TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/13 W251 2158095-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.11.2018
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Entscheidungsdatum

13.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2158095-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2017, Zl. 1053042807 - 150235361, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 05.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 06.03.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass in seinem Heimatland Krieg herrsche und die Sicherheitslage sehr schlecht sei. In Afghanistan, insbesondere in seinem Gebiet, würden die Gesetze der Taliban gelten. Diese würden ihre Gesetze durchsetzen und über das Gebiet herrschen. Er habe Pakistan verlassen müssen, da die Taliban an der Macht seien. Die Taliban hätten ihn aufgefordert Spionagetätigkeiten durchzuführen und sich ihnen anzuschließen. Ansonsten drohe ihm der Tod, sein Leben sei in Gefahr gewesen.

3. Am 20.02.2017 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass es im Flüchtlingslager in Pakistan eine Moschee gegeben habe. Im Keller der Moschee seien Kinder unterrichtet worden. Im Keller seien Filme über den Jihad gezeigt worden. Sie (Anm. BVwG: die Jugendlichen) hätten nach Afghanistan sollen, da dort Amerikaner seien, damit sie diese töten und ins Paradies gelangen würden. Keiner habe von dem Keller in der Moschee und von dem, was dort unterrichtet wurde, gewusst. Als er seinen Eltern davon erzählt habe, haben diese ihm nicht geglaubt. Sein Onkel sei dann zur Moschee gegangen um sich ein Bild zu machen und habe mit dem Mullah gesprochen. Der Mullah habe dem Onkel gesagt, dass die Familie des Beschwerdeführers getötet werde, falls der Beschwerdeführer sich weigern und nicht mehr wiederkommen würde. Der Beschwerdeführer habe daraufhin neun Monate lang in Afghanistan bei einem anderen Onkel gelebt. Da auch dort viele Taliban gewesen seien, habe er Afghanistan verlassen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft habe machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er eine wohlbegründete Furcht glaubhaft gemacht habe. Es komme in Afghanistan zunehmend zu Zwangsrekrutierungen. Es bestehe in Kabul auch keine innerstaatliche Fluchtalternative, da er den Großteil seines Lebens in Pakistan verbracht habe und daher nach den pakistanischen Gepflogenheiten sozialisiert sei. Es bestehe eine konkrete Gefährdung in Afghanistan.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.10.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, bekennt sich zum sunnitischen-muslimischen Glauben und spricht Paschtu als Muttersprache (AS 7; Verhandlungsprotokoll vom 10.10.2018, OZ 16, S. 8f).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kunar, im Distrikt XXXX, im Dorf XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ist nach seiner Geburt mit seinen Eltern nach Pakistan, XXXX, gezogen. Dort ist der Beschwerdeführer in einem Lager für afghanische Flüchtlinge mit seinen Eltern, seiner Schwester, seinen drei Brüdern und einem Onkel väterlicherseits und dessen Familie aufgewachsen (OZ 16, S. 8f). Bevor der Beschwerdeführer nach Europa ausgereist ist, hat er neun Monate lang bei einem Onkel seines Vaters in Afghanistan, in der Provinz Kunar gelebt (OZ 16, S. 13f).

Der Beschwerdeführer hat in Pakistan sieben Jahre lang eine Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat keinen Beruf gelernt, er hat in Afghanistan neun Monate lang auf einem Feld Kanäle gegraben (OZ 16, S. 10f).

In Afghanistan in der Provinz Kunar leben noch die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers, der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers und der Onkel des Vaters des Beschwerdeführers (OZ 16, S. 11f). Der Beschwerdeführer hat zu seiner Familie regelmäßig Kontakt.

Der Beschwerdeführer wurde mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert und ist mit diesen vertraut.

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest März 2015 durchgehend in Österreich auf (AS 7, AS 9).

Der Beschwerdeführer hat im November 2017 seine Verlobte in Österreich kennengelernt. Seit ca. Dezember 2017 ist er mit dieser verlobt. Die Verlobte des Beschwerdeführers ist XXXX Staatsangehörige. Der Beschwerdeführer und seine Verlobte haben getrennte Finanzen, sie wohnen nicht gemeinsam (OZ 16, S. 8-9; S. 17). Es gibt keine konkreten Hochzeitspläne.

Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht und eine Prüfung auf dem Niveau A1 abgelegt. Der Beschwerdeführer besucht derzeit keinen Deutschkurs (OZ 16, S. 15). Der Beschwerdeführer verständigt sich mit seiner Verlobten in der deutschen Sprache (OZ 16, S. 6).

Der Beschwerdeführer hat im Wintersemester 2015/2016 das erste Semester eines Berufskollegs der Berufsschule Gastgewerbe besucht (AS 271). Da die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers nicht gut waren, hat er das Berufskolleg abgebrochen. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich noch nicht über Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten informiert (OZ 16, S. 16). Darüber hinaus besucht der Beschwerdeführer keine Kurse und keine Schule, er ist nicht Mitglied in einem Verein (OZ 16, S. 5).

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung (Beilage ./I). Im Jahr 2017 hat der Beschwerdeführer zweimal pro Woche, 5 bis 6 Monate lang, bei der Caritas Gläser hergestellt und künstlerische Arbeiten ausgeführt. Derzeit übt er keine regelmäßige Beschäftigung oder ehrenamtliche Tätigkeit aus (OZ 16, S. 15).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Der Beschwerdeführer nimmt Schlaftabletten (OZ 16, S. 17; S. 6).

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil vom 11.10.2017 eines Landesgerichts wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§§ 27 Abs 1 Z 1 8. Fall, Abs 2a und 3 SMG, § 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei ein Teil dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der Beschwerdeführer hat im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer weiteren Person als Mittäter gewerbsmäßig und vorschriftswidrig auf einer öffentlichen Verkehrsfläche Cannabiskraut anderen Personen gegen Entgelt überlassen, nämlich im Zeitraum von Anfang September 2017 bis zum 19. September 2017 in einer Vielzahl von Angriffen insgesamt 220g zu einem Grammpreis von jeweils EUR 10,0 an unbekannte Dritte und zuletzt am 19.09.2017 an einen verdeckten Ermittler. Der Beschwerdeführer und sein Mittäter hatten am 19.09.2017 zudem weitere sechs Säckchen mit insgesamt 7,2g Cannabiskraut zum Verkauf bei sich.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil vom 26.01.2018 eines Landesgerichts wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs 2a SMG StGB) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer hat am 30.12.2017 vorschriftswidrig 1,3g Cannabiskraut auf einer öffentlichen Verkehrsfläche einer anderen Person um EUR 20,0 überlassen.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1 Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan weder von den Taliban noch von anderen Personen ausgebildet, noch angeworben, noch wurde er aufgefordert sich diesen anzuschließen oder am Dschihad teilzunehmen.

Der Beschwerdeführer hatte noch nie Kontakt zu den Taliban.

Der Beschwerdeführer und dessen Familie wurden weder in Pakistan noch in Afghanistan von den Taliban oder von anderen Personen bedroht.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus konkreter Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr, sondern aus anderen Gründen verlassen.

1.2.2. Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan weder psychische noch physische Gewalt.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Provinz Kunar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und in Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 11.09.2018 - LIB 11.09.2018, S. 27).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 11.09.2018, S. 27).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 11.09.2018, S. 30).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 11.09.2018, S. 38).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 11.09.2018, S. 31).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 11.09.2018, S. 31). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 11.09.2018, S. 32 ff, 36).

Rekrutierung durch die Taliban

Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind. Aus Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven schließen sich viele den Taliban an (Beilage ./III, S. 12-13). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Beilage ./III, S. 14).

Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./III, S. 18). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./III, S. 19).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 11.09.2018, S. 71).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 11.09.2018, S. 71).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 11.09.2018, S. 72).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 11.09.2018, S. 61f).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 11.09.2018, S. 107).

Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand, sodass die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 11.09.2018, S. 107, 228 f).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (LIB 11.09.2018, S. 107).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 11.09.2018, S. 108).

Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 11.09.2018, S. 108).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 11.09.2018, S. 109).

Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 11.09.2018, S. 110).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 11.09.2018, S. 206 ff).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 11.09.2018, S. 327 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 11.09.2018, S. 327).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 11.09.2018, S. 321).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 11.09.2018, S. 321).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IVI, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 11.09.2018, S. 334 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 11.09.2018, S. 335 f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 11.09.2018, S. 336f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 11.09.2018, S. 337f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 11.09.2018, S. 338 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 11.09.2018, S. 339).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 11.09.2018, S. 339).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 11.09.2018, S. 282f).

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan, sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 11.09.2018, S. 287f). Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 11.09.2018, S. 272). Sunniten sind allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, durch Einvernahme der Verlobten des Beschwerdeführers als Zeugin in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./V und Beilage ./A (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I;

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierung vom 11.09.2018, Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017, Beilage ./III;

Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke, aus Jänner 2018, Beilage ./IV;

Bericht FFM Report, Afghanistan, April 2018, Beilage ./V;

Unterstützungsschreiben, Beilage ./A).

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem eingeholten Altersfeststellungsgutachten (AS 183ff). Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation, seine fehlende Schul- und Berufsausbildung, seine Berufserfahrung) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu seiner im Heimatdorf lebenden Familie hat. Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt am 20.02.2017 an, dass er regelmäßig mit seiner Familie Kontakt habe, wenn seine Familie nach XXXX fahre haben diese dort Internet und er kommuniziere dann mit seiner Familie (AS 249). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er zwei Monate nach der Einvernahme beim Bundesamt das letzte Mal mit seiner Familie Kontakt gehabt habe. Seit seine Familie von Pakistan nach Afghanistan gezogen sei, habe er keinen Kontakt mehr (OZ 16, S. 12). Zum einen, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer einmal angibt, dass er mit seiner Familie keinen Kontakt mehr habe, seit diese Pakistan verlassen habe, zum anderen gab der Beschwerdeführer an, dass seine Familie nach XXXX gefahren sei und dort mit ihm über das Internet kommuniziert habe. Zudem gab der Beschwerdeführer an, dass er in Afghanistan bereits mit dem Handy des Onkels seines Vaters in Afghanistan telefoniert habe (OZ 16, S. 22), sodass davon auszugehen ist, dass auch die Familie des Beschwerdeführers das Handy des Onkels seines Vaters in Afghanistan verwenden könnte. Den Länderberichten ist zudem zu entnehmen, dass nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihren Familien in Afghanistan verlieren (Beilage ./II, S,. 338f). Das Gericht geht davon aus, dass es sich um eine Schutzbehauptung handelt und der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan hat.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 16, S. 14ff) sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Urkunde.

Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer und seine Verlobte noch keine konkreten Heiratspläne haben. Die Verlobte gab selber an, dass es noch keine konkreten Pläne gäbe, sie wollen zuerst eine gemeinsame Wohnung finden, dann heiraten und anschließend Kinder bekommen (OZ 16, S. 5). Der Beschwerdeführer gab einmal in der mündlichen Verhandlung an, dass, wenn es nach ihm gehen würde, er bereits vor der Verhandlung geheiratet hätte, die Mutter seiner Verlobten sei jedoch dagegen gewesen. Ein anderes Mal gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er zuerst arbeiten möchte und erst anschließend, wenn er auf eigenen Beinen stehe, heiraten wolle (OZ 16, S. 9). Es sind daher für das Gericht noch keine konkreten Heiratspläne erkennbar, sondern hat das Gericht den Eindruck, als wolle der Beschwerdeführer durch die Heirat ein Bleiberecht erlangen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (AS 246; OZ 14, S. 6, S.

17) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Vorstrafen des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt erliegenden Strafurteilen.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch die Taliban, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der behaupteten Vorfälle sowie zum Zeitpunkt der Erstbefragung noch minderjährig war, sodass Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können und der Beschwerdeführer die behaupteten Erlebnisse aus der Perspektive eines Minderjährigen erlebt habe. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

2.2.2. Zudem sind erhebliche Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen enthalten, die die Angaben des Beschwerdeführers gänzlich unglaubhaft wirken lassen.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass es zwei Moschee gegeben habe, in einer dieser Moscheen habe es einen Keller gegeben, in dem Kinder unterrichtet worden seien (AS 253). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass das Kampftraining in der kleineren Moschee stattgefunden habe, diesen Unterricht habe es aber natürlich auch in der anderen Moschee gegeben (OZ 16, S. 21). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben dazu macht, wo der Kampfunterricht stattgefunden habe.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass die Filme über den Jihad im Keller der einen Mosche gezeigt worden seien, dort sei der Unterricht gewesen (AS 253). In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu den Moscheen befragt. Der Beschwerdeführer gab jedoch nicht an, dass es einen Keller gab, den Keller erwähnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch in der freien Erzählung nicht (OZ 16, S. 19, 20, 22). Da das Kampftraining im Keller jedoch ein einprägsames Ereignis sein müsste, ist nicht plausibel, dass der Keller in der mündlichen Verhandlung in der freien Erzählung und auch auf konkrete Fragen nicht erwähnt wurde. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung angab, dass er an mehreren bestimmten Tagen Kampftraining gehabt habe (OZ 16, S. 21). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass der Kampf nur im Keller unterrichtet worden sei ("Im Keller gab es einen großen Fernseherapparat und es wurde über den Jihad gezeigt, dass wir nach Afghanistan gehen sollen, da dort die Amerikaner sind und das wir sie töten und kommen wir in das Paradies. (...) Keine in XXXXwusste von dem Keller in der Moschee und was dort unterrichtet wurde." AS 253). Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt jedoch auch an, dass er nur ein einziges Mal im Keller zum Unterricht gewesen sei (AS 254). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer einmal von mehreren Tagen redet, an denen er Kampftraining erhalten habe, während er beim Bundesamt angab, dass er nur einmal im Keller zum Unterricht war. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung in der freien Erzählung an, dass es einen besonderen Trainer gegeben habe, der sie unterrichte habe (OZ 16, S. 19). Auf konkrete Befragung ob der vom Beschwerdeführer genannte Mullah der einzige Trainer gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass es zwei Trainer gewesen seien (OZ 16, S. 21). Beim Bundesamt sprach der Beschwerdeführer von insgesamt drei Trainern (AS 255). Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass sein Onkel zum Mullah, der das Training ausgeführt habe, gegangen sei. Der Mullah habe dem Onkel gesagt, dass die Familie des Beschwerdeführers getötet werde, falls der Beschwerdeführer sich weigere und nicht mehr zum Training kommen würde (AS 255). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer dazu im Widerspruch jedoch an, dass der Mullah zum Onkel gesagt habe, dass der Beschwerdeführer lügen würde und Blödsinn reden würde und der Onkel sich nicht darum kümmern solle (OZ 16, S. 22). Die Angaben des Beschwerdeführers zum behaupteten Kampftraining in Pakistan sind daher nicht glaubhaft.

Zudem ist den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Flüchtlingslager in Pakistan ein wichtiger Schauplatz für Rekrutierungen durch die Taliban seien. Die Taliban würden jedoch keinen Zwang anwenden, da diese ausreichend Zulauf und Zugriff zu freiwilligen Rekruten haben. Zudem sei eine Weigerung sich den Taliban anzuschließen nicht mit Sanktionen verbunden (Beilage ./III, S. 19), sodass die Behauptungen des Beschwerdeführers, dem Onkel sei mitgeteilt worden, dass die Familie getötet werde, wenn er sich nicht anschließen werde, nicht mit den Länderberichten in Einklang zu bringen sind.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer und seine Familie noch nie von den Taliban bedroht wurden.

2.2.3. Der Beschwerdeführer, der nach der Ausreise aus Pakistan noch neun Monate bei einem Onkel seines Vaters in Afghanistan gelebt hat, konnte keine Angaben zu einer ihn persönlich und konkret treffenden Bedrohung in Afghanistan machen. Der Beschwerdeführer gab lediglich ausweichend an, dass der Onkel seines Vaters gesagt habe, dass es für ihn in Afghanistan gefährlich wäre. Es sind darin jedoch weder konkrete Vorfälle noch eine konkrete Bedrohung zu erkennen (OZ 16, A. 22).

