TE Bvwg Beschluss 2018/11/5 W176 2171504-3

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Veröffentlicht am 05.11.2018
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Entscheidungsdatum

05.11.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
B-VG Art.133 Abs9

Spruch

W176 2171504-3/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2018, Zl. 1079335007/180523121 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , StA.

Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), und § 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 23.07.2015 illegal nach Österreich ein und stellte am 24.07.2015 erstmals einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen.

Im Rahmen dieser Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass er Afghanistan aufgrund des Krieges, wegen der Taliban und fehlenden Aussichten auf ein besseres Leben verlassen habe. Er sei vor ca. sechs Jahren in den Iran geflüchtet. Da er dort illegal aufhältig gewesen sei, habe er immer Probleme mit den iranischen Behörden und der iranischen Bevölkerung gehabt. Er wolle nicht nach Afghanistan zurück, da er Angst vor den Taliban habe.

2. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 12.06.2017 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er sei in der Provinz Ghazni, District Jaghori, Dorf

XXXX geboren; seine Eltern und sein Bruder lebten weiterhin dort. Er habe erstmals mit 13 oder 14 Jahren Afghanistan verlassen, da sein Vater krank gewesen sei und er für die Familie sorgen habe müssen. Nach sechs oder sieben Jahren sei er aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben worden, da er sich dort illegal aufgehalten habe. Sein Onkel väterlicherseits sowie seine Tanten lebten ebenfalls in Afghanistan. Zum Fluchtgrund befragt brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst Folgendes vor: Als er vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden sei, habe er sich verlobt. Er habe aber vier Monate lang keine Arbeit gehabt und deswegen nicht heiraten können. Eines Tages habe ein Verkäufer ihm mitgeteilt, dass er einen Job für ihn habe, er solle an die Bewohner des Dorfes abends christliche Bücher verteilen. Dies habe er mit zwei Freunden getan. Sie hätten die Bücher nicht persönlich an die Leute übergeben, sondern hätten diese vor die Haustüren gelegt. Er sei dafür bezahlt worden. Die Leute hätten sehr negativ auf diese Aktivitäten reagiert, da sie christliche Bücher und nicht solche, die den Islam verherrlichten, verteilt hätten. Als der Beschwerdeführer sich einmal auf einem Basar aufgehalten habe, habe er gesehen, wie ein alter Mann gegen diese Aktivitäten mobil gemacht habe. Daraufhin habe jemand Anzeige gegen den Beschwerdeführer und seine zwei Freunde erstatte. Der Beschwerdeführer habe Angst bekommen, sei nach Hause gegangen, habe alles zusammengepackt und sei geflohen. Nach seiner Flucht sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen, habe das Haus durchsucht und ein Foto des Beschwerdeführers mitgenommen. Das habe ihm seine Mutter erzählt, als er wieder im Iran gewesen sei. Sein Foto sei im Dorf aufgehängt worden und es sei eine Belohnung für die Mitteilung seines Aufenthaltsortes versprochen worden. Weiters seien die Taliban sehr gefährlich in seiner Gegend. Ihm sei mitgeteilt worden, dass auch seine Freunde geflüchtet seien; er habe keinen Kontakt mehr zu ihnen, da ihm ihre Telefonnummern nicht bekannt seien. Von den Taliban sei der Beschwerdeführer nicht konkret bedroht worden. Er sei auch nie persönlich wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara und auch nicht wegen seiner Eigenschaft als Schiit bedroht worden. Die Aktion die christlichen Bücher betreffend sei geheim gewesen, sie hätten diese Bücher immer abends verteilt. Er werde von der Polizei in Afghanistan gesucht, da das Verteilen christlicher Bücher ein Verbrechen sei. Er habe nicht gedacht, dass er durch das Bücherverteilen Probleme bekomme und dass er sich damit in Lebensgefahr begebe. Weiters legte der Beschwerdeführer Bestätigungen der Markgemeinde Tamsweg sowie des Landes Salzburg betreffend gemeinnützige Beschäftigung, ein vom 18.07.2016 datierendes ÖSD-Zertifikat A1, eine Schulbesuchsbestätigung des MultiAugustinums in 5581 St. Margarethen sowie Bestätigungen des Österreichischen Roten Kreuzes über die Teilnahme an einem Erste Hilfe-Kurs sowie über die Verrichtung von unentgeltlichen Reinigungstätigkeiten und Hilfsleistungen vor.

