklären konnte. So gab der Beschwerdeführer an, sich geweigert zu haben, von seinem Cousin XXXX für die Taliban rekrutieren zu lassen, da er nicht am Krieg beteiligt sein wollte. Daher sei ihm nichts anderes übrig geblieben als zu fliehen. Zudem sei sein älterer Bruder von seinem Cousin getötet worden (BFA-Akt, AS 151; BVwG-Akt, OZ 7, Seite 5). Dazu legte der Beschwerdeführer auch mehrere Fotos vor, welche laut seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung seinen Bruder sowie dessen Operation nach dem Anschlag auf ihn durch die Taliban zeigen. Das erste vorgelegte Foto (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./2) zeigt dabei das Bild eines jungen Mannes, der sich die Finger an die Stirn hält. Auf einem weiteren Foto (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./3) ist eine männliche Person zu sehen, welche in ein weißes Tuch mit Blütenblättern bestreut eingewickelt ist. Laut dem Beschwerdeführer handle es sich dabei um seinen Bruder auf dem Totenbett (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./3). Für die Behauptung, dass es sich bei der auf den Fotos abgebildeten Person tatsächlich um seinen Bruder handelt, blieb der Beschwerdeführer jedoch jeglichen Beweis schuldig und konnte diese Behauptung auch durch weitere vorgelegte Fotos (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./4 bis ./7) nicht untermauert werden.

Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, sich den Taliban anzuschließen und an ihrer Seite zu kämpfen. Sein Cousin habe ihm angeboten, dass ihm der Beschwerdeführer 25.000 Afghani pro Monat bezahle, damit er jemand anderen für diese Arbeit engagieren könne. Als ihm der Beschwerdeführer erklärt habe, dass er auf der Straße Kaugummis und Schokolade verkaufen würde und nicht so viel Geld verdienen würde, sagte sein Cousin, dass sie ihm seinen querschnittgelähmten Bruder übergeben sollen, damit dieser ein Selbstmordattentat verübt. Dies hätten jedoch sein Vater und der Beschwerdeführer abgelehnt. Schließlich habe ihm sein Vater gesagt, dass er von dort weggehen müsse, weil die Familie ansonsten nicht mehr zur Ruhe kommen würde (BVwG-Akt, OZ 7, Seite 5-6). Einen Beweis für die laut den Aussagen des Beschwerdeführers mehrfachen Rekrutierungsversuche seines Cousins XXXX blieb der Beschwerdeführer ebenso schuldig wie für die Angabe, er werde von diesem deshalb bedroht. Auch gibt der Beschwerdeführer selbst an, dass er bereits als Kind rekrutiert hätte werden sollen (BVwG-Akt, OZ 7, Seite 9), der Vater hätte das aber niemals zugelassen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Rekrutierungsversuche unter diesen Umständen über Jahre angedauert haben sollen, ohne dass die konsequente Weigerung des Beschwerdeführers und der Mangel der Zustimmung durch den Vater zu einer Reaktion des Cousins führte, behauptete der Beschwerdeführer doch von diesem, dass er besonders ruchlos vorgehen würde. Aus diesen Gründen konnte das Vorbringen hinsichtlich der angeblichen Zwangsrekrutierung nicht dem vorliegenden Erkenntnis zugrunde gelegt werden.

Wann der Mord an seinem älteren Bruder passiert sei, wisse der Beschwerdeführer ebenfalls nicht mehr (BFA-Akt, AS 152). Sein Bruder habe eine Messerverletzung am Hals und mehrere Schussverletzungen am Bein sowie am linken Oberarm gehabt. Der Vorfall habe sich in XXXX in der Provinz XXXX ereignet. Als der Beschwerdeführer dort hingekommen sei, habe er seinen Bruder verletzt vorgefunden. Er habe seine Hände festgehalten und ihm gesagt, dass er ihn nicht loslassen soll. Dem Beschwerdeführer sei es dabei so schlecht gegangen, dass er bewusstlos und ins Krankenhaus gebracht wurde. Als er von dort zurückkam, sei sein Bruder bereits verstorben gewesen (BVwG-Akt, OZ 7, Seite 6). Diese Abläufe in Bezug auf die Ermordung des eigenen Bruders sind jedoch für die erkennende Richterin nicht nachvollziehbar und damit auch nicht glaubwürdig. Der Beschwerdeführer gab nämlich an anderer Stelle an, dass auf seinen Bruder zuerst eingestochen und danach geschossen wurde. Erst rund 20 Minuten später habe der Beschwerdeführer seinem Bruder das Messer aus dem Hals gezogen. Auch habe der Beschwerdeführer trotz der schwerwiegenden Verletzungen noch mit seinem Bruder gesprochen (BFA-Akt, AS 152). Diese Angaben des Beschwerdeführers erscheinen insofern auch unglaubwürdig, als es bei derart schwerwiegenden Verletzungen, die ein im Halsbereich steckendes Messer zwangsläufig hervorrufen muss, unmöglich erscheint, dass der Betroffene nach dieser Zeit noch ansprechbar ist.

