TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/2 W170 2111229-1

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Veröffentlicht am 02.11.2018
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Entscheidungsdatum

02.11.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z17
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2111229-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2015, Zl. 1049851907/150033548/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei) stellte am 12.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, Syriens wegen des Krieges, aus Angst, zum Militär eingezogen zu werden und wegen der drohenden Verfolgung als staatenloser Kurde verlassen zu haben. Im Rahmen des Administrativverfahrens legte die beschwerdeführende Partei eine Identitätsbestätigung für nichtregistrierte Kurden vor.

3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag der beschwerdeführenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 06.07.2015, erlassen am 09.07.2015, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde dieser der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe keine Fluchtgründe glaubhaft gemacht.

4. Mit am 20.07.2015 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides Beschwerde erhoben.

Begründend wurde ausgeführt, der beschwerdeführenden Partei drohe Verfolgung als Kurde und durch den "Islamischen Staat" (IS) sowie wegen seines Aufenthalts im Ausland. Darüber hinaus drohe der beschwerdeführenden Partei die Einziehung zum Wehrdienst.

5. Die Beschwerde wurde samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten am 24.07.2015 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Nach Durchführung ergänzender Ermittlungen wurde vom zur Entscheidung berufenen Richter des Bundesverwaltungsgerichtes am 18.10.2018 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers abgehalten. In dieser gab die beschwerdeführende Partei zusammengefasst an, in Syrien zum Militär zu müssen bzw. aufgefordert worden zu sein, als Soldat für die kurdischen Kräfte aktiv zu werden. Auch fürchte die beschwerdeführende Partei im Fall der Rückkehr nach Syrien lebenslang ins Gefängnis zu müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

XXXX ist ein volljähriger, staatenloser Kurde, der aus Syrien stammt.

Die Identität des XXXX steht fest, dieser ist in Österreich unbescholten.

1.2. Zum Verfahren:

XXXX hat nach rechtswidriger Einreise am 12.01.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der vom Bundesamt mit (nicht rechtskräftigem) Spruch-punkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde; mit (rechtskräftigem) Spruchpunkt II. des im Spruch bezeichneten Bescheides wurde XXXX hingegen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Bescheid wurde XXXX am 14.07.2015 zugestellt, gegen Spruchpunkt I. wurde mit E-Mail am 20.07.2015 Beschwerde erhoben.

1.3. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:

XXXX hat zumindest seit Beginn des Aufstandes in Syrien im Frühjahr 2011 bis zu seiner Ausreise im Juni bzw. Juli 2014 in der im Nordosten Syriens gelegenen Stadt al-Malikiya (kurdisch: Dêrik) gelebt.

Die Stadt al-Malikiya ist in der Hand der PYD, deren diesbezüglicher Herrschaftsanspruch derzeit und in naher Zukunft weder vom Regime noch von einer anderen Machtgruppe in Syrien faktisch beendet werden kann.

Im Juni bzw. Juli 2014 hat XXXX Syrien rechtswidrig verlassen.

Im Rahmen der Erstbefragung hat XXXX angegeben, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben. Dieses Vorbringen ist glaubhaft gemacht worden.

Im Rahmen der Einvernahme im Administrativverfahren hat XXXX vorgebracht, Syrien einerseits aus Angst vor dem IS, der alle Kurden umbringe, und andererseits aus Angst, zur syrischen Armee eingezogen zu werden, verlassen zu haben.

Dieses Vorbringen wurde im Rahmen der Beschwerde wiederholt und insoweit ergänzt, als die beschwerdeführende Partei auch fürchte, als staatenloser Kurde vom Regime verfolgt zu werden. Wegen seiner Weigerung zum Militär zu gehen, würde man XXXX auch eine regimekritische oppositionelle politische Gesinnung unterstellen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte XXXX vor, es habe die Gefahr bestanden, dass er von kurdischen Parteien gezwungen werde, mit diesen "auf militärischem Gebiet zu arbeiten"; andere Gründe gebe es nicht.

