TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/6 W164 2177357-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2018
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Entscheidungsdatum

06.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W164 2177355-1/11E

W164 2177357-1/11E

W164 2177353-1/11E

W164 2177359-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) XXXX , geb. XXXX , (2.) XXXX , geb. XXXX , (3.) XXXX , geb. XXXX , und (4.) XXXX , geb. XXXX , alle STA Afghanistan, alle ehemals vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich., nun vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche, Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 13.10.2017, (1.) Zl. 1076150107-150784691, (2.) Zl. 1076154705-150784815, (3.) Zl. 1003050906-14464368 und (4.) Zl. 1076155201-150784888, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 19.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und (1.) XXXX (2.), XXXX , (3.) XXXX , und (4.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass (1.) XXXX (2.) XXXX , (3.) XXXX , und

(4.) XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3) reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 17.03.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) ist sein Vater, die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) ist seine Mutter und die Viertbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF4) ist seine Schwester. Diese reisten ebenfalls illegal nach Österreich ein und stellten am 02.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF3, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gab bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, er sei am XXXX in Herat, Afghanistan, geboren, sei ledig, Schiit und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er habe von 2004 bis 2007 die Grundschule besucht. Zuletzt habe er in XXXX , XXXX , gelebt. Von 2008 bis 2011 habe er sich illegal in Teheran, Iran, aufgehalten. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass seine zwei Brüder bei der Polizei in Afghanistan gearbeitet hätten. Sein Vater sei Koch bei den Ausländern gewesen. Sein Vater sei von einem Mullah, einem Mitglied der Taliban, bedroht worden. Der Vater hätte Gift ins Essen mischen sollen. Dem habe sich der Vater widersetzt und sei er von den Taliban entführt worden. Dem Vater sei eine Hand abgeschnitten worden. Ein Bruder des BF3 sei von den Taliban ermordet worden.

Eine Röntgenuntersuchung vom 09.04.2014 ergab, dass der BF eindeutig minderjährig sei.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vom 09.06.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) gab der BF3 zu seinem Fluchtgrund an, sein Vater habe bei einer XXXX XXXX firma namens XXXX als Koch im Ort XXXX gearbeitet. Die Familie habe in XXXX gelebt, sodass der Vater nur alle zwei Wochen nach Hause gekommen sei. Nachdem sein Vater eine Wohnung in der Nähe seines Arbeitsortes gefunden habe, sei die ganze Familie dorthin gezogen. Sie hätten dann weit weg von den älteren Brüdern gelebt und diese hätten dann nicht so oft zu ihnen kommen können. Wenn die Brüder sie besuchten, seien diese immer mit dem Polizeiauto zu ihnen gekommen. Als der BF3 einmal draußen gespielt habe, habe ihn der Mullah über seine Familie befragt und zwar insbesondere darüber, was sein Vater und seine Brüder machen würden. Ein paar Tage später sei der Mullah mit zwei weiteren Personen zu ihnen nach Hause gekommen und hätte nach seinem Vater gefragt. Sein Vater habe den übrigen Familienmitgliedern gesagt, dass sie in einem anderen Zimmer bleiben sollten. Als sein Vater nach einer Stunde noch nicht aus dem Zimmer herausgekommen gewesen sei, habe die Mutter dem BF3 gesagt, dass er nachsehen solle. Da habe er gesehen, dass sein Vater zwischen den beiden Personen und dem Mullah gesessen sei und dazwischen seien auch eine Waffe und ein Buch gelegen. Ein paar Minuten später sei sein Vater aus dem Zimmer gekommen. Am nächsten Tag sei der Vater zu Mittag von der Arbeit nach Hause gekommen, sie hätten die wichtigsten Sachen gepackt und seien nach XXXX gefahren, zu einem seiner Brüder. Der andere Bruder sei angerufen worden und von seiner Arbeit in Herat gekommen. Der Vater habe ihm erzählt, dass ihm mit seinem Tod und dem Tod seiner Kinder gedroht worden sei. Daraufhin habe dieser Bruder seine Arbeit verlassen. Der andere Bruder habe weiter bei der Polizei gearbeitet. Nach ein paar Tagen habe der Nachbar die Familie gewarnt, dass sie wegmüssten. Daraufhin habe der Vater dem BF3 und seinen beiden Brüdern gesagt, dass sie weglaufen sollen. Sie seien dann zu dritt in die Berge gelaufen und hätten dort übernachtet. Als sie in der Früh heimkamen, hätten Mutter und Schwester geweint. Sie hätten erfahren, dass die Taliban den Vater mitgenommen hätten. Der Bruder habe den ganzen Tag vergeblich nach dem Vater gesucht. Die ganze Nacht habe die Familie nicht geschlafen, sondern befürchtet, dass die Taliban wieder kommen würden. In der Früh habe es wieder geklopft. Die Mutter sei nachschauen gegangen und habe zu schreien und weinen begonnen. Jemand habe seinen Vater gebracht, der voll Blut gewesen sei. Die Taliban hätten seinen Arm abgeschnitten und er sei auch am Bauch verletzt gewesen. Die Mutter und die beiden Brüder hätten den Vater in eine Klinik gebracht. Die Ärzte dort hätten gesagt, dass er sofort in ein Spital müsse. Daraufhin hätten die Mutter und ein Bruder den Vater in ein Spital nach Kabul gebracht. Der anderer Bruder hätte zum BF3 und seiner Schwester fahren sollen, sei aber unterwegs von Taliban angehalten und getötet worden. Der Nachbar habe dem BF3 und seiner Schwester dann geholfen, ein Auto nach Kabul zu bekommen. Dort angekommen habe die Schwester den Bruder angerufen, der sie in eine Unterkunft gebracht habe. Etwa ein Monat hätten sie sich in Kabul aufgehalten und seien dann in den Iran ausgezogen.

Der BF1, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gab bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.08.2015 im Wesentlichen an, er sei am XXXX geboren, sei verheiratet, Schiit und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er habe keine Ausbildung und habe zuletzt als Hilfsarbeiter und Koch gearbeitet. Zuletzt habe er in Maydan Wardak, XXXX , gelebt. Er sei mit seiner Familie vor ungefähr sechs Jahren aus Afghanistan ausgereist und sie hätten sich drei Jahre in Teheran und danach zwei Jahre und acht Monate in der Türkei aufgehalten bis sie nach Österreich eingereist seien. Afghanistan hätten aus Angst vor den Taliban verlassen. Diese hätten den BF1 mitgenommen, ihn geschlagen und ihm die linke Hand abgehackt, da seine Söhne XXXX (im Folgenden: H) und XXXX (im Folgenden: A) für die afghanische Nationalarmee bzw. Polizei gearbeitet hätten und er selbst für eine staatliche Firma als Koch tätig gewesen sei. Sein Sohn H. sei von den Taliban vor ca. 6 Jahren ermordet worden.

Die BF2, eine Staatsangehörige von Afghanistan, gab bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, sie sei am XXXX in XXXX , Afghanistan, geboren, sei verheiratet, Schiitin und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Sie habe keine Ausbildung und habe zuletzt als Schneiderin gearbeitet. In Afghanistan habe sie zuletzt in XXXX gelebt und davor in Herat. Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass sie Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen hätten. Ihr Sohn H. sei von den Taliban getötet worden. Daher suche sie für ihre Tochter und sie um Asyl an.

