TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/6 W147 2184396-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2018
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Entscheidungsdatum

06.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

W147 2184400-3/3E

W147 2184403-3/3E

W147 2184401-3/3E

W147 2184396-3/3E

W147 2184402-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX und 5.) XXXX , geb. XXXX , alle vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG, alle Staatsangehörige der Russischen Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom jeweils 6. Oktober 2018, Zln. 1.) 1136331902, 2.) 1136332202, 3.) 1136329403, 4.) 1136329708 und 5.) 1136329904, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 FPG 2005, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Erstes Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und Eltern sowie gesetzliche Vertreter der minderjährigen dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, sie gehören der tschetschenischen Volksgruppe und dem moslemischen Glauben an.

Die beschwerdeführenden Parteien gelangten auf dem Luftweg in das Bundesgebiet und stellten am 28. November 2016 erste Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes, zu welchen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am darauffolgenden Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurden.

Zum Grund seiner Flucht führte der Erstbeschwerdeführer aus, sein Sohn, der nunmehrige Drittbeschwerdeführer, sei mit einer Behinderung auf die Welt gekommen. Schon bald nach seiner Geburt seien zwei Operationen in Grosny und in der Folge vier weitere Operationen in Moskau durchgeführt worden; diese Operationen seien "schlecht gemacht" worden, weshalb der Erstbeschwerdeführer gegen Ärzte und Krankenhäuser eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet hätte. Durch diese Umstände habe sein Sohn keine weitere ärztliche Hilfe mehr erhalten, der Erstbeschwerdeführer selbst habe Drohanrufe erhalten und sei aufgefordert worden, die Anzeige zurückzunehmen; andernfalls würde man seinen Sohn in der gesamten Russischen Föderation nicht mehr ärztlich behandeln. Der Erstbeschwerdeführer habe desöfteren versucht, mit Ärzten in Kontakt zu treten, doch es habe niemand mehr mit ihnen zu tun haben wollen. Da sein Sohn dringend ärztliche Hilfe benötige, hätten sie sich gezwungen gesehen, nach Österreich zu flüchten. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um die Gesundheit seines Sohnes, da dieser dort keine ärztliche Hilfe bekomme; außerdem würden sie aufgrund ihrer Flucht durch die Behörden verfolgt werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer Erstbefragung zum Grund ihrer Flucht an, dass ihr Sohn schwer krank sei; dieser sei XXXX Jahre alt und könne nicht ohne Windeln gehen. Dieser sei bereits fünfmal in Moskau und dreimal in Grosny operiert worden;

dabei sei er bei der Operation "verpfuscht worden." In der Folge hätten sie das "Krankenhaus" verklagt, dabei jedoch verloren;

nunmehr würden sie ihren Sohn im Krankenhaus nicht mehr behandeln wollen. In der Schule werde ihr Sohn von anderen Kindern ausgelacht und verspottet, da er immer noch eine Windel tragen müsse. Sie hätten ihr Land verlassen, damit ihr Sohn eine gute medizinische Behandlung erhalte.

Mit Eingabe vom 7. April 2017 langte ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen betreffend den minderjährigen Drittbeschwerdeführer ein, darunter Befunde des XXXX vom 23. Februar 2017 (Diagnosen Überlauf-Enkopresis, St.P. hoher Form einer Analatresie, St.p. postparatal Versuch eines PSARP am 2. Lebenstag, Anlage eines Transversostoma nach 1 Woche, sowie 2x Revision in Tschetschenien, Fistel bei Zustand nach mehrmaliger Hypospadie-Korrektur) sowie Übersetzungen von Befunden aus der Russischen Föderation.

