TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/31 W241 2181195-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W241 2181195-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2017, Zahl 1100306004-152057460, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.05.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 23.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 23.12.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus der Provinz Bamyan (Afghanistan), sei schiitischer Hazara und ledig. Seine Eltern, zwei Schwestern und drei Brüder würden noch im Heimatdorf leben. Vor ca. eineinhalb Monaten habe er Afghanistan verlassen und sei über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gereist.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass von ihm, als er beim Militär gewesen wäre, Bilder veröffentlicht worden wären und er danach Probleme mit den Taliban bekommen hätte. Er sei, als er von der Akademie nach Hause gegangen wäre, von den Taliban aufgehalten und drei Tage festgehalten worden. Sie hätten wollen, dass er als Selbstmordattentäter mit einem Sprengstoffgürtel irgendwohin gehe, ansonsten hätten sie ihn töten wollen. Er hätte jedoch fliehen können. Dies hätte sich ca. eine Woche vor seiner Ausreise ereignet.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 13.09.2017 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, legte der BF Folgendes vor:

-

Militärausweis (Original)

-

Bankomatkarte (Original)

-

ÖSD Zertifikat A1

-

diverse Teilnahmebestätigungen

-

Foto vom BF in Militäruniform (Original)

Anschließend machte der BF Angaben zu seinen Lebensverhältnissen in Afghanistan und gab betreffend sein Fluchtvorbringen Folgendes an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"F: Wovon lebten Sie zuletzt in Afghanistan? Sind Sie in Afghanistan einer Arbeit nachgegangen?

A: Ich lebte von meinem Vater, ich war 1 Jahr in der Militärakademie ich habe zu der Zeit nur mein Taschengeld bekommen.

F: Wann sind Sie zum Militär gegangen oder wann haben Sie sich dort beworben?

A: Anfang 2014, ich war da 16 Jahre alt.

F: Wie lange dauert diese Ausbildung?

A: Ca. 7 Jahre [vermutlich ein Schreibfehler, gemeint wohl 7 Monate].

V: Also waren Sie länger in Ausbildung als diese eigentlich ist!

A: ich habe die Ferien nicht dazugezählt, deshalb hat es ein Jahr gedauert.

F: Waren Sie nun ausgelernt oder nicht?

A: Nach einem Jahr habe ich abbrechen müssen, zu den Problemen komme ich dann.

F: Was hatten Sie zu der Zeit für einen Dienstgrad?

A: Ich war in der Ausbildung, um Offizier zu werden.

F: Wo war diese Akademie?

A: In Kabul XXXX, XXXX hieß diese Akademie.

F: Wieso haben Sie bereits eine Bankomatkarte erhalten?

A: Ich habe 1.000,-- Afghani im Monat bekommen, das wurde mir dorthin überwiesen.

F: Können Sie eine Art Bestätigung vorlegen?

A: Das, was ich vorgelegt habe, meinen Ausweis und meine Bankomatkarte habe ich.

[...]

F: Verfügen Sie über Vermögen?

A: Ein kleines Grundstück hat mein Vater.

[...]

F: Wo genau leben Ihre Eltern in Afghanistan?

A: Sie leben in Bamyan an der bereits angegebenen Adresse.

[...]

F: Lebten Sie auch dort?

A: Ja, an derselben Adresse

F: Von wann bis wann genau?

A: Von Geburt bis zur Ausreise, außer als ich in der Ausbildung war.

F: Haben Sie Geschwister, wenn ja wo und wovon leben diese?

A: Ja, ich habe 3 Brüder und 2 Schwestern, sie leben alle in Afghanistan, sie leben von meinem Vater.

F: Haben Sie noch weitere Angehörige im Herkunftsstaat?

A: Ja, ich habe noch Tanten und Onkel, eine Tante mütterlicherseits lebt in Kabul, sonst leben alle in Bamyan.

F: Haben Sie regelmäßigen Kontakt zu diesen Angehörigen, sprich Ihren Eltern und Ihren Geschwistern, in Afghanistan?

A: Derzeit nicht, weil sie kein Internet haben.

F: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt?

A: Als ich noch in Afghanistan war und als ich ausgereist bin, die Nummer, was ich hatte auf dem Handy, wo es gespeichert war, habe ich im Meer verloren.

F: Wie geht es Ihrer Familie in Afghanistan?

A: Ich weiß es nicht, ich schaue aber, dass ich Kontakt herstellen kann.

F: Wie viel haben Sie für die Reise bezahlt? Woher hatten Sie das Geld für die Reise?

A: Ich bezahlte $ 2 000,--, ich hatte das Geld von meinem Cousin er hat es mir geborgt.

F: Wo und mit welchem Reisedokument reisten Sie aus Ihrem Herkunftsstaat aus?

A: Ich reiste aus Afghanistan illegal aus und wurde nicht kontrolliert.

F: Warum haben Sie nun einen Asylantrag gestellt? Was ist geschehen, dass Sie sich zu Ausreise entschlossen? Schildern Sie alle Vorfälle dazu genau und detailliert!

