Entscheidungsdatum
12.11.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W123 2188233-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2018, 1138596504-161710952, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 21.12.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund vor, dass er Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen habe. Sein Vater habe mit den Ausländern zusammengearbeitet und sei von den Taliban aufgefordert worden, seinen Job aufzugeben, widrigenfalls die Taliban seine gesamte Familie umbringen würden. In weiterer Folge hätten die Taliban zwei Brüder des Beschwerdeführers umgebracht und hätten auch beabsichtigt, den jüngeren Bruder des Beschwerdeführers mitzunehmen.
3. Am 04.08.2017 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde.
Die Niederschrift lautet auszugsweise:
"[...]
FRAGEN zum Fluchtgrund:
LA: Was war Ihrer Meinung nach der fluchtauslösende Moment, dass Sie Afghanistan verlassen haben?
AW: Die Daesh wollten dass ich mich denen anschließe und wollten mich mitnehmen. Mein Vater hat mit den Amerikanern zusammengearbeitet. Sobald die Daesh erfahren dass jemand für die Regierung gearbeitet hat nehmen sie den mit oder die Kinder von dem und bringen einen um. Außerdem wurden meine Onkel ermordet. Die Daesh haben auch einige Mal meine Schule angegriffen. Sie wollten 8-15 -jährige mitnehmen. Wenn sie die Kinder mitgenommen haben waren sie spurlos verschwunden. Man hat nichts mehr von ihnen gehört. Man hat auch keinen Leichnam gefunden. Die Daesh wollten mich mitnehmen, deswegen bin ich Richtung Europa geflohen. Mein Leben ist dort in Gefahr, das Leben meiner Familie ist dort auch in Gefahr, ich will meine Familie zu mir herholen.
LA: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe Afghanistan betreffend?
AW: Nein.
[...]"
4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.01.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).
5. Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung Verfolgung zu gewärtigen habe und seine beiden Brüder bereits getötet worden seien. Auch der Beschwerdeführer hätte an die Taliban übergeben werden sollen.
6. Am 23.10.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer nennt sichXXXX, ist minderjährig und Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Nangarhar geboren, ist ledig sowie spricht Paschtu und Dari.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nie politisch tätig oder persönlichen Bedrohungen ausgesetzt. Er ist in Afghanistan weder vorbestraft noch war er dort inhaftiert; er gehörte nie einer politischen Partei an.
Der Beschwerdeführer stellte im Dezember 2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Den Entschluss zur Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan fasste der Vater des Beschwerdeführers.
Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.
Nicht festgestellt werden kann ferner, dass bei einer allfälligen Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan dieser aufgrund der Tätigkeit seines Vaters für die Amerikaner bzw. dessen Weigerung zur Zusammenarbeit mit den Taliban mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre bzw. ein besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers besteht bzw. bestehen könnte.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu Sprachkenntnissen und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Jedoch ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben zu seinem Heimatort tätigte: In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, in Nangarhar im Distrikt XXXX in der Nähe der StadtXXXX gelebt zu haben (vgl. AS 89 und 91, arg. "LA: Wieso wissen Sie das nicht? - AW: Ich bin in Nangarhar geboren, aufgewachsen bin ich in XXXX. Nachgefragt gebe ich an dass XXXX zu Nangarhar zählt. Anmerkung: XXXX ist ein Distrikt von Nangarhar. - LA: In welchem Dorf sind Sie aufgewachsen?
- AW: Ich habe das bei der Erstbefragung auch nicht angegeben weil ich mich daran nicht erinnern kann. - LA: Sie kennen den Namen des Dorfes nicht? AW: Es gab eine große Stadt names XXXX, wir haben in der Nähe der Stadt gelebt."), um wiederum vor dem Bundesverwaltungsgericht auszuführen, direkt in XXXXwohnhaft und immer nur in Jalalabad aufhältig gewesen zu sein [vgl. die Seiten 3 und 4 des Verhandlungsprotokolls, arg. "R: Wo haben Sie sich (vor Ihrer Flucht nach Europa) überall aufgehalten? - BF: Ich habe in der Provinz Nangarhar gelebt in der Stadt Jalalabad. - R: Haben Sie sich immer nur dort aufgehalten? - BF: Nur in Jalalabad."; "R: Schildern Sie nochmals, aus welchen Gründen Sie geflohen sind? - BF: Mein Vater hat damals mit den Amerikanern zusammengearbeitet. Er war sozusagen ein sehr guter Mitarbeiter der Amerikaner. Als wir in XXXX in der Provinz Nangarhar lebten (...)".]
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer brachte als fluchtauslösendes Ereignis im Wesentlichen vor, dass ihm in Afghanistan aufgrund der Tätigkeit seines Vaters für die Amerikaner Verfolgung drohe (vgl. AS 99).