Am 23. Mai 2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Der Erstbeschwerdeführer gab zusammenfassend an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen, sich gut mit der anwesenden Dolmetscherin verständigen zu können und bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet zu haben, welche korrektermaßen protokolliert und rückübersetzt worden seien. Er legte seinen russischen Inlandspass sowie seinen russischen Führerschein vor. Er sei Tschetschene und Moslem, gesundheitlich ginge es ihm gut, Anfang Jänner habe er eine Blinddarm-Operation gehabt. Mit Ausnahme seiner mitgereisten Familienmitglieder habe er keine Verwandten in Österreich. Seine in Tschetschenien lebenden Angehörigen hielten sich allesamt in XXXX auf, sein Bruder sei aus beruflichen Gründen öfter in Grosny. Das Verhältnis zu seinen Angehörigen gestalte sich gut, sie hätten zuletzt alle im Haus seiner Eltern gelebt. Im Herkunftsstaat habe er eine elfjährige Schulbildung absolviert und von 2003 bis 2013 als Elektriker gearbeitet, danach habe er den Beruf des KFZ-Spenglers erlernt und diesen inoffiziell ausgeübt. Er habe im Herkunftsstaat keine Strafrechtsdelikte begangen und sich nie politisch betätigt. Die Ausreise habe er durch Verkauf seines BMW finanzieren können. Um detaillierte Schilderung seiner Ausreisegründe ersucht, erklärte der Erstbeschwerdeführer, Hauptgrund sei die schwere Erkrankung ihres erstgeborenen Kindes; gleich nach der Geburt sei klar gewesen, dass es Probleme gebe, der Darm des Neugeborenen sei nicht durchlässig gewesen, weshalb er am dritten Tag operiert worden wäre. Die Operation sei nicht gut verlaufen und in den medizinischen Unterlagen nicht erfasst worden; es hätten drei weitere Operationen gefolgt, sie seien dann nach Moskau verwiesen worden. Es habe zusätzlich noch ein urologisches Problem gegeben. In Moskau hätte man ihnen mitgeteilt, dass die Operation in Tschetschenien falsch gemacht und die Gesundheit ihres Kindes verdorben worden wäre. Ende 2012 hätten sie sich in Grosny an die Staatsanwaltschaft mit einer Anzeige gegen das dortige Republikanische Kinderspital und das Tschetschenische Gesundheitsministerium gewandt. Wie bei ihnen üblich, habe der Erstbeschwerdeführer die Anzeige selbst verfasst, welche von der Staatsanwaltschaft entgegengenommen worden wäre. Eine Kopie besitze er, nachgefragt, nicht. Drei Tage später habe er einen Anruf einer unbekannten Nummer erhalten. Der Anrufer, welcher sich nicht vorgestellt und tschetschenisch gesprochen hätte, habe auf diese Anzeige Bezug genommen und gesagt: "Wenn ihr glaubt, dass das die Dinge besser macht, dann irrt ihr euch!" Er habe eine Zurückziehung der Anzeige verlangt, was sie jedoch nicht gemacht hätten. Tatsache sei, dass ihr Kind seither als gesund gelte und keine wirkliche Behandlung mehr bekommen hätte; man habe gesagt, dass es nur die Medikamente einnehmen müsse. Von den Behörden hätten sie nie etwas gehört; Beamte und Verantwortungsträger in Tschetschenien würden nicht die geringste Kritik akzeptieren. Dies sei sein Fluchtgrund. Auf die Frage, ob ihm bei dem Anruf auch gedroht worden wäre, meinte der Erstbeschwerdeführer, der Mann habe sich ihm gegenüber während des gesamten Gesprächs abfällig und respektlos verhalten; dieser habe geflucht, ein Dialog sei nicht möglich gewesen. Der Erstbeschwerdeführer habe dann aufgelegt. Das Telefon habe noch mehrmals geklingelt, der Erstbeschwerdeführer habe jedoch nicht mehr abgehoben. Etwa eine Woche später sei er neuerlich zur Staatsanwaltschaft gegangen, um sich nach seiner Anzeige zu erkundigen. Ihm sei gesagt worden, wenn er sich weiterhin an die Behörden und das Gesundheitsministerium wenden würde, würde das ein schlechtes Ende nehmen; man würde ihn diesfalls öffentlich bloßstellen und in einer Reportage aufzeigen, dass das Krankenhaus alles richtig gemacht hätte. Auf seinen Einwand hin, dass sie nach Moskau geschickt worden wären und man ihnen dort gesagt hätte, dass das Kind falsch behandelt worden wäre, sei ihm gesagt worden, dass er Ruhe geben sollte, wenn er keine Probleme wolle. Der Ton des Telefongesprächs sei bedrohlich gewesen, konkrete Bedrohungen seien jedoch nicht ausgesprochen worden. Es habe nur diesen einen Anruf gegeben, etwa drei Tage nachdem er im Jahr 2012 die Anzeige abgegeben hätte. Seiner Frau habe er gleich fünf Minuten später telefonisch von dem Anruf berichtet, seinen Eltern habe er es am Abend des gleichen Tages gesagt; dabei sei seine Frau nicht anwesend gewesen. Seine Frau habe sich sehr aufgeregt und gemeint, dass es besser wäre, wenn sie nichts mehr machen würden; das Telefongespräch mit seiner Frau habe etwa zwei Minuten gedauert, am Abend hätten sie es dann näher besprochen. Die Frage, ob nach seiner Ausreise nach ihm gesucht worden wäre, verneinte der Erstbeschwerdeführer; es sei jedoch behördlich registriert, dass er das Land verlassen hätte. Die Frage, ob es konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen gegeben hätte, wurde vom Erstbeschwerdeführer verneint; es sei lediglich so gewesen, dass sein Kind keine adäquate Behandlung mehr bekommen hätte. In Österreich besuche der Erstbeschwerdeführer einen Deutschkurs, er treibe Sport und helfe, wo es möglich wäre. Er würde gerne arbeiten. Nach Belehrung über das Neuerungsverbot und gefragt, ob er noch etwas Ergänzendes zu Protokoll geben wolle, erklärte der Erstbeschwerdeführer, alle Gründe angegeben zu haben. Ausschlaggebend sei zuletzt gewesen, dass sein Sohn inkontinent sei und aus diesem Grund von anderen Kindern in der Schule ausgelacht und erniedrigt worden wäre, sodass er sich geweigert hätte, die Schule weiter zu besuchen. Für den Fall einer Rückkehr befürchte der Erstbeschwerdeführer, dass sein Sohn nach wie vor keine medizinische Hilfe bekomme. Befragt, ob sie die Möglichkeit gehabt hätten, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen, erklärte der Erstbeschwerdeführer, sie seien in Moskau gewesen und der Drittbeschwerdeführer sei dort operiert worden, dies habe die Situation jedoch nicht verbessert. In Moskau sei es scheinbar nicht besser gewesen, auch gebe es in Moskau keine Schulen für solche Kinder. Auf eine Aushändigung der Länderberichte zu seinem Herkunftsstaat verzichtete der Erstbeschwerdeführer, da er über die dortige Situation Bescheid wüsste. Abschließend bestätigte der Erstbeschwerdeführer, alles vorgebracht zu haben und sich mit der Dolmetscherin einwandfrei verständigen haben zu können. Nach Rückübersetzung seiner Angaben bestätigte der Erstbeschwerdeführer die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift durch seine Unterschrift.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer Befragung im Wesentlichen zu Protokoll, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und sich gut mit der anwesenden Dolmetscherin verständigen zu können. Für ihre drei Kinder würden die gleichen Fluchtgründe und Rückkehrgefährdungen wie für ihre eigene Person gelten. Ihre bislang erstatteten Angaben seien wahrheitsgemäß gewesen und korrekt zu Protokoll genommen worden. Auch sie legte ihren russischen Inlandspass vor. Sie sei ebenfalls Tschetschenin und Moslem. Nach ihrem Gesundheitszustand gefragt, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, psychische Probleme und ein Frauenleiden zu haben; sie hätte schlechte Nerven sowie Irosia (Absenkung des Gebärmutterhalses). Sie stünde jedoch aktuell nicht in Behandlung. Ihre beiden Töchter seien gesund. Mit ihrem Sohn seien sie in Österreich bei Ärzten gewesen, es sei ihnen gesagt worden, dass man ihm helfen könne, es jedoch schwierig und langwierig würde. Bis jetzt sei er noch nicht operiert worden, sie hätten die Einvernahmen abwarten sollen. Befragt, ob es abschätzbar wäre, wie lange der Minderjährige noch in Behandlung sein werde, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, es sei ihnen gesagt worden, dass er nach der ersten Operation einen Ausgang am Bauch haben werde und eine Rückoperation erst nach sechs Monaten erfolgen würde. In Moskau habe er ein Stück Harnleiter bekommen, welches jedoch nicht lang genug wäre, was auch in Österreich korrigiert werden könnte. Der Darm sei jedoch prioritär. In Österreich habe die Zweitbeschwerdeführerin mit Ausnahme der Mitglieder ihrer Kernfamilie keine Verwandten, sie spreche noch nicht Deutsch. Ihr Verhältnis zu ihren unverändert in Tschetschenien aufhältigen Verwandten sei gut. Sie selbst habe im Herkunftsstaat nicht gearbeitet, sie habe dort keine Strafrechtsdelikte begangen und sei nicht politisch tätig gewesen. Ihren Herkunftsstaat habe sie wegen der Gesundheit ihres Kindes verlassen; sie hätten keine Hilfe bekommen, es sei ihnen beispielsweise gesagt worden, dass ihr Sohn das ganze Leben eine Windel brauchen werde. Sie hätten Konflikte mit dem Gesundheitsministerium gehabt. In Moskau sei ihnen gesagt worden, dass die Operationen in Tschetschenien nicht richtig gemacht worden wären. Ihr Mann habe daraufhin Anzeige erstattet und es sei zu besagten Konflikten gekommen. Die Republik sei klein, ihr Sohn sei im Republikanischen Krankenhaus behandelt worden. Dort sei ein Mann für die gesamten Unterlagen und die Krankengschichte verantwortlich gewesen. Sie hätten dann gesagt, dass man nichts mehr tun können und nur Tabletten, Massagen und Physiotherapie verschrieben. Sie hätten gemeint, weitere Operationen würden nichts bringen, man würde das Kind nur quälen und sie sollten sich damit abfinden, dass er ein Leben lang Windeln tragen würde. Als er im XXXX in die Schule geokommen wäre, habe sich die Lage insofern zugespitzt, als er von den anderen Kindern diskriminiert worden wäre. Ihr Mann habe gegen die Ärzte, die das Kind operiert hätten, Anzeige erhoben; danach sei es so gewesen, dass wo immer sie mit ihm vorgesprochen hätte, lediglich mit den Schultern gezuckt und gesagt worden wäre, dass man leider nichts mehr tun könne. Nach etwaigen Drohungen gefragt, antwortete die Zweitbeschwerdeführerin, ihr gegenüber sei es zu keinen Drohungen gekommen, doch ihr Mann habe ihr erzählt, dass er angerufen und bedroht worden sei. Dies sei, so glaube sie, im Jahr 2012 gewesen, an die näheren Umstände könne sie sich nicht erinnern; es sei wohl im Winter gewesen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei von Anfang an gegen die Anzeige gewesen, da sie gefürchtet hätte, dass diese ihrem Sohn noch mehr schade. Nach diesem Anruf im Jahr 2012 habe es keine weiteren Vorkommnisse mehr gegeben. Sie sei mit starken Rückenschmerzen ins Krankenhaus gekommen; ihre beiden Söhne seien bereits im Mutterleib verstorben. Die Fragen, ob nach ihrer Ausreise nach ihr gesucht worden wäre und ob es konkret gegen sie gerichtete Verfolgungshandlungen gegeben hätte, wurden von der Zweitbeschwerdeführerin verneint. In Österreich besuche sie keinen Deutschkurs und sei immer nur mit den Kindern zuhause. Ihr Sohn sei für September zur Schule, die beiden Mädchen für den Kindergarten, angemeldet worden. Das Wichtigste sei für sie die Gesundheit ihres Kindes sowie die Schulbildung der Kinder. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie, dass man sich ihrem Sohn gegenüber nach wie vor gleich verhaltenen und diesem nicht helfen würde. Nach der Möglichkeit einer Niederlassung in einem anderen Landesteil ihres Herkunftsstaats gefragt, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, sie seien in Moskau gewesen, ihr Sohn sei auch dort operiert worden; hier habe man gesagt, dass all diese Operationen in Russland falsch gewesen wären. Die Zweitbeschwerdeführerin verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen zu ihrem Herkunftsstaat, bestätigte, die Dolmetscherin gut verstanden zu haben und keine weiteren Angaben erstatten zu wollen. Nach Rückübersetzung ihrer Angaben bestätigte die Zweitbeschwerdeführerin die Richtigkeit und Vollständigkeit der aufgenommenen Niederschrift durch ihre Unterschrift.