Am 22.06.2017 wurde der BF3 erneut vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und machte nähere Angaben zu seinem Privat und Familienleben in Österreich.

Am 07.08.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF1 und der BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt.

Der BF1 bestätigte zunächst seine Angaben betreffend seine persönlichen Daten, die er bereits bei der Erstbefragung bekannt gegeben hat. Er legte außerdem eine Kopie seiner Tazkira und zwei Deutschkursbestätigungen vor. Zu seinem gesundheitlichen Zustand gab er an, dass er asthmatische Beschwerden habe und seine Prothese derzeit nicht trage, da eine Schraube kaputtgegangen sei. Zu seinem Lebenslauf führte der BF1 ergänzend an, er sei in Kabul aufgewachsen. Sein Vater sei entführt worden als er ungefähr 15 Jahre alt gewesen sei. Danach habe der BF1 zu arbeiten begonnen. Mit 18 oder 19 Jahren sei er in den Iran gereist, habe dort geheiratet und bei einer Firma gearbeitet, die Plastik hergestellt habe. Nach sieben bis acht Jahren sei er wieder nach Kabul ins Haus seiner Eltern zurückgekehrt. Dort habe er einen Minibus gehabt und einen Fahrer beschäftigt. Vier bis fünf Jahre später sei er nach Herat gegangen. Dort habe er in einer Küche gearbeitet. Sein Sohn habe zunächst ein Geschäft für Kleidung eröffnet und sei dann Polizist geworden. Bis 1387 sei er in Herat gewesen und dann in den Iran gegangen. Danach habe er in der Türkei gelebt. Den BF3 sehe er jede zweite Woche. Über Nachfragen gab er an, dass er zur Zeit von Karzai vom Iran nach Afghanistan zurückgekehrt sei und dass die Taliban damals noch an der Macht gewesen seien. Auf diesen Widerspruch angesprochen meinte er, dass sie zwar damals schon gewählt hätten, aber Karzai noch nicht in der Regierung gewesen sei. Der BF3 sei in Herat geboren worden.

Zu seinem Fluchtgrund gab der BF1 an, dass die Schiiten in Afghanistan keine Rechte hätten und von den Taliban festgenommen, geschlagen und geköpft würden. Seine Sohn A sei bei der Polizei in Herat und sein Sohn H bei der Polizei in Maydan Wardak gewesen. Der BF1 selbst habe bei der Firma XXXX in XXXX in der Küche gearbeitet. Das sei von seinem Wohnort in XXXX weit entfernt gewesen, weshalb er nur alle zwei oder drei Wochen nach Hause gekommen sei. Deshalb hätten sie beschlossen nach XXXX zu übersiedeln. Ungefähr ein Monat später hätten drei Männer an die Türe geklopft. Der BF3 habe geöffnet und den BF1 geholt. Die drei Personen hätten ihn dann gefragt, warum seine Söhne für die Polizei arbeiten würden und ob er für diese Firma in der Küche arbeiten würde, wo auch XXXX und XXXX hinkommen würden. Er habe geantwortet, dass es gut sei, dass seine Söhne etwas für Afghanistan machen würden und dass in der Firma keineswegs regelmäßig Ausländer essen würden. Die Personen hätten ihm dann gesagt, dass seine Söhne ihre Arbeit bei der Polizei verlassen sollten und dass der BF1 eine Substanz, die sie ihm geben würden, unter das Essen mischen solle. Der BF1 habe widersprochen. Da hätten sie eine Waffe gezogen und gemeint, dass sie wiederkommen würden und ihn und seine Söhne töten würden. Das habe er seiner Frau und seinem Sohn H erzählt. Am nächsten Tag sei er zur Arbeit gegangen. Er habe seinem Gehilfen gesagt, dass er einkaufen gehe, sei aber zu seiner Familie gefahren und sie seien gemeinsam nach Herat und weiter nach Kabul gefahren. Dort hätten sie eine Nacht verbracht und seien dann nach Maydan Wardak gefahren. Nach zwei bis drei Wochen Aufenthalt in Maydan Wardak habe ihnen ein Nachbar gesagt, dass sie von drei oder vier Männern gesucht würden. Daher habe der BF1 seinen Söhnen gesagt, dass sie sich in den Bergen verstecken sollen. Dann seien die Leute in sein Haus gekommen, hätten ihn und seine Frau geschlagen und gefragt, wo seine Söhne seien und warum er nicht gefolgt habe. Er habe seine Söhne aber nicht verraten. Sie hätten ihn dann zu einer Holzhütte mitgenommen, die ungefähr eine Stunde zu Fuß entfernt gewesen sei, und hätten ihn bis zum nächsten Tag dort festgehalten und geschlagen, sodass er immer wieder ohnmächtig geworden sei. Er sei immer wieder aufgefordert worden zu sagen, wo seine Söhne seien, und ihm sei gedroht worden, dass er sonst umgebracht würde. Einmal als er wieder zu sich gekommen sei, habe er gemerkt, dass sie seinen Arm abhacken würden. Danach habe er gemerkt, dass sie seinen Unterarm auf seine Brust gelegt hätten und nicht mehr da seien. Daraufhin habe er versucht zu fliehen, sei dabei aber wieder ohnmächtig geworden. Als er wieder zu sich gekommen sei, sei er im Krankenhaus gewesen. Ein Hirte habe ihn gefunden und seine Frau und seine Söhne A und H hätten ihn ins Krankenhaus gebracht. Das sei ihm so erzählt worden. H sei dann zurück zu den anderen Kindern gefahren, sei aber am Weg umgebracht geworden. Im Krankenhaus sei der BF1 zunächst stationär gewesen und danach hätten sie sich in einem Hotel aufgehalten. Von dort seien sie dann in den Iran gezogen, wo sie zwei Jahre und acht Monate geblieben seien, und danach seien sie weiter in die Türkei gereist. Über Nachfragen, weshalb er sich nicht aufgrund dieser Vorfälle an die Polizei gewandt habe, meinte der BF1, dass man bei der Polizei niemandem vertrauen könne. Manche Polizisten seien am Abend Taliban gewesen.

Die BF2 gab zu ihrem Lebenslauf an, dass sie mit ihrer Familie in den Iran gegangen sei und dort ihren Mann geheiratet habe. Sie habe dann mit ihrem Mann in Kabul, Herat und in einer Ortschaft gelebt, deren Namen sie nicht mehr wisse. Ihre Söhne A und H seien im Iran auf die Welt gekommen, der BF3 in Herat und die BF4 im Iran. Sie habe ungefähr zwei Jahre im Iran einen Alphabetisierungskurs besucht. Mit etwa 15 Jahren habe sie geheiratet. Dann seien ihre beiden Söhne A und H zur Welt gekommen und sie seien nach Kabul gezogen. Zu dieser Zeit seien die Taliban an der Macht gewesen. Der BF1 habe dort ein Haus geerbt; das Erbe aufgeteilt worden. Die Tochter XXXX (im Folgenden: Z) sei in Kabul geboren worden. Der BF1 habe einen Minibus gehabt und ein Fahrer, den er bezahlt habe, habe die Leute befördert.