Ein für die erkennende Richterin nicht aufzulösender Widerspruch in den Angaben des Beschwerdeführers liegt zudem darin, dass der Beschwerdeführer zunächst behauptete, sein Bruder sei in ein Krankenhaus gebracht worden und dort verstorben (BFA-Akt, AS 152), während er in der mündlichen Verhandlung angab, sein Bruder sei aufgrund seiner schweren Verletzungen auf der Straße in XXXX gestorben. Auch dazu legte der Beschwerdeführer mehrere Fotos vor, auf denen jeweils eine Person auf einem Operationstisch liegend zu sehen ist. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, es handle sich dabei um seinen Bruder XXXX im Krankenhaus. Sein Vater habe ihm diese Fotos zukommen lassen und würden die Operation seines schwer verletzten Bruders zeigen (BVwG-Akt, OZ 12, Beilagen ./4 bis ./7). Selbst auf Nachfrage konnte der Beschwerdeführer die Unterschiede in den Fotos und in den von ihm geschilderten Abläufen der Ereignisse nicht erklären und behauptete sodann, bewusstlos geworden zu sein, als er seinen Bruder in diesem Zustand vorfand. Deshalb wisse er auch nicht, ob sein Bruder von einem Krankenwagen in ein Krankenhaus transportiert wurde oder nicht (BVwG-Akt, OZ 7, Seite 6). Auch dies vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr schildert der Beschwerdeführer die Umstände um das angebliche Attentat und seinen Bruder in wichtigen Details inkohärent und nicht nachvollziehbar. Die erkennende Richterin verkennt nicht, dass es sich bei einem derartigen Vorfall um ein schockierendes Erlebnis handelt, jedoch erscheint es nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer einerseits behauptet, er habe seinen Bruder gehalten, während er auf der Straße liegend gestorben sei, und andererseits behauptet, er sei in Ohnmacht gefallen, andere Leute hätten den Bruder ins Krankenhaus gebracht und dort sei er verstorben. Die vorgelegten Fotos können diese Widersprüche auch nicht aufklären, zeigen sie doch unterschiedliche Operationen bzw. Situationen. Während etwa der Mundschutz des an der Operation beteiligten Personals auf einem Foto weiß ist (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./6), zeigt ein anderes vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgelegtes Foto (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./7) Personen mit grünem Mundschutz. Auch ist aufgrund der Einrichtung des Operationssaales, wo beispielsweise auf einem Foto (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./5) über dem Verletzten eine Lampe mit weißen Halterungen zu sehen ist, während diese auf einem anderen Foto (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./6) grüne Halterungen aufweist, bei näherer Betrachtung davon auszugehen, dass es sich hierbei um unterschiedliche Situationen handelt. Zudem ist das Gesicht der verletzten Person(en) auf den vorgelegten Fotos nicht erkennbar, weshalb schon der Nachweis, dass es sich bei der operierten bzw. verwundeten Person auf den Fotos (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./6 und Beilage ./7) um ein und dieselbe Person handelt, nicht gelingen kann. Des Weiteren bleiben die Fotos im Operationssaal (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./4 bis ./7) auch den Nachweis schuldig, ob es sich bei dem/den Verwundeten um die Person handelt, welche auf den übrigen Fotos abgebildet ist (BVwG-Akt, OZ 12, Beilage ./2 und ./3). Schließlich kam auch hervor, dass, nachdem der Beschwerdeführer die Fotos erst vor dem erkennende Gericht vorgelegt hat und dazu angab, dass die belangte Behörde deren Annahme verweigert hätte, das weitere Verfahren vielmehr ergab, dass diese Fotos der belangten Behörde nicht angeboten wurden und auch die Vertretung des Beschwerdeführers in der Verhandlung diese Fotos nicht kannte. Aus all dem ergibt sich für die erkennende Richterin der Versuch, Beweise für ein Vorbringen zu konstruieren, was aber aufgrund der zuvor angegebenen Widersprüche im Vorbringen einerseits und der mangels belegbarem Konnex der einzelnen Fotos zum Beschwerdeführer und seinem Vorbringen nicht gelungen ist.

