TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/6 W203 2129463-3

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Veröffentlicht am 06.11.2018
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Entscheidungsdatum

06.11.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W203 2129463-3/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter im Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, Zl. 1075021410/180653149, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geboren am XXXX, StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 und § 22 Abs 10 AsylG in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte erstmals am 24.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Erstantrag) und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass ihn im Herkunftsstaat die Taliban umbringen würden, weil er für eine Baufirma, die von den Taliban als "ungläubig" angesehen werde, gearbeitet habe. Er wäre von den Taliban zwar nie persönlich aufgesucht worden, habe aber 2 Drohbriefe erhalten. Er habe ca. einen Monat vor seiner Ausreise gemeinsam mit sieben anderen Personen gegen die Taliban gekämpft, als sie von diesen während einer Autofahrt beschossen worden wären. Erst als nach ca. einer Stunde die Polizei gekommen sei, wären die Taliban geflohen. Verletzt sei bei dem Vorfall niemand geworden.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 01.02.2017 wurde der Erstantrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Frist für eine freiwillige Rückkehr des BF zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass es dem BF nicht gelungen sei, eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen. Es seien auch keine Umstände bekannt, dass in Afghanistan eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder der dorthin zurückkehrt einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Zudem lasse sich aus den individuellen persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers keine Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ableiten. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

3. Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 01.02.2017 erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

4. Am 13.07.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Dabei gab der BF an, dass die Taliban 500.00 Dollar von ihm gefordert hätten und beantragte als Beweis dafür einen Ortsaugenschein bei der Bezirkshauptmannschaft, bei der der BF Anzeige erstattet habe sowie einen Ortsaugenschein in seinem Heimatdorf, um den Dorfvorsteher zu befragen.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2017, GZ. W250 2129463-2/4E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass die Ehefrau und die Kinder des BF nach dessen Ausreise von den Taliban bedroht worden seien, und auch nicht, dass die Ehefrau des BF den Taliban dienen und einen von ihnen zwangsheiraten hätte müssen. Der BF verfüge in Österreich über keine Verwandten oder sonstige enge sozialen Bindungen und sei aktuell auch nicht Mitglied in einem Verein. Dem BF würde zwar im Falle einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Nangarhar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen, bei einer Ansiedlung in Kabul könne der BF jedoch seine grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse wie Nahrung. Kleidung, Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose oder existenzbedrohende Situation zu geraten. Er könne selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Angaben des BF zum Fluchtvorbringen nicht glaubhaft wären.

Das Erkenntnis des BVwG erwuchs am 21.112017 in Rechtskraft.

6. Am 10.07.2018 stellte der BF erneut einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Folgeantrag). Bei der in diesem Zusammenhang durchgeführten Erstbefragung gab der BF an, dass er nach wie vor Probleme mit den Taliban hätte. Es gebe hinsichtlich seiner Fluchtgründe keine Änderung und er habe bereits im Vorverfahren alles angegeben.

7. Mittels mündlich verkündetem Bescheid der belangten Behörde vom 07.08.2018, Zl. 1075021410/180653149 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde der faktische Abschiebeschutz betreffend den BF gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Die belangte Behörde begründete dies nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen damit, dass der BF in seinem Folgeantrag keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe und dass sich die allgemeine Lage im Herkunftsland nicht entscheidungswesentlich geändert habe. Der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz werde daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Nachgefragt gab der BF nach Verkündung des Bescheids an, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden sei und Beschwerde dagegen erhebe. Er verweise diesbezüglich auf sein heutiges Vorbringen.

8. Am 14.08.2018 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

9. Am 17.08.2018 wurde mit Beschluss des BVwG, GZ. W203 2129463-3/3Z, der Antrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt, dass dieser die einschlägigen Bestimmungen des AsylG und des BFA-VG als verfassungswidrig aufheben möge.

10. Am 10.10.2019 erkannte der Verfassungsgerichtshof, dass der Gesetzesprüfungsantrag, soweit er sich gegen § 22 Abs. 10 dritter, vierter und fünfter Satz AsylG sowie gegen § 22 BFA-VG richtet, abgewiesen und im Übrigen zurückgewiesen wird.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen:

Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger. Das mit Antrag vom 24.06.2015 angestrengte (erste) Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2017 negativ abgeschlossen. Darin findet sich zugleich auch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG.

Der BF stellte am 10.07.2018 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz und machte dabei dieselben Fluchtgründe wie anlässlich des Erstantrags geltend.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des Erstantrages ergeben hätte.