3. Am 30.06.2017 abermals vor dem vor dem BFA einvernommen, brachte er im Wesentlichen Folgendes vor: Er habe nach seiner Rückkehr aus dem Iran keine Arbeit gehabt und habe einen Mann getroffen, der ihm angeboten habe, abends mit Freunden gegen Bezahlung in der Umgebung christliche Bücher zu verteilen. Anfangs habe der Beschwerdeführer nicht gewusst habe, dass es sich um christliche Bücher handle; er habe die Bücher in einem Karton übernommen. Nach ca. drei bis vier Wochen hätten sich die Einwohner über den Erhalt der Bücher beschwert, da sie meinten, sie sollten durch die Verteilung dieser Bücher zum Christentum bekehrt werden. Als der Beschwerdeführer einmal auf einem Basar gewesen sei, habe er gesehen, wie ein Dorfältester zu einer Runde von Leuten gesprochen habe, dass es Aktivitäten im Dorf gebe, die Bewohner zum Christentum zu bekehren, und dass dies der falsche Weg sei. Nachdem der Beschwerdeführer dieses Gespräches mitverfolgt hätte, sei er nach Hause gegangen und habe vor lauter Angst beschlossen, Afghanistan zu verlassen. Als er im Iran gewesen sei, habe seine Mutter ihm erzählt, dass Polizisten in seinem Elternhaus gewesen seien, dieses durchsucht und nach ihm gefragt hätten. Sie hätten Fotos von ihm mitgenommen und diese öffentlich angeschlagen mit dem Hinweis, dass es eine Belohnung für denjenigen gebe, der der Polizei seinen Aufenthalt bekannt geben könne. Befragt, wie die Polizei darauf gekommen sei, dass er die Bücher verteilt habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass es vielleicht seine zwei Freunde erzählt hätten, mit denen er die Bücher verteilt habe. Auf die Frage, wieso diese es erzählt haben sollten, da sie sich dadurch selbst in Gefahr begeben würden, entgegnete er, dass sie es vielleicht ihren Familien erzählt und diese es dann weitergegeben hätten. Auch gab der Beschwerdeführer abermals an, er habe nicht gewusst, dass es sich um christliche Bücher handle. Er habe das Einkommen gebraucht.

3. Mit Bescheid vom 04.07.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt, es wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Wochen zur freiwilligen Ausreise vorgeschrieben (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA zunächst aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können. Insbesondere sei sein Vorbringen zur Verfolgung wegen Verteilung christlicher Bücher unglaubwürdig. Weiters sei dem Beschwerdeführer als gesundem, arbeitsfähigem Mann mit Berufserfahrung eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar, dies zwar nicht in seine Heimatprovinz Ghazni, wohl aber in die Städte Kabul oder Mazar-e Sharif, die ihm als innerstaatliche Fluchtalternativen offen stünden. Zur Rückkehrentscheidung hielt das BFA zunächst fest, dass der Beschwerdeführer über keine Familienangehörige in Österreich verfüge, weshalb die Rückkehrentscheidung nicht in sein Recht auf Achtung des Familienlebens eingreife. Bezüglich des Rechts auf Achtung des Privatlebens wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vorzunehmende Interessensabwägung zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehen müsse, zumal keine tiefgreifenden Bindungen zu Österreich bestünden, die illegale Einreise nach Österreich nicht bloß einen geringfügigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstelle und dem Beschwerdeführer bei der Antragstellung habe bewusst sein müssen, dass sein Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender sei.

4. Am 07.09.2017 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.

5. Mit Bescheid vom 19.09.2017 wies das BFA den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ab.

6. Mit Erkenntnissen vom 03.01.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht zum einen die Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 71 Abs. 1 AVG ab und zum anderen die Beschwerde gegen den unter Punkt 3. dargestellten Bescheid gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurück. Diese Erkenntnisse wurden nicht weiter bekämpft.