Zunächst ist festzuhalten, dass die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der von den Taliban getöteten Familienangehörigen widersprüchlich sind:
In der Erstbefragung führte der Beschwerdeführer an, dass seine zwei Brüder aufgrund der Tätigkeit seines Vaters für die Amerikaner getötet worden seien (vgl. AS 13). In einer Stellungnahme des Beschwerdeführers und in der Einvernahme vor der belangten Behörde legte der Beschwerdeführer wiederum dar, dass es sich bei den zwei getöteten Familienangehörigen um seine Onkel gehandelt habe (vgl. AS 47 und 99). In der Beschwerde war im Gegensatz dazu wieder von zwei Brüdern die Rede (vgl. AS 192), um wiederum in der Beschwerdeverhandlung von zwei Onkel zu sprechen (vgl. Seite 4 des Verhandlungsprotokolls).
Insbesondere ist noch in Berücksichtigung zu ziehen, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde ausdrücklich verneinte, jemals von den Taliban bzw. Daesh belangt worden zu seien (vgl. AS 105, arg. "LA: Wurden Sie jemals von den Taliban/Daesh belangt? - AW: Nein."), um wiederum erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht auszuführen, drei Mal von den Taliban mitgenommen worden zu seien (vgl. Seite 7 des Verhandlungsprotokolls, arg. "R: Sie haben gesagt, dass die Taliban Sie dreimal mitgenommen haben. Versuchen Sie sich zu erinnern, in welchen Zeitabständen das war. - BF: Einmal als sie mich mitgenommen haben und das nächste Mal war genau 7 Tage danach. Beim dritten Mal waren es 17 oder 18 Tage danach.").
Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde ausführte, 20 Mal, jedoch immer in Begleitung seines Onkels mütterlicherseits von den Taliban angesprochen worden zu seien (vgl. AS 105, arg. "LA: Wie oft wurden Sie persönlich von den Taliban/Daesh bedroht? - AW: Mehr als 20 Mal haben sie zu mir gesagt dass ich mit ihnen zusammenarbeiten soll. - LA: Sie wurden mehr als 20 Mal angesprochen und nie mitgenommen? Wie kann das sein? - AW: Ich war ja nicht alleine, mein Onkel mütterlicherseits war immer bei mir. Nachdem er umgebracht worden ist habe ich Angst gehabt und bin dann nicht mehr rausgegangen."). Im Gegensatz dazu, legte er vor dem Bundesverwaltungsgericht wiederum dar, lediglich drei Mal angesprochen worden zu seien, wobei nicht davon die Rede war, dass er dabei in Begleitung seines Onkels gewesen war (vgl. Seite 6 des Verhandlungsprotokolls, arg. "R: Wie ist das konkret abgelaufen? Wer hat Sie genau aufgefordert, wie viele Männer? - BF: Es waren zwei Leute, sie haben mich zwar nicht mitgenommen, aber sie haben mich wörtlich bedroht, dass ich mit ihnen gehen und mit ihnen zusammenarbeiten soll. Sie haben auch dafür geworben, dass es gut wäre, wenn ich mit ihnen zusammenkäme. Dann haben sie mir gesagt, ich könne jetzt nach Hause gehen und mit meiner Familie darüber sprechen, so ist das gelaufen.").
Schlussendlich erscheint es für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, dass einerseits die Taliban den Beschwerdeführer betreffend eine Zusammenarbeit mehrmals diesbezüglich "lediglich" angesprochen hätten, obwohl sie die tatsächliche Möglichkeit gehabt hätten, den Beschwerdeführer gegen seinen Willen mitzunehmen, und andererseits die Taliban aber seine beiden Onkel bzw. Brüder umgebracht haben sollen, um den Beschwerdeführer bzw. dessen Vater zur Zusammenarbeit zu bewegen (vgl. Seite 4 des Verhandlungsprotokolls, arg. "R: Schildern Sie nochmals, aus welchen Gründen Sie geflohen sind? - BF: Mein Vater hat damals mit den Amerikanern zusammengearbeitet. [...] Es wurde auch von meinem Vater verlangt, dass er mit seinem Sohn mit den Taliban zusammenarbeiten soll. Mein Vater hat es beim ersten Mal abgelehnt, ich bin ein paar Mal von den Taliban bedroht worden, obwohl man mich nicht mitgenommen hat. Mich haben sie dreimal schon mitgenommen, weil sie wollten, dass ich mit ihnen zusammenarbeiten muss, aber mein Vater hat meinetwegen seinen Job aufgegeben. [...] In einer Nacht, als wir zu Hause waren und zwei Onkel, die im Geschäft gearbeitet haben, sind die Taliban zu ihnen gekommen und haben meine Onkel mitgenommen und sie haben sie dann getötet. Weil mein Vater ihren Vorschlag abgelehnt hatte. [...]"). Hätten die Taliban tatsächlich so ein großes Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer gehabt, hätten sie diesen bei den zahlreichen sich ihnen gebotenen Gelegenheiten mitgenommen und nicht diese Möglichkeiten ungenutzt verstreichen lassen, um dann in weiterer Folge die Onkel bzw. Brüder des Beschwerdeführers aus Rache zu töten.