Zu ihrem Fluchtgrund berichtete die BF2 über einen Konflikt mit einer Familie aus Anlass dessen, dass sich der Sohn A. mit deren Tochter verloben wollte und sie etwas später tatsächlich geheiratet habe. Der BF1 habe zu dieser Zeit in XXXX gelebt. Der Sohn H sei dann bei der Polizei angestellt gewesen und auch A habe bei der Polizei zu arbeiten begonnen. Der BF1 sei nur alle zwei Wochen oder einmal im Monat nach Hause gekommen. Unterwegs habe er damit rechnen müssen, von den Taliban aufgehalten zu werden. Aus Sorge um ihren Mann habe die BF2 vorgeschlagen näher zu seinem Arbeitsort zu ziehen. Am neuen Wohnort hätten viele Paschtunen gelebt, was die BF2 vorher nicht gewusst habe. Nach ungefähr zwei Monaten seien Leute zu ihnen gekommen und ihr Mann habe sie hereingelassen. Die BF2 habe zunächst gedacht, dass jemand um die Hand ihrer Tochter anhalten möchte. Ihr Mann habe ihr dann jedoch erzählt, dass die Leute ihn nach seiner Arbeit gefragt hätten und nach den beiden Söhnen bezüglich ihrer Arbeit bei der Polizei. Sie hätten ihnen vorgeworfen die Ungläubigen zu unterstützen und hätten ihm angeboten, stattdessen gemeinsam mit seinen Söhnen für sie zu arbeiten. Sie hätten dem BF1 etwas gegeben, das er ins Essen mischen sollte. Der BF1 habe sich zunächst geweigert und sie seien wiedergekommen. Die BF2 habe mit dem BF1 beschlossen, nach XXXX zu fahren um dort die Verlobung des Sohnes H zu feiern. Ihr Mann habe in der Arbeit zu seinem Gehilfen gesagt, dass er einkaufen gehen würde, sei dann mit einem Auto zu ihnen gekommen und sie seien nach Herat, dann Kabul und weiter nach Maidan Wardak und XXXX gefahren. Dann sei ein Nachbar gekommen und habe gesagt, dass verdächtige Personen nach ihnen gefragt hätten. Ihre drei Söhne seien aus dem Fenster geflüchtet. Sie, ihr Mann und die Tochter Z hätten es nicht aus dem Fenster geschafft. Sie seien von den Männern geschlagen worden. Den BF1 hätten die Leute mitgenommen. Die BF2 sei mit Z zu den Nachbarn gegangen und habe dort übernachtet. In der Früh seien die Söhne gekommen. Die BF2 habe sich gefreut. H habe überlegt in die Arbeit zu gehen und die Leute in der Umgebung nach dem Verbleib des Vaters zu fragen. Dann sei ein Hirte gekommen und habe den BF1 auf einem Esel gebracht. Die BF2 habe gedacht, dass er tot sei, aber er sei nur ohnmächtig gewesen. Sie hätten seinen Puls gefühlt. Er sei voller Blut gewesen und ein Arm habe ihm gefehlt. H hat ein Auto organisiert um den Vater zum Arzt zu bringen. Der BF1 habe eine Infusion erhalten. Die Ärzte hätten geraten, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Die BF2 habe vorgeschlagen, dass A den Vater ins Krankenhaus bringe und H zu den anderen Kindern fahren solle. Diese seien noch bei den Nachbarn gewesen. Von Kabul aus habe A versucht, H telefonisch zu erreichen und als sie Zahra erreicht hätten, habe diese gemeint, dass H nicht bei ihnen sei. Drei Tage später habe die BF2 erfahren, dass H umgebracht wurde. A habe dann Kontakt mit dem Nachbarn aufgenommen und habe die Geschwister abgeholt. Nach etwa einem Monat sei die Familie in den Iran gezogen. Die Schwiegertochter (Anm.: Frau des A.) habe die BF2 ein paar Monate später in den Iran geholt: Sie sei mit Z. nach Afghanistan gefahren, habe die Schwiegertochter getroffen und in den Iran mitgenommen.

Mit vier Bescheiden des BFA vom 13.10.2017, (1.) Zl. 1076150107-150784691, (2.) Zl. 1076154705-150784815, (3.) Zl. 1003050906-14464368 und (4.) Zl. 1076155201-150784888 wurden die Anträge der BF1-4 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde ihnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.10.2018 erteilt.

Begründend wurde betreffend den BF1 im Wesentlichen ausgeführt, dass ihm in Afghanistan keine Verfolgung drohe. Sein Fluchtvorbringen sei nicht plausibel. Der BF1 und seine Frau hätten es in keinen realistischen zeitlichen Rahmen setzen können. Auch seien die Angaben zu seiner Einlieferung ins Spital widersprüchlich gewesen. Auch keinem anderen Familienmitglied sei der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen. Zu seiner Situation im Fall einer Rückkehr wurde festgestellt, dass der BF1 behindert und höchstens eingeschränkt arbeitsfähig sei. Die Familie verfüge auch nicht über ein gesichertes und tragfähiges soziales Netz in Afghanistan. Daher sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Die Bescheide betreffend die BF2, BF3 und BF4 entsprechen im Wesentlichen dem Bescheid betreffend den BF1 bzw. wurde auf die darin angeführte Begründung verwiesen, da keine eigenen Fluchtgründe festgestellt worden seien. Eine asylrelevante Verfolgung der BF2 oder der BF4 aufgrund des Geschlechts sei nicht gegeben.

Mit Verfahrensanordnung vom 16.10.2017 wurde den BF1-4 amtswegig ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt.

Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide erhoben die BF 1-4 fristgerecht durch ihre Rechtsberatung Beschwerde gegen und führten nach Wiedergabe des Verfahrensganges und des von den BF1-4 vorgebrachten Sachverhaltes aus, dass die Beweiswürdigung unzutreffend sei. Die BF1-3 hätten ihr Fluchtvorbringen in freier Erzählung sehr detailliert geschildert. Ihre Angaben seien nicht deckungsgleich wie bei einer eingelernten Geschichte, sondern würden je nach Blickwinkel unterschiedliche Aspekte betonen. Die Ungenauigkeiten bei den zeitlichen Angaben würden sich daraus erklären, dass die Sachverhalte teilweise Jahrzehnte zurückliegen. Dass der Mullah die Familie in Maydan Wardak gefunden habe, sei dadurch zu erklären, dass der BF1 und der BF3 diesem gesagt hätten, dass der Sohn H. in Maydan Wardak Polizist sei. Dass die Familie keine Untersuchungen bei der Polizei eingeleitet hätte sei nachvollziehbar, da sich die Ereignisse überschlagen hätten und die Familie stets zum sofortigen Handeln gezwungen gewesen sei. Auch die vom BFA ins Treffen geführten Widersprüche bezüglich der Einlieferung ins Krankenhaus seien erklärbar bzw. sei darauf hinzuweisen, dass der BF1 diesen Sachverhalt nur vom Hörensagen kenne.