A: Als ich mit dem ersten Jahr der Ausbildung fertig wurde, wollte ich nach Hause nach Bamyan und da bin ich auf dem Weg inXXXX von den Taliban aufgegriffen worden. Sie haben mich 3 Tage festgehalten, mich misshandelt, mich auch bei meiner Nase getreten, ich hatte einen Nasenbeinbruch. Ich konnte nach 3 Tage durch das Fenster fliehen, ich konnte mich hinter einem LKW verstecken und in 2 Tagen nach Kabul flüchten. Als ich in Kabul war, habe ich alles meinem Cousin erzählt und dass ich nicht mehr dort leben kann. Ich hatte finanzielle Probleme, er half mir dabei und brachte mich dann nach Griechenland. Dort hatte ich Angst, dass sie mich noch einmal finden, deshalb bin ich ausgereist.

F: Warum wollten Sie nach Hause?

A: Ich wollte meine Eltern sehen, ich hatte zu der Zeit frei.

F: Wie sind Sie nach Hause gefahren?

A: Mit einem Kleintransporter, die führen einen nach Bamyan.

F: Wie viele Leute waren in dem Auto?

A: 14 Personen.

F: Wie weit ist XXXX von Kabul entfernt und wie weit Bamyan?

A: Ungefähr einen halbe Stunden Autofahrt, XXXX von Bamyan, das weiß ich nicht, wie lange es entfernt ist.

V: Erzählen Sie Ihr Vorbringen genauer, da es nicht detailliert und nachvollziehbar ist!

A: Als wir inXXXX waren, waren 3 Personen, die das Auto gestoppt haben, einer davon ist direkt zu mir gekommen und hat gesagt, dass ich aussteigen muss. Normalerweise ist es so, dass die Leute davor schon informiert werden, wer wo in welchem Auto sitzt und sie haben mich runtergeholt. 14 Personen waren wir im Auto, sie haben nur mich geholt. Als sie mich dann in ein Haus gezerrt haben, sagten sie zu mir, ich soll mich in die Luft sprengen oder sie werden mich umbringen. Wie ich sagte, wurde ich oft geschlagen, wie man an meiner Nase sieht. Ich war 3 Tage in einem Haus eingesperrt, ich konnte nach 3 Tagen fliehen. Die 3 Personen, die mich mitgenommen haben, waren Taliban und waren bewaffnet.

F: Woher wissen Sie, dass dies Taliban waren?

A: Weil in XXXX meistens die Taliban sind, wie sie geredet haben und angezogen und vermummt waren sie.

F: Wie waren Sie angezogen?

A: Traditionell afghanische Kleidung.

V: Sie werden nochmals auf aufgefordert Ihr Vorbringen detailliert zu schildern!

A: In dem Haus, wo ich eingesperrt war, es sah aus wie eine Ruine, in dem Zimmer, wo ich eingesperrt war, gab es auch Fenster und sie haben das Fenster von außen versperrt. Ich konnte es nach 3 Tagen öffnen. Als ich geflüchtet bin, gab es dort sehr viele Bäume und daneben war auch eine Hauptstraße, wo viele Autos gefahren sind, und ich konnte mich in einem LKW verstecken.

V: Wie ist dies möglich, dass diese Leute so unvorsichtig sind und sie einfach flüchten können?

A: Sie haben mir gesagt, dass die Taliban gegen die afghanische Regierung sind, sie haben gesagt, dass ich mich in die Luft sprengen soll oder sie werden mich umbringen. Sie haben das Zimmer versperrt gehabt, aber ich konnte durch das Fenster fliehen.

F: Warum erst nach 3 Tagen?

A: Ich bin immer wieder in den 3 Tagen geschlagen worden, aber vorher konnte ich nicht.

F: Wann war das?

A: Ich kann mich nicht genau erinnern, aber 4. oder 5. November.

F: Wann sind Sie ausgereist?

A: Ich glaube am 10. November.

F: Sind Sie mit Ihrer Uniform nach Hause gefahren?

A: Nein aber ich hatte eine Glatze, das ist ein Zeichen, dass man bei der afghanischen Regierung ist.

F: Warum sollten die Taliban gerade an ihnen Interesse gehabt haben? Sie waren weder fertig mit Ihrer Ausbildung oder hatten einen höheren Rang!

A: Ich hätte ja ein Offizier werden können, diese Ausbildung kostete Geld, wir sind ja die Zukunft von Afghanistan, sie sehen ja auf uns.

F: Was hat Sie bewogen, zum Militär zugehen?

A: Als ich in der Schule war, bekommt man Formulare, und man kann sich bewerben, dass man die 10. Klasse mit der Militärakademie beginnen kann. Es hat mich dann sehr interessiert und es war mein Wunsch.

F: Wurde an der Akademie selbst auch über solche Vorfälle mit den Taliban darüber berichtet?

A: In der Akademie waren auch verschiedene Volksgruppen, man vermutet auch, dass die Kinder von den Regierungsgegnern auch dort in Ausbildung sind. Ich glaube, dass sie mein Foto den Taliban geschickt haben.

