TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/7 W261 2167076-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.11.2018
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Entscheidungsdatum

07.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W261 2167076-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin Gastinger, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 21.07.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.01.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Gang des Verfahrens:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 22.07.2015 in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 23.07.2015 erfolgte die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit einer Dolmetscherin in der Sprache Paschtu. Dabei gab der BF an, afghanischer Staatsangehöriger und sunnitischer Moslem zu sein, und der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören. Er sei am XXXX in der Provinz Balkh geboren. Seinen Fluchtgrund betreffend führte er aus, er habe aus Angst um sein Leben seine Heimat verlassen. In Afghanistan herrsche Krieg, die allgemeine Lage sei schlecht und unsicher. Das sei sein Asylgrund.

Am 19.07.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt (in der Folge BFA oder belangte Behörde), im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er aus Pakistan, wo er seit Kindesbeinen an lebte, nach Afghanistan zu einer Hochzeit zurückgekehrt sei, weil ein Cousin väterlicherseits geheiratet habe. Er habe sieben Tage in XXXX in der Provinz Kunar verbracht. Es seien auch andere, namentlich genannte Freunde des BF dort anwesend gewesen. Diese seien bei der Nationalarmee und hätte ihre Kalaschnikows dabeigehabt. Sie hätten draußen getanzt und Freudenschüsse abgegeben. Ein Freund habe dem BF seine Kalaschnikow gegeben, damit auch er schießen könne. Er habe ein ganzes Magazin leergeschossen. Eine Patrone sei hängen geblieben, und sein Freund habe die Hemmung beheben wollen. Der BF habe die Kalaschnikow in der Hand gehalten. Dabei habe abgedrückt und versehentlich Schüsse ausgelöst, wodurch er eine namentlich genannte Person, der ihm gegenübergestanden sei, getroffen hätte. Es sei zu einem Durcheinander gekommen. Sein Onkel hätte ihn daraufhin mit dem Motorrad zu sich nach Hause gefahren. Er habe seinen Vater angerufen, der veranlasste, dass der BF nach Pakistan gebracht werde. Er habe dann erfahren, dass diese Person verstorben sei. Sein Bruder habe ihn eine Nummer von einem Schlepper gegeben, und der BF sei in die Türkei ausgereist. Seine Familie habe versucht, mit der Familie des Opfers eine friedliche Lösung herbeizuführen, was nicht gelang. Der BF habe ca. ein Jahr in der Türkei verbracht, um auf diese friedliche Lösung, die ihm eine Rückkehr ermöglichen würde, zu warten. Seine Familie sei in der Zwischenzeit nach Afghanistan abgeschoben worden, weswegen er nicht nach Pakistan zurückkehren habe können. Nach Afghanistan könne er nicht zurück, weil die Familie des Opfers, die Taliban seien, ihn töten wolle.

Die belangte Behörde wies in weiterer Folge den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 21.07.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab. Weiters erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg. cit., erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg. cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach die belangte Behörde aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg. cit. die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde führte begründend aus, dass der BF nicht glaubwürdig sei. Sein Fluchtvorbringen stehe im klaren Widerspruch zu seinen Angaben in der Erstbefragung. Das Vorbringen selbst sei nicht glaubhaft. Der BF sei jung, gesund und arbeitsfähig, von dem eine grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Im Falle einer Rückkehr sei es ihm daher zuzumuten, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben liege nicht vor.

Mit Eingabe vom 07.08.2017 erhob der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG). Darin brachte er unter Zitierung von Länderinformationen und Judikaten des Verwaltungsgerichtshofes vor, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei, beim BF liege eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der wegen Ehrverletzung durch Blutrache bedrohten Personen vor. Zudem habe sich die belangte Behörde nicht mit den konkreten Lebensbedingungen der Rückkehrerinnen und Rückkehrer auseinandergesetzt. Ein innerstaatliches Fluchtalternatives Kabul liege nicht vor. Die belangte Behörde stütze sich auf Widersprüche des BF bei seinen Einvernahmen. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft geblieben. Demgemäß sei auch die rechtliche Beurteilung falsch. Der BF zähle zu einer Risikogruppe laut den UNHCR Richtlinien, nämlich zu jenem Personenkreis, der in Blutfehden verwickelt sei. Daher wäre dem BF internationaler Schutz zu gewähren gewesen. Es würden in eventu die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen. Es werde jedenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen sein.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 08.08.2017 dem BVwG vor, wo dieser am 09.08.2017 einlangte.

Am 11.01.2018 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu statt, zu der der BF persönlich gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter erschien. Die belangte Behörde nahm an der mündlichen Verhandlung entschuldigt nicht teil.