2. Mit im Familienverfahren ergangenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 22. Dezember 2017 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien in Spruchpunkt I. jeweils gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz in Spruchpunkt II. jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und unter einem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkte VI.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität und Staatsangehörigkeit der beschwerdeführenden Parteien fest und traf umfangreiche Feststellungen zur Lage in deren Herkunftsstaat. Im Wesentlichen glaubhaft sei, dass die beschwerdeführenden Parteien ihren Herkunftsstaat aufgrund der Erkrankung des Drittbeschwerdeführers verlassen hätten. Nicht festgestellt werden könne, dass die beschwerdeführenden Parteien in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die beschwerdeführenden Parteien keinerlei Angaben bezüglich konkret erfolgter Verfolgungshandlungen erstattet hätten. Weiters habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt würden. Diese würden über Angehörige in Tschetschenien verfügen, welche sie zumindest vorübergehend unterstützen könnten. Es lägen auch keine Umstände vor, vor deren Hintergrund eine Rückkehr in die Heimat als unzumutbar zu erachten wäre. Keine der beschwerdeführenden Parteien würde an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, welche einer Rückkehr in die Russische Föderation entgegenstünde. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer leide an Stuhlinkontinenz und sei aus diesem Grund bereits siebenmal operiert worden.

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen festgehalten, die beschwerdeführenden Parteien hätten selbst angegeben, aufgrund der Anzeigeerhebung nicht konkret bedroht worden zu sein. Die fraglichen Umstände hätten sich bereits im November 2012 ereignet, ausschlaggebender Grund für die Ausreise im Dezember 2016 sei gewesen, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer aufgrund seiner Inkontinenz in der Schule verspottet und ausgelacht worden wäre und sich geweigert hätte, weiterhin die Schule zu besuchen. Hierin sei jedoch kein Grund erkennbar, welcher eine Gewährung internationalen Schutzes erforderlich werden ließe. Die Befürchtung, wonach der minderjährige Drittbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat weiterhin keine medizinische Hilfe bekomme, hätten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft machen können. Die beschwerdeführenden Parteien hätten selbst angegeben, dass er weiterhin mit Medikamenten, Massagen und Physiotherapie behandelt worden wäre, auch aus den vorgelegten medizinischen Befunden ginge eine weitere Behandlung hervor. Der Umstand, dass die Ärzte in Tschetschenien von einer weiteren Operation abgeraten hätten, lasse nicht auf eine Diskriminierung schließen bzw. den Unwillen zu einer Behandlung erkennen. Der aktuelle Fluchtgrund der beschwerdeführenden Parteien habe in keinen kausalen Zusammenhang mit der Anzeige im Jahr 2012 gebracht werden können. Die Behörde ginge keineswegs davon aus, dass der Drittbeschwerdeführer überhaupt nicht mehr behandelt worden wäre, zumal sie sich erst rund drei Jahre nach der Anzeigeerhebung zu einer Ausreise aus dem Herkunftsstaat entschlossen hätten. Die beschwerdeführenden Parteien hätten somit im Laufe des Verfahrens kein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft machen können. Alleine aufgrund der Tatsache, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer nicht die gewünschte Behandlung, mit dem Erfolg, dass dieser wieder vollkommen gesund sei, erhalten hätte, könne der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt werden, da mit diesem Vorbringen keiner der in der GFK genannten Konventionsgründe erfüllt werde. Dass eine in Zukunft benötigte medizinische Behandlung in der Russischen Föderation nicht möglich wäre und vor diesem Hintergrund ein Abschiebehindernis anzunehmen wäre, sei angesichts der Länderinformationen zur Russischen Föderation, denen zufolge eine medizinische Versorgung in der Russischen Föderation flächendeckend gewährleistet wäre, auch aktuell nicht ersichtlich. Die Behörde übersehe nicht, dass die medizinische Versorgung nicht auf österreichischem Niveau und mit Kosten verbunden sein könnte, doch erreichen allfällige Schwierigkeiten bei der Gewährleistung einer entsprechenden medizinischen Behandlung im Herkunftsstaat nicht die unbestreitbar hohe Schwelle von Artikel 3 EMRK. Der Drittbeschwerdeführer leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, es sei nicht davon auszugehen, dass dessen Gesundheitszustand im Falle einer Abschiebung lebensbedrohlich beeinträchtigt würde.

Eine maßgebliche Integrationsverfestigung der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet habe im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht festgestellt werden können, zumal sich diese lediglich auf Grundlage ihrer Asylantragstellungen im Bundesgebiet aufhalten würden und keine engen Bindungen sozialer oder wirtschaftlicher Natur im Bundesgebiet erkennbar wären.