7. Am 24.04.2018 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

8. Am 28.05.2018 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

9. Bei seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.05.2018 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Grund für die neuerliche Antragstellung sei, dass ihm seine Mutter mitgeteilt habe, dass ein Freund, der sich in Tadschikistan aufgehalten habe, nach Afghanistan abgeschoben, von der Polizei festgenommen und eingesperrt worden sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer auch eingesperrt werden. Dies habe ihm seine Mutter ebenfalls telefonisch vor ca. zwei Wochen mitgeteilt, da sie erfahren habe, dass Rückkehrer eingesperrt würden. Nach weiteren Ausreise-, Flucht- oder Verfolgungsgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er in Europa die Religion habe wechseln wollen; da aber ein Freund, der dies auch habe tun wollen, von anderen geschlagen worden sei, habe er Angst gehabt. Auf die Frage, in welchen Ländern er sich aufgehalten habe, erwiderte der Beschwerdeführer, er habe sich am 23.04.2018 für eine Nacht in Deutschland aufgehalten. Es habe eine Polizeikontrolle in Deutschland an der Grenze gegeben und er sei nach Österreich zurückgeschoben worden.

10. Mit Verfahrensanordnung vom 06.06.2018 teilte das BFA dem Beschwerdeführer mit, dass es beabsichtige, seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sowie den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

11. Am gleichen übermittelte das BFA dem Beschwerdeführer - im Wesentlichen dem aktuellen Länderinformationsblatt zu Afghanistan entnommene - Sachverhaltsannahmen zur Situation in Afghanistan.

12. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 13.06.2018 führte der Beschwerdeführer aus, dass er den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, da sich zwei andere Personen, die ebenfalls christliche Bücher verteilt hätten, in Afghanistan im Gefängnis befänden. Einem sei die Flucht nach Tadschikistan gelungen, er sei aber nach Afghanistan rücküberstellt worden. Dies habe ihm seine Mutter telefonisch mitgeteilt, mit der er zwei Mal im Monat telefoniere. Bei einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer ebenfalls wegen der Verteilung christlicher Bücher ins Gefängnis zu müssen. Müsste er für 15 Jahre in Gefängnis könne er sich nicht um seine Mutter und seine Brüder kümmern. Sein Vater sei zwei Monate zuvor gestorben. Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, dass es in Österreich zwei afghanische "Jungs" gebe, die ihre Religion gewechselt hätten und dann von anderen Afghanen zusammengeschlagen worden seien. Da der Beschwerdeführer Angst gehabt habe, dass ihm dasselbe passiere, habe er die Religion nicht gewechselt.

Befragt, ob er zu den Sachverhaltsannahmen zur Situation in Afghanistan Stellung nehmen wolle, erwiderte der Beschwerdeführer, es treffe nicht zu, dass es in Kabul Sicherheit gebe. 2016 und 2017 habe es dort mehr Tote gegeben als in den Jahren zuvor.

Auf die Frage, ob er an schwerwiegenden Krankheiten leide, erwiderte der Beschwerdeführer, er sei etwa einen Monat zuvor geröntgt worden, dies wegen seiner Lunge, wo sich etwas - ein Dorn oder ein Nagel - befinde. Die Frage, ob er dazu ärztliche Unterlagen vorlegen könne, verneinte der Beschwerdeführer.

Befragt, ob er seit der ersten Antragstellung Österreich verlassen habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er im April 2018 eine Nacht in Deutschland verbracht, dann aber Angst bekommen habe.

Die Frage, ob er in Österreich Angehörige habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Bindung bestehe, verneinte der Beschwerdeführer.

Auf die Frage, ob er in Österreich integriert sei, gab an, im Dezember 2017 mit einer Koch- und Kellnerlehre begonnen zu haben. Überdies habe er Deutschkurse absolviert und die Deutschprüfung "A1" bestanden. Den Deutschkurs "A2" habe er begonnen und er habe auch die Prüfung am 23.06.2018 absolvieren wolle. Dann sei er aber nach Deutschland ausgereist, da er Angst gehabt habe abgeschoben zu werden.

An Bestätigungen legte der Beschwerdeführer (abgesehen von bereits zuvor vorgelegten Unterlagen) Folgendes vor: eine Bestätigung der Volkshochschule Salzburg vom 18.01.2018, wonach der Beschwerdeführer den Kurs "Deutsch für Asylwerbende - A2/1" von 04.09.2017 bis 17.01.2018 besucht habe, einen mit einem Hotelleriebetrieb in 5582 Sankt Michael im Lungau am 14.01.2018 abgeschlossenen Lehrvertrag (Lehrberuf: Gastronomiefachmann), demzufolge die Lehrzeit vier Jahre ab dem 20.12.2017 beträgt, einen entsprechenden Bescheid des Arbeitsmarktservice Tamsweg vom 12.12.2017, mit dem dem zuvorgenannten Hotelleriebetrieb ein Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer erteilt wird, sowie eine Bestätigung des MultiAugustinums vom 07.07.2017 über den Abschluss der "Übergangsstufe an BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch".