Aus all diesen Gründen konnte das Vorbringen hinsichtlich des Bruders nicht dem vorliegenden Erkenntnis zugrunde gelegt werden.

Der Beschwerdeführer gab zudem im Verfahren konsistent an, er könne sich nicht mehr daran erinnern, wie viele Tage er nach der Ermordung seines Bruders noch in Afghanistan verbracht habe (BVwG-Akt, OZ 7, Seite 8; BFA-Akt, AS 154). Auch dieses Vorbringen vermag nicht zu überzeugen und widerspricht nach Ansicht der erkennenden Richterin den allgemeinen Lebenserfahrungen. Wäre ein derartiger Vorfall wie der zuvor geschilderte auch nur annähernd eingetreten, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keinerlei Angaben dazu machen kann, wie lange er nach dieser schwerwiegenden und für jedermann - insbesondere für den eigenen Bruder - mit Sicherheit traumatisierenden Tat noch in seinem Heimatland verbracht habe.

Das vom Beschwerdeführer präsentierte Fluchtvorbringen ist somit einerseits widersprüchlich, werden doch mehrere Szenarien behauptet, und andererseits sind seine Darlegungen mit der allgemeinen Lebenserfahrung sowie mit den Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren und erscheinen - etwa im Hinblick auf die Ermordung seines Bruders - sogar unmöglich. Aus all diesen Gründen konnten diese Vorbringen nicht als glaubwürdig gewertet und dem gegenständlichen Verfahren nicht als festgestellt zugrunde gelegt werden."

Daraus ist klar ersichtlich, dass Grund für die Abweisung des Antrags auf Gewährung des Status eines Asylberechtigten das unglaubwürdige Vorbringen, somit die mangelnde Glaubhaftmachung der behaupteten Verfolgung (vgl. BVwG, W210 2159925-1/21E unter III.3.2.1 zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides) ist.

Stützt sich die Abweisung der Beschwerde wie im vorliegenden Fall tragend auf eine fehlende Glaubhaftmachung der behaupteten Verfolgung, ist eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht maßgeblich (vgl. etwa VwGH 29.06.2018, Ra 2018/18/0138; 24.01.2017, Ra 2016/01/0338).

Schon aus diesem Grund ist zu gewärtigen, dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht erfüllt sind, insbesondere da eine innerstaatliche Fluchtalternative im Hinblick auf eine mögliche Gewährung des Status eines Asylberechtigten im Erkenntnis vom 02.01.2018 zu W210 2159925-1 gar nicht zu prüfen war (vgl. VwGH 29.06.2018, Ra 2018/18/0138; 24.01.2017, Ra 2016/01/0338). Die vom Beschwerdeführer nun behauptete Neuerung, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative schon damals nicht vorgelegen habe und dies erst durch neue Berichte evident geworden sei, kann schon vor diesem Hintergrund nicht zu einem im Hauptinhalt des Spruchs anders lautenden Erkenntnis führen, weshalb der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens spruchgemäß abzuweisen ist. Aus denselben Gründen bleibt auch für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens kein Raum.

2.4. Zum Eventualantrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.08.2018 zur GZ W210 2159925-1/40E:

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.08.2018 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund neuer Tatsachen bzw. Beweismittel iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wiederaufzunehmen.