Mit Verfahrensanordnungen vom 28. Dezember 2017 wurde den beschwerdeführenden Parteien amtswegig eine Rechtsberatungsorganisation für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

3. Mit Eingaben vom 24. Jänner 2018 wurden fristgerecht Beschwerdeschriftsätze eingebracht, in welchen die Bescheide vollinhaltlich wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts angefochten wurden. Begründend wurde im Wesentlichen geltend gemacht, der Drittbeschwerdeführer leide unter einer Überlauf-Enkopresis und einer hohen Form einer Analatresie, in Moskau und Grosny seien sieben Operationen durchgeführt worden. In Moskau sei ihnen mitgeteilt worden, dass die Operationen in Grosny fehlerhaft durchgeführt und die Gesundheit des Minderjährigen dadurch zusätzlich geschädigt worden wäre. Aus diesem Grund habe der Erstbeschwerdeführer eine Anzeige gegen das Republikanische Kinderspital Grosny und das tschetschenische Gesundheitsministerium erstattet. Infolgedessen habe der Erstbeschwerdeführer einen Drohanruf erhalten mit der Aufforderung, die Anzeige zurückzuziehen. Dem sei der Erstbeschwerdeführer nicht nachgekommen, seither erhalte der Sohn keine adäquate Behandlung mehr. Dieser sei inkontinent und müsse Windeln tragen. In Grosny habe er sich geweigert, zur Schule zu gehen, da dort diskriminiert und von anderen Kindern ausgelacht worden wäre. In Österreich sei der Drittbeschwerdeführer adäquat behandelt worden, sein Zustand habe sich verbessert und er ginge hier auf eine Sonderschule. Die belangte Behörde habe sich nicht ansatzweise mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der beschwerdeführenden Parteien auseinandergesetzt, wonach der minderjährige Drittbeschwerdeführer im Herkunftsstaat nicht adäquat behandelt worden wäre. Die belangte Behörde habe auch die Angaben der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien zum Gesundheitszustand ihres Sohnes sowie die in diesem Kontext vorgelegten medizinischen Befunde unberücksichtigt gelassen. In diesem Zusammenhang werde auf einen Befund vom 23. März 2017 verwiesen, demzufolge weitere Operationen notwendig wären. Diese Operationen seien mit hohen Kosten verbunden, für welche sie in der Russischen Föderation selbst aufkommen müssen und die für sie absolut nicht leistbar wären. Die Behörde habe nicht ermittelt, ob die notwenigen Operationen in der Russischen Föderation überhaupt adäquat durchgeführt werden könnten. Für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer sei zwischenzeitig ein Behindertenpass ausgestellt worden, in dem ein Grad der Behinderung von 50% ersichtlich wäre. Abgesehen von der physischen Beeinträchtigung sei der Drittbeschwerdeführer auch psychisch sehr belastet und stünde aus diesem Grund in Behandlung. Eine gesunde kindliche Persönlichkeitsentwicklung wäre nach Ansicht seiner Psychotherapeutin nur im Falle einer Heilung seiner körperlichen Erkrankung möglich. Eine solche werde jedoch nur in Österreich und ohne Unterbrechung der ärztlichen Behandlung möglich sein. Die belangte Behörde habe sich in keinster Weise mit der Situation von Menschen mit Behinderung auseinandergesetzt, bereits bei oberflächlicherer Recherche ergebe sich, dass in der Russischen Föderation keine Gleichberechtigung für Kinder mit Behinderung bestünde. Es gebe nur erschwerten Zugang zu Bildung und die Integration in Schulen sei ebenfalls nicht einfach. In Österreich besuche der minderjährige Drittbeschwerdeführer die Sonderschule, weshalb geboten wäre, zu prüfen, ob ihm diese Möglichkeit auch in der Russischen Föderation offen stünde. Bezüglich der Situation von Menschen mit Behinderung in der Russischen Föderation werde auf Berichte von ACCORD sowie von Human Rights Watch verwiesen. Die belangte Behörde verkenne, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr der Gefahr einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Aus dem gemeinsam mit der Beschwerde übermittelten Befund ergebe sich, dass noch mehrere aufwendige Operationen anstünden, welche sehr langwierig und kostenpflichtig wären. In ihrer Heimat seien bereits fehlerhafte medizinische Eingriffe durchgeführt worden, welche die Gesundheit des Kindes noch zusätzlich geschädigt hätten. Es sei ihnen ein hohes Anliegen, dass der Drittbeschwerdeführer adäquat behandelt werde und sein Leben und seine Gesundheit nicht gefährdet seien. Zudem würden sie nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um sich die Behandlung im Herkunftsstaat leisten zu können. Dies werde nur in Österreich möglich sein. Im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation würden sie wegen ihres Vorgehens gegen das Republikanische Kinderspital Grosny und das tschetschenische Gesundheitsministerium eine Verfolgung aus politischen Gründen befürchten, weshalb der Familie der Status von Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 zuzuerkennen wäre. Der EGMR habe in seiner Entscheidung Paposhvili gegen Belgien festgehalten, dass bei der Frage, ob eine schwerkranke Person in den Herkunftsstaat abgeschoben werden dürfe, zu klären sei, ob eine adäquate Behandlung vorhanden wäre. Dabei komme es auch darauf an, ob eine grundsätzlich vorhandene Behandlung leistbar wäre. Die Familie verfüge nicht über die notwendigen finanziellen Ressourcen um die im Falle des Drittbeschwerdeführers notwendigen teuren Behandlungen sicher zu stellen, weshalb das reale Risiko vorliege, dass diesem im Herkunftsstaat die lebensnotwenige Behandlung nicht offen stünde. Da eine Abschiebung demnach eine Verletzung von Artikel 3 EMRK darstelle, sei der Familie der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Aufgrund der Bemühungen der beschwerdeführenden Parteien, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, erweise sich eine Rückkehrentscheidung als unzulässig. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

Der Beschwerde beiliegend wurden (betreffend den minderjährigen Drittbeschwerdeführer) ein Ambulanzbericht vom 23. März 2017, ein Sachverständigengutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 13. Dezember 2017, ein Dokument über die Ausstellung eines Behinderten-Passes des Sozialministeriums vom 14. Dezember 2017, eine Kopie des Behindertenpasses, eine Bestätigung der ärztlichen Untersuchung bei Inanspruchnahme einer psychotherapeutischen Behandlung, eine Schulbesuchsbestätigung, (betreffend den Erstbeschwerdeführer) Teilnahmebestätigungen an einem Werte- und Orientierungskurs sowie an einer Deutsch-Lerngruppe vom 5. Dezember 2017 und 9. Jänner 2018, Bestätigung über den Kindergartenbesuch der minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen sowie ein Unterstützungsschreiben vom 11. Jänenr 2018 übermittelt.