Im Anschluss an die Einvernahme hob das BFA mit mündlich verkündetem Bescheid gemäß § 12a AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz des Beschwerdeführers gemäß § 12 AsylG 2005 auf, wobei es begründend im Wesentlichen Folgendes ausführte: Im Zuge des Verfahrens über den Folgeantrag habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben, weswegen der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei. Eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 umschrieben könne nicht festgestellt werden. Das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers, von seiner Mutter am Telefon erfahren haben, dass er in Afghanistan ins Gefängnis müsste, weise keinen "glaubhaften Kern" auf, zumal es sich auf sein bereits im ersten Asylverfahren erstattetes, nicht glaubwürdiges Vorbringen beziehe. Auch eine sonstige relevante Gefährdung in Afghanistan bestehe - wie sich aus den getroffenen Länderfeststellungen ergebe - nicht. Sofern der Beschwerdeführer vorbrachte, bei einem Röntgen sei ein "Dorn" oder "Nagel" in seiner Lunge festgestellt worden, sei festzuhalten, dass er dazu keinerlei Unterlagen vorgelegt habe und überdies in seiner Schubhaft eine stationäre Betreuung nicht notwendig gewesen sei. Schließlich hätten sich keine Hinweise auf eine Integration in Österreich ergeben, die eine Aufenthaltsbeendigung in Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegenstünden. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Umstand, dass er eine Deutschprüfung erfolgreich absolviert habe, weiter Kurse besucht habe und integrationswillig sei, sei allein noch keine schützenswerte Integration, zumal der Beschwerdeführer während seines gesamten Verfahrens über keinen Aufenthaltstitel verfügt habe; im Rahmen seines Asylverfahrens sei ihm bloß Abschiebeschutz zugestanden.

Sodann wurde der Beschwerdeführer gefragt, ob er mit dieser Entscheidung einverstanden sei und ob er Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben wolle. Der Beschwerdeführer gab daraufhin an, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden sei und Beschwerde erhebe, wobei er "[z]ur Begründung auf [s]ein Vorbringen von heute" verwies.

Mit Schreiben vom 13.06.2018 legte das BFA den Verwaltungsakt betreffend den Folgeantrag des Beschwerdeführers dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

13. Auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes legte das BFA den Verwaltungsakt betreffend das erste Asylverfahren am 21.06.2018 vor.

14. Am 25.06.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013 bzw. andere, eventualiter angeführte Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben, wobei es sich den Bedenken anschloss, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Anfechtungsbeschluss vom 03.05.2018, Zl. A 2018/0003-1 (Ra 2018/19/0010), ins Treffen geführt hatte.

15. Mit Schreiben vom 25.06.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und dem BFA eine Ausfertigung des zuvor dargestellten Antrages an den Verfassungsgerichtshof, wobei es auf § 62 Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz, BGBl. 85/1953 (VfGG), hinwies.

16. Am 27.06.2018 wurde der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben.

17. Mit Erkenntnis vom 10.10.2018, Zl. G 186/2108-25 ua., wies der Verfassungsgerichtshof konkret angeführte Anträge des Verwaltungsgerichtshofes sowie des Bundesverwaltungsgerichtes, darunter den unter Punkt 14. dargestellten Antrag, soweit sie sich gegen § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013 sowie gegen § 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013 richten, ab sowie im Übrigen zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara an.

1.2. Das erste vom Beschwerdeführer initiierte Verfahren zur Erlangung internationalen Schutzes wurde mit Bescheid des BFA vom 04.07.2017 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde abgewiesen, subsidiärer Schutz in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht eingeräumt, ein Aufenthaltstitel wurde nicht gewährt und es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen.

1.3. Der Beschwerdeführer wurde am 26.06.2018 nach Afghanistan abgeschoben.

1.4. Eine entscheidungsrelevante Änderung ist weder hinsichtlich der individuellen Gefährdungssituation des Beschwerdeführers noch bezüglich der allgemeinen Lage in Afghanistan eingetreten.

1.5. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Angehörigen und ist hier in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht im Bundesgebiet nicht verfestigt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die zu Punkt 1.1. getroffenen Feststellungen zum Beschwerdeführer basieren auf dessen diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen.

2.2. Die Feststellungen zu Punkt 1.2. ergeben sich aus dem betreffenden Verwaltungsakt des BFA und dem diesbezüglichen hg. Verfahrensakt.