XXXX ist im XXXX . Lebensjahr und hat in seinem Leben noch keinerlei militärische Ausbildung erhalten oder an Kämpfen oder militärischen Operationen teilgenommen. Vor der Ausreise im Jahr 2014 ist es zwar immer wieder zu Versuchen gekommen, XXXX zur Mitarbeit an militärischen oder paramilitärischen Einheiten der Kurden zu gewinnen, aber es wurde kein Zwang ausgeübt und die Entscheidung des XXXX respektiert, keine Waffen tragen zu wollen. Die "Normen" der PYD verpflichten nur Männer bis 30 Jahren zu einem sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG, es gibt keine Hinweise, dass die YPG oder andere paramilitärische Organisationen der Kurden trotzdem Interesse an der zwangsweisen Rekrutierung von XXXX haben würden.

XXXX hat sich aus Sicht der PYD bzw. der YPG nie oppositionell-politisch verhalten oder geäußert.

Weder der Islamische Staat noch das Regime könnten in al-Malikiya auf XXXX greifen.

1.4. Zur allfälligen Rückkehr der beschwerdeführenden Partei:

Es besteht kein Grund für die Annahme, dass die Asylantragstellung von XXXX dem syrischen Regime bekannt geworden wäre; XXXX war und ist weder in Syrien noch in Österreich politisch aktiv oder hat sich politisch geäußert.

XXXX ist in Syrien nicht wehrdienstpflichtig, hat in Syrien niemals Wehrdienst geleistet, ist kein Reservist der syrischen Armee und hätte die syrische Armee kein Interesse an der Einziehung des XXXX .

Selbst bei einer Rückkehr des XXXX über den Flughafen von Damaskus nach Syrien ist kein Grund zu sehen, warum dieser - über eine allfällige Strafe wegen der rechtswidrigen Ausreise hinausgehend - für die syrischen Sicherheitsbehörden oder das syrische Regime von besonderem Interesse sein sollte; es besteht daher zwar die Möglichkeit, nicht aber die reale Gefahr, dass XXXX im Falle einer Rückkehr über den Flughafen von Damaskus festgenommen und unter der Gefahr, gefoltert zu werden, angehalten wird.

XXXX könnte über den von den Kurden kontrollierten Grenzübergang Fish Khabour sicher und ohne reale Gefahr einer Bestrafung nach Syrien einreisen, es ist kein Grund zu sehen, warum die Kurden diese Einreise nicht gestatten sollten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der beschwerdeführenden Partei (1.1.) ergeben sich aus der Aktenlage, die mit deren diesbezüglichen Aussagen in Einklang zu bringen ist, die Feststellungen zum bisherigen Verfahren (1.2.) aus der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage.

2.2. Die Feststellungen zum Aufenthalt der beschwerdeführende Partei von Frühjahr 2011 bis Juni bzw. Juli 2014 und zu ihrer Ausreise ergeben sich aus deren diesbezüglich glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; dass die Stadt Stadt al-Malikiya in der Hand der PYD ist, ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation; trotz ausdrücklichen Vorhalts dieses Umstandes hat die beschwerdeführende Partei dem in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen.

Die Feststellungen zu den Aussagen der beschwerdeführenden Partei in der Erstbefragung, der Einvernahme im Administrativverfahren und der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie die Ausführungen in der Beschwerde ergeben sich aus der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage. Dass das Vorbringen, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben, glaubhaft gemacht worden ist, ergibt sich aus der sich aus den Länderberichten ergebenden Lage Syriens, insbesondere im Jahr 2014.

Die Feststellung hinsichtlich des Alters der beschwerdeführenden Partei ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere dem vorgelegten Dokument. Dass diese in ihrem Leben noch keinerlei militärische Ausbildung erhalten oder an Kämpfen oder militärischen Operationen teilgenommen hat, ergibt sich aus den diesbezüglichen Aussagen der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht ebenso wie die Feststellungen zu den Versuchen, die beschwerdeführende Partei zur Mitarbeit an militärischen oder paramilitärischen Einheiten der Kurden zu gewinnen.