2.4.1. Dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.08.2018 wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018 sowie das EASO-Sicherheitsupdate vom Mai 2018 zu Afghanistan zugrunde gelegt und diese einer Abwägung mit den vom damaligen Beschwerdeführervertreter eingebrachten Berichten, einem näher bezeichneten, vor einem deutschen Verwaltungsgericht erstatteten Gutachten und einer UNHCR-Präsentation vom 12.03.2018, unterzogen.

Wenn nun der Wiederaufnahmewerber in seinem Wiederaufnahmeantrag zusammengefasst vorbringt, aus den aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 ergebe sich, dass die Stadt Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme, was eine anderslautende, den Anträgen des Wiederaufnahmewerbers stattgebende Entscheidung herbeigeführt hätte, so ist diesem Vorbringen aus den folgenden Erwägungen entgegenzutreten:

Dem Wiederaufnahmewerber ist zunächst insoweit Recht zu geben, als er vorbringt, dass die Tatsachen (z.B. über die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan und die bestehenden Risikoprofile), auf denen die am 30.08.2018 herausgegebenen UNHCR-Richtlinien basieren, bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bestanden haben. Dies ergibt sich daraus, dass die Richtlinien - sofern nicht anders angegeben - auf den dem UNHCR am 31.05.2018 bekannten Informationen beruhen (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 5, Fußnote 2).

In den Richtlinien vom 30.08.2018 äußert UNHCR angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul die Auffassung, dass eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt im Allgemeinen nicht zur Verfügung stehe (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 114: "UNHCR considers that given the current security, human rights and humanitarian situation in Kabul, an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) is generally not available in the city.").

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken (vgl. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; zur "Indizwirkung" vgl. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, mwN). Diese Rechtsprechung geht auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zurück, in der dieser erkannte, dass Empfehlungen internationaler Organisationen zweifelsohne Gewicht zukommt, wenn es um die Beurteilung der allgemeinen Verhältnisse vor Ort geht. Sie ersparen jedoch nicht eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt (vgl. VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453).

Unbeschadet dessen verkennt der Wiederaufnahmewerber jedoch, dass die Richtlinien des UNHCR im gegebenen Zusammenhang weder "neue Tatsachen" noch ein "neues Beweismittel" iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstellen.

Im Wiederaufnahmeantrag wird diesbezüglich unter Bezugnahme auf Hengstschläger/Leeb, (Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 583) und eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.01.1989, 88/03/0188) argumentiert, dass neue Gutachten einen Wiederaufnahmegrund begründen, wenn Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung bestanden hätten, später festgestellt würden bzw. erst hervorkommen würden. Die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 würden sich auf die Informationslage 2017/2018 beziehen. Inhalt seien daher Tatsachen, die zum Entscheidungszeitpunkt bereits bestanden hätten, aber erst nach der Entscheidung festgestellt worden seien.

Im Kommentar von Hengstschläger/Leeb (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69, Stand 01.04.2009, Rz 33) wird diesbezüglich ausgeführt, dass Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides eingeholt wurden, nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden sind und damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein können (VwGH 10.05.1996, 94/02/0449; 21.04.1999, 99/03/0097; 02.07.2007, 2006/12/0043). Nur wenn ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, erst nach Rechtskraft des Bescheides "feststellt" oder wenn ihm solche Daten erst später zur Kenntnis kommen, können diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen (VwGH 18.01.1989, 88/03/0188; 04.08.2004, 2002/08/0074; 25.07.2007, 2006/11/0147). Einen Wiederaufnahmegrund können aber nur neue Befundergebnisse bzw. neue konkrete sachverständige Tatsachenfeststellungen in einem Gutachten bilden und nicht auch ein Irrtum des Sachverständigen (VwGH 07.09.2005, 2003/08/0093; 16.10.2007, 2004/18/0376), d.h. geänderte sachverständige Schlussfolgerungen aus eben den festgestellten Tatsachen.

Zwar handelt es sich bei den UNHCR-Richtlinien nicht im engeren Sinn um ein Sachverständigengutachten iSd AVG, sondern um eine Hilfestellung für Entscheidungsträger bei der Beurteilung des internationalen Schutzbedarfs von Asylwerbern. Dennoch sind Rechtsprechung und Lehre zum Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nach Ansicht des erkennenden Gerichtes zumindest insoweit auf den vorliegenden Fall übertragbar, als die hier in Rede stehende Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in der Stadt Kabul eben keine "neue (sachverständige) Tatsachenfeststellung", sondern vielmehr eine geänderte Schlussfolgerung des UNHCR auf Basis der bereits zum Entscheidungszeitpunkt bestandenen und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.08.2018 zugrunde gelegten Tatsachen (insbesondere betreffend die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul) darstellt und insoweit als (unverbindliche) Empfehlung oder als eine Art "Rechtsgutachten" angesehen werden kann.