F: Was für ein Foto? Das haben Sie bis jetzt nicht erwähnt, wie kommen sie darauf und was meinen Sie damit?

A: Ich glaube, dass durch Facebook mein Foto veröffentlicht wurde. Von meinem Cousin, der auch eine Ausbildung gehabt hat, haben Sie auch Fotos.

F: Ist das der Cousin, der ihnen geholfen hat, aus dem Land zu fliehen?

A: Nein, der, der mir geholfen hat, ist von väterlicher Seite. Der Cousin von mir, der mir das Geld gab, lebt in Australien.

F: Wie hat er Ihnen das Geld gegeben?

A: Als ich wieder nach Kabul ging, ging ich zu meiner Tante und der Cousin von mir hat Kontakt mit mir hergestellt, und ich habe ihm alles erzählt und dass ich nicht mehr hier leben kann. Er hat gesagt, dass ich jemanden finden soll, der mir das Geld überweisen kann.

F: Haben Sie sich das Geld geholt?

A: Ja, von XXXX, das ist im Westen von Kabul, von einem Geschäft mit allen Währungen.

F: Was war in diesen 3 Tagen? Wie oft wurden Sie von diesen Leuten besucht? Haben Sie dort essen bekommen?

A: Ich bekam nur einmal am Tag ein trockenes Brot und Wasser, die anderen haben alle Paschtu gesprochen, ein Vermummter, der immer zu mir kam, sprach auch Dari. Er sagte immer wieder, dass sie die afghanische Regierung nicht wollen und ich dagegen kämpfen soll.

F: Gab es jemanden, der Sie bewacht hat?

A: Ich habe es nicht gesehen, ich war in dem Zimmer, als ich dann geflüchtet bin, gab es viele Apfelbäume.

F: Haben Sie vom Fenster aus gehört, dass oft Autos vorbei gefahren sind?

A: Ich habe nichts gesehen und gehört, nur als ich rauskam, habe ich die Bäume gesehen und danach eine Hauptstraße, ich wollte so schnell wie möglich weg.

F: War zu der Zeit niemand dort?

A: Nein, immer, wenn sie zu mir gekommen sind, waren sie eben dort, und sonst weiß ich es nicht. Als ich geflüchtet bin, war niemand dort.

F: Wie sah es dort drinnen aus?

A: Es war kaputte Sesseln darin, und es war auch sehr viel Mist in dem Zimmer.

V: Fragewiederholung.

A: Es gab gar nichts darin, man musste immer warten, dass jemand kommt und ich aufs WC gehen konnte.

F: Wo konnten Sie gehen?

A: Uriniert habe ich Zimmer direkt, aber für die Große Seite wurde ich nach draußen begleitet und ich machte es unter den Bäumen, als der Mann kam, habe ich gesagt, dass ich aufs WC muss, und er ging mit mir nach draußen.

F: Wurden Sie davor bedroht oder wurden Sie erst dann von den Taliban aufgehalten?

A: Nein.

[...]

F: Wurden Sie in Afghanistan jemals aus religiösen Gründen persönlich verfolgt oder bedroht?

A: In dem Ort, wo ich wohnte, gab es nur Hazara, und in Kabul gab es keine Probleme.

[...]

F: Wenn Sie die geschilderten Probleme nicht hätten, könnten Sie dann in Ihrem Herkunftsstaat leben?

A: Ja, natürlich. Wer will schon ein Flüchtling sein und ohne Familie zu leben."

1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 29.11.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Seine Fluchtgeschichte habe der BF aufgrund der vagen Schilderung und angesichts mehrerer unplausibler Aussagen nicht glaubhaft machen können.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die Begründung des Antrages keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) finde.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan nicht drohe. Dem BF sei eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Bamyan zumutbar, da diese eine der sichersten Provinzen Afghanistans sei. Darüber hinaus komme eine Innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul infrage. Es sei dem BF zumutbar, dort selbstständig durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus eigenen Kräften für die Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse aufzukommen.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde den BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 12.12.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

In der Beschwerdebegründung wurden das Fluchtvorbringen im Wesentlichen wiederholt, weitwendige Ausführungen zu den Länderfeststellungen und zur Lage in Afghanistan gemacht sowie Auszüge aus diversen Berichten angeführt.

1.6. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 29.12.2017 beim BVwG ein.

1.8. Das BVwG führte am 03.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF im Beisein einer gewillkürten Vertreterin persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Dabei legte der BF diverse Teilnahmebestätigungen, zwei Empfehlungsschreiben sowie einen Spielerpass des ÖFB vor.

Daraufhin gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"RI [Richter]: Geben Sie bitte Aufenthaltsorte Ihrer näheren Angehörigen bekannt!

BF: Alle leben in Bamyan, in Afghanistan.

R: Können Sie sagen, wer aller in Bamyan wohnt?

BF: Meine Eltern, zwei Schwestern, drei Brüder, Großeltern mütterlicherseits. Die Großeltern väterlicherseits sind verstorben.