Die Feststellung zu den "Normen" der PYD hinsichtlich des Wehrdiensts bei der YPG ergibt sich aus den Länderberichten, insbesondere aus dem diesbezüglich unwidersprochen gebliebenen Länderinformationsblatt, S. 22 (Punkt 7.3.).

Die Feststellung, dass es keine Hinweise gibt, dass die YPG oder andere paramilitärische Organisationen der Kurden trotzdem Interesse an der zwangsweisen Rekrutierung der beschwerdeführenden Partei haben, ergibt sich aus dem Umstand, dass diese inzwischen das 30. Lebensjahr überschritten hat und in ihrem Leben keinerlei militärische Ausbildung erfahren oder Erfahrung gesammelt hat und daher - wenn überhaupt - erst nach einer langwierigen Ausbildung als Soldat von Nutzen wäre.

Die Feststellung, dass sich die beschwerdeführende Partei aus Sicht der PYD bzw. der YPG nie oppositionell-politisch verhalten oder geäußert hat, ergibt sich aus den ihren diesbezüglichen Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und aus dem Umstand, dass eine solche Äußerung bzw. ein solches Verhalten auch ansonsten nicht zu erkennen ist.

Dass weder der Islamische Staat noch das Regime in al-Malikiya auf die beschwerdeführende Partei greifen könnten, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Stadt in der Hand der PYD ist und keine Hinweise vorhanden sind, dass dies nicht von Dauer ist.

2.3. Die Feststellung, dass kein Grund für die Annahme besteht, dass die Asylantragstellung der beschwerdeführenden Partei dem syrischen Regime bekannt geworden wäre, ergibt sich einerseits aus dem asylrechtlichen Verbot der Datenweitergabe für österreichische Behörden und andererseits aus dem Umstand, dass eine solche Kenntnis weder behauptet wurde noch amtswegig Hinweise darauf vorzufinden sind.

Dass die beschwerdeführende Partei weder in Syrien noch in Österreich politisch aktiv war bzw. ist und sich auch politisch nicht geäußert hat, ergibt sich aus deren Aussagen vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass die beschwerdeführende Partei in Syrien nicht wehrdienstpflichtig ist, dort niemals Wehrdienst geleistet hat und kein Reservist der syrischen Armee ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass diese nach den Länderberichten als staatenloser Kurde in Syrien eben nicht wehrdienstpflichtig ist und daraus, dass dies von der beschwerdeführenden Partei zumindest hinsichtlich der rechtlichen Sicht bestätigt wurde. Dass die syrische Armee kein Interesse an der Einziehung der beschwerdeführenden Partei hätte, ergibt sich aus dem Umstand, dass diese inzwischen das 30. Lebensjahr überschritten hat und in ihrem Leben keinerlei militärische Ausbildung erfahren oder Erfahrung gesammelt hat und daher - wenn überhaupt - erst nach einer langwierigen Ausbildung als Soldat von Nutzen wäre.

Die Feststellung, dass selbst bei einer Rückkehr der beschwerdeführenden Partei über den Flughafen von Damaskus nach Syrien kein Grund zu sehen ist, warum diese - über eine allfällige Strafe wegen der rechtswidrigen Ausreise hinaus - für die syrischen Sicherheitsbehörden oder das syrische Regime von besonderem Interesse sein sollte, ergibt sich daraus, dass weder die beschwerdeführende Partei noch deren Familie als oppositionell aufgefallen sind und aus einem Kurdengebiet kommen, was für einen staatenlosen Kurden keine ihn hervorhebende Eigenschaft ist. Auch liegt keine Wehrdienstverweigerung oder Fahnenflucht der beschwerdeführenden Partei vor, sodass kein logischer Grund zu sehen ist, ihr eine aus Sicht des syrischen Regimes oppositionell-politische Gesinnung zu unterstellen. Daher besteht nicht die reale Gefahr, dass diese im Falle einer Rückkehr über den Flughafen von Damaskus festgenommen und unter der Gefahr gefoltert zu werden, angehalten wird; auf Grund der Willkürlichkeit der syrischen Behörden besteht aber eine unterhalb der Schwelle der realen Gefahr anzusiedelnde Möglichkeit einer solchen Behandlung.