Der Beschwerdeführer gab sogar an, dass er in Afghanistan keinen Kontakt zu den Taliban gehabt habe. Die Taliban haben zwar einmal Schutz in den Häusern der Dorfbewohner in Afghanistan gesucht, jedoch haben die Taliban nicht nach dem Beschwerdeführer gesucht (OZ 16, S. 21).

Während der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vage angab, dass einen die Regierung für ein Mitglied der Taliban halten könne (OZ 16, S. 22), ihm also eine Verfolgung durch heimatliche Behörden drohe, gab der Beschwerdeführer beim Bundesamt an, dass er in Afghanistan keiner persönlichen Verfolgungshandlung der heimatlichen Behörden, Dritter oder der Polizei ausgesetzt wäre (AS 255).

Da der Beschwerdeführer während seines neunmonatigen Aufenthalts in Afghanistan keine konkreten Vorfälle oder Bedrohungen nennen konnte und der Beschwerdeführer beim Bundesamt angab, dass keine Bedrohung durch die Behörden in Afghanistan bestehe, geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer Afghanistan nicht aus Furcht vor konkret gegen ihn gerichteten Eingriffen in die körperliche Integrität oder wegen Lebensgefahr verlassen hat.

Aufgrund der insgesamt nicht glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers geht das Gericht davon aus, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban, die Regierung oder durch andere Personen drohen würde.

2.2.4. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre.

Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Kunar ergeben sich aus den o.a. Länderberichten. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers volatil ist.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen, insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den o.a. Länderberichten zu Herat und Mazar-e Sharif und aus den Angaben des Beschwerdeführers.

In den Städten Herat und Mazar-e Sharif finden überwiegend Angriffe in Regierungs- und Botschaftsnähe, also mit möglichst hoher medialer Reichweite, statt. Dabei kam es immer wieder zu zivilen Opfern. Die Regierung ist jedoch in der Lage hier die Sicherheit abseits dieser High-Profile Attentate zu gewährleisten. Das Gericht geht daher davon aus, dass es in der Stadt Herat und Mazar-e Sharif zu Anschlägen kommt, jedoch nicht in allen Stadtteilen.

Dass die Wohnraum- und Versorgungslage angespannt ist, ergibt sich aus den Länderberichten, wonach in großen Städten zwar an sich Wohnraum zur Verfügung steht, es jedoch eine erhebliche Anzahl an Rückkehrern gibt, sodass die Lage angespannt ist. Auch gibt es nicht genügend Arbeitsplätze

Der Beschwerdeführer ist zwar in Pakistan aufgewachsen, dort hat er jedoch in einem Dorf gelebt, das ausschließlich von afghanischen Personen bewohnt wird. Auch in der Schule in Pakistan wurde der Beschwerdeführer mit anderen afghanischen Schülern unterrichtet. Der Beschwerdeführer ist in Pakistan mit seinen Eltern und Geschwister aufgewachsen, sodass der Beschwerdeführer entsprechend der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert ist.

Der Beschwerdeführer hat in Pakistan sieben Jahre lang eine Schule besucht. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan auch neun Monate lang als Hilfsarbeiter tätig, sodass er auch über Berufserfahrung verfügt.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich in der Lage sich schnell zu Recht zu finden und sich an neue Situationen anzupassen.

Der Beschwerdeführer ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, alleinstehend und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat keine Sorgepflichten.

Das Gericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten, in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen könnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1 Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 05.09.2016, Ra 2016/19/0074). Die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung muss zudem in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen (VwGH vom 22.03.2017, Ra 2016/19/0350).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, VwGH vom 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 08.09.2015, Ra 2015/18/0010)

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0171).

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 19.03.1997, 95/01/0466).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Es konnte jedoch keine Verfolgung durch die Taliban oder durch andere Personen festgestellt werden. Es konnte auch kein Rekrutierungsversuch durch die Taliban in Pakistan festgestellt werden. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden jemals in Pakistan oder in Afghanistan bedroht. Es ist daher keine Verfolgung des Beschwerdeführers und auch keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund erkennbar.

Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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