Entscheidungsdatum
29.10.2018Norm
BFA-VG §22aSpruch
W154 2013482-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX,
StA.: Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2014, Zahl: IFA 1028770503 Verf.Zl. 140089660, sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß Art. 28 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) und § 76 FPG iVm. § 22a BFA-VG idgF stattgegeben und der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft von 21.10.2014 bis 11.11.2014 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
III. Gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, hat der Bund der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von Euro 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2014 wurde über den Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.
1.2. Mit ho. Erkenntnis vom 03.12.2014 wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß Art. 28 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) und § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A) I.) und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm. Art. 28 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) und § 76 Abs. 2a Z 1 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt A) II.). Dem Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wurde stattgegeben (Spruchpunkt A) III.) und der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz abgewiesen (Spruchpunkt A) IV.) sowie dem Beschwerdeführer der Ersatz der Barauslagen für den Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung dem Grunde nach auferlegt (Spruchpunkt A) V.). Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchteil B).
1.3. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30.06.2015, E 1629/2014-14, wurde das o.a. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.12.2014 in Bezug auf Spruchpunkt
A) I. wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung
aufgehoben. Ebenso wurden die damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Spruchpunkte A) III., A) IV. und A) V. aufgehoben. Zu Spruchpunkt A) II. wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden ist, weil die Feststellung, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, nicht binnen einer Woche erging. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch Spruchpunkt A) II. weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Insoweit wurde die Beschwerde abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Die Beschwerde gegen Spruchteil B wurde zurückgewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, wurde am 14.08.2014 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und stellte in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz. Zuvor hatte der Beschwerdeführer bereits in Bulgarien um Asyl angesucht.
Die Zustimmung zur Übernahme gemäß Art. 18 (1) (b) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 durch die bulgarischen Dublinbehörde erfolgte am 3.09.2014.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18.09.2014, IFA-Zahl: 1028770503 - Verfahrenszahl 14884065, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages wurde gemäß Artikel 18/1/b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates Bulgarien für zuständig erklärt. Weiters wurde gemäß § 61 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, BGbl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und unter einem festgestellt, dass gemäß § 61 Absatz 2 FPG dessen Abschiebung nach Bulgarien zulässig ist.
Mit Bescheid des BFA vom 04.09.2014, IFA 830516806 - Verfahren 14938173, wurde über den Beschwerdeführer gemäß Art. 28 der Verordnung (EU) 604/2013 in Verbindung mit § 76 Absatz 2a Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Mit dem am 29.10.2014 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz des Beschwerdeführers wurde gegen den Schubhaftbescheid und die (andauernde) Anhaltung in Schubhaft Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 06.11.2014 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß Art. 28 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) und § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A) I.) und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm. Art. 28 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) und § 76 Abs. 2a Z 1 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt A) II.). Dem Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wurde stattgegeben (Spruchpunkt A) III.) und der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz abgewiesen (Spruchpunkt A) IV.) sowie dem Beschwerdeführer der Ersatz der Barauslagen für den Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung dem Grunde nach auferlegt (Spruchpunkt A) V.). Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchteil B).
Der Beschwerdeführer befand sich vom 21.10.2014 bis 11.11.2014 in Schubhaft.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30.06.2015, E 1629/2014-14, wurde das o.a. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.12.2014 in Bezug auf Spruchpunkt
A) I. wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung
aufgehoben. Ebenso wurden die damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Spruchpunkte A) III., A) IV. und A) V. aufgehoben. Zu Spruchpunkt A) II. wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden ist, weil die Feststellung, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, nicht binnen einer Woche erging. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch Spruchpunkt A) II. weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Insoweit wurde die Beschwerde abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Die Beschwerde gegen Spruchteil B wurde zurückgewiesen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.11.2015, Ro 2015/21/0036-3, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt A) II.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Aufgrund der Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung erweist sich die über den Beschwerdeführer angeordnete Schubhaft als gesetzwidrig.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahrensgang (Pkt. I) und den Feststellungen (Pkt. II.1) angeführten Dokumenten sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Dauer der Schubhaft und der Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet ergeben aus den vorliegenden IFA-Ausdrucken sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.2. Zu Spruchteil A)
Zu Spruchpunkt I. und II.)
Bezugnehmend auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30.06.2015, E 1629/2014-14, erweist sich die Schubhaft wegen der Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (nämlich der mit Erkenntnis vom 12.03.2015, G 151/2014 u.a., aufgehobenen Abs. 1 und 2 des § 22a BFA-VG) als gesetzwidrig.
Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann das Bundesamt über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn (Z 1) gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde, (Z 2) gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde; (Z 3) gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder (Z 4) auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19.02.2015, Ro 2014/21/0075-5 ausgeführt, dass die Bestimmungen der Z 2 und der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für sich betrachtet keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr iSd Dublin III-VO enthalten. Vielmehr knüpfe der dort jeweils als Grund für die Anordnung von Schubhaft genannte Umstand im gegebenen Zusammenhang nur an die Führung eines Verfahrens nach der Dublin III-VO an, was für sich genommen deren Art. 28 Abs. 1 widersprechen würde. Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur vor allem zum Tatbestand der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat reiche daher nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall ist, kommt Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung dieses Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.
Es war daher in der Sache spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt III.)
Da der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wurden, ist gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.
In der Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer beantragt, ihm Kostenersatz im Umfang von § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung als Ersatz des Schriftsatzaufwandes zuzuerkennen.
Da im gegenständlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte, war der von der belangten Behörde als unterlegene Partei zu leistende Aufwandersatz auf den Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers in Höhe von 737,60 Euro zu beschränken.
3.3. Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung beruht zudem auf den im Verfahrensgang angeführten höchstgerichtlichen Erkenntnissen. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ersatzentscheidung, Kostenersatz, Rechtsgrundlage, Rechtswidrigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W154.2013482.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.01.2019