Die geänderte Schlussfolgerung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 vermag auch deshalb weder "neue Tatsachen" noch ein "neues Beweismittel" zu begründen, weil die Beurteilung der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Verweisung auf eine innerstaatliche Fluchtalternative rechtlicher Natur ist, mag diese auch anhand konkreter einzelfallbezogener Sachverhaltsfeststellungen erfolgen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgestellt hat, unterscheidet § 11 AsylG 2005 nach seinem klaren Wortlaut zwei getrennte und selbständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Demgemäß verbietet sich die Annahme, der Schutz eines Asylwerbers sei innerstaatlich zumindest in einem Teilgebiet gewährleistet, jedenfalls dann, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art. 3 MRK widersprechen. Zum anderen setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist daher von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die Art. 3 MRK widersprechen (oder auf Grund derer andere Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllt wären), wäre eine innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthaltes in diesem Gebiet zu verneinen (vgl. etwa VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154).

Dass es sich sowohl bei der Frage, ob im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, als auch bei der Frage der Zumutbarkeit einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative jeweils um eine rechtliche Beurteilung handelt, welche freilich in den Feststellungen Deckung finden muss, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt (vgl. etwa VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 21.03.2018, Ra 2017/18/0372; 02.08.2018, Ra 2017/19/0229).

Die von Seiten des UNHCR geäußerte Auffassung, wonach angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt im Allgemeinen nicht zur Verfügung stehe, stellt daher streng genommen eine - dem BFA und letztlich dem Bundesverwaltungsgericht - obliegende rechtliche Beurteilung dar, der im Einzelfall mit näherer Begründung auf Basis konkreter Feststellungen gefolgt oder auch nicht gefolgt werden könnte.

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit aus den dargelegten Erwägungen der Ansicht, dass die vom Wiederaufnahmewerber ins Treffen geführte - in den Richtlinien vom 30.08.2018 enthaltene - Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in der Stadt Kabul keinen Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstellt.

Im Übrigen besteht die Möglichkeit, Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, in denen eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul im Lichte der zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Länderinformationen und der persönlichen Umstände des Asylwerbers in rechtlicher Hinsicht als möglich und zumutbar erachtet wird, im Wege außerordentlicher Rechtsmittel zu bekämpfen. Von dieser Möglichkeit hat der Antragsteller auch Gebrauch gemacht (Pkt. I.13 und 14.), wobei das Erkenntis vom 10.08.2018 von einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat ausgeht.

2.4.2. Festzuhalten ist weiters, dass die Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul - unbeschadet der Frage des Bestehens eines Wiederaufnahmegrundes - weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätte:

Betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.04.2018 nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage und der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Wenn nun die Beschwerde einerseits und insbesondere die Stellungnahme vom 23.07.2018 vermeint, der Beschwerdeführer könne wegen der Sicherheitslage nicht nach Kunar zurück und es stehe ihm auch keine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offen, da die Lage in Kabul sogar schlechter sei als in Kunar, so ist dazu folgendes auszuführen:

Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers - Kunar - wird tatsächlich als volatil bezeichnet, eine besondere, persönliche Gefährdung der Einzelperson des Beschwerdeführers über die allgemeine Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz Kunar hinaus wurde im Verfahren nicht dargetan. Auch ist der Herkunftsort im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zudem (von Kabul aus) auf dem Straßennetz infrastrukturell problemlos erreichbar. Es handelt sich dabei im Übrigen um denselben Weg, auf dem der Beschwerdeführer seine Heimatprovinz in Afghanistan verlassen haben will, Probleme dabei hat er weder im Verfahren vor dem BFA noch vor dem erkennenden Gericht vorgebracht.