Aus den UNHCR-Richtlinien gehe auch hervor, dass Mitarbeiter der Regierung und Unterstützer internationaler Organisationen einem erhöhten Risiko ausgesetzt seien, Opfer von Übergriffen Aufständischer zu werden. Da der BF1 die Zusammenarbeit mit seinen Angreifern verweigert habe, handle es sich um eine Verfolgung aus politischen Motiven.

Die BF2 und die BF4 würden einen westlichen Lebensstil führen. Auch die Tochter Z lebe als alleinerziehende Mutter in Deutschland und führe einen westlichen Lebensstil. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wären sie bei einer Beibehaltung dieser Lebensweise relevanter Verfolgung ausgesetzt.

Am 19.10.2018 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu der alle BeschwerdeführerInnen in Anwesenheit ihrer Rechtsvertretung teilnahmen. Das ebenfalls geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm nicht an der Verhandlung teil.

Der BF1 machte die folgenden ergänzenden Angaben:

Er sei in Kabul, Afghanistan geboren und aufgewachsen. Ab seinem 13. Lebensjahr habe er gearbeitet. Sein Vater habe ein Geschäft gehabt, wo man Kochgeschirr hergestellt habe. Dort habe er mitgearbeitet. Mit 18 Jahren seit der BF1 in den Iran gezogen. Dort habe er die BF2 geheiratet. Im Iran seit der BF1 in einer Plastik Kunststofffabrik tätig gewesen. Nach Afghanistan zurückgezogen sei die Familie, da der BF1 im Iran Probleme mit der Aufenthaltsbewilligung bekommen habe. Dies sei etwa im Jahr 1370 gewesen. Nach Meinung des BF1 sei dies der Anfang der Regierung Karzai gewesen; genau wisse es der BF1 aber nicht. Er habe sich mit der Politik in Afghanistan nie beschäftigt. Die erste Station in Afghanistan nach der Rückkehr aus dem Iran sei Kabul gewesen. Dort habe BF1 ein Minibusunternehmen gehabt. Dieses habe er nach einiger Zeit aufgegeben und sei mit seiner Familie nach Herat gezogen um etwas Neues zu beginnen. Das Geschäft sei nicht mehr gut gegangen. In Herat habe der BF1 Kleider verkauft. Die Arbeit in der " XXXX Firma" habe ihm ein Verwandter vermittelt, der bei dieser Firma als Kraftfahrer gearbeitet habe. Dieser habe ihm geholfen, eine Einstellung als Koch zu bekommen. Der BF1 habe etwa anderthalb Jahre bei dieser Firma gearbeitet, er glaube, in den Jahren 1387 und oder 1386. Es habe sich eigentlich nicht um eine XXXX Firma gehandelt. Es seien dort nur Italiener ein und ausgegangen: XXXX und XXXX hätten kontrolliert, ob das Essen die erforderliche Qualität habe und ob auf Hygiene geachtet werde. In der Firma hätten vier oder fünf Ingenieure gearbeitet. Der Rest seien afghanische Mitarbeiter gewesen. Es habe sich um eine staatliche Firma gehandelt. Der Staat habe diese XXXX - XXXX Kontrollorganisation beauftragt, überall dort zu kontrollieren, wo staatliche Projekte stattfinden. Diese Leute seien dann immer in gepanzerten Autos und unter dem Schutz bewaffneter Personen gekommen. XXXX liege wahrscheinlich im Distrikt XXXX , jedenfalls nahe XXXX . Die Familie habe in XXXX gewohnt, einem Stadtteil von Herat. Die ältesten Söhne des BF1 seien zunächst mit ihm im Kleidergeschäft tätig gewesen. Es habe damals wenig Arbeitsmöglichkeiten gegeben. Die Söhne des BF1 hätten eine sichere Arbeit angestrebt und seien deshalb zur Polizei gegangen. A. habe dann in Herat gelebt und H. in Maydan Wardak. Nach der Bedrohung durch den Mullah sei der BF1 zu H. nach XXXX in die Provinz Maydan Wardak, Distrikt XXXX gezogen. A. habe seine Arbeit bei der Polizei beendet. Der BF1 habe auch H. geraten, seine Arbeit bei der Polizei zu beenden. Er habe sich Sorgen gemacht. Befragt ob die Familie überlegt habe, dass H. mit seinem Vorgesetzten sprechen könnte, damit die Familie polizeilichen Schutz erhalten könne, gab das BF1 an, die Zeit sehr sei sehr knapp gewesen. Es habe keine Gelegenheit für so eine Aktion bestanden. Der BF1 habe die Lage ausführlich mit seiner Frau besprochen und dann mit seinen Söhnen jeweils kurz telefoniert. Als Maßnahme hätten sie beschlossen, wegzuziehen. In Maydan Wardak habe es keine Gelegenheit gegeben, neue Maßnahmen zu besprechen. Bereits etwa zwei Wochen, nachdem sie zu ihren Sohn gezogen seien, sei jener Vorfall passiert, als ihnen der Nachbar mitteilte, dass jemand die Familie gesucht hätte. Der älteste Sohn habe bei der Polizei eine eher niedrige Position gehabt. Er habe junge Leute ausgebildet. Der BF1 schilderte erneut die Vorgeschichte und den Hergang der von ihm erlebten Entführung. Er habe damals im XXXX gearbeitet und sei einmal im Monat zu seiner Familie gefahren. Dieser Weg sei gefährlich gewesen. Die Familie habe sich daher entschlossen, nach XXXX zu ziehen. Das sei auf halbem Weg zwischen Herat und seinem Arbeitsort gewesen. Einen Monat später habe man den BF3 ausgefragt. Dieser habe den Leuten erzählt, dass der BF1 als Koch beschäftigt sei und dass seine beiden Söhne bei der Polizei tätig seien. Kurz darauf habe es spätnachts an der Tür geklopft. Drei Personen seien draußen gestanden. Der BF1 habe sie hereingelassen und sich mit ihnen zusammengesetzt. Diese hätten ihm mitgeteilt, dass sie informiert seien, dass seine Söhne bei der Polizei tätig seien und dass der BF1 bei dieser Firma arbeite. Dann hätten sie von ihm verlangt, seine Arbeit aufzugeben. Auch seine ältesten Söhne sollten dies tun. Der BF1 habe zunächst nicht akzeptiert. Die drei Personen seien weggegangen und hätten ihm mitgeteilt, sie würden wiederkommen. Nach zwei Tagen seien sie wiedergekommen und hätten das Gleiche von ihm verlangt. Der BF1 habe argumentiert, dass er seine Arbeit nicht aufgeben könne, weil er eine Familie habe. Die Leute hätten daraufhin gedroht, ihn und seine Familie zu ermorden. Am nächsten Tag habe der BF1 den Sohn H. angerufen und ihm von diesem Vorfall erzählt. Dieser habe ihm vorgeschlagen, nach Maydan Wardak zu kommen. Der BF1 sei dann trotzdem arbeiten gegangen, damit nicht auffalle, dass er seine Wohnung verlassen wolle. Dann sei die Familie im Lauf des Tages nach Maydan Wardak gefahren. Etwa nach zwei Wochen in Maydan Wardak sei der BF1 wieder gewarnt worden, dass Leute nach ihm suchen. Die Söhne seien geflüchtet, der BF1 sei mit seiner Frau im Haus geblieben. Die Leute seien gekommen, hätten ihn und seine Frau im Haus brutal zusammengeschlagen und ihn dann mitgenommen. Nach einer etwa einstündigen Fahrt hätten sie ihn wieder zusammengeschlagen. Er sei dann ohnmächtig gewesen, sei zu sich gekommen und erneut niedergeschlagen worden. Er sei erneut ohnmächtig geworden und als er zu sich kam, habe er gesehen, dass seine Hand abgehackt wurde. Als der BF1 versuchte, von dort zu flüchten, habe er nur ein kurzes Stück gehen können. Er sei dann wieder ohnmächtig geworden. Ein Hirte habe ihn gefunden und nach Hause gebracht. Der BF1 sei erst nach der Operation im Krankenhaus wieder zu sich gekommen. Vom Tod seines ältesten Sohnes hatte ihm seine Frau im Iran erzählt. In Österreich besuche der BF1 derzeit einen A2-Kurs in Deutsch. Für seine jüngste Tochter wünsche er sich dass sie einen Beruf erlernen und ein selbstbestimmtes Leben führen könne.

