Entscheidungsdatum
08.11.2018Norm
AlVG §10Spruch
W198 2208033-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Benjamin NADLINGER und Josef HERMANN als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schloßhofer Straße vom 18.07.2018 in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schloßhofer Straße vom 18.07.2018 wird gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Bei der am 26.06.2018 vor dem Arbeitsmarktservice Wien Schloßhofer Straße (im Folgenden: AMS) wegen Weigerung an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung teilzunehmen aufgenommenen Niederschrift gab XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) im Wesentlichen zu Protokoll, dass er schon mehrfach Kurse mit deckungsgleichen Inhalten erfolgreich absolviert habe und sei das einzige ihm bekannte Vermittlungshindernis sein schlechter gesundheitlicher Zustand, der durch diesen Kurs nicht behoben werden könne.
2. Mit Bescheid des AMS vom 18.07.2018 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm §10 AlVG für den Zeitraum 15.06.2018 bis 09.08.2018 verloren hat. Nachsicht wurde nicht erteilt. Der angeführte Zeitraum verlängert sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer dem Auftrag des AMS zur Teilnahme an einer Maßnahme zur Nach(Um)-Schulung bzw. zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bei Jobwerkstatt Ost nicht nachgekommen sei. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30.07.2018 fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass er zu dem zugewiesenen Kurs nicht erscheinen habe können, da sein schlechter gesundheitlicher Zustand dies nicht zugelassen habe.
Er legte der Beschwerde einen fachärztlichen Befundbericht der psychosozialen Dienste Wien, sozialpsychiatrisches Ambulatorium XXXX , vom 27.07.2018 bei. Aus diesem Befund geht hervor, dass der Beschwerdeführer an einer sozialen Phobie leidet sowie der Verdacht einer Autismusspektrumstörung besteht.
4. Die Beschwerdesache wurde gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 19.10.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer steht seit 03.08.2006, mit Unterbrechungen durch Krankenstände, im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Am 27.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer vom AMS der Auftrag erteilt bei der Maßnahme "AMS JOB. WERKSTATT" mit Beginn am 15.06.2018 teilzunehmen. Dem Beschwerdeführer wurden die Ziele und Inhalte des Kurses erklärt und die Rechtsfolgen erörtert.
In einem Schreiben vom 06.06.2018 an das AMS gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er an dieser Maßnahme nicht teilnehmen wolle, zumal er die Sinnhaftigkeit des Kurses nicht gegeben sehe. Er begründete dies damit, dass er schon mehrfach Kurse mit deckungsgleichen Inhalten erfolgreich absolviert habe und sei das einzige ihm bekannte Vermittlungshindernis sein schlechter gesundheitlicher Zustand, der durch diesen Kurs nicht behoben werden könne.
Der Beschwerdeführer ist zum Maßnahmenbeginn am 15.06.2018 nicht erschienen.
Der Beschwerdeführer leidet an einer ausgeprägten Sozialphobie. Zudem besteht der Verdacht einer Autismusspektrumstörung. Aufgrund dieses Befundes wurde seitens des AMS eine Untersuchung beim BBRZ veranlasst um das Leistungskalkül des Beschwerdeführers festzulegen.
Am 11.10.2018 langte das arbeitsmedizinische Gutachten des BBRZ betreffend den Beschwerdeführer beim AMS ein. Aus diesem Gutachten vom 10.10.2018 ergibt sich, dass beim Beschwerdeführer eine absolute Arbeits- und Kursunfähigkeit vorliegt.
Festgestellt wird daher, dass der Beschwerdeführer die Teilnahme an der vom AMS zugewiesenen Maßnahme zur Wiedereingliederung nicht vereitelt hat.
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verfahrensakten des AMS sowie des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Feststellung betreffend die beim Beschwerdeführer vorliegende Sozialphobie sowie den Verdacht einer Autismusspektrumstörung ergibt sich aus dem fachärztlichen Befundbericht der psychosozialen Dienste Wien, sozialpsychiatrisches Ambulatorium XXXX , vom 27.07.2018.
Die Feststellung betreffend die beim Beschwerdeführer vorliegende absolute Arbeits- und Kursunfähigkeit ergibt sich aus dem arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten des BBRZ vom 10.10.2018.
Aufgrund dessen liegt keine Vereitelung vor.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin das AMS Wien Schloßhofer Straße.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid und nicht berufsunfähig im Sinne des ASVG ist.
Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, dh bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein. (vgl. zB VwGH 19.09.2007, 2006/08/0157, mwN und jüngst VwGH 08.09.2014, Zl. 2013/08/0005)
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung vereitelt hat.
Den Feststellungen folgend liegt beim Beschwerdeführer jedoch eine absolute Arbeits- und Kursunfähigkeit vor; er ist sohin nicht arbeitsfähig im Sinne von § 8 AlVG.
Wer nicht arbeitsfähig ist, dem darf keine Arbeit zugewiesen werden. Insofern kann der Beschwerdeführer überhaupt keine Vereitelungshandlung setzen.
Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der Bescheid vom 18.07.2018 aufzuheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum AlVG. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Arbeitsunfähigkeit, Notstandshilfe, Sachverständigengutachten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2208033.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.01.2019