1.4. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 5. April 2018, Zln. W103 2184400-1/4E, W103 2184403-1/4E, W103 2184401-1/4E, W103 2184396-1/4E und W103 2184402-1/4E, wurden die Beschwerden in den Spruchteilen A) jeweils gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Absatz 9 FPG § 46 FPG, § 55 Absatz 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen. In den Spruchteilen B) wurde die Revision jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Das Bundesverwaltungsgericht legte den angeführten Erkenntnissen neben ausführlichen Länderberichten zur Lage im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien die folgenden Feststellungen zu Grunde:

Die beschwerdeführenden Parteien seien in ihrem Herkunftsstaat in der Vergangenheit keiner Bedrohung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten ausgesetzt gewesen und drohen ihnen solche auch in Zukunft nicht. Nicht festgestellt werden könne, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Der Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Parteien stünde einer Rückkehr in den Herkunftsstaat im Lichte von Art. 3 EMRK jeweils nicht entgegen. Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin sowie die minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen seien gesund. Beim minderjährigen Drittbeschwerdeführer seien eine angeborene hohe Analtresie, Neoanus mit Schließmuskelschwäche nach mehrfachen Operationen sowie Fehlbildungen der Harnröhre und des Penis diagnostiziert worden. In Österreich sei ein Grad der Behinderung von 50% festgestellt worden. Aus den in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen sowie den vorgehaltenen Länderinformationen zum Herkunftsstaat ginge hervor, dass adäquate medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat bestünden und der minderjährige Drittbeschwerdeführer im Übrigen auch vor der Ausreise im Herkunftsstaat entsprechend medizinisch versorgt worden wäre. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer hätte im Herkunftsstaat von Geburt an in medizinischer Betreuung gestanden, sei insgesamt siebenmal, sowohl in Grosny als auch in Moskau, operiert worden und es werde ihm auch im Falle einer Rückkehr eine Weiterführung der erforderlichen Behandlung möglich sein. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer leide an keinem lebensbedrohenden Krankheitszustand und es bestünde kein unmittelbarer Operationsbedarf.

Nicht festgestellt werden könne, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration der unbescholtenen beschwerdeführenden Parteien in Österreich vorliege. Diese würden von der Grundversorgung leben und seien nicht selbsterhaltungsfähig. Außerhalb ihrer Kernfamilie würden die beschwerdeführenden Parteien über keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bezugspunkte im Bundesgebiet verfügen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten sich keine nachgewiesenen Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet, gingen keiner Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit nach und seien nicht Mitglied in Vereinen. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer besuche zurzeit die XXXX Klasse einer Allgemeinen Sonderschule, die minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen würden seit XXXX den Kindergarten im Bundesgebiet besuchen.

Dieser Sachverhalt wurde im Wesentlichen auf die folgenden beweiswürdigenden Erwägungen gestützt:

"(...) Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergibt sich, dass beim minderjährigen Drittbeschwerdeführer gegenwärtig jedenfalls von keinem lebensbedrohlichen Krankheitsbild auszugehen ist und ein akuter Operationsbedarf nicht gegeben ist. Aufgrund Stuhlinkontinenz muss der minderjährige Beschwerdeführer Windeln tragen, wobei sich den vorliegenden Arztberichten entnehmen lässt, dass diesbezüglich bereits eine Besserung eingetreten wäre. Die in Österreich bislang durchgeführte Behandlung besteht im Wesentlichen in einer Weiterführung der bereits in der Russischen Föderation durchgeführten täglichen Darmspülungen. Als weiteres Prozedere wurde in einem Befund vom 03.07.2017 angeführt, vorerst zuzuwarten und das bisher gut funktionierende konservative Management beizubehalten sowie eine Kontrolluntersuchung nach sechs Monaten durchzuführen (vgl. AS 213). Bei den zuletzt genannten Behandlungsmaßnahmen handelt es sich ohne Zweifel um keine lebensnotwendigen Behandlungen und keinesfalls um exklusiv nur im Bundesgebiet erhältliche Behandlungen. In einem früheren Ambulanzbericht vom 23.02.2017 war festgehalten worden, dass, wenn eine bessere Kontinenz erreicht werden solle, aufgrund der bestehenden Problematik eine mehrstufige Re-Operation mit Schutzkolostomie sowie Neuverlagerung des Rektums in den Sphinkter notwendig wäre; wenn alles verheilt wäre, könnte man dann wieder eine Stomarückoperation durchführen; ebenso müsste eine Korrekturoperation der Harnröhre durchgeführt werden (vgl. AS 211).

Es ergibt sich demnach kein Hinweis darauf, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer aktuell an einem derart schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Krankheitszustand leidet, welcher einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehen würde. In diesem Zusammenhang ist nochmals festzuhalten, dass der Minderjährige von Geburt an in seinem Herkunftsstaat kontinuierliche ärztliche Behandlung in Anspruch genommen hat und sowohl in seiner Herkunftsregion als auch in Moskau wiederholt operiert wurde. Vor dem Hintergrund der Länderberichte und der familiären Situation des minderjährigen Drittbeschwerdeführers sind keinerlei Umstände erkennbar, weshalb diesem nicht auch nach einer Rückkehr eine Weiterführung der benötigten medizinischen Betreuung offen stehen sollte. Dieser kehrt gemeinsam mit seinen Eltern in den Herkunftsstaat zurück, wo er über zahlreiche weitere verwandte verfügt (Großeltern sowie sechs Onkeln und Tanten), welche ihn sowohl im Alltagsleben, als auch bei einer allenfalls notwenigen Finanzierung einer weiterführenden medizinischen Behandlung unterstützen könnten. Sofern die erst-und zweitbeschwerdeführenden Parteien ins Treffen geführt haben, ihnen sei im Herkunftsstaat eine weitere Behandlung ihres Sohnes nach der Anzeigeerstattung gegen das Krankenhaus in Grosny verweigert worden, so erweist sich dies als keinesfalls glaubhaft, zumal sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin in Übereinstimmung mit den in Vorlage gebrachten ärztlichen Unterlagen angegeben haben, dass der Drittbeschwerdeführer bis zu seiner Auseise in medikamentöser und physiotherapeutischer Behandlung gestanden hätte. Dass die in der Russischen Föderation durchgeführten Operationen nicht den erhofften medizinischen Erfolg im Sinne einer vollständigen Heilung des Kindes gebracht hätten und von den dortigen Ärzten zuletzt von weiteren Operationen abgeraten worden wäre, kann jedenfalls nicht als Verweigerung einer benötigten Behandlung respektive als Grund, eine Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar zu erachten, angesehen werden. Wenn es auch verständlich erscheint, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin die bestmögliche medizinische Betreuung für ihren Sohn wünschen, so können im gegenständlichen Fall jedenfalls keine Umstände erblickt werden, vor deren Hintergrund anzunehmen wäre, dass der Minderjährige im Falle einer Rückkehr in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten würde.

....

Vorweg ist festzuhalten, dass die beschwerdeführenden Parteien ausdrücklich festhielten, aufgrund der gesundheitlichen Situation des minderjährigen Drittbeschwerdeführers und dem Wunsch nach einer adäquaten Behandlung aus dem Herkunftsstaat ausgereist zu sein.

Eine konkrete Verfolgungssituation aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention respektive eine sonstige auf ihren Herkunftsstaat bezogenen Rückkehrgefährdung wurde von den beschwerdeführenden Parteien nicht konkret vorgebracht.