Die BF 2 gab an, sie sei in Afghanistan in der Provinz Maydan Wardak geboren. Auch ihre Kindheit habe sie dort verbracht. Im Iran habe sie einen dreijährigen Alphabetisierungskurs besucht. Damals sei sie etwa 14 Jahre alt gewesen. Als Schneiderin habe sie in der Türkei gearbeitet, etwa drei Jahre lang. Vor ihrer Hochzeit habe sie nicht gearbeitet. Geheiratet habe die BF2 im Iran, in XXXX , sie sei damals 15 Jahre alt gewesen. Im Iran habe sie zwei Kinder geboren, H. und A. Die Tochter Z. habe sie in Kabul geboren. Von Iran nach Afghanistan heimgekehrt seien sie, um eine Erbschaft zu regeln. In Herat habe der Vater mit seinen Söhnen ein Bekleidungsgeschäft betrieben. Die Einnahmen dieses Geschäfts hätten jedoch für drei Geschäftspartner nicht gereicht. Als der BF1 die Stelle bei der genannten Firma erhielt, habe die BF2 zugestimmt. Damit dass die Söhne zur Polizei gehen und dort arbeiten, sei die BF2 nicht einverstanden gewesen. Sie habe sich Sorgen gemacht, dass die Söhne umgebracht werden könnten. Befragt ob der BF3 von den genannten Gespräch mit den Mullah erzählt habe, bestätigte die BF2 dass der Sohn dies erzählt habe, die BF2 habe deshalb jedoch an nichts Schlimmes gedacht und habe das Gespräch bald vergessen. Sie habe auch mit dem BF1 zunächst gar nicht darüber gesprochen. Befragt ob die Familie überlegt habe, ob die beiden ältesten Söhne ihre Vorgesetzten ansprechen und um Schutz ersuchen könnten, gab die BF2 an, der BF1 habe seinem Sohn alles mitgeteilt und die Familie habe sich darüber beraten, was man jetzt tun könne. Man habe beschlossen, einfach wegzuziehen. Auf Ersuchen, die Entführung ihres Mannes zu schildern gab die BF2 an, die Familie habe sich an diesen Abend zunächst keine großen Gedanken gemacht. Sie hätten die Leute hereingelassen, in der Meinung es würde sich um dort befindliche Nomaden (Kuchis) handeln. Dann hätten die Leute begonnen die BF2 und den BF1 zu schlagen und hätten den BF1 mitgenommen. Am nächsten Tag habe ein Hirte den Mann wieder nach Hause gebracht. Die BF2 habe den BF1 in eine Klinik begleitet. Dort habe es jedoch keine guten Behandlungsmöglichkeiten gegeben. Die BF2 hätten ihn in ein Krankenhaus nach Kabul bringen müssen. Der BF1 habe abgesehen von der Verletzung am Arm, auch weitere Verletzungen gehabt. Er sei nun auf einem Ohr fast taub. Vom Tod des ältesten Sohnes habe die BF2 von ihrer Tochter Z. erfahren. Sie habe H. beauftragt gehabt, zum BF3 und seiner Schwester Z. zu fahren. Die BF2 selbst sei schwanger gewesen. Die Tochter Z. habe der Mutter dann mitgeteilt, dass der älteste Sohn und zwei weitere Personen umgebracht worden seien. Z. sei damals 18 oder 19 Jahre alt gewesen und sei zu dem Ort gegangen wo das passiert sei. Befragt zur Verlobten des Sohnes H. gab die BF2 an, sie sei mit der Familie in Kontakt gewesen. Man habe bereits kostbare Geschenke ausgetauscht. Diese habe man nachher wieder zurückgegeben. Nach dem Tod des Sohnes H. sei ja nicht viel Zeit gewesen. Sie seien in den Iran geflüchtet. Etwa ein halbes Jahr später habe man wieder Kontakt mit dieser Familie aufgenommen und die Geschenke und bereits bezahltes Geld zurückgegeben. Die Eltern der Verlobten hätten auch zunächst die Begräbniskosten bezahlt. Bezüglich ihrer jüngsten Tochter gab die BF2 an, diese solle sich ausbilden lassen und eine gute Zukunft haben. Auch der BF1 stimme dem zu. Die BF2 selbst möchte arbeiten und Deutsch lernen. Mit der Lehrerin ihrer jüngsten Tochter spreche sie Deutsch. Sie verstehe deutsch, wenn die Lehrerin langsam spreche. In Österreich habe sie keine Angst, irgendwohin zu gehen. Sie sei mit ihrer jüngsten Tochter ohne weitere Begleitung nach Deutschland gefahren. Sie gehe spazieren und fahre auch mit dem Rad. Mit ihrer jüngsten Tochter sei sie im Prater gewesen. Das hätte sie alles in Afghanistan nicht machen können.

Der BF3 gab an, er sei in Herat geboren und dort zunächst aufgewachsen. Dann habe er im Iran und in der Türkei gelebt. Angesprochen auf jenen Vorfall, als in der Mullah angesprochen hatte gab der BF3 an, er glaube dies sei in der Nähe von XXXX gewesen. Er sei damals sieben oder acht Jahre alt gewesen. Nachdem die Familie erst kurz dorthin gezogen gewesen sei, sei er dort nicht in die Schule gegangen sondern habe mit Kindern auf der Straße gespielt. Die meisten Bewohner in der Gegend seien Sunniten gewesen. Eines Tages sei ein Mullah zu ihm gekommen und habe begonnen ihm Fragen zu stellen. Der BF3 habe diese Fragen beantwortet und habe ihm gesagt, dass seine Brüder bei der Polizei tätig seien und dass sein Vater bei einer XXXX Firma als Koch arbeite. Einige Zeit später habe es bei der Familie geklopft der BF3 habe geöffnet und derselbe Mullah sei mit zwei weiteren Personen vor der Tür gestanden. Dann sei der Vater gekommen und habe alle drei ins Haus genommen bei dem Gespräch sei der BF3 nicht dabei gewesen. Nach etwa einer Stunde habe sich die Mutter Sorgen gemacht. Der BF3 habe nachgeschaut und gesehen, dass die Personen bewaffnet waren. Auf dem Tisch sei der Koran gelegen. Sie hätten diskutiert. Am nächsten Tag sei die Familie mit einem Auto nach XXXX gefahren dort sei der Bruder gewesen. Etwa 2 bis 3 Wochen sei die Familie dortgeblieben. Dann seien diese Leute gekommen. Der BF1 habe den BF3 aufgefordert, mit seinen Brüdern in die Berge zu flüchten. Die Eltern seien mit der Schwester im Haus geblieben. Als die Brüder in der Früh zurückkamen, habe die Mutter geweint. Der BF3 habe erfahren, dass der Vater entführt wurde. Die älteren Brüder hätten dann den Vater gesucht. Am nächsten Tag habe man den Vater gebracht. Der BF3 habe gesehen, dass sein Arm abgehackt war. Die Brüder hätten den Vater dann in die Klinik gebracht und später in ein Krankenhaus nach Kabul. Der BF3 sei mit seiner Schwester zu Hause geblieben. Der älteste Bruder habe sie abholen wollen. Er sei jedoch unterwegs ermordet worden. Der BF3 wisse nicht genau wer ihnen dann geholfen habe, nach Kabul zu gelangen. Die Mutter sei schon Kabul gewesen.