Der BF führte in dieser mündlichen Beschwerdeverhandlung zu seinen persönlichen Verhältnissen aus. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, was er bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA ausgesagt hatte. Das BVwG legte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung das damals aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 in der aktualisierten Fassung vom 21.12.2017 ebenso vor, wie eine Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 07.06.2017 zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde. Dem BF wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass auf Grund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Das BVwG räumte sowohl dem BF als auch der belangten Behörde eine Frist von drei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

Der BF gab mit Eingabe vom 24.01.2018, durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme zu den Länderberichten ab, und legte Fotos von seinem verletzten Freund Najib vor. Der BF legt auch einen Bericht von Amnesty International vom Oktober 2017 und einen Artikel von Frederike Stahlmann aus dem Asylmagazin 03/2017 vor.

Mit Schreiben vom 15.10.2018 übermittelte das BVwG den Parteien des Verfahrens die aktualisierten Länderinformationen zu Afghanistan mit Stand 11.09.2018, sowie die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 und räumte diesen die Möglichkeit ein, innerhalb einer bestimmten Frist eine Stellungnahme abzugeben.

Das BVwG führte am 15.10.2018 eine Auskunft im Strafregister durch, wonach für den BF im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung aufscheint.

Das BVwG führte am selben Tag eine Abfrage im Betreuungsinformationssystem durch, wonach der BF seit seiner Ankunft in Österreich Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.

Mit Eingabe vom 05.11.2018 übermittelte der BF, bevollmächtigt vertreten durch den die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, eine Stellungnahme, in welcher er umfassend unter Zitierung verschiedenster Quellen der Länderinformationen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan ausführte, weswegen dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zugemutet werden könne. Zudem laufe er als potentielles Opfer von Blutrache Gefahr, von der Familie des Getöteten, umgebracht zu werden. Daher würden die Anträge in der Beschwerde vollumfänglich aufrechterhalten.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF trägt den Namen XXXX und ist in XXXX , Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh geboren. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, genauer des Stammes der XXXX und sunnitischer Muslim. Zur Identifikation im Verfahren wird das Geburtsdatum mit XXXX festgelegt.

Die Muttersprache des BF ist Paschtu.

Die Kernfamilie des BF besteht aus seinem Vater, XXXX , und seiner Mutter XXXX und seinen vier Brüdern und vier Schwestern. Die Eltern des BF stammen aus der Provinz Kunar, wo sie auch aktuell leben. Die Brüder des BF, XXXX , XXXX und XXXX und seine Schwestern XXXX und XXXX leben ebenfalls in der Provinz Kunar, sein Bruder XXXX und seine Schwester XXXX leben in XXXX , in der Provinz Nangarhar und seine Schwester XXXX lebt in XXXX , in Pakistan.

Der Vater des BF war Offizier und bezieht eine Pension von der afghanischen Regierung. Er arbeitet auch in der Landwirtschaft. Seine Brüder XXXX , XXXX und XXXX sind Hilfsarbeiter. Sein Bruder XXXX besucht die Schule. Seine Schwestern XXXX und XXXX sind verheiratet, die beiden anderen Schwestern leben bei den Eltern des BF.

Der BF steht mit seiner Familie in Kontakt.

Der BF hat noch weitere Verwandte in Afghanistan.

Der BF zog als Kleinkind aus XXXX nach XXXX , genauer nach XXXX am XXXX in Pakistan, wo er auch aufwuchs. Die Familie des BF verließ aufgrund des Krieges in Afghanistan ihr Herkunftsland. Der BF besuchte keine Schule. Er arbeitete für fünf Jahre bei einem Juwelier. Er arbeitete auch in einem Hotel, in einem Gemüsegeschäft und bei einem Devisenhändler. Zuletzt lebte der BF in XXXX in der Provinz Kunar.

Die Familie des BF kehrte vor zwei oder drei Jahren aus Pakistan wieder in die Provinz Kunar zurück. Sie wurden aus Pakistan abgeschoben und leben aktuell in Zelten, welche Flüchtlingen in der Provinz Kunar zur Verfügung gestellt werden.

Der BF ist wurde weder in seinem Herkunftsstaat noch in Pakistan wegen einer Straftat verurteilt.

Der BF ist verlobt mit einem Mädchen namens XXXX , die in der Provinz Kunar lebt, und hat keine Kinder.

Der BF reiste ca. im September 2014 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei, Bulgarien und Ungarn nach Österreich, wo er am 22.07.2015 illegal einreiste und am 23.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen (betreffend die Gefahr, wegen eines versehentlichen Schussunfalles bei einer Hochzeit in der Provinz Kunar, bei welchem eine Person gestorben sein soll, verfolgt und getötet zu werden) kann nicht festgestellt werden.

Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine psychische und/oder physische Gewalt.