R: Sind Onkel und Tanten auch noch dort?

BF: Ein Onkel väterlicherseits lebt schon lange im Iran. Ein Onkel mütterlicherseits lebt auch im Iran. Eine Tante mütterlicherseits hat damals noch in Kabul gelebt, wo sie heute ist, weiß ich nicht. Eine Tante väterlicherseits habe ich nicht, und ich habe auch Cousins in Australien.

R: Die Geschwister sind größtenteils noch minderjährig bzw. wer ist erwachsen?

BF: Eine Schwester ist älter als ich und eine jünger. Die drei Brüder sind alle jünger.

R: Die Schwestern sind noch unverheiratet?

BF: Ich weiß es nicht, ob sie mittlerweile verheiratet sind. Ich bin jetzt zwei Jahre und 5 Monate hier und weiß es nicht.

R: Die Tante in Kabul war die verheiratet?

BF: Ja, sie war verheiratet.

R: Haben Sie gewusst, wo diese wohnt?

BF: Früher wusste ich es.

R: Haben Sie den Kontakt verloren oder wissen Sie es?

Bf: Ich habe mit ihr keinen Kontakt mehr.

R: Gibt es zu Ihren Eltern aktuell Kontakt?

BF: Nein, seitdem ich dort weg bin, habe ich keinen Kontakt.

R: Haben die Eltern kein Telefon oder Festnetzanschluss?

BF: Am Anfang hatte ich ihre Nummer. Als ich dann nach Griechenland kam, habe ich das Heft mit den Nummern verloren. Der Schleuser hat dann meine Tasche mit dem Handy ins Wasser geworfen.

R: Sie konnten also keinen Kontakt aufnehmen, weil Sie kein Handy hatten bzw. es verloren haben?

BF: Ja, richtig.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich habe in Afghanistan 9 Klassen besucht. Soll ich die Namen der Schulen aufzählen?

R: Nein, aber was haben Sie danach gemacht?

BF: In Afghanistan bekommt man keinen richtigen Job, wenn man die Schule abschließt.

R: Was haben Sie nach der Schule gemacht?

BF: Nachdem ich die 9. Klasse absolviert habe, habe ich eine Militärausbildung genossen.

R: Wo war die?

BF: In Kabul, in XXXX.

R: Sie haben also ein Jahr lang in Kabul gelebt in der Kaserne?

BF: Ja ungefähr.

R: Waren Sie da durchgehend in Kabul oder sind Sie nachhause gefahren?

BF: Ich hatte nur im Winter drei Monate Ferien und da war ich zuhause und sonst in Kabul.

R: Wann sind Sie in die Akademie eingetreten?

BF: Im ersten Monat 1394 (= April 2015).

R: Wie lange waren Sie durchgehend dort?

BF: Ich war 8, 9 Monate dort und die drei Monate im Winter bin ich nachhause.

R: Dann waren Sie circa bis Jahresende 2015 dort?

BF: Ja, ich weiß es nicht mehr, ob es stimmt oder nicht. Das war das afghanische Neujahr und das ist immer im März. Und am 21. März 2015 habe ich begonnen und war 8, 9 Monate dort. Nach der Prüfung war das, das war im Neujahr.

R: Nach den 8, 9 Monaten waren Sie drei Monate zuhause auf Urlaub?

BF: Ja.

R: Dann sind Sie wieder auf die Akademie?

BF: Nein, nachdem mir die Sachen passiert sind, bin ich nicht zurück.

R: Sie hätten dann Urlaub gehabt und sind dann ausgereist?

BF: Auf dem Weg nachhause in XXXX war dann der Vorfall.

R: Wissen Sie, wann dieser Vorfall ungefähr war?

BF: Ich glaube, es ist im November 2015 gewesen.

R: Können Sie das im afghanischen Kalender nicht angeben?

BF: Ich weiß die afghanischen Monate nicht.

R: Warum?

BF: Ich habe alles vergessen. Ich kann das sagen, aber nicht rechnen.

R: Wenn Sie zum Jahresbeginn eingetreten sind und 8, 9 Monate dabei ware, kann man das im afghanischen Kalender nachvollziehen?

BF: Das kann ich nicht sagen. Wir waren nur in der Ausbildungsstätte und ich kann mich nicht mehr erinnern.

RI: Wie stellte sich Ihre finanzielle Situation bzw. die Ihrer Familie dar?

BF: Uns geht's in Bamyan gut. Wir hatten Grundstücke, Haus und Landwirtschaft.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein, politisch nicht, aber ich hatte eine militärische Ausbildung.

R: Was haben Sie da so gelernt bzw. wie hat sich die Ausbildung dargestellt?

BF: Wir hatten eine theoretische Ausbildung und hatten auch eine praktische Ausbildung. Sonst habe ich in der Schule gelernt.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI (auf Deutsch): Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF (auf Deutsch): Kann ich aber nicht alles verstehen.

[...]