Der BF3 mache in XXXX eine Ausbildung als Koch deshalb wohne er nicht bei seiner Familie. Der BF3 legte seinen Lehrvertrag vor weiters Zeugnisse der Berufsschule und Lohn- und Gehaltsabrechnungen. Er habe die Hauptschule abgeschlossen. Seine Familie besuche er regelmäßig.

Mit 23.10.2018 brachte die Rechtsvertretung der BF1 - 4 eine ergänzende schriftliche Stellungnahme zu den allgemeinen Länderfeststellungen betreffend Afghanistan ein und verwies insbesondere auf die dort - auch in Kabul herrschende - instabile Lage, die sich in den letzten Jahren noch verschlechtert habe sowie auf die besonders gefährdete Situation von Frauen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF1 und die BF2 sind verheiratet und Eltern des 1998 geborenen zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen und ledigen BF3 sowie der minderjährigen und ledigen BF4. Alle sind afghanische STA, schiitischen Glaubens und gehören der Volksgruppe der Hazara an. Die Familie lebte bis 2008 in Afghanistan.

BF1 und BF2 hatten etwa um 1980 im Iran geheiratet. Dort kamen die ersten beiden Söhne, H. und A. zur Welt. Etwa um 1990 zog die Familie nach Kabul. Dort kam die Tochter Z. zur Welt. Der BF1 betrieb in Kabul ein kleines Minibusunternehmen. Um bessere Arbeit zu finden zog die Familie nach Herat. Der BF1 betrieb dort mit seinen beiden ältesten Söhnen ein Bekleidungsgeschäft. 1998 kam der BF3 in Herat zur Welt. Durch Vermittlung eines Verwandten erfuhr der BF1 von der Möglichkeit, im staatlichen Unternehmen " XXXX " im Ort XXXX , Distrikt XXXX , XXXX als Koch zu arbeiten. Der BF bewarb sich und erhielt die Stelle. Der genannte staatliche Betrieb, eine XXXX firma erhielt regelmäßig Qualitätskontrollen durch ein international ( XXXX ) geführte Unternehmen. Die Mitarbeiter dieses Unternehmens, XXXX und XXXX , reisten in regelmäßigen Abständen mit gepanzerten Fahrzeugen zum genannten Betrieb und kontrollierten etwa die Qualität und die Hygiene bei der Essenszubereitung. Der BF1 arbeitete in dieser XXXX firma etwa 1 1/2 Jahre. Seine beiden ältesten Söhne, die ebenfalls eine sichere Arbeitsstelle angestrebt hatten, arbeiteten bei der Polizei, A. in Herat und H. in der Provinz Maydan Wardak. Die restliche Familie lebte in der Stadt Herat. Der BF1 kam in Abständen von mehreren Wochen nach Herat, um die Familie zu sehen. Die ältesten Söhne fuhren regelmäßig mit dem Polizeiauto zu ihrer Familie. Schließlich entschieden sich BF1, BF2 und die jüngeren Kinder in einen Ort zu ziehen, der näher zu jenem Betrieb lag, in dem der BF1 arbeitete. Die ältesten Söhne kamen auch dorthin mit dem Polizeiauto zu Besuch. Bald nach dem Umzug wurde der BF1 von drei den Taliban nahestehenden Männern aufgesucht und aufgefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Auch die ältesten Söhne sollten das Gleiche tun. Einer der drei Männer, ein Mullah, hatte kurz davor den BF3, der damals ein Kind war und draußen mit anderen Kindern spielte, über die Tätigkeit seines Vaters und seiner Brüder ausgefragt. Da der BF1 die geforderte Zusammenarbeit ablehnte erfolgte ein zweiter Besuch und der BF1 wurde schließlich mit seinem Tod und dem Tod seiner Söhne bedroht. Der BF1 besprach sich mit seiner Frau, nahm Kontakt mit seinen ältesten Söhnen auf und beschloss, mit der Familie wegzuziehen. Um nicht aufzufallen, ging er am nächsten Tag noch zur Arbeit, verließt diese am um die Mittagszeit unter dem Vorwand, er müsse etwas kaufen. Die Familie zog zum ältesten Sohn H. nach XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Maydan Wardak. Der Sohn A. beendete seine Arbeit für die Polizei und zog mit der restlichen Familie nach Maydan Wardak. Der Sohn H. behielt seine Arbeit. Die Familie fühlte sich - weitab von Herat - sicher. Wenige Wochen später erfuhr die Familie von einem Nachbarn, dass sie gesucht wurde. Die drei Söhne flohen auf Geheiß des Vaters in die Berge. Der BF1, die schwangere BF2 und die Tochter Z. blieben zurück. Tatsächlich kamen Männer und schlugen den BF1 und die BF2. Sie verlangten Auskunft über den Aufenthalt der Söhne. Der BF1 wurde mitgenommen. Ein Hirte brachte den bewusstlosen BF1 wieder. Man hatte seinen Arm abgehackt und ihm weitere schwere Verletzungen zugefügt. Die erwachsenen Brüder brachten den BF1 mit der BF2 in eine örtliche Klinik, wo man ihnen zu einer Weiterfahrt ins Krankenhaus nach Kabul riet. A. begleitete den BF1 und die BF2 ins Krankenhaus nach Kabul. H. sollte zu den jüngeren Geschwistern fahren, kam aber nicht an. Er wurde am Weg getötet. Mit Hilfe des Nachbarn reisten die jüngsten Geschwister nach Kabul, wo A. für eine Unterkunft sorgte. Sobald der BF1 reisen konnte, zog die Familie in den Iran. Dort wurde die BF4 geboren. Aktuell leben der BF1, die BF2 und die BF4 in Wien. Der BF3 lebt in XXXX . Er absolviert dort eine Lehre als Koch. Der noch lebende Sohn A. und die ältere Schwester Z. leben in Deutschland.

