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L34006 Abgabenordnung Steiermark;Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der D Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Graz vom 8. Februar 1999, Zl. A8R-K-1671/1998-1, betreffend Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung in einer Getränkesteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Stadt Graz hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Eingabe vom 3. August 1998, die Getränkesteuerschuld für die Zeiträume 1995 bis 1997 sowie Jänner bis Juli 1998 mit Null festzusetzen und die von ihr in diesen Zeiträumen einbezahlte Getränkesteuer rückzuerstatten. In dieser Eingabe wies die Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf hin, dass sie bestrebt sei, "Anlassfall" beim Verfassungsgerichtshof zu werden und daher keine Veranlassung für eine Aussetzung des Verfahrens bestehe.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 1998 setzte der Stadtsenat der Stadt Graz die Getränkeabgabe für die Jahre 1995 bis 1997 in der Höhe von S 752.917,-- fest und lehnte die Rückzahlung dieser Abgabe ab.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. In diesem Berufungsschriftsatz wurde kein "Antrag" auf Aussetzung der Entscheidung gestellt.
In einem Aktenvermerk vom 17. Dezember 1998 wurde auf dem bei der Behörde eingereichten Berufungsschriftsatz handschriftlich festgehalten:
"Lt. Telefonat vom 17.12.1998 mit Herrn Schreder Peter wird die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 211 LAO beantragt."
Aus einem weiteren Aktenvermerk ergibt sich, dass S. der zur Erstellung der Jahreserklärung der Getränke- und Speiseeissteuer zuständige Mitarbeiter der Beschwerdeführerin ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Februar 1999 setzte die belangte Behörde die Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom 30. Oktober 1998 bis zur Entscheidung über die beim Verwaltungsgerichtshof näher bezeichneten anhängigen Beschwerden gemäß § 211 Steiermärkische LAO aus. Dies mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe mit der Berufung auch die Aussetzung der Entscheidung bis zum Ergehen der näher bezeichneten höchstgerichtlichen Erkenntnisse beantragt. Da die Argumente der Beschwerdeführerin betreffend die Vorschreibung der Getränke- und Speiseeisabgabe bereits Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Beschwerdeverfahren seien und die Beschwerdeführerin durch die Antragstellung zu erkennen gegeben habe, dass der Aussetzung der Entscheidung überwiegende Interessen ihrerseits nicht entgegenstünden, sei die Entscheidung über das Rechtsmittel gegen den erstangefochtenen Abgabenbescheid bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem präjudiziellen Beschwerdeverfahren auszusetzen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtaussetzung des Verfahrens verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann gemäß § 211 Steiermärkische LAO die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.
Die belangte Behörde stellt in ihrer Entscheidung fest, die Beschwerdeführerin habe im Berufungsschriftsatz auch den "Antrag" auf Aussetzung der Entscheidung gestellt. Dies ist aktenwidrig. Ein solcher "Antrag" ist dem Berufungsschriftsatz nicht zu entnehmen.
Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 gemäß § 62 Abs. 1 Steiermärkische LAO schriftlich, telegrafisch oder durch Fernschreiben einzureichen (Eingaben).
Die Abgabenbehörde hat gemäß § 62 Abs. 3 Steiermärkische LAO mündliche Anbringen der in Abs. 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen, a) wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen, oder b) wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist, oder c) wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann. Zur Entgegennahme mündlicher Anbringen ist die Abgabenbehörde nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden verpflichtet, die bei der Abgabenbehörde durch Anschlag kundzumachen sind.
Gemäß § 64 Abs. 1 Steiermärkische LAO ist in den Fällen der unmittelbaren oder sinngemäßen Anwendung des § 62 Abs. 3 Steiermärkische LAO das Anbringen, soweit nicht in Abgabenvorschriften anderes bestimmt ist, seinem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten.
Telefonische Anbringen sind keine "mündlichen" Anbringen; telefonische Anbringen sind nur zulässig, wenn sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sind. Dies schließt nicht aus, telefonische Mitteilungen, die in Aktenvermerken festzuhalten sind, in freier Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. Ritz, BAO Kommentar2, Rz 9 zu § 85 BAO).
Niederschriften sind aufzunehmen, wenn Anbringen unter unmittelbarer oder sinngemäßer Anwendung des § 85 Abs. 3 BAO (entspricht § 62 Abs. 3 Steiermärkische LAO) mündlich vorgebracht werden (vgl. Ritz, BAO Kommentar2, Rz 2 zu § 87 BAO).
Das im Aktenvermerk vom 17. Dezember 1998 und nicht in einer Niederschrift festgehaltene Telefonat war kein ausdrücklich gesetzlich vorgesehenes mündliches Anbringen und damit auch keine rechtsverbindliche Anregung der Beschwerdeführerin, auf die sich die belangte Behörde stützen hätte können. Es erübrigt sich daher auf die fehlende Feststellung der Behörde über die Legitimation des Mitarbeiters der Beschwerdeführerin zur Abgabe einer Erklärung über die Aussetzung der Entscheidung nach § 211 Steiermärkische LAO näher einzugehen. Entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid lagen im Beschwerdefall weder ein "Antrag" noch eine für die Behörde verbindliche Anregung auf Aussetzung der Entscheidung vor.
Vor Erlassung des Aussetzungsbescheides ist die Partei von der beabsichtigten Aussetzung zu verständigen, es sei denn, die Partei selbst regt die Aussetzung an. Eine Nichtverständigung ist ein Verfahrensmangel, der dann zur Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führt, wenn er wesentlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1985, Zl. 84/15/0053).
Eine in Wahrung des Parateiengehörs erforderliche Verständigung der Beschwerdeführerin von der beabsichtigten Aussetzung der Entscheidung erfolgte nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides und nach dem Inhalt der vorgelegten Akten nicht.
In der Beschwerde legte die Beschwerdeführerin konkret dar, es stünden überwiegende Interessen aus dem drohenden Verlust der "Ergreiferprämie" beim Verfassungsgerichtshof der Aussetzung der Entscheidung entgegen. Damit hat die Beschwerdeführerin die Wesentlichkeit der Verfahrensmängel dargetan.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Mit Rücksicht auf die Entscheidung in der Sache erübrigt sich ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 1. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999160097.X00Im RIS seit
20.11.2000