Sofern der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vorbrachten, aufgrund der vermeintlich falschen Behandlung des minderjährigen Drittbeschwerdeführers in einem Kinderspital in Grosny eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Tschetschenien erstattet zu haben und in der Folge zu einer Zurückziehung der Anzeige aufgefordert worden zu sein, so kann in diesem Zusammenhang keine Rückkehrgefährdung erkannt werden. Dies wird bereits vor dem Hintergrund deutlich, dass der Erstbeschwerdeführer besagte Anzeige eigenen Angaben zufolge im November 2012 eingebracht hätte, den beschwerdeführenden Parteien jedoch bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2016 ein weiterer Verbleib in Tschetschenien problemlos möglich gewesen ist, ohne dass es jemals zu konkreten Verfolgungs- oder Bedrohungshandlungen gekommen wäre. Insofern der Erstbeschwerdeführer schilderte, wenige Tage nach der Anzeigeerstattung durch einen anonymen Anrufer, wie auch bei einer späteren Vorsprache bei der Staatsanwaltschaft, aufgefordert worden zu sein, die Anzeige zurückzuziehen, bleibt sohin festzuhalten, dass dieser Vorfall - selbst im Falle einer Wahrunterstellung - ohne Konsequenzen geblieben ist und demnach eine abschließende Beurteilung der Glaubwürdigkeit der geschilderten Anzeigeerstattung und den daran anschließenden Geschehnissen unterbleiben kann. Wie bereits oben dargelegt, kann es desweiteren als keinesfalls glaubhaft erachtet werden, dass die Anzeige zur Konsequenz gehabt hätte, dass dem minderjährigen Drittbeschwerdeführer eine weitere Behandlung in der Russischen Föderation verweigert worden wäre, zumal sich den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, wie auch den eigenen Angaben der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien, Gegenteiliges entnehmen lässt.

Sofern als unmittelbarer Auslöser ihres Ausreiseentschlusses seitens des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin ins Treffen geführt wurde, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer im Herkunftsstaat die Schule besucht und dort aufgrund seiner Behinderung von anderen Kindern diskriminiert bzw. ausgelacht worden wäre und sich fortan geweigert hätte, die Schule zu besuchen, so kann hieraus, wenn auch eine subjektive Belastung des Minderjährigen nicht angezweifelt wird, ebenfalls kein Grund für die Gewährung internationalen Schutzes erblickt werden. Den herangezogenen Länderberichten lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass Kinder mit körperlichen Behinderungen in der Russischen Föderation systematisch verfolgt oder diskriminiert würden. Auch kann nicht angenommen werden, dass dem Minderjährigen aufgrund der vorliegenden körperlichen Beeinträchtigung ein Schulbesuch in seinem Herkunftsstaat nicht möglich bzw. nicht zumutbar wäre. Aus dem in der Beschwerde zitierten Bericht von Human Rights Watch aus Jänner 2018 ergibt sich etwa, dass es zurzeit Bestrebungen hinsichtlich einer Reform im Bildungssystem gebe, welche es Kindern mit Behinderungen ermöglichen solle, mit entsprechender Unterstützung reguläre Schulen zu besuchen (AS 259). In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass sich der minderjährige Drittbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in seinem von Geburt an gewohnten sozialen und sprachlichen Umfeld befinden würde und auf die Unterstützung eines weitschichtigen sozialen Netzes zurückgreifen könnte, während er in Österreich zusätzlich mit der Erlernung einer für ihn fremden Sprache konfrontiert ist. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich auch keine maßgebliche Verbesserung der psychischen Situation des Minderjährigen seit seiner Ankunft in Österreich, sondern gab sein Vater im Zuge eines Untersuchungstermins am 10.10.2017 an, dass sich der Drittbeschwerdeführer, welcher als sehr schüchtern und zurückhaltend beschrieben wird, seit Ankunft in Österreich noch verhaltensauffälliger als zuvor erweise (vgl. AS 223). Aus einem Vergleich der Lebensumstände des minderjährigen Drittbeschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat und in Österreich kann insofern nicht darauf geschlossen werden, dass eine Rückkehr aufgrund individueller Umstände mit unzumutbaren Härten verbunden wäre. Aus den vorliegenden Länderberichten ergibt sich, dass es dem minderjährigen Drittbeschwerdeführer im Bedarfsfall auch möglich sein wird, im Herkunftsstaat eine kinderpsychologische Behandlung in Anspruch zu nehmen und stünde es den Erst- und Zweitbeschwerdeführern im Falle neuerlicher Schwierigkeiten bei einem Schulbesuch auch offen, durch Gespräche mit LehrerInnen und Eltern von MitschülerInnen zu einer Verbesserung der Situation beizutragen. Aufgrund des bloßen Umstandes, ein Kind mit einer Behinderung zu sein, resultiert keine Situation, die für sich alleine eine Situation darstellt, die in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK fällt. Es kann in diesem Zusammenhang nicht erkannt werden, inwieweit sich die Situation des Drittbeschwerdeführers von anderen Personen mit einer Behinderung in der Russischen Föderation unterscheidet, zumal dieser, wie dargelegt, über ein ihn unterstützendes familiäres Netzwerk im Herkunftsstaat verfügt und vor seiner Ausreise eine entsprechende medizinische Betreuung erhalten hat. (...)"

5. Die dargestellten Erkenntnisse erwuchsen infolge Zustellung an die beschwerdeführenden Parteien in Rechtskraft.

Zweites (verfahrensgegenständliches) Verfahren:

6. Am 24. Mai 2018 brachten die beschwerdeführenden Parteien die gegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz ein, zu welchen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am Tag der Antragstellung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurden.

Der Erstbeschwerdeführer gab anlässlich jener Befragung in Bezug auf die Gründe seiner neuerlichen Antragstellung im Wesentlichen zu Protokoll, Österreich seit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung in seinem vorangegangenen Verfahren nicht verlassen zu haben. Im August 2017 hätte er mit seinen Eltern telefoniert, welche ihm erzählt hätten, dass sein Bruder vor die Sicherheitsbehörden vorgeladen und dort zum Aufenthaltsort des Erstbeschwerdeführers befragt worden wäre; in Tschetschenien würde immer noch nach ihm gesucht, im Falle einer Rückkehr drohe ihm eine Verhaftung, da er verdächtigt werde, Aktivitäten gegen den Staat getätigt zu haben. Im Oktober 2017 hätte er auf Instagram ein paar Publikationen über Regierung und Opposition getätigt, einige Wochen später sei sein Bruder abermals vorgeladen worden und nach dem Aufenthaltsort des Erstbeschwerdeführers befragt worden. Sein Bruder habe entgegnet, dass ihm der Aufenthalt des Erstbeschwerdeführers und seiner Familie nicht bekannt wäre, woraufhin ihm gedroht worden wäre, dass sie den Erstbeschwerdeführer finden würden und ihm etwas Schlimmes zustoßen werde. Überdies sei sein Sohn in Tschetschenien sehr schlecht behandelt worden und sei seither Invalide. In Österreich erhalte dieser medizinische Behandlung und habe in nächster Zeit einen Operationstermin, wozu sie am morgigen Tag einen Arzttermin hätten. Diesbezügliche Unterlagen könne er jederzeit vorlegen.

Die Zweitbeschwerdeführerin begründete ihre neuerliche Antragstellung anlässlich ihrer Erstbefragung ebenfalls mit dem Gesundheitszustand ihres Sohnes, welcher kurz vor einer Operation stehen würde. Überdies hätte ihr Mann erzählt, dass sein Bruder von den Sicherheitsbehörden in Tschetschenien zu Befragungen mitgenommen worden wäre, wobei nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes und dessen Familie gefragt worden sei. Für ihren Mann sei eine Rückkehr nach Tschetschenien gefährlich, da nach ihm gesucht würde. Welche Gefahren sie persönlich in Tschetschenien erwarten würden, wisse die Zweitbeschwerdeführerin nicht. Ihre drei minderjährigen Kinder hätten keine individuellen Fluchtgründe.