1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Juli 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A1, und verfügt kaum über Kenntnisse der deutschen Sprache. Er besucht in Österreich die Schule in XXXX . In seiner Freizeit spielt der BF Fußball. Da der BF keine Arbeitserlaubnis hat, kann er in Österreich nicht arbeiten. Der BF hat keine österreichischen Freunde. Es konnten keine substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in die Herkunftsprovinz seiner Familie, der Provinz Kunar, aufgrund der volatilen Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem BF steht eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zur Verfügung. Es ist dem BF eine Rückkehr in die Provinz, in der er geboren wurde, die Provinz Balkh, genauer in die Stadt Mazar-e Sharif, möglich, wo er ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, leben kann. Dem BF droht bei seiner Rückkehr nach Mazar-e Sharif kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif, zumindest anfänglich, mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er hat zwar keine Schulausbildung, hat jedoch bereits jahrelange Berufserfahrung in verschiedenen Berufen gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.

Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der BF ist gesund. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in nach Mazar-e Sharif Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan in der Fassung vom 11.09.2018:

"...

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

...

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

...

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

...

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

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3.5 Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

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Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff:

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp, auch für Afghan/innen, die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

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3.18 Kunar

Die Provinz Kunar befindet sich in Ostafghanistan. Sie grenzt im Norden an die Provinz Nuristan, im Süden an die Provinz Nangarhar, im Westen an die Provinz Laghman und im Osten an die Durandlinie (Pajhwok o.D.). Kunar hat folgende Distrikte: Asadabad, Khas Kunar/Khaskunar, Noorgul/Noorgul, Sawkai/Chawki, Narang, Sarkano/Sarkani, Marawar/Marawara, Shigal/Shigal Wa Sheltan, Dangal/Dangam, Asmar, Ghazi Abad/Ghaziabad, Nari, Watapur, Chapa Dara/Chapadara und Dara-e-Pech/Pech; die Provinzhauptstadt ist Asadabad (Pajhwok o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014, NPS o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 465.706 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Teilstämme der Paschtunen und Nuristani (NPS o.D.).

In Kunar stieg die Opium-Produktion im Jahr 2017 (+358 Hektar), wenngleich nicht so stark wie in der Provinz Nangarhar. Insgesamt wurden im selben Jahr in Kunar 31 Hektar an Opiumfeldern umgewidmet (UNODC 11.2017; vgl. SIGAR 30.1.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

In den ersten zwei Monaten des Jahres 2018 zählte Kunar zu den relativ volatilen Provinzen Ostafghanistans: Aufständische der Taliban und des IS waren in einigen Distrikten aktiv (Khaama Press 11.1.2018; vgl. Khaama Press 9.1.2018, FE 25.2.2018, Khaama Press 4.7.2017, Khaama Press 18.2.2018). Verlautbart wurde auch, dass al-Qaida-Aufständische in einigen Distrikten aktiv sind (Khaama Press 18.2.2018).

Kunar gehört zu den Provinzen, in denen sicherheitsrelevante Vorfälle bedeutend waren (SIGAR 30.1.2018). Auch zählt Kunar zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Obwohl die Anzahl der Gefechte in Kunar zunahm, wurden in der Provinz weniger zivile Opfer in Folge von Bodenoffensiven registriert (UNAMA 2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 120 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

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Im gesamten Jahr 2017 wurden in Kunar 224 zivile Opfer (70 getötete Zivilisten und 154 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gezielte Tötungen und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 43% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Kunar

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (TSD 16.3.2018; vgl. SN 7.3.2018, Xinhua 20.2.2018). Dabei werden u. a. Taliban (TSD 16.3.2018; vgl. SN 7.3.2018) und IS-Kämpfer (Xinhua 20.2.2018; vgl. Khaama Press 4.7.2017) getötet. Im Rahmen von Luft- bzw. Drohnenangriffen werden Aufständische getötet (Khaama Press 16.3.2018; PT 12.3.2017; vgl. Tolonews 8.3.2018, SN 7.3.2018, Geo News 7.3.2018, LWJ 3.3.2018, FE 25.2.2018, Khaama Press 11.1.2018, Khaaama Press 9.1.2018). Auch wurden Anführer des IS in Afghanistan (Brinkwire 21.3.2018; vgl. FE 25.2.2018, Tolonews 15.7.2017, Pajhwok 15.7.2017, NYT 14.7.2017), wie z.B. Abu Sayed, getötet (Brinkwire 21.3.2018). Im Rahmen von Luftangriffen wurden auch Mitglieder der pakistanischen Taliban Tehreek-e-Taliban (TTP) getötet. Unter ihnen befand sich der Sohn des pakistanischen TTP-Chefs Mullah Fazlullah (AJ 8.3.2018; vgl. Reuters 8.3.2018).