2.3. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 26.06.2018 - ungeachtet der Bestimmung des § 62 Abs. 3 VfGG - nach Afghanistan abgeschoben wurde, ergibt sich aus einer Auskunft aus der elektronischen Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

2.4. Die Feststellung zu Punkt 1.4. basiert auf folgenden Erwägungen:

Zunächst ist dem BFA darin Recht zu geben, dass (auch) das nunmehrige Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keinen "glaubwürdigen Kern" aufweist:

So verweist es zutreffend darauf, dass dieses Vorbringen auf den Angaben des Beschwerdeführers aufbaut, die er in seinem ersten Asylverfahren erstattet hat, die aber - wie das BFA richtig angenommen hat - unglaubwürdig sind, Denn es ist nicht nur wenig plausibel, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatdorf christliche Bücher verteilt, ohne sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Konsequenzen dies für ihn haben kann, sondern die Angaben sind überdies insofern in einem zentralen Punkt widersprüchlich, als seine Aussagen bei der ersten Befragung vor dem BFA nur so verstanden werden können, dass ihm von Anfang an bewusst war, dass es christliche Bücher sind, die er verteilen solle, während er bei der zweiten Einvernahme vorbrachte, er habe nicht gewusst, dass es sich um derartige Bücher handle. Vor diesem Hintergrund geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Mutter habe ihm am Telefon davon berichtet, dass sich zwei andere Personen, die ebenfalls christliche Bücher verteilt hätten, in Afghanistan im Gefängnis befänden (wobei nahe liegt, dass der Beschwerdeführer damit seine beiden Freunde meinte, die nach seinen Angaben im ersten Asylverfahren mit ihm die Bücher verteilt hätten) nicht den Tatsachen entspricht. Sofern der Beschwerdeführer überdies vorbrachte, dass in Österreich zwei afghanische Konvertiten von anderen Afghanen zusammengeschlagen worden seien, und in diesem Zusammenhang anmerkte, er habe aus Angst, dass ihm dasselbe passiere, nicht die Religion nicht gewechselt, geht das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auch aufgrund des Umstandes, dass sich das ursprüngliche Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, das ebenfalls einen Konnex zum Themenbereich "Christentum" bzw. "Apostasie" aufwies, wie oben dargestellt als tatsachenwidrig herausgestellt hat, davon aus, dass Gleiches für Behauptungen bezüglich einer beabsichtigten Konversion zum Christentum gilt.

Überdies kann dem BFA nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgeht, dass sich die maßgebliche Lage in Afghanistan seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens nicht entscheidungsrelevant geändert hat. Dabei kann dahin stehen, ob Kabul in Hinblick auf die Ausführungen des UNHCR in seinen Richtlinien zum internationalen Schutzbedarf afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 für den Beschwerdeführer weiterhin als Relokationsmöglichkeit in Betracht kommt; denn für Mazar-e Sharif werden im genannten Papier vergleichbare Bedenken nicht angeführt. Dabei ist festzuhalten, dass - wie das BFA zutreffend festgestellt hat - keine medizinischen Probleme des Beschwerdeführers anzunehmen sind, die bei Beurteilung dieser Frage von Relevanz wären.

2.5. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt, gründet auf dessen diesbezüglichen Vorbringen. Die Feststellung zur fehlenden Integrationsverfestigung ergibt sich aus dem Umstand, dass sich aus der Absolvierung des ÖSD-Zertifikates A1, dem Abschlusses der Übergangsstufe, gemeinnütziger Tätigkeit, aber auch dem Antritt einer Lehre, wobei der Beschwerdeführer den damit verbundenen Verpflichtungen jedoch spätestens ab seiner Einreise nach Deutschland am 24.04.2018 nicht nachgekommen ist, ein hinreichend fest verankertes Privatleben in Österreich nicht ableiten lässt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A):

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 lautet:

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Da im gegenständlichen Fall die belangte Behörde im Zuge eines Folgeantrages des Beschwerdeführers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz des Antragsteller aufgehoben hat, war diese Entscheidung gemäß § 22 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Eine Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Bestimmungen liegt - wie sich aus dem oben erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergibt - nicht vor.

Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG 2005 im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass gegen den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.06.2018 bereits eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt. Insofern ist die Z 1 des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt.