3 Quelle:

UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, HCR/EG/AFG/16/02 vom 19.04.2016; inhaltlich, soweit hier wesentlich übereinstimmend mit den UNHCR-EligibilityGuidlines for assessing the international protection needs of asylium-seekers from Afghanistan, HCR/EG/AFG/17/02, vom 30.08.2018, die aktuell nur in englischer Sprache verfügbar sind:

Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent. Große Teile der Bevölkerung - einschließlich Frauen und Kinder - sind Berichten zufolge weiterhin zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch unterschiedliche Akteure ausgesetzt.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden Berichten zufolge in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert. In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die von regierungsnahen bewaffneten Gruppen (teilweise) kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen. Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Auferlegung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiet Menschenrechtsverletzungen. Aus Berichten geht hervor, dass schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet sind.

Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der Verpflichtungen Afghanistans, nach nationalem und internationalem Recht diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsgewalt Afghanistans und die Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen, die Zufriedenheit der Öffentlichkeit mit der Regierungsarbeit und das Vertrauen in öffentliche Einrichtungen sanken Berichten zufolge im Jahr 2015 auf drastische Weise.

Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird in vielen Distrikten durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte sind Berichten zufolge oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.

Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass bis zu zwei Drittel der afghanischen Bürger, die Kontakt zu Staatsbediensteten auf Provinz- und Distriktebene hatten, Schmiergelder zahlen mussten, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten. Innerhalb der Polizei sind Berichten zufolge Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem ist Berichten zufolge auf ähnliche Weise von weitreichender Korruption betroffen.

In einigen Gebieten bevorzugen Berichten zufolge lokale Gemeinschaften parallele Justizstrukturen, etwa Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle auszutragen.150 UNAMA stellt nichtsdestoweniger fest, dass diese Strukturen in der Regel den Gemeinschaften auferlegt werden und dass über diese Strukturen verhängte Bestrafungen wie Hinrichtungen und Amputationen gemäß afghanischem Recht kriminelle Handlungen darstellen. Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die durch diese parallelen Justizstrukturen begangen wurden, haben Berichten zufolge keinen Zugang zu staatlichen Rechtsschutzmechanismen. UNAMA stellt fest, dass die Unfähigkeit der Regierung, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die im Rahmen paralleler Justizstrukturen derartige Straftaten begehen, selbst eine Verletzung von Menschenrechten nach den Prinzipien der Sorgfaltspflicht darstellen kann.

Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) greifen Berichten zufolge systematisch und gezielt Zivilisten an, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung, die afghanische Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und der internationalen humanitären Hilfs- und Entwicklungsakteure, unterstützen bzw. mit diesen verbunden sind. UNAMA zufolge fielen 2015 1.335 Zivilisten (790 Tote und 545 Verletzte) gezielten oder versuchten gezielten Tötungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zum Opfer. Die Taliban übernahmen für 135 Vorfälle mit 336 zivilen Opfern (168 Tote und 168 Verletzte) die Verantwortung.

Berichten zufolge begehen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) extralegale Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen. Sie hinderten Zivilisten zudem an der Ausübung ihres Rechte auf Bewegungsfreiheit, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Zugang zu Bildung und zu wirksamem Rechtsschutz. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) nutzen die Abwesenheit staatlicher Justizmechanismen oder -dienste aus, um eigene parallele "Justiz"-Strukturen, vor allem, jedoch nicht ausschließlich in Gebieten unter ihrer Kontrolle, durchzusetzen.

Über gezielte Tötungen hinaus setzen die regierungsfeindlichen Kräfte Berichten zufolge Bedrohungen, Einschüchterungen, Entführungen und Brandanschläge ein, um Gemeinschaften und Einzelpersonen einzuschüchtern und auf diese Weise ihren Einfluss und ihre Kontrolle zu erweitern, indem diejenigen angegriffen werden, die ihre Autorität und Anschauungen infrage stellen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, insbesondere Mitglieder der afghanischen nationalen Polizei, werden zunehmend in gezielten Kampagnen angegriffen. Seit dem weitgehenden Rückzug der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 gerieten Polizeistützpunkte und Kontrollstellen zunehmend ins Visier regierungsfeindlicher Kräfte. Polizisten der afghanischen nationalen Polizei (ANP) wurden sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes angegriffen.

Auch gezielte Angriffe auf Mitglieder der afghanischen lokalen Polizei (ALP) sind weit verbreitet. Schätzungen zufolge ist die Zahl der Opfer unter der afghanischen lokalen Polizei dreimal so hoch wie die unter anderen Mitgliedern der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF), da die afghanische lokale Polizei (ALP) häufig in unsichereren Gebieten stationiert ist. Berichten zufolge greifen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) auch Mitarbeiter anderer Polizeikräfte in Afghanistan sowie ehemalige Mitglieder Mitglieder der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte an.

Die Regierungsgewalt Afghanistans und die Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen. Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird in vielen Distrikten durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte sind Berichten zufolge oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben. Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.

Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass bis zu zwei Drittel der afghanischen Bürger, die Kontakt zu Staatsbediensteten auf Provinz- und Distriktebene hatten, Schmiergelder zahlen mussten, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten. Innerhalb der Polizei sind Berichten zufolge Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem ist Berichten zufolge auf ähnliche Weise von weitreichender Korruption betroffen. In einigen Gebieten bevorzugen Berichten zufolge lokale Gemeinschaften parallele Justizstrukturen, etwa Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle auszutragen. Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die durch diese parallelen Justizstrukturen begangen wurden, haben Berichten zufolge keinen Zugang zu staatlichen Rechtsschutzmechanismen.

Personen, die aus Afghanistan fliehen, können einem Verfolgungsrisiko aus Gründen ausgesetzt sein, die mit dem fortwährenden Konflikt in Afghanistan oder mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die nicht in direkter Verbindung zum Konflikt stehen, zusammenhängen, oder aufgrund der Kombination beider Gründe.

Eine besonders sorgfältige Prüfung der möglichen Risken ist insbesondere unter anderem notwendig bei

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Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen sowie deren Familienangehörigen;

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Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) verstoßen;

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Mitglieder der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei;

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Frauen und Männer, die vermeintlich gegen soziale Sitten verstoßen;

Regierungsfeindliche Kräfte haben Berichten zufolge Zivilisten zur Strafe und zur Warnung anderer Personen dafür getötet, dass sie die Regierung unterstützten. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiten, bedroht und angegriffen. Aus Berichten geht auch hervor, dass regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) ehemalige Mitarbeiter der internationalen Streitkräfte und der Regierung angreifen. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) greifen zahlreichen Berichten zufolge Zivilisten an, die der Zusammenarbeit oder der "Spionage" für regierungsnahe Kräfte, darunter für die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte, verdächtigt werden.

Regierungsfeindliche Kräfte haben Berichten zufolge Familienangehörige von Personen mit den oben angeführten Profilen als Vergeltungsmaßnahme und gemäß dem Prinzip der Sippenhaft angegriffen. Insbesondere wurden Verwandte, darunter Frauen und Kinder, von Regierungsmitarbeitern und Mitgliedern der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte Opfer von Schikanen, Entführungen, Gewalt und Tötungen.