In der Heimatprovinz Kunar werden den Feststellungen zufolge aber regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um die Provinz von Aufständischen zu befreien, zudem ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass vermehrt es zu zivilen Opfern aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung gekommen ist, die Opferzahl infolge von Bodenoffensiven zurückgegangen ist. So gab es im gesamten Jahr 2017 in Kunar insgesamt 224 zivile Opfer (70 getötete Zivilisten und 154 Verletzte) bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 465.706 Einwohnern (vgl. Feststellungen zu Kunar, Pkt. 1.3.3.1.), die Zahl der zivilen Opfer entspricht somit in etwa 0,04% der Provinzbevölkerung.

Die Sicherheitslage in Kunar wird in den Berichten als volatil bezeichnet. Angesichts dieser Ausführungen wird die Heimatprovinz des Beschwerdeführers nicht zu den ‚sicheren' Provinzen Afghanistans gezählt und ist dem Beschwerdeführer eine Rückführung in seine Heimatprovinz allenfalls erschwert oder sogar verunmöglicht, eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK ist den Berichten nach zu gewärtigen (vgl. dazu VfGH 12.06.2018, E 547/2018).

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung aber dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus § 8 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 2005.

§ 11 AsylG 2005 unterscheidet nach seinem klaren Wortlaut zwei getrennte und selbständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Zum anderen setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann.

Die Zumutbarkeit des Aufenthaltes ist daher von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001-5). Dabei ist wiederum eine Einzelfallprüfung durchzuführen, denn ein Antragsteller kann nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 13.09.2013, U 370/2012; 12.03.2013, U 1674/12; 12.06.2013, U 2087/2012).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat als innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung steht. Dies aus den folgenden Erwägungen:

Der mittlerweile 22-jährige Beschwerdeführer hat sein gesamtes Leben bis zur seiner Ausreise in Afghanistan im Familienverband verbracht, er hat seine Sozialisierung innerhalb des afghanischen Kulturkreises erfahren, weshalb er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes bestens vertraut ist. Er spricht seinen eigenen Angaben nach Paschtu und kann trotz des mangelnden Schulbesuchs auch Paschtu lesen und schreiben. Er steht auch in Kontakt mit seiner Familie.

Er hat die Möglichkeit, in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat an seine frühere Erwerbstätigkeit als Straßenhändler anzuknüpfen oder in einem verwandten Berufsfeld tätig zu sein. Letztlich ist der Beschwerdeführer auch in der Lage, sich allenfalls durch Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundlage zu sichern. Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Zudem ergibt sich aus den Länderberichten, dass es Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer, vor allem in Kabul, gibt.

Zur Sicherheitslage in Mazar-e Sharif, das in der Provinz Balkh liegt, ist festzuhalten, dass es sich bei der Provinz Balkh um eine der stabilsten und sichersten in Afghanistan handelt. Mazar-e Sharif selbst ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, bedarf aber weiterer infrastruktureller Investitionen. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Erreichbarkeit auf dem Straßenwege ist eingeschränkt, jedenfalls in den Wintermonaten, jedoch gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Feststellungen unter 1.3.3.3. und 1.3.4.).

Auch Herat zählt den Länderberichten nach zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans, es handelt sich um eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. (vgl. Feststellungen unter 1.3.3.4. und 1.3.4.).

Kabul-Stadt und Kabul-Provinz zusammen haben ungefähr 4.679.648 Einwohner, die Stadt alleine hat, wie der Stellungnahme vom 23.07.2018 zu entnehmen ist, knapp 4.000.000 davon. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der gesamten Provinz 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert, in Kabul-Stadt im selben Zeitraum insgesamt 1.612 zivile Opfer (vgl. Feststellungen zu Kabul 1.3.3.2.). Bezogen auf die jeweilige Bevölkerungszahl stellen die zivilen Opfer 0,039% der Bevölkerung (Provinz) bzw. 0,04% (Stadt; gerechnet mit 4 Millionen) bzw. 0,041% (Stadt; gerechnet mit 3,9 Millionen) dar. Betreffend die allgemeine Sicherheitslage in Kabul wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen internationalen Flughafens gut erreichbare Stadt. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Jedoch begründet allein der Umstand, dass an diesen Orten ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, bei der derzeitigen Gefahrenlage für den Beschwerdeführer noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 E

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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