Entscheidungsdatum
05.11.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W224 2208219-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch XXXX , wiederum vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2018, Zl. 1206547503-180877047, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die minderjährige Beschwerdeführerin wurde als Tochter des XXXX und der XXXX am XXXX in Österreich nachgeboren. Die Eltern der Beschwerdeführerin stellten als ihre gesetzlichen Vertreter für sie am 17.09.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren im Sinne des § 34 Asylgesetz 2005. Sie brachten dabei vor, sie würden den Antrag im Familienverfahren ohne Vorbringen von eigenen Fluchtgründen stellen.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.09.2018, Zl. 1206547503-180877047, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) den Antrag der mj. Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchteil I.), erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchteil II.), und erteilte ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchteil III.).
Im bekämpften Bescheid wurde einerseits festgestellt, die Beschwerdeführerin sei die minderjährige Tochter des XXXX und der XXXX . Der Mutter der mj. Beschwerdeführerin sei mit Bescheid des BFA der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden und dieser Bescheid sei durch ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt worden. Da die Mutter als gesetzliche Vertreterin den Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, beziehe sich der Antrag auf die Fluchtgründe der Mutter. Im Antrag auf internationalen Schutz für die mj. Beschwerdeführerin seien keine eigenen Fluchtgründe angegeben worden. Die Mutter der mj. Beschwerdeführerin sei (noch) nicht mit dem Vater des mj. Beschwerdeführers verheiratet. Da fallbezogen ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vorliege und der Mutter der mj. Beschwerdeführerin, auf deren Fluchtgründe sie sich bezieht, der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt worden sei, komme auch für die mj. Beschwerdeführerin die Zuerkennung auf Grund des Familienverfahrens nicht in Betracht.
3. Gegen Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides erhob der Vater des mj. Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:
Dem Vater der mj. Beschwerdeführerin sei der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Da die Beschwerdeführerin ein neugeborenes Kind sei und keine eigenen Asylgründe vorgebracht habe, werde auf das "rechtserhebliche Verhältnis des Vaters" verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die mj. Beschwerdeführerin ist die Tochter des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien. Ihrem Vater wurde mit Bescheid des BFA vom 07.11.2014, Zl. 1032223801-140024282, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Die mj. Beschwerdeführerin wurde als Tochter des XXXX am XXXX in Österreich nachgeboren, zum Zeitpunkt der Antragstellung war die mj. Beschwerdeführerin die mj. Tochter ihres Vaters. Die mj. Beschwerdeführerin gehört der Familie an, und es liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor. Die mj. Beschwerdeführerin ist nicht straffällig geworden, und es ist nicht ersichtlich, dass der mj. Beschwerdeführerin die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrem Vater in einem anderen Staat möglich wäre. Im Fall des Vaters der mj. Beschwerdeführerin als dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.
Die Feststellungen ergeben sich aus den eigenen Angaben der mj. Beschwerdeführerin und ihres Vaters im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten. Das Bundesverwaltungsgericht holte den Bescheid des BFA vom 07.11.2014, Zl. 1032223801-140024282, mit welchem dem Vater der mj. Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, ein. Die österreichische Geburtsurkunde der mj. Beschwerdeführerin wurde bereits vom BFA im Verwaltungsakt vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht kann aus diesem Grund überprüfen, dass ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG vorliegt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des mj. Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen asylrelevant ist, da dieses für die gegenständliche Beurteilung nicht relevant ist.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor dem BFA, der Beschwerde und eingeholten sonstigen Unterlagen (Bescheid des BFA vom 07.11.2014, Zl. 1032223801-140024282, mit welchem dem Vater der mj. Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde; österreichische Geburtsurkunde). Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Der Antrag auf internationalen Schutz ist gemäß § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (Ziffer 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund gesetzt hat (Ziffer 2).
Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkennt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen. Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 34 Abs. 6 AsylG 2005 sind die Bestimmungen über das Familienverfahren auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer-Bürger sind, sowie auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Familienverfahrens zuerkannt wurde, nicht anzuwenden, es sei denn, es handelt sich im zweiten Fall bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
Die mj. Beschwerdeführerin ist Familienangehörige ihres Vaters, welchem mit Bescheid des BFA vom 07.11.2014, Zl. 1032223801-140024282, gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde. Weiters ist die mj. Beschwerdeführerin nicht straffällig geworden und es hat sich auch nicht ergeben, dass das zwischen der mj. Beschwerdeführerin und ihrem Vater bestehende Familienleben in einem anderen Staat fortgesetzt werden könnte.
Da dem Vater der mj. Beschwerdeführerin - wie oben dargestellt - der Status des Asylberechtigten zu gewähren war, war dieser Status gemäß § 34 AsylG 2005 auch der mj. Beschwerdeführerin, bei der keine der in Art. 1 Abschnitt C, D oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegen, zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Die Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I des angefochtenen Bescheides ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, in der jeweiligen Fassung.
Schlagworte
Asylgewährung, Bürgerkrieg, Familienangehöriger, Familienleben,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W224.2208219.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.01.2019