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und gebrochen, aber verständlich auf Deutsch beantwortet hat.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF (auf Deutsch): Ja, am 01. Februar habe ich mein Schulabschluss begonnen und es wird 1 Jahr dauern.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein, darf ich nicht.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Ja, ich bin ja in meinem Fußballteam Mitglied und spiele dort. Ich bin nur im Fußball sportlich aktiv. Nachgefragt gebe ich an, dass ich in keinem anderen Verein tätig bin. Ich habe keine Zeit, da ich zur Schule gehe.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Nehmen Sie sich dafür nun bitte ausreichend Zeit, alles vorzubringen.

BF: Als ich von Kabul unterwegs war Richtung XXXX bin ich in einen Kleinbus gestiegen, wo circa 14 Personen Platz haben. Ich bin mit dem Richtung nachhause gefahren, weil ich Ferien hatte. Dann sind in diesem besagten XXXX drei maskierte Männer gekommen und obwohl 14 Insassen drinnen waren, haben sie nur mich aufgefordert, auszusteigen. Die haben mich von dort mitgenommen in ein Zimmer. Die sagten mir dann, dass sie gegen die Regierung sind und sie erkennen den Staat nicht an und dass ich nicht für die Regierung arbeiten solle. Sie sagten mir, entweder bringen sie mich um oder ich muss eine Explosion für sie organisieren. Ich habe aber nicht eingewilligt und am ersten Tag haben sie mich sehr viel geschlagen. Zum Beispiel haben sie meine Nase dermaßen eingeschlagen, dass diese gebrochen war und das ist noch sichtbar. Als dann der erste Tag vorüber war, war ich am ersten Tag sehr schwach, nachdem sie auf mich einschlugen. Am nächsten Tag sind sie wieder gekommen und sagten mir, dass sie mich umbringen oder ich erledige das für sie. Danach war ich gezwungen, denn sonst hätten sie mich umgebracht. Ich hatte keine andere Wahl. Sie haben mich schwer zusammengeschlagen. Ich war überall blutig. Meine Nase war gebrochen und ich wurde gezwungen. Ich dachte, ich bin sowieso tot und war einverstanden. Ich habe entschieden, dass ich mein Leben retten muss, wenn es klappt, ist es gut, wenn nicht, bin ich erledigt. Am zweiten Tag habe ich dann beschlossen von dort zu fliehen. Am zweiten Tag habe ich dann beschlossen, das Fenster aufzubekommen. Das Fenster war zu und es war mit Schrauben zugemacht. Das war mit einem Kabel befestigt, nicht mit Schrauben. Ich habe dann das Kabel mit den Händen versucht aufzubekommen, und danach waren meine Hände blutig. Am zweiten Tag war ich aber nicht erfolgreich. Ich musste abwarten, bis es dunkel war, am dritten Tag circa um 11 Uhr abends konnte ich durch das Fenster fliehen. Ich habe entschieden, dass ich dort, wo ich gefangen war, wegfliehen muss. Es waren überall Bäume dort. Ich bin dann auf einer Straße angekommen. Ich hatte kein Geld dabei. Auch kein Handy. Dann ist ein LKW gekommen. Es ist ein großer Transporter vorbei gekommen und ich bin hinten auf der Ladefläche dort gelegen. Es war eine unasphaltierte Straße. Nach zwei Stunden sind wir in Kabul angekommen. Danach bin ich nach XXXX. Das ist der Distrikt, wo meine Tante mütterlicherseits damals wohnte. Ich hatte ihr erzählt, was ich für Probleme hatte und sie hat dann meinen Cousin angerufen, der in Australien lebt. Ich habe ihm dann erzählt, dass ich nicht mehr hier leben kann und die ganze Geschichte. Er sagte mir dann, ich solle mir einen Geldwechsler suchen und ich habe einen gefunden in XXXX. Ich habe von Australien Geld überwiesen bekommen. Nachdem ich dort das Geld erhalten habe, bin ich wieder nachhause zu meiner Tante und bin dann dort geblieben um einen Schlepper zu finden. Dann habe ich einen Schlepper gefunden und bin von Kabul nach Nimroz geflohen und von Nimroz in den Iran.

R: Haben Sie dann zuhause nocheinmal angerufen?

BF: Ich hatte keine Zeit mehr.

R: Sie haben Ihre Eltern nicht informiert darüber, dass Sie ausreisen?

BF: Solange ich in Afghanistan war, habe ich sie nicht angerufen, erst im Iran.

R: Sie haben vorher gesagt, dass Sie kein Geld und Handy hatten. Wie haben Sie dann Ihre Eltern anrufen können?

BF: Nein, ich habe gesagt, als ich in den Iran kam, habe ich nachhause angerufen.

R: Sie haben gesagt, dass Sie entführt wurden und sie hatten kein Handy dabei. Wenn Sie kein Handy hatten, wie konnten Sie dann Ihre Eltern kontaktieren?

BF: Ich war bei meiner Tante, hatte dort Geld. Nachgefragt, gebe ich an, dass ich ein Handy gekauft habe.

R: Wie sind Sie zu den Nummern wieder gekommen?

BF: Habe ich von meiner Tante bekommen.