Abgesehen davon, war der Beschwerdeführer auch nicht in der Lage, glaubhaft und nachvollziehbar darzulegen, warum konkret er in Afghanistan (weiterhin) einer Gefährdung durch die Taliban aufgrund der ehemaligen Tätigkeit seines Vaters für die Amerikaner ausgesetzt sein sollte:
Diesbezüglich ist grundsätzlich festzuhalten, dass der Beschwerdeführer weder selbst für die Regierung bzw. die Amerikaner tätig war noch es sich bei ihm um eine politisch exponierte Person handelte bzw. handelt. Auch sein Vater war in keiner übergeordneten Position für die Amerikaner tätig (vgl. AS 99, arg. "LA: Welche Aufgabe hatte Ihr Vater in der Regierung? - AW: Mein Vater war Fahrer für die Amerikaner. Nachgefragt gebe ich an dass er in der Früh in die Arbeit gegangen ist und am Nachmittag heimgekommen ist."). Ferner ist bereits deshalb nicht davon auszugehen, dass (weiterhin) eine Gefährdung für den Beschwerdeführer bestehen sollte, da der Grund für die Verfolgung, nämlich die Tätigkeit des Vaters des Beschwerdeführers für die Amerikaner, bereits weggefallen ist (vgl. AS 103, arg. "LA: Wann hat Ihr Vater die Tätigkeit als Fahrer für die Amerikaner beendet? - AW: Nachdem zu meinem Vater gesagt worden ist er soll die Arbeit aufgeben.") und der Vater des Beschwerdeführers auch sofort der Aufforderung der Taliban nachkam. Zudem ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer selbst in Afghanistan nie persönlichen Bedrohungen bzw. Verfolgungssituationen ausgesetzt war (vgl. AS 105, arg. LA:
Wurden Sie jemals von den Taliban/Daesh belangt? - AW: Nein.") und sich auch die Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan aufzuhalten vermag, ohne irgendwelchen (weiteren) Verfolgungs- bzw. Bedrohungshandlungen ausgesetzt zu sein (vgl. AS 103, arg. "LA: Ihre Familie kann in Laghman leben. Wieso Sie nicht? - AW: Mein Vater ist nur zu Hause, er kann nicht rausgehen, nicht arbeiten, dort wo sie sind wissen die Leute über meine Familie nicht Bescheid. - LA: Das klingt so als ob Ihre Familie relativ sicher wäre wenn die Leute nicht über Ihre Familie Bescheid wissen? - AW: Mein Vater ist versteckt. Überall sind die Taliban. Sie können sogar in Kabul jemanden ausfindig machen wenn sie wollen."). Überdies ist nach mittlerweile fast zwei Jahren nicht davon auszugehen, dass seitens der Taliban weiterhin ein besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers besteht bzw. bestehen könnte, zumal eine Wiedererkennung des Beschwerdeführers durch die Taliban in Afghanistan (auch mangels eines mit Österreich vergleichbaren Meldesystems) als nahezu unwahrscheinlich erscheint. Hätten die Taliban zudem ein derartig großes Interesse an der Person des Beschwerdeführers gehabt, wäre wohl davon auszugehen, dass diese den Beschwerdeführer gleich beim Besuch im Haus des Beschwerdeführers in ihre Gewalt gebracht bzw. ihn ebenfalls Verletzungen ausgesetzt hätten. Schlussendlich hat der Beschwerdeführer - da er nie als Polizist bzw. für die Regierung bzw. für die Amerikaner tätig war - weder die prinzipiellen Zwecke der Taliban vereitelt bzw. in besonderem Maß gegen ihre Interessen verstoßen oder ihnen maßgebliche Schäden zugefügt, zumal nicht davon auszugehen ist, dass die Taliban den Beschwerdeführer als Feind bzw. Ungläubigen betrachten.
Es ist daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer - auch unter Beachtung der erheblichen Zeitspanne von ungefähr zwei Jahren - aktuell einer unmittelbaren und individuellen von den Taliban ausgehenden Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).
§ 28 VwGVG ("Erkenntnisse") regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[...]"
Zu Spruchpunkt A)
3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
3.3. Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).
"Glaubhaftmachung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248; 23.01.1997, 95/20/0303) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 13.09.2016, Ra 2016/01/0054). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233; VwSlg. 16.084 A/2003; VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0220). Es ist für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass in der Vergangenheit eine Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines Vorbringens zur Verfolgungsgefahr aufgrund der Tätigkeit seines Vaters für die Amerikaner bzw. dessen Weigerung zur Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit den Taliban keine Glaubwürdigkeit zu. Zudem konnte entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser nach einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan Verfolgungshandlungen bzw. Bedrohungssituationen ausgesetzt wäre.
3.4. Folglich sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Glaubwürdigkeit, individuelle Verfolgungsgefahr, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2188233.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.01.2019