Die Z 2 des § 12a AsylG 2005 verlangt, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. Aus den erläuternden Bemerkungen zum mit BGBl. 122/2009 eingefügten § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Z 2 des § 12a eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrages verlangt.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Behauptet die Partei in einem neuen Antrag (zB Asylantrag), dass in den für die Beurteilung ihres Begehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, so muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz für das Verfahren zukommt und an den die Prognose anknüpfen kann, dass eine andere Beurteilung des Antrages und ein anderes Verfahrensergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen (grundlegend VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch VwGH 22.11.2005, 2005/01/0626; 21.03.2006, 2006/01/0028). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" auseinander zu setzen (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 15.03.2006, 2006/17/0020).

Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Unter Zugrundelegung der oben getroffenen Feststellungen ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Folgeantrag im Vergleich zu seinem Vorbringen im Verfahren betreffend seinen Erstantrag kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.

Nach Anstellung einer Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Folgeantrages kommt das Bundesverwaltungsgericht sohin zum Ergebnis, dass der gegenständliche Folgeantrag des Antragstellers gemäß § 68 Abs. 1 AVG voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil im Zuge der Grobprüfung durch das Gericht keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes im Vergleich zum Vorverfahren hervorgetreten ist.

Die Z 3 des § 12a AsylG verlangt eine Prüfung der Gefährdungssituation im Hinblick auf die relevanten Bestimmungen der EMRK, da die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes eine Außerlandesbringung des Asylwerbers zur Folge haben könnte (Grundsatz des Non-Refoulement).

Was die Gefährdungssituation des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat angeht, ist -abgesehen davon, dass von der Tatsachenwidrigkeit des individuellen Fluchtvorbringens auszugehen ist - festzuhalten, dass auch im zweiten Asylverfahren keine Umstände aufgezeigt worden bzw. zu Tage getreten sind, aufgrund derer - auch bezüglich der Frage, ob der Existenz einer hinreichenden Lebensgrundlage - angenommen werden müsste, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer außergewöhnlichen, exzeptionellen Gefährdung ausgesetzt wäre. Wie dabei überdies festzuhalten ist, kann nicht angenommen werden kann, dass der Beschwerdeführer an einer schweren Krankheit leidet.

Somit stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat für ihn keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar und besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Schließlich kann in Hinblick auf die getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden, dass ein allfälliger Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht gemäß § 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt wäre. Denn wie vom BFA zutreffend festgehalten, war der vom Beschwerdeführer in Österreich verbrachte Aufenthalt insofern unsicher, als er - sofern er nicht (wie im Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Abweisung des ersten Antrages und der Stellung des zweiten Antrags auf internationalen Schutz) überhaupt illegal war - rechtlich ausschließlich auf der Stellung solcher Anträge beruhte. Zwar ist anzuerkennen, dass der Beschwerdeführer seine bisherige Zeit in Österreich genutzt hat, um an (Deutsch-)Kursen teilzunehmen, Hilfstätigkeiten nachzugehen und Aktivitäten zur Ausbildung zu setzen, dabei u.a. eine Lehre zu beginnen. Der Beschwerdeführer (und sein Umfeld) musste(n) sich aber während dieser Zeit bei allfälligen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein. Der Beschwerdeführer ist ein junger, erwachsener, gesunder und arbeitsfähiger Mann. Er verbrachte den Großteil seines bisherigen Lebens in seinem Herkunftsstaat Afghanistan sowie einige Jahre im Iran, womit von einem engen Bezug zu dem sprachlichen, sozialen und kulturellen Umfeld auszugehen ist. Der Großteil seiner Familienangehörigen, darunter seine Mutter, leben nach wie vor im Herkunftsstaat. Von einer langjähren und/oder entsprechend tief verfestigten Sozialisation in Österreich kann bei der vorliegenden Aufenthaltsdauer, auch unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Aktivitäten in Österreich - wie festgestellt - nicht gesprochen werden.

Insgesamt lässt sich daher unter Berücksichtigung der Umstände des Falles - darunter das Fehlen von in Österreich lebenden Angehörigen - bei einer gewichtenden Gegenüberstellung der vorhandenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich mit dem erwähnten öffentlichen Interesse nicht sagen, dass der Eingriff unverhältnismäßig wäre.

Da somit sämtliche Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der gegenständlich zu überprüfende mündlich verkündete Bescheid des Bundesasylamtes als im Einklang mit dem Gesetz stehend und war gemäß § 22 BFA-VG wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.2.2. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

3.2.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W176.2171504.3.00

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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