Aus den Länderberichten, insbesondere aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 14.08.2018 "Syrien - Einreisemöglichkeiten nach Syrien" ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei über den von den Kurden kontrollierten Grenzübergang Fish Khabour sicher und ohne reale Gefahr einer Bestrafung nach Syrien einreisen könnte; zwar ist dieser Grenzübergang für den generellen zivilen Personenverkehr nicht geeignet, aber es ist dort ein Grenzübertritt für Zivilisten auch möglich. Da die beschwerdeführende Partei mit ihren Dokumenten, insbesondere ihrer Identitätsbestätigung nachweisen könnte, aus al-Malikiya zu stammen und sich diese niemals politisch-oppositionell zur PYD oder YPG geäußert hat, ist kein Grund zu sehen, warum die Kurden diese Einreise nicht gestatten sollten, auch wenn diese möglicherweise mit Wartezeiten und einer genauen Kontrolle verbunden ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien, da die beschwerdeführende Partei zwar staatenlos ist, aber ihren früheren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatte.

Es ist daher zu prüfen, ob der beschwerdeführenden Partei in Syrien vor deren Ausreise Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK gedroht hat oder im Falle einer Rückkehr drohen würde, wobei auf Grund der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten davon auszugehen ist, dass der beschwerdeführenden Partei mangels hinreichender Sachverhaltsänderung eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

3.2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

3.3. Die beschwerdeführende Partei stammt aus der Stadt al-Malikiya, die in der Hand der PYD ist. Diese verfolgt die beschwerdeführende Partei nicht sowie droht dieser nicht, von der PYD oder der YPG zwangsrekrutiert zu werden und können in der Stadt al-Malikiya keine anderen Kräfte, insbesondere nicht das syrische Regime oder der IS, auf die beschwerdeführende Partei zugreifen.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055-5, wo der Verwaltungsgerichtshof nur die Lage im Herkunftsgebiet, aber nicht dessen Erreichbarkeit geprüft hat) ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerde mangels einer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung der beschwerdeführenden Partei im Herkunftsgebiet abzuweisen ist.

Allerdings kann die beschwerdeführende Partei aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes einerseits über den Flughafen von Damaskus legal und sicher (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 in Bezug auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative) und ohne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Opfer einer Verfolgungshandlung zu werden nach Syrien einreisen. Andererseits kann die beschwerdeführende Partei über den von den Kurden kontrollierten Grenzübergang von Fish Khabour sicher und ohne die reale Gefahr einer Verfolgung oder späteren Strafverfolgung - die Kurden würden die Einreise dulden und ist nicht zu sehen, warum sie diese dann nachträglich bestrafen sollten und das Regime, sollte dieses jemals wieder die Macht über ganz Syrien erlangen, würde diesfalls weder von der Ausreise noch von der Rückkehr der beschwerdeführenden Partei Kenntnis erlangen - wieder nach Syrien einreisen und die Stadt al-Malikiya erreichen, ohne das von den Kurden kontrollierte Gebiet verlassen zu müssen.

Daher wäre die Beschwerde selbst dann abzuweisen, wenn die Erreichbarkeit des Herkunftsgebietes diesbezüglich von Relevanz wäre.

3.4. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.

Schlagworte

Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung, begründete
Furcht vor Verfolgung, Bürgerkrieg, Fluchtgründe,
Flüchtlingsbegriff, Glaubhaftmachung, Herkunftsstaat, illegale
Ausreise, inländische Schutzalternative, innerstaatliche
Fluchtalternative, maßgebliche Wahrscheinlichkeit, Militärdienst,
mündliche Verhandlung, Nachvollziehbarkeit, politische Gesinnung,
reale Gefahr, staatenlos, Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung,
Wehrdienst, Wehrdienstverweigerung, wohlbegründete Furcht,
Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2111229.1.01

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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