Die afghanischen Sicherheitskräfte, insbesondere Mitglieder der afghanischen nationalen Polizei, werden zunehmend in gezielten Kampagnen angegriffen. Seit dem weitgehenden Rückzug der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 gerieten Polizeistützpunkte und Kontrollstellen zunehmend ins Visier regierungsfeindlicher Kräfte. Polizisten der afghanischen nationalen Polizei (ANP) wurden sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes angegriffen.

Auch gezielte Angriffe auf Mitglieder der afghanischen lokalen Polizei (ALP) sind weit verbreitet. Schätzungen zufolge ist die Zahl der Opfer unter der afghanischen lokalen Polizei dreimal so hoch wie die unter anderen Mitgliedern der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF), da die afghanische lokale Polizei (ALP) häufig in unsichereren Gebieten stationiert ist. Berichten zufolge greifen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) auch Mitarbeiter anderer Polizeikräfte in Afghanistan sowie ehemalige Mitglieder Mitglieder der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte an.

Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) greifen zahlreichen Berichten zufolge Zivilisten an, die der Zusammenarbeit oder der "Spionage" für regierungsnahe Kräfte, darunter für die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte, verdächtigt werden.

Die Taliban haben Berichten zufolge Personen und Gemeinschaften getötet, angegriffen und bedroht, die in der Wahrnehmung der Taliban gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch die Taliban verstoßen haben. In Gebieten, in denen die Taliban versuchen, die lokale Bevölkerung von sich zu überzeugen, nehmen sie Berichten zufolge eine mildere Haltung ein. Sobald sich jedoch die betreffenden Gebiete unter ihrer tatsächlichen Kontrolle befinden, setzen die Taliban ihre strenge Auslegung islamischer Prinzipien, Normen und Werte durch. Es liegen Berichte über Taliban vor, die für das "Ministerium der Taliban für die Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters" tätig sind, in den Straßen patrouillieren und Personen festnehmen, weil diese sich den Bart abrasiert haben oder einen Haarschnitt tragen, der ihrer Auffassung nach eitel ist. Frauen ist es Berichten zufolge nur in Begleitung ihres Ehemanns oder männlicher Familienmitglieder gestattet, das Haus zu verlassen und ausschließlich zu einigen wenigen genehmigten Zwecken wie beispielsweise einem Arztbesuch. Frauen und Männer, die gegen diese Regeln verstoßen, wurden Berichten zufolge mit öffentlichen Auspeitschungen bestraft.

Die Regierung hat seit 2001 einige wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung, insbesondere durch Verabschiedung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz), den Erlass von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe von Frauen357 und die Einrichtung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten. Die Verbesserungen der Situation von Frauen und Mädchen blieben jedoch Berichten zufolge marginal und Afghanistan wird weiterhin als "sehr gefährliches" Land für Frauen und Mädchen betrachtet. Fortschritte, die in der Vergangenheit in Hinblick auf die Menschenrechte von Frauen erzielt wurden, wurden teilweise durch die Verschlechterung der Sicherheitslage in einigen Teilen des Landes zunichte gemacht. Die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleibt endemisch. Berichten zufolge ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor weit verbreitet und nimmt weiter zu. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte üblicherweise straflos bleiben. Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen. Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz von Frauenrechten weiterhin nur langsam umgesetzt werden, dies betrifft insbesondere die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz). UNAMA berichtet, dass sowohl die afghanische nationale Polizei (ANP) als auch die Staatsanwaltschaften zahlreiche Fälle, einschließlich schwerwiegender Straftaten, an jirgas und shuras zum Zweck der Beratung oder Entscheidung weiterleiten und dadurch die Umsetzung des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (EVAW-Gesetz) unterminieren und die Praktizierung schädlicher traditioneller Bräuche fördern. Durch Entscheidungen gemäß diesen Mechanismen sind Frauen und Mädchen der Gefahr weiterer Schikanierung und Ausgrenzung ausgesetzt. Die so beschriebenen Menschenrechtsprobleme betreffen Frauen und Mädchen im gesamten Land.

Berichten zufolge werden Personen von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen, die vermeintlich Werte und/oder ein Erscheinungsbild angenommen haben, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden, und denen deshalb unterstellt wird, die Regierung und die internationale Gemeinschaft zu unterstützen. Es liegen Berichte über Personen vor, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und von regierungsfeindlichen Gruppen als "Ausländer" oder vermeintliche für ein westliches Land tätige Spione gefoltert oder getötet wurden.

Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine sinnvolle interne Schutzalternative. Es sei insbesondere darauf hingewiesen, dass die Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Hezb-i-Islami Hekmatyar, Gruppen, die nach eigenen Angaben mit ISIS verbunden sind, sowie andere bewaffnete Gruppierungen über die operativen Kapazitäten verfügen, Angriffe in allen Teilen des Landes auszuführen, darunter auch in solchen Gebieten, die nicht von diesen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden, wie anhand des Beispiels der steigenden Anzahl öffentlichkeitswirksamer Anschläge in urbanen Gebieten, die sich unter der Kontrolle regierungsnaher Kräfte befinden, ersichtlich wird.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde sowie durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wie oben dargelegt. Die Identität des BF1 erscheint soweit hier wesentlich unbedenklich. Seine strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich. Die körperlichen Einschränkungen des BF1 sind aktenkundig und wurde im angefochtenen Bescheid nicht in Frage gestellt. Die Aussagen BF1 erscheinen lebensnahe und nachvollziehbar. Sie stehen mit den Angaben der BF2 und des BF3 die sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch anlässlich der beim BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung getrennt von ihm vernommen wurden, und den Sachverhalt in lebensnaher Weise aus jeweils ihrer persönlichen Wahrnehmung schilderten, im Einklang. Die Angaben der BF1 werden vor diesem Hintergrund als glaubwürdig beurteilt. Sie stehen auch mit den oben zusammengefassten allgemeinen Feststellungen zur Situation in Afghanistan im Einklang. Soweit die BF2 anlässlich ihrer Vernehmung vor dem BFA von einer Konfliktsituation mit der Familie ihrer späteren Schwiegertochter berichtet hat, die der BF1 nicht einmal erwähnte, spricht dies im vorliegenden Gesamtzusammenhang weder gegen dessen Glaubwürdigkeit noch gegen die Glaubwürdigkeit der BF2. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die genannten Konflikte die BF2 mehr betrafen, als den damals selten daheim anwesenden BF1 und dass diese Konflikte den Vorschlag der BF2, in jenen Ort zu ziehen, der der Arbeitsstelle des BF1 näher war, neben den weiteren auch vom BF1 genannten Überlegungen (etwa der gefährlichen Autofahrten) begünstigt haben werden, was wiederum erklärt, warum sie davon in Zusammenhang mit ihrem Fluchtvorbringen erzählen wollte. Soweit der BF1 bezüglich des Umzuges vom Iran nach Afghanistan zeitlich einander widersprechende Angaben gemacht hat, ist zu berücksichtigen, dass der BF die ungefähren Jahre seiner - zahlreichen - Umzüge mit den Jahreszahlen der ihm vertrauten Zeitrechnung im Wesentlichen widerspruchsfrei benennen konnte. In der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2018 hat der BF1 weiters in unbedenklicher Weise angegeben, dass er sich für Politik nie interessiert h

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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