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass zwischenzeitlich eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation im Herkunftsstaat des BF bzw. in der Stadt Kabul eingetreten wäre.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Person des BF, zum Gang des ersten Asylverfahrens sowie des gegenständlichen Verfahrens wurden auf Grundlage des in Rechtskraft erwachsenen oben zitierten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.11.2017 sowie des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde getroffen.

Die Feststellung, dass sich keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des Erstantrages ergeben hat, beruht auf Einsicht in die Niederschrift der belangten Behörde vom 07.08.2018, der zu Folge der BF angegeben hat, dass es "keine Änderung der Fluchtgründe" gebe und dass er "im Vorverfahren bereits alles angegeben" habe.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich somit seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens nicht wesentlich geändert.

Dass eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan nicht eingetreten ist, ergibt sich aus dem gegenständlichen, angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.08.2018, welchem die in das Verfahren eingeführten aktuellsten Lageinformationen zur Allgemeinsituation in Afghanistan zugrunde liegen.

Des Weiteren ist auszuführen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es liegen ferner keine Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Aus diesen Gründen war die entsprechende Feststellung einer unveränderten Situation im Herkunftsstaat zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zur Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

3.2.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

§ 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 84/2017, lauten:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) ...

Entscheidungen

§ 22. ...

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

...".

2. § 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018, lautet:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.2.2. Zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Asylwerber einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 Asylgesetz 2005 gestellt hat.

Es liegt auch kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vor und die übrigen Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z 1 bis 3 Asylgesetz 2005 sind gegeben:

Zunächst ist festzustellen, dass gegen den BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2017 eine aufrechte und rechtskräftige Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG vorliegt.

Bezüglich der im Folgeantrag vorgebrachten Fluchtgründe liegt entschiedene Sache vor, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Die Z 2 des § 12a AsylG verlangt, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. Aus den erläuternden Bemerkungen zum mit BGBl. 122/2009 eingefügten § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Z 2 des § 12a eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrages verlangt (vgl. dazu auch VfGH vom 10.10.2018, G 186/2018-25).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).

Jedoch berechtigt nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet.

Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Unter Zugrundelegung der obigen Feststellungen ergibt sich aus dem Vorbringen des BF zu seinem Folgeantrag vom 10.07.2018 im Vergleich zu seinem Vorbringen im Verfahren betreffend seinen Erstantrag vom 24.06.2015 kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt und wurde das Vorliegen eines solchen auch gar nicht behauptet.

Nach Anstellung einer Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Folgeantrages vom 10.07.2018 kommt das Bundesverwaltungsgericht sohin zum Ergebnis, dass der gegenständliche Folgeantrag des BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil im Zuge der Grobprüfung durch das Gericht keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes im Vergleich zum Vorverfahren hervorgetreten ist.

Die Z 3 des § 12a AsylG verlangt eine Prüfung der Gefährdungssituation im Hinblick auf die relevanten Bestimmungen der EMRK, da die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes eine Außerlandesbringung des Asylwerbers zur Folge haben könnte (Grundsatz des Non-Refoulement).

Auch die für den BF maßgebliche Ländersituation in seinem Herkunftsstaat Afghanistan ist im Wesentlichen gleichgeblieben und wurde Gegenteiliges auch nicht glaubhaft behauptet.

Bereits im ersten Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (rechtskräftig) ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren vor der belangten Behörde sind keine Risiken für den BF im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des BF wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt.

Der VwGH hat zu Ra 2016/01/0096, vom 13.9.2016, ausgeführt, dass nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09).

Demzufolge müsste die Gefährdung des BF im Sinne des Art. 3 EMRK, sofern diese nicht von vornherein klar ersichtlich ist, von diesem belegt werden.

Dies umso mehr, als im obzitierten Beschluss der VwGH auch auf die Rechtsprechung des EGMR verwiesen hat, die davon ausgeht, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u.a., Nr. 46 856/07).

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Wie der VwGH zu Ra 2016/19/0036 vom 25.5.2016, ausführt, kann die Außerlandesschaffung eines Fremden auch dann gegen Art. 3 EMRK verstoßen, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden könnten. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden höchstgerichtlichen Judikatur ist eine solche Situation jedoch nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Im Verfahren sind keine Umstände aufgezeigt worden bzw. zu Tage getreten, dass der BF einer außergewöhnlichen, exzeptionellen Gefährdung bei einer Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt wäre.

Entsprechend den obigen Ausführungen, stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - aus Sicht des BVwG die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das BFA ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt auch die Ansicht der belangten Behörde, dass beim BF kein schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich erkennbar ist.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, erweist sich der mündlich verkündete Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2018 als im Einklang mit dem Gesetz stehend und war gemäß § 22 BFA-VG wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B):

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, Lebensgrundlage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W203.2129463.3.01

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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