In der Provinz kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (Pajhwok 5.3.2018; vgl. Xinhua 17.1.2017). Pakistanische Sicherheitskräfte feuern Granaten und Mörser auf die Provinz Kunar ab. Betroffen sind die Distrikte Asmar, Shigal wa Sheltan, Marwara, Sarkano, Dangam, Nari und Khaskunar (DP 21.3.2018; vgl. Pajhwok 16.11.2017, Pajhwok 14.11.2017); zahlreiche Familien mussten Ende 2017 aus den betroffenen Distrikten flüchten (Tolonews 22.11.2017; vgl. Pajhwok 16.11.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Kunar

Unterschiedliche terroristische Organisationen sind in der Provinz in abgelegenen Distrikten aktiv; zu diesen Gruppierungen zählen die Taliban (FE 25.2.2018; vgl. Khaama Press 11.1.2018), der IS (FE 25.2.2018; vgl. Xinuah 20.2.2018, Khaama Press 11.1.2018) und auch al-Qaida (Khaama Press 18.1.2018). Konflikte zwischen aufständischen Gruppierungen fanden statt (UNAMA 2.2018).

In der Provinz sind Taliban-Kämpfer aktiv, insbesondere Mitglieder der TTP, einer Taliban-Gruppierung deren Kämpfer aufgrund von Angriffen der pakistanischen Streitkräfte aus Pakistan in die Grenzprovinzen Ostafghanistans geflüchtet sind (TDS 16.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, LWJ 3.3.2018). Die TTP hat in der Vergangenheit enge Kontakte zu al-Qaida gepflegt (FE 9.3.2018). Die konkrete Mitgliederanzahl der al-Qaida, unter anderem in der Provinz Kunar, ist umstritten (LWJ 27.4.2017).

Die konkrete Anzahl von IS-Kämpfern in Kunar ist nicht bekannt, Schätzungen zufolge soll es sich um einige Hunderte handeln (Pajhwok 5.7.2017). Die afghanische Regierung wurde bezichtigt, landesweit die Zahlen zu IS-Kämpfern aufzublähen (Tolonews 10.1.2018). Die IS-Kämpfer in der Provinz Kunar sollen angeblich von Ausländern ausgebildet werden (Pajhwok 5.7.2017). IS-Anführer hatten im Juli 2017 in der Provinz Kunar, im Distrikt Shigal wa Sheltan, ihren Stützpunkt (AAN 23.7.2017). Berichten zufolge sollen Sympathisanten des Islamischen Staates angefangen haben, in der Provinz Kunar Mitglieder zu rekrutieren (Khaama Press 24.1.2017; vgl. Khaama Press 4.7.2017); die Zielgruppe der Rekrutierungen sind insbesondere die zahlreichen arbeitslosen Jugendlichen (VOA 4.3.2018; vgl. Khaama Press 24.1.2017). Trotzdem ist fraglich, ob der IS tatsächlich Kontrolle in der Provinz Kunar ausübt (VOA 4.3.2018; NYT 14.7.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene sicherheitsrelevante Vorfälle in der Provinz Kunar registriert (ACLED 23.2.2018).

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3.35 Erreichbarkeit

Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Verkehrsunfälle sind in Afghanistan keine Seltenheit; jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, hohe Geschwindigkeiten und Nachlässigkeit der Fahrer während der Fahrt (KT 17.2.2017; vgl. IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen sowie Zusammenstöße zwischen letzteren und den Sicherheitskräften entlang einiger Straßenabschnitte gefährden die Sicherheit auf den Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kandahar-Uruzgan (Pajhwok 28.4.2018), Ghazni-Paktika (Reuters 5.5.2018), Kabul-Logar (Tolonews 21.7.2017) und Kunduz-Takhar (Tolonews 12.5.2017).

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Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

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10. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen (AA 5.2018).

Zu den bedeutendsten Menschenrechtsfragen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen (USDOS 20.4.2018). Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (AI 22.2.2018).

Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 5.2018). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 5.2018). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren in der Regel ohne staatliche Einschränkungen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbedienstete sind in dieser Hinsicht einigermaßen kooperativ und ansprechbar (USDOS 20.4.2018). Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Afghanistan Independent Human Rights Commission AIHRC bekämpft weiterhin Menschenrechtsverletzungen. Sie erhält nur minimale staatliche Mittel und stützt sich fast ausschließlich auf internationale Geldgeber. Innerhalb der Wolesi Jirga beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit Menschenrechtsverletzungen: der Ausschuss für Geschlechterfragen, Zivilgesellschaft und Menschenrechte, das Komitee für Drogenbekämpfung, berauschende Drogen und ethischen Missbrauch sowie der Jusitz-, Verwaltungsreform- und Antikorruptionsausschuss (USDOS 20.4.2018).

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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