R: Es dauert ja, bis das Geld überwiesen wird, da haben Sie Zeit, Ihre Eltern zu kontaktieren. Warum haben Sie das nicht gemacht?

BF: Ja, es ist Zeit, aber ich bin nicht draufgekommen, sie anzurufen.

R: Hat man Ihnen während der Akademie einen Dienstausweis ausgehändigt?

BF: Ja, als ich dort war, habe ich einen Ausweis bekommen. Diesen musste ich vorzeigen, wenn ich jedes Mal hineinging. Ohne dürfte ich nicht mal rein. Ich habe auch monatlich einen Gehalt von 1000 Afghani bekommen und hatte auch eine Bankomatkarte.

R: Wie Sie nachhause gefahren sind, hatten Sie eine Uniform an?

BF: Nein, ich war in Zivil. Das sind so lange afghanische Kleidungen.

R: Haben Sie kurze Haare gehabt?

BF: Ich hatte ganz kurze geschorene Haare. Ein Milimeter, ganz kurz.

R: Wie die Taliban Sie aufhielten, wurden Sie nicht durchsucht?

BF: Ja.

R: Hat man Ihnen da etwas weggenommen?

BF: Ja, mein Handy haben sie angeschaut und es genommen und das Geld was ich in der Tasche hatte.

R: Den Dienstausweis und Bankomatkarte hatten Sie nicht mit?

BF: Nein, das war bei meiner Tante.

R: Warum haben Sie die Ausweise bei Ihrer Tante gehabt?

BF: Man kann diese Sachen nicht auf der Reise mithaben, da es sehr gefährlich ist. Ich habe es auch nicht gebraucht. Wenn ich in Kabul war, ging ich mit Militärausweis rein. Nachgefragt gebe ich an, dass ich auch dort war und übernachtet habe. Aber alle meine Dokumente und meine Uniform, alles war bei meiner Tante. Nachgefragt gebe ich an, dass ich einige Nächte bei meiner Tante war.

R: Sie haben gesagt, Sie haben den Ausweis immer gebraucht zum Reingehen. Sie haben die Kaserne mit Uniform in den 8, 9 Monaten mehrmals verlassen?

BF: Ja, freitags war immer frei und da bin ich immer rausgegangen. Abends zum Schlafen bin ich zurück. Freitags macht es keinen Unterschied, ob mit Uniform oder nicht.

R: Alleine oder mit Kameraden?

BF: Manche, die dort Familie hatten, gehen zu ihrer Familie.

R: Sie sind alleine herumgegangen?

BF: Ja, ich bin alleine rausgegangen und bin abends zum Schlafen gekommen.

R: Wie dann die Taliban Sie aufgehalten haben, haben Sie die mit einem Fahrzeug mitgenommen oder sind Sie zu Fuß zu einem Haus gegangen?

BF: Zu Fuß.

R: Wie lange sind Sie da gegangen?

BF: Ich weiß es nicht mehr, die haben meine Augen zugebunden und meine Hand genommen.

R: Wie heißt eigentlich Ihre Tante in Kabul?

BF: Ich sage immer Tante zu ihr, ich weiß nicht genau.

R: Sie wissen den Namen Ihrer Tante nicht?

BF: Ich habe immer Tante zu ihr gesagt. XXXX. Es ist normal bei uns, man nennt Familienmitglieder immer mit Onkel und Tanten.

R: Wissen Sie den Namen des Ehegatten Ihrer Tante?

BF: Er hießXXXX.

R: Haben die nur zu zweit gewohnt?

BF: Nein, mit ihren Kindern zusammen.

R: Wie haben die geheißen?

BF: XXXX, das ist ein Mädchen, XXXX. Zwei Söhne und ein Mädchen.

D wird Postumschlag vorgelegt, den der BF aus Kabul erhalten hat.

BF gibt an: Das Kuvert habe ich letztes Jahr bekommen.

D gibt an: Absender ist, XXXX, Sohn des XXXX. Adresse ist in XXXX, in Kabul. Ferner sind darauf zwei Telefonnummern aufgeschrieben. BF gibt an, dass das ein Cousin (Sohn eines Onkels mütterlicherseits) ist. Es ist nicht der Sohn der oben erwähnten Tante.

R: Warum haben Sie bis jetzt diesen Cousin nicht erwähnt, dass der in Kabul lebt?

BF: Ich habe das gesagt, ich weiß es nicht.

R: Sie haben sich mit dem Kuvert was zuschicken lassen. Was haben Sie sich da zuschicken lassen?

BF: Meine Dokumente.

R: Sie haben gesagt, sie haben auf der Reise das Handy und alle Kontaktdaten verloren. Wie können Sie Ihrem Cousin sagen, er soll es ihnen schicken?

BF: Über Facebook.

R: Ich habe Sie gefragt am Anfang, ob es Kontakt zu Verwandten in Afghanistan haben. Sie sagten, dass sie mit keinem Kontakt hatten oder haben. Das war offenbar nicht die Wahrheit!