Am 18. Juni 2018 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor der belangten Behörde im Beisein einer Dolmetscherin sowie eines Rechtsberaters niederschriftlich einvernommen.

Der Erstbeschwerdeführer führte anlässlich seiner Einvernahme zusammengefasst aus (im Detail vgl. den seine Person betreffenden Verwaltungsakt, Seiten 351 ff), sich seit seiner Einreise im November 2016 durchgehend in Österreich aufzuhalten, seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren seien nach wie vor aufrecht, jedoch hätte er noch weitere Probleme.

Der Erstbeschwerdeführer legte zwei Internetartikel vor, welche er im Oktober 2017 auf Instagram veröffentlicht hätte und aufgrund derer er als Oppositioneller eingestuft würde und in der Russischen Föderation von Verfolgung bedroht wäre. Der erste Artikel behandle einen Bombenangriff auf ein tschetschenisches Dorf im Jahr 1999, der zweite Artikel enthalte ein Gedicht eines Oppositionellen. Darüber hinaus wurden durch den Erstbeschwerdeführer zwei allgemeine Artikel zur Lage in Tschetschenien zur Veranschaulichung der dort drohenden Gefahren sowie ein Brief seines Bruders vorgelegt.

Zu seinen neuen Gründen führte der Erstbeschwerdeführer aus, sein Land aufgrund von Problemen wegen eines Beschwerdeverfahrens in Zusammenhang mit der Invalidität ihres Sohnes verlassen zu haben. Im August 2017 seien drei bewaffnete Personen zu seinem Elternhaus in Tschetschenien gekommen, welche sogleich mit einem Verhör seines dort aufhältigen Bruders begonnen hätten. Sie hätten wissen wollen, wo sich der Erstbeschwerdeführer und seine Familie aufhalten würden und seien ungehalten geworden, nachdem sie seitens des Bruders keine entsprechende Antwort erhalten hätten. Sie hätten gesagt, dass der Erstbeschwerdeführer irgendwelche Kämpfer unterstützen würde. Der Erstbeschwerdeführer sei zwar nie politisch tätig gewesen, hätte aber immer seine Meinung über das Regime Kadyrow's zum Ausdruck gebracht. Ende Oktober 2017 sei es neuerlich zu einem Verhör seines Bruders gekommen, anlässlich dessen ihm die Veröffentlichungen des Erstbeschwerdeführers im Internet vorgehalten worden wären, wobei einer der Beamten geäußert hätte, dass so jemand wie der Erstbeschwerdeführer "ins Grab gehören" würde. Aus diesem Grund könne der Erstbeschwerdeführer unmöglich in seine Heimat zurückkehren, da er diesfalls sogleich einvernommen würde und viele Personen von solchen Einvernahmen nicht mehr zurückgekehrt seien. Seit Oktober 2017 würde auch der Dorfpolizist bei seinem Elternhaus regelmäßig nach dem Erstbeschwerdeführer fragen. Bei seinem Vorbringen handle es sich zusammengefasst um den Inhalt des vorgelegten Briefs seines Bruders, welchen er einige Tage zuvor erhalten hätte. Seinen neuerlichen Antrag stelle er aufgrund dieser Suche nach seiner Person in der Heimat, von welcher er erstmals Mitte August 2017 erfahren hätte. Abgesehen davon, könne ihr kranker Sohn in "Russland" nicht die erforderliche medizinische Hilfe bekommen, jener sei dort bereits mehrmals falsch behandelt worden. Für die Sommerferien 2018 sei eine weitere Operation geplant, deren Termin in den nächsten Tagen bekannt gegeben würde. Seinen Lebensunterhalt bestreite der Erstbeschwerdeführer von der Grundversorgung, er habe Deutschkurse besucht, zweimal bei der Gemeinde ehrenamtlich ausgeholfen und sich in der Unterkunft nützlich gemacht.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer Einvernahme im Wesentlichen zu Protokoll (im Detail vgl. den ihre Person betreffenden Verwaltungsakt, Seiten 307 ff), gesund zu sein; für ihren minderjährigen Sohn wolle sie medizinische Befunde vorlegen, für die beiden anderen Kinder Bestätigungen über den Besuch des Kindergartens. In Bezug auf die Gründe ihrer neuerlichen Antragstellung führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, neu seien die Gründe, welche sie im Falle einer Rückkehr befürchten würden; es sei ihnen gesagt worden, dass seit Herbst vergangenen Jahres nach ihnen gesucht würde. Es seien desöfteren Leute - soweit sie wisse, hätte es sich um Mitarbeiter der Behörde für Inneres gehandelt - zu den Eltern ihres Mannes gekommen, welche hätten wissen wollen, wohin sie gefahren wären. Sie könnten nicht in die Russische Föderation zurückkehren, da ihr Mann dort gefährdet wäre und es sein könnte, dass er verhaftet werde. In Bezug auf ihren Sohn wolle sie anführen, dass er in all den Jahren in der Russischen Föderation falsch behandelt worden wäre; aufgrund seines Gebrechens hätte er nicht in den Kindergarten gehen können. Als er dann in die Schule gekommen wäre, sei er von Mitschülern jeden Tag aufgrund des Tragens von Windeln gehänselt worden. Man hätte ihnen gesagt, dass sie ihm nicht mehr helfen könnten. Die geplanten Operationen in Österreich seien ihre letzte Hoffnung.

Vorgelegt wurden eine Schulbesuchsbestätigung einer Allgemeinen Sonderschule sowie die Schulnachricht des minderjährigen Drittbeschwerdeführers für das Schuljahr 2017/2018, Teilnahmebestätigungen an Werte- und Orientierungskursen betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, Deutschkursteilnahme-bestätigungen (A1) betreffend den Erstbeschwerdeführer sowie zwei Referenzschreiben für die Familie.

7. Mit mündlich verkündeten Bescheiden vom 18. Juni 2018 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 aufgehoben. Die belangte Behörde traf erneut umfangreiche Feststellungen zum Herkunftsstaat und gab den Verfahrensgang wieder. Die Beschwerdeführer hätten nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechtes des Asylverfahrens verfügt. In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 12a Abs. 2 AsylG und begründete die Entscheidung damit, dass die nunmehrigen Folgeanträge voraussichtlich zurückzuweisen sein werden, da sich die Beschwerdeführer auf Gründe bezogen hätten, welche bereits vor rechtskräftigem Abschluss der vorangegangenen Verfahren vorgelegen hätten. Anhand der vorgelegten Unterlagen in Zusammenschau mit dessen niederschriftlichen Angaben könne keine Verfolgung des Erstbeschwerdeführers festgestellt werden. Die Unterlagen seien allgemein gehalten und würden sich nicht auf den Erstbeschwerdeführer persönlich beziehen. Bezüglich des Gesundheitszustands des Drittbeschwerdeführers sei seit Rechtskraft des Erstverfahrens keine wesentliche Änderung eingetreten, diesem stünde im Herkunftsstaat gleichermaßen medizinische Versorgung zur Verfügung. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien seien ebenfalls keine Änderungen seit der rechtskräftigen Entscheidung eingetreten.

8. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gaben im Anschluss an die mündliche Verkündung der dargestellten Bescheide zu Protokoll, Beschwerde gegen jene Entscheidung zu erheben, zu deren Begründung auf das bisher Vorgebrachte verwiesen werde (vgl. Verwaltungsakt des Erstbeschwerdeführers, Seite 415; Verwaltungsakt der Zweitbeschwerdeführerin, Seite 337).

9. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2018, W111 2184400-2/3E, W111 2184403-2/3E, W111 2184401-2/3E, W111 2184396-2/3E und W111 2184402-2/3E, wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 22 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, nicht rechtmäßig ist.

Nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges wies der erkennende Richter darauf hin, dass gegen die beschwerdeführenden Parteien nach der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2018 aufrechte Rückkehrentscheidungen bestünden.

Das Vorbringen der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien zu ihren Folgeanträgen, wonach nach dem Erstbeschwerdeführer in Zusammenhang mit den im ersten Verfahren vorgebrachten Problemen - eine Bedrohung in Zusammenhang mit einer durch diesen aufgrund angeblicher ärztlicher Behandlungsfehler eingebrachten Anzeige - respektive aufgrund der Veröffentlichung zweier kritischer Beiträge auf Instagram im Oktober 2017, drohe und er durch Behördenvertreter gesucht werden würde, dürfte a priori keinen neuen Sachverhalt erkennen lassen, da sich die vorgebrachten Sachverhaltselemente allesamt auf einen Zeitraum vor rechtskräftigem Abschluss der vorangegangenen Verfahren beziehen und insofern keinen "neu entstandenen" Sachverhalt begründen würde.

Das Bundesamt habe es jedoch vollkommen unterlassen, eine konkrete Abklärung der derzeitigen gesundheitlichen Situation des minderjährigen Drittbeschwerdeführers und in diesem Zusammenhang allenfalls zeitnah geplanter Behandlungsschritte vorzunehmen.

Zwar treffe es zu, dass im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2018 dem Grunde nach festgestellt worden sei, dass die gesundheitliche Situation des minderjährigen Drittbeschwerdeführers kein Hindernis für eine Rückkehr in den Herkunftsstaat begründe, zumal auch dort Behandlungsmöglichkeiten für das vorliegende Beschwerdebild bestehen würden und der minderjährige Drittbeschwerdeführer im Herkunftsstaat von Geburt an bis zu seiner Ausreise in medizinischer Betreuung gestanden sei. Den vorgelegten Befunden hätte sich nicht entnehmen lassen, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt an einem schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheitsbild leiden würde oder eine Behandlung benötigen würde, welche in seinem Herkunftsstaat nicht zur Verfügung stünde respektive dass ein operativer Eingriff unmittelbar erforderlich wäre.

Im Rahmen des nunmehrigen Verfahrens hätten dessen gesetzliche Vertreter jedoch sowohl anlässlich der Erstbefragung am 24. Mai 2018 als auch anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 18. Juni 2018 eine zeitnah geplante Operation des Neunjährigen erwähnt und auf das Vorhandensein entsprechender ärztlicher Unterlagen hingewiesen. Das Bundesamt habe sich mit diesem Vorbringensaspekt in weiterer Folge jedoch nicht in erkennbarer Weise auseinandergesetzt und würde sich die durch die gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen angesprochenen medizinischen Unterlagen (vgl. Verwaltungsakt des Erstbeschwerdeführers, Seite 23; Verwaltungsakt der Zweitbeschwerdeführerin, Seite 309) nicht in den übermittelten Verwaltungsakten wiederfinden. Die gesetzlichen Vertreter des Drittbeschwerdeführers seien weder nach dem aktuellen Gesundheitszustand ihres Sohnes gefragt worden, noch danach, welche Art von Behandlung er gegenwärtig erhalte bzw. in Planung stehe, sodass sich auch die Feststellung, dass keine Änderung in Bezug auf dessen Gesundheitszustand seit Rechtskraft des Vorverfahrens eingetreten sei, als nicht nachvollziehbar erweise. Durch das Bundesamt wäre daher zu klären gewesen, ob sich der minderjährige Beschwerdeführer aktuell tatsächlich in konkreter Vorbereitung auf eine Operation befinde, um die Beurteilung zu ermöglichen, ob eine Rückkehr in den Herkunftsstaat zum gegenwärtigen Zeitpunkt allenfalls eine Verletzung seiner Rechte insbesondere gemäß Artikel 8 EMRK bewirken würde.

In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gesundheitlichen Problemen und den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens im Rahmen einer Interessensabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK auch unter der Schwelle von § 50 FPG eine Bedeutung zukommen könnten (vgl. dazu insbesondere VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; VwGH 14.04.2016, 2016/21/0033; VwGH 17.12.2003, Ra 2015/21/0119).

Da auch im verkürzten Verfahren nach § 12a AsylG 2005 der amtswegige Ermittlungsgrundsatz (in Zusammenschau mit den Mitwirkungspflichten des Asylwerbers gemäß § 15 AsylG 2005) naturgemäß aufrecht bleibe (vgl. auch RV 330 XXIV. GP zu §12a Abs. 2 AsylG 2005), bedürfe es sohin der weiter oben dargelegten ergänzenden Ermittlungen und Auseinandersetzung im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung.

Das Bundesverwaltungsgericht könne im derzeitigen Verfahrensstadium - innerhalb des zur Verfügung stehenden und in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Beurteilungsspielraums - nicht abschließend beurteilen, ob das Verfahren nicht zuzulassen gewesen wäre, der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache jedenfalls zurückzuweisen sein werde bzw. die Abschiebung der BeschwerdeführerInnen keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.

10. In weiterer Folge wurden seitens der belangten Behörde sämtliche Befundberichte betreffend den Drittbeschwerdeführer eingefordert und diese einer Ärztin für Allgemeinmedizin, ÖÄK-Diplom für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeutin/IT und allgemein beeidete und gerichtlich zertifiziere Sachverständige, mit dem Ersuchen um Erstellung einer gutachterlichen Stellungnahme übermittelt.

In ihrer Stellungnahme wies die Ärztin für Allgemeinmedizin, ÖÄK-Diplom für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeutin/IT und allgemein beeidete und gerichtlich zertifiziere Sachverständige, zusammenfassend - insbesondere auf Grund des vorgelegten Befundes des XXXX vom 3. August 2018 - daraufhin, dass bezogen auf den Darm, es durch die Spülungen und das Schließmuskeltraining zu einer Besserung der Kontinenz gekommen sei. Das weitere Procedere sei aus den Briefen unklar. Eine Kontrolle sei im Oktober vorgesehen. Eine akute Lebensbedrohung sei derzeit aus den vorgelegten Befunden nicht erkennbar. Auch eine weitere operative Sanierung sei aus den Befunden nicht ersichtlich.

Gegenständliche Stellungnahme wurde den gesetzlichen Vertretern im Zuge des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht. In Einem wurde eine Frist von sieben Tagen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt, die ungenützt verstrich.

11. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom 24. Mai 2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchteil II. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurden erneut Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei. Unter Spruchteil III. wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

Die Bescheide wurden im Wesentlichen damit begründet, dass entschiedene Sache vorliege, das Vorbringen der Beschwer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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