BF: Ich habe ihn über Facebook gefunden. Damals hat er Facebook in Anspruch genommen und habe ihn darum gebeten, dass er mir die Dokumente schickt. Zurzeit benutzt er Facebook nicht. Wenn sie wollen, kann ich ihnen die Facebookseite zeigen.

R: Es sind auch zwei Telefonnummern aufgezeichnet. Haben Sie versucht Kontakt aufzunehmen?

BF: Ist es eine afghanische Nummer?

R: Wenn es beim Absender steht, wird es eine afghanische Nummer sein. Da sind zwei Nummern abgebildet.

BF: Ich weiß nicht, ob das eine Handynummer ist oder nicht. Ich habe das Original mit. Ich habe das nicht genau angeschaut.

R: Das wär eine wichtige Möglichkeit, in die Heimat Kontakt aufzunehmen, oder wollen Sie keinen Kontakt?

BF: Ich habe das bis jetzt nicht gesehen.

R: Können Sie dieses Haus beschreiben?

BF: Ich kann nicht sagen, wie groß das Zimmer war. Es waren aber viele gebrochene Scherben, ein Tisch. Es war alles zerbrochen und nicht in Ordnung.

R: Haben Sie dieses Zimmer verlassen, bevor Sie geflüchtet sind?

BF: Wie meinen Sie?

R: Hat man Sie hinausgeführt?

BF: Ich bin mit denen nur auf die Toilette gegangen und dann zurück aufs Zimmer.

R: Waren draußen andere Häuser oder ein alleiniges Haus?

BF: Nein, es ware nur Bäume rundherum.

R: Wie weit war das von der Stelle, wo Sie entführt worden sind entfernt?

BF: Ich weiß es nicht. Sie haben mir meine Augen zugebunden.

R: Sie mussten mit verbundenen Augen 2-3 km gehen?

BF: Ja, ich weiß nicht. Als ich im Zimmer war, haben sie mir die Augen aufgebunden. Nachgefragt gebe ich an, dass die Hände offen waren.

R: Haben diese Leute Sie mit Ihren Namen angesprochen?

BF: Nein, die wussten nicht, wie ich mit Namen heiße. Sie haben meinen Namen nicht gerufen.

R: Was ist Ihre Vermutung, dass die Taliban ausgerechnet Sie aus dem Bus herausgeholt haben?

BF: Ich glaube, dass sie vielleicht mein Foto auf Facebook gesehen haben oder irgendjemand mich verraten hat, dass ich dort bin in der Akademie oder dass jemand im Auto was gesagt hat. Ich war mit niemanden verfeindet. Ich war 16 Jahre in der Schule und ein Jahr dort.

R: Haben die Taliban Sie wegen Ihrer Ausbildung bei der Armee angesprochen oder wollten sie nur, dass Sie sich in die Luft sprengen?

BF: Die wussten, dass ich für die Regierung arbeite. Sie sagten, dass die Regierung deren Feind sei.

R: Stimmt es, wie Sie Urlaub bekamen, waren Sie drei Tage bei der Tante und haben die Uniform und Ausweise gebracht. Stimmt das?

BF: Ja, zwei, drei Tage war ich bei ihr.

R: War der Bus ein Linientaxi oder sind Sie einfach eingestiegen oder haben Sie das bestellt?

BF: Es ist eine Art Linienbus, es kommt von Kabul in unser Dorf und wieder zurück.

R: Wie oft fährt dieses Taxi am Tag?

BF: Ich weiß nicht wie oft am Tag. Er wartet immer, bis der Bus voll ist.

R: Es kann mehrere Male am Tag sein?

BF: Nein, am Tag mehrmals geht es nicht.

R: Aber jeden Tag?

BF: Ich glaube nicht jeden Tag. In unsere Gegend kommt der Bus ein bis zweimal in der Woche. Wenn er keine Passagiere hat, fährt er nicht los.

R: Wenn das ein Bus ist, der ab und zu fährt, wie können die Taliban gezielt auf diesen Bus warten? Die müssten Tage dort verbringen, dass der Bus vorbeikommt und dass ausgerechnet Sie drinnen sitzen, ist ein Zufall.

BF: Das weiß ich nicht, woher sie das wussten, vielleicht hat mich jemand ausspioniert.

R: Hatten Sie einen Rang oder Funktion inne?

BF: Das eine Jahr war ich ein bisschen mehr als ein normaler Soldat.

R: Haben Sie von anderen Kollegen gehört, dass diese bedroht wurden?

BF: Nein, ich habe von meinen Kollegen nichts erfahren, aber es ist offensichtlich in Bamyan, wenn man für das Militär arbeitet, bekommt man Probleme, weil sie die Regierung nicht anerkennen. Wenn jemand für die Regierung arbeitet, sind sie dagegen.

R: Wie Sie bei der Tante in Kabul waren, warum sind Sie eigentlich nicht zu Ihrer Ausbildungsstätte gegangen und haben berichtet, dass Sie verfolgt wurden und um Hilfe gefragt?

BF: Wie soll ich zu einer Regierung gehen, die selber nicht in der Lage ist, sich zu beschützen. Was hätten sie schon machen können. Sie können nicht für die Sicherheit gewährleisten, wenn ich dort anzeige, was mir inXXXX passierte. Es ist nicht so wie hier, dass Sicherheit herrscht.

R: Wenn Sie sagen, die Armee kann nicht für Sicherheit sorgen und bringt sich nichts, warum sind Sie zur Armee dazugegangen?

BF: Ich war in der Schule und war in der 9. Klasse. Es kam eine Aufnahmeprüfung und wer das besteht, wird nach Kabul geschickt.

R: Warum wäre es keine Möglichkeit gewesen, in Kabul bei Ihrer Tante zu bleiben?

BF: Ich konnte bei meiner Tante nicht bleiben, ich habe Eltern und wollte sie sehen.

R: In Kabul hätten Sie aber Sicherheit bekommen und jetzt nach ihrer Ausreise sehen Sie Ihre Eltern und Geschwister auch nicht mehr.

BF: Ich wusste nicht, dass mir das passieren wird und wäre in Kabul geblieben.

R erklärt die Frage.

BF: Weil es in Kabul nicht sicher ist. Wo ist es in Kabul sicher? Da muss man entweder zur Schule gehen, arbeiten oder eine Ausbildung machen, ich konnte ja nicht den ganzen Tag bei meiner Tante sein, sie kann mich ja nicht finanzieren.

R: In Kabul sind über 4 Millionen Leute, glauben Sie, dass die Taliban sie da gesucht hätten?

BF: Tausende Leute werden dort täglich umgebracht, auch in der Akademie selbst sind welche umgebracht worden, obwohl rundherum Soldaten stehen und Sicherheitsbeamte sind. Draußen ist sowieso keine Sicherheit, zweimal die Woche gibt es Explosionen.

R: Warum waren Sie dann Soldat, wenn es doch so gefährlich war bei der Armee und es keine Sicherheit gab?

BF: Ich habe mich dort nicht beworben.

R: Man wird nicht zwangsrekrutiert in Afghanistan.

BF: Ich war in der 9. Klasse und habe die Formulare zugeschickt bekommen und ausgefüllt.

R: Wie lange waren die Taliban immer da, um Sie zu schlagen und befragen?

BF: Es war am ersten Tag, einer der Dari sprach, und er sagte mir, dass ich das tun muss oder sie bringen mich um. Täglich einmal kam nur er. Er hat mich geschlagen und zwang mich dazu. Ich weiß nicht, wie lange er blieb. Manchmal kamen sie und haben mir was zum Essen gebracht.

R: Haben Sie Autos gehört, mit denen sie kamen?

BF: Nein.

R: Es hat nur das Haus, die Bäume und die Straße dort gegeben, mehr nicht?

BF: Ich habe die Straße nicht gesehen. Rundherum waren nur die Bäume und als ich floh, kam ich dann zu einer Straße.

R: Wie haben Sie gewusst, in welche Richtung Sie gehen mussten?

BF: Ich wusste nicht, ich bin auf Gut Glück geflohen.

R: Sie haben aber gesagt, dass Sie an der Ausbildung interessiert waren und es ihr Wunsch war. Jetzt sagen sie das Gegenteilige?

BF: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur die Formulare bekommen für die Ausbildung und die wurden zur Schule geschickt, wo ich war, und ich besuchte dort die 10. Klasse.

R: Was haben Sie in der Gefangenschaft zum Essen und Trinken bekommen?

BF: Nur ein trockenes Brot und Wasser.

R: Kam immer nur der eine, der Sie geschlagen hat, oder kamen da mehr auch?

BF: Nur einer, der Dari sprach.

R: Die anderen sprachen nicht mit Ihnen?

BF: Nein, nur einer, der Dari sprach.

[...]

BFV: Wie der BF heute glaubhaft dargelegt hat, droht ihm in Afghanistan Verfolgung aufgrund seiner Tätigkeit für die afghanische Armee von seitens der Taliban. Dazu, dass die Taliban in ganz Afghanistan inklusive Kabul fähig sind, Einzelpersonen zu verfolgen, werden ein Bericht von Stahlmann und ein Landinforeport des BFA vorgelegt. Zur stetig verschlechterten Sicherheitslage darf ausgeführt werden, dass laut dem höchstaktuellen Bericht vom AI "Zurück in die Gefahr" kein Teil Afghanistans sicher ist. Weiters darf verwiesen werden auf den aktuellen Bericht der BBC, wonach die Taliban wesentlich mehr afghanisches Territorium kontrollieren, als bislang angenommen. BBC hält fest, dass die Taliban mittlerweile in 70% Afghanistans aktiv sind. Es wird weiters auf das aktuelle am 29.01.2018 erstattete Sachverständigengutachten von Dr. Rasuly verwiesen, in dem der Sachverständige sich auf die prekäre Sicherheitslage in Kabul bezogen hat."

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 23.12.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 13.09.2017 sowie die Beschwerde vom 12.12.2017

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehör

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten