TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/13 W235 1437710-2

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Veröffentlicht am 13.11.2018
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Entscheidungsdatum

13.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W235 1437710-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2014. Zl. 830629200-14769495, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.06.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Das Verfahren über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 und § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die bereits zum Einreisezeitpunkt volljährige Beschwerdeführerin ist eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Zugehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte sie gemeinsam mit ihren mitgereisten Familienangehörigen (Eltern, ein zum damaligen Zeitpunkt minderjähriger Bruder und minderjährige Schwester) am 14.05.2013 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt diesen Antrag mit Bescheid vom 20.08.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab. Unter Spruchpunkt III. dieses Bescheides wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.10.2013, Zl. D14 437710-1/2013/3E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG als unbegründet abgewiesen.

In den Verfahren der mitgereisten Familienangehörigen ergingen inhaltlich gleichlautende Entscheidungen.

2.1. Dem Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin (ebenso wie ihre oben erwähnten Familienangehörigen) am 19.02.2014 einen Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" stellte.

Am 07.07.2014 stellte die Beschwerdeführerin (wieder gemeinsam mit den mitgereisten Angehörigen) den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens (Einvernahme der Beschwerdeführerin, Einräumung eines Parteiengehörs zu den Länderfeststellungen) mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vom 19.02.2014 gemäß § 57 AsylG abgewiesen und ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Weiters wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).

Die jeweiligen Anträge auf internationalen Schutz der mitgereisten Familienangehörigen wurden ebenso abgewiesen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 26.01.2015 im Wege ihres damaligen Vertreters fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Auch ihre Angehörigen erhoben am selben Tag Beschwerde gegen die sie betreffenden Bescheide.

4. In den Verfahren vor dem Bundesamt sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden nachstehende, die Beschwerdeführerin betreffende, verfahrensrelevante Unterlagen vorgelegt:

* "Ehevertrag" des Islamischen Zentrum Wien vom XXXX .2017, dem zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin und Herr XXXX , ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, am selben Tag eine traditionelle, islamische "Ehe" geschlossen haben;

* Geburtsurkunde von XXXX , ausgestellt vom Standesamt XXXX am XXXX .2016, aus der ersichtlich ist, dass die Beschwerdeführerin die Mutter und Herr XXXX der Vater der am XXXX .2016 geborenen XXXX ist;

* Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" des XXXX mit einer Gültigkeitsdauer bis XXXX .2018 [Anm.: diese wurde zwischenzeitig bis zum XXXX .2019 verlängert; vgl. Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister vom 09.11.2018];

* Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" der XXXX ;

* ÖSD Zertifikat A1 vom XXXX .2016 mit der Beurteilung "sehr gut bestanden";

* Kursbesuchsbestätigung "Intensiv-Deutschkurs" auf dem Niveau A2-A2+ vom XXXX .2015;

* Kursbesuchsbestätigungen "Deutsch als Zweitsprache Deutsch für leicht Fortgeschrittene A2+" vom XXXX .2015, vom XXXX .2015 und vom XXXX .2015 und

* Empfehlungsschreiben vom XXXX .2014 und vom XXXX .2015

5. Am 13.06.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch statt, an der die Beschwerdeführerin und ihr nunmehriger rechtsfreundlicher Vertreter teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat bereits mit Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Im Zuge der Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin verfahrenswesentlich vor, dass sie schwanger sei und unter ärztlicher Kontrolle stehe. Der voraussichtliche Geburtstermin sei der XXXX .2018. Sie sei nach islamischem Ritus verheiratet; eine staatliche bzw. standesamtliche Eheschließung sei nicht erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe eine Tochter. Sie sei russische Staatsangehörige und Zugehörige der tschetschenischen Volksgruppe. An Sprachen beherrsche sie Russisch und Tschetschenisch sowie ein bisschen Deutsch. Schreiben könne sie nicht sehr gut in Deutsch. Sie habe ein A1 Zertifikat und die Niveaustufe A2 in Kursen besucht. Eine Prüfung in A2 habe sie nicht abgelegt. Abgesehen von ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter würden noch ihre Eltern, ihr Bruder, ihre Schwester, ihre Großmutter und ein Onkel in Österreich leben. Sie lebe nur mit ihrem Mann im gemeinsamen Haushalt, sei allerdings jeden Tag bei ihren Eltern. Diese würden nicht weit von ihr entfernt leben. In Österreich habe sie keine Arbeit und sei auch nicht selbsterhaltungsfähig. Die Beschwerdeführerin kümmere sich um ihr Kind. Sie würde gerne arbeiten, aber ihr sei gesagt worden, dass sie kein Recht zu arbeiten habe. Die Beschwerdeführerin würde gerne eine Lehre als Konditorin machen; sie backe auch zu Hause sehr gerne. Derzeit nehme sie auch nicht am sozialen Leben in Österreich teil, da sie sich immer um ihre Tochter kümmern müsse. Vor der Geburt ihrer Tochter habe sie Kurse besucht und ehrenamtlich in der Pension mitgeholfen. Die Beschwerdeführerin habe niemals ein Aufenthaltsrecht gehabt, das nicht auf dem Asylverfahren gründe. Sie sei nicht gerichtlich verurteilt worden.

Am Ende der Verhandlung zog die Beschwerdeführerin im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. (Asyl) und II. (subsidiärer Schutz) zurück. Aufrecht blieb sohin lediglich die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden nachstehende Unterlagen vorgelegt:

* Schwangerschaftsbestätigung vom XXXX .2018, der der Geburtstermin XXXX .2018 zu entnehmen ist (Beilage ./1);

* Lohn/Gehaltsabrechnungen des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin für die Monate Feber, März und April 2018 (Beilage ./2) und

* Mietvertrag vom XXXX .2018, abgeschlossen vom Lebensgefährten der Beschwerdeführerin (Beilage ./3)

6. Mit Schriftsatz vom 22.10.2018 wurde die Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin seit Mai 2013 im Bundesgebiet befinde. Sie lebe im gemeinsamen Haushalt mit ihrem zum Aufenthalt berechtigten Lebensgefährten und der gemeinsamen, minderjährigen Tochter, die beide über Aufenthaltstitel verfügen würden. Am XXXX .2018 sei ein weiteres, gemeinsames Kind geboren worden, welches ebenfalls bereits über einen Aufenthaltstitel verfüge. Weiters spreche die Beschwerdeführerin sehr gut Deutsch.

Bis zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt wurden ergänzend folgende, verfahrensrelevante Unterlagen vorgelegt:

* Bescheid vom XXXX .2018 betreffend den am XXXX .2018 geborenen Sohn der Beschwerdeführerin, namens XXXX , mit welchem das Bundesamt dessen Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Gewährung von Asyl sowie von subsidiären Schutz abweist, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, ausspricht, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und dem Sohn der Beschwerdeführerin eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt;

* Geburtsurkunde sowie Auszug aus dem Geburtseintrag des Sohnes der Beschwerdeführerin, beide vom XXXX .2018, beide ausgestellt vom Standesamt XXXX und

* Empfehlungsschreiben vom XXXX .2018

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die bereits im Zeitpunkt der Einreise volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, Zugehörige der tschetschenischen Volksgruppe und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Gemeinsam mit ihren Eltern, ihres zum damaligen Zeitpunkts minderjährigen Bruders und ihrer minderjährigen Schwester stellte sie nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet - ebenso wie ihre mitgereisten Familienangehörigen - am 14.05.2013 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.08.2013

bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie

bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und wurde die Beschwerdeführerin in die Russische Föderation ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 08.10.2013 abgewiesen. In den jeweiligen Verfahren der mitgereisten Familienangehörigen wurden inhaltlich gleichlautende Bescheide bzw. Erkenntnisse getroffen.

Am 07.07.2014 stellte die Beschwerdeführerin (wieder ebenso wie ihre mitgereisten Familienangehörigen) den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Infolge der Zurückziehung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ist gegenständlich lediglich über die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. abzusprechen.

1.3. Die Beschwerdeführerin hat am XXXX .2017 den russischen Staatsangehörigen XXXX nach islamischem Ritus "geheiratet" und führt mit diesem eine eheähnliche Lebensgemeinschaft. Aus dieser Lebensgemeinschaft entstammen zwei minderjährige Kinder; nämlich die am XXXX .2016 geborene XXXX und der am XXXX .2018 geborene XXXX . Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin sowie ihr minderjähriger Sohn verfügen über den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus"; der minderjährigen Tochter wurde der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt. Sohin wird festgestellt, dass die Angehörigen der Kernfamilie der Beschwerdeführerin - Lebensgefährte und zwei minderjährige Kinder - in Österreich über Aufenthaltstitel verfügen. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrem Lebensgefährten und den beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt und wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Lebensgefährten und den beiden gemeinsamen Kindern ein aufrechtes Familienleben führt. Darüber hinaus leben in Österreich die mit der Beschwerdeführerin mitgereisten Eltern, ein zwischenzeitig volljähriger (jüngerer) Bruder und eine minderjährige Schwester. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag wurde in den Verfahren der genannten Angehörigen der Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und diesen eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt. Die Beschwerdeführerin kann sich in Deutsch gut verständigen und hat die Niveaustufe A1 in Deutsch erlangt. Weiterführende Deutschkurse hat die Beschwerdeführerin zwar besucht, allerdings keine Prüfung abgelegt. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

Weiters wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin aufgrund ihres bestehenden, aufrechten Familienlebens zu ihrem in Österreich aufenthaltsberechtigten Lebensgefährten und zu den beiden gemeinsamen, ebenfalls in Österreich aufenthaltsberechtigten Kindern, einen ungerechtfertigten Eingriff in ihr Familien- und Privatleben darstellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin (Volljährigkeit im Einreisezeitpunkt, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, religiöses Bekenntnis), zu ihren mitgereisten Familienangehörigen (Eltern, Bruder und Schwester) sowie zur unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und zur Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin. Darüber hinaus ergibt sich die Feststellung zu den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes in den Verfahren der mitgereisten Angehörigen der Beschwerdeführerin aus den diesbezüglichen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag.

Die Feststellungen zum ersten Asylverfahren der Beschwerdeführerin ergeben sich insbesondere aus dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.08.2013 und aus dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.10.2013. Ferner ergeben sich die Feststellungen zu den jeweiligen ersten Asylverfahren der mitgereisten Familienmitglieder aus der Einsicht in deren Verwaltungs- und Gerichtsakten.

2.2. Die Feststellung zur Zurückziehung der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ergibt sich aus den im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters getätigten Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2018 (vgl. Verhandlungsschrift Seite 14). Ferner wurde diese Zurückziehung mit Schriftsatz vom 22.10.2018 bestätigt.

2.3. Die Feststellungen zur Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Lebensgefährten sowie zum Vorliegen eines aufrechten Familienlebens zwischen der Beschwerdeführerin, ihrem Lebensgefährten und den beiden gemeinsamen Kindern ergibt sich im Wesentlichen aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.06.2018. Darüber hinaus ergibt sich die Feststellung zur islamischen "Eheschließung" aus dem diesbezüglich vorgelegten "Ehevertrag" des Islamischen Zentrum Wien vom XXXX .2017. Die Feststellungen zu den Geburten der beiden Kinder gründen nachvollziehbar auf den vorgelegten Geburtsurkunden des Standesamtes XXXX vom XXXX .2016 und vom XXXX .2018. Dass der Lebensgefährte und der minderjährige Sohn über die Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" verfügten, ergibt sich betreffend den Lebensgefährten aus dem vorgelegten Aufenthaltstitel und betreffend den Sohn der Beschwerdeführerin aus dem Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2018, mit welchem diesem die "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt wurde. Die Feststellung zum Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" betreffend die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin ergibt sich ebenso aus dem vorgelegten Aufenthaltstitel. Hinsichtlich des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin ist noch ergänzend darauf zu verweisen, dass dessen Aufenthaltsberechtigung nunmehr bis zum XXXX .2019 verlängert wurde, was sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister vom 09.11.2018 ergibt, sodass insgesamt betrachtet die Feststellung zu treffen war, dass die Angehörigen der Kernfamilie der Beschwerdeführerin in Österreich über Aufenthaltstitel verfügen. Davon, dass sich die Beschwerdeführerin gut in Deutsch verständigen kann, konnte sich die erkennende Einzelrichterin im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 13.06.2018 selbst überzeugen. Die Feststellung zum Erreichen der Niveaustufe A1 ergibt sich aus dem ÖSD Zertifikat A1 vom XXXX .2016. Da darüber hinausgehend zwar Kursbesuchsbestätigungen (im Wesentlichen aus dem Jahr 2015) vorgelegt wurden, jedoch kein Nachweis über die Ablegung von Prüfungen hinsichtlich der weiterführenden bzw. aufbauenden Kurse, war die diesbezügliche Feststellung zu treffen. Letztlich gründet sich die die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug vom 11.06.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Zur Zurückziehung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides:

§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (vgl. "Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte" K6 zu § 7 VwGVG, Seite 37).

In der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2018 zog die Beschwerdeführerin im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2014, Zl. 830629200-14769495, zurück und wiederholte diese Zurückziehung im Schriftsatz vom 22.10.2018. Mit der Zurückziehung der Beschwerde in diesen beiden Spruchpunkten ist das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin betreffend die Spruchpunkte I. und II. weggefallen, wodurch einer Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht die Grundlage entzogen wurde. Somit war das gegenständliche Beschwerdeverfahren im Ausmaß der Zurückziehung einzustellen.

Damit ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkt II.) rechtskräftig.

3.2.2. Zur Rückkehrentscheidung:

3.2.2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitender Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit ihrer ersten Antragstellung am 14.05.2013 durchgehend im Bundesgebiet. Ihr Aufenthalt ist jedoch nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet. Sie ist auch nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und ebenso wenig ein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher im Fall der Beschwerdeführerin nicht vor, wobei dies weder im Verfahren vor dem Bundesamt noch im Beschwerdeverfahren auch nur ansatzweise behauptet worden war.

3.2.2.2. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab-gewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführerin ist weder eine begünstigte Drittstaatsangehörige noch kommt ihr ein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Im Hinblick auf § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG (früher: § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 38/2011) ist festzuhalten, dass bei jeder Rückkehrentscheidung auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Asylwerbers nach Art. 8 Abs. 1 EMRK Bedacht zu nehmen ist, wobei in diesem Zusammenhang Art. 8 Abs. 2 EMRK eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs erfordert und somit eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen verlangt (vgl. VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

3.2.2.3. Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von straf-baren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (vgl. EGMR Kroon sowie VfGH vom 28.06.2003, G 78/00). Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (vgl. EGMR Marckx, EGMR vom 23.04.1997, X u.a.).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt.

Bei dieser Interessensabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007 sowie VwGH vom 03.04.2009, Zl. 2008/22/0592; vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216; vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 und vom 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423).

3.2.2.4. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sowie der in § 9 Abs. 2 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist im gegenständlichen Fall der Eingriff in das Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin nicht durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt. Dies aus folgenden Gründen:

Wie festgestellt führt die Beschwerdeführerin eine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit einem russischen Staatsangehörigen, der in Österreich aufenthaltsberechtigt ist und über den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" verfügt. Aus dieser Lebensgemeinschaft entstammen zwei - am XXXX .2016 und am XXXX .2018 geborene - Kinder, die ebenfalls in Österreich aufenthaltsberechtigt sind. Die Beschwerdeführerin, ihr Lebensgefährte und die beiden gemeinsamen Kinder leben im gleichen Haushalt. Darüber, dass zwischen der Beschwerdeführerin, ihrem Lebensgefährten und den beiden Kindern ein aufrechtes Familienleben besteht, besteht für die erkennende Einzelrichterin kein Zweifel, wie auch den Ausführungen in der Beweiswürdigung zu entnehmen ist. Abgesehen von den Angehörigen der Kernfamilie befinden sich noch die Eltern und die beiden jüngeren Geschwister der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet, denen mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt wurde. Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, sich in Deutsch zu verständigen und hat die Niveaustufe A1 erreicht. Darüber hinaus hat sie zwar weiterführende bzw. aufbauende Deutschkurse besucht, hat jedoch keine weiteren Prüfungen abgelegt, was wohl auch auf die beiden Schwangerschaften sowie auf die Betreuungspflichten eines Kleinkindes und eines Neugeborenen zurückzuführen ist. Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH vom 01.07.2009, U992/08 sowie VwGH vom 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216; vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479; vom 16.01.2007, Zl. 2006/18/0453; vom 08.11.2006, Zl. 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; vom 22.06.2006, Zl. 2006/21/0109 und vom 20.09.2006, Zl. 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aber aufgrund der dargestellten Umstände in einer Gesamtabwägung dennoch die privaten - im vorliegenden Fall insbesondere die familiären - Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, für die sich in der vorliegenden Konstellation keine begründete Rechtfertigung erkennen lässt (vgl. VfSlg. 17.457/2005 sowie VwGH vom 26.03.2007, Zl. 2006/01/0595 und vom 22.02.2005, Zl. 2003/21/0096). In diesem Zusammenhang ist auf ein jüngst ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24.09.2018, E 1416/2018-14, zu verweisen, in welchem dieser unter Verweis auf die einschlägige Judikatur des EGMR ausgeführt hat, dass nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht. Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund ist die vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid verfügte Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation angesichts der vorliegenden familiären Bindungen zu den in Österreich aufenthaltsberechtigten Angehörigen der Kernfamilie, insbesondere zu den beiden minderjährigen Kindern, unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Da im gegenständlichen Fall die drohenden Verletzungen des Familien- und Privatlebens der Beschwerdeführerin auf Umständen beruhen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind, war der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

3.2.2.5. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt gemäß Abs. 2 leg. cit. nur die die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden gemäß § 54 Abs. 1 AsylG Drittstaatsangehörigen erteilt als:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt;

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt;

3. [...]

Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG ist eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG im Fall der Beschwerdeführerin in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer sie betreffenden Rückkehrentscheidung gegeben sind, es im Fall der Beschwerdeführerin jedoch an der Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG mangelt, ist nach § 55 Abs. 2 AsylG vorzugehen und der Beschwerdeführerin eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen. Die faktische Ausstellung der entsprechenden Karte fällt unter die Kompetenz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die unter Punkt 3.2. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts-frage vor. Darüber hinaus kann sich das Bundesverwaltungsgericht bei den erheblichen Rechtsfragen - insbesondere den hier vorliegenden Eingriff in das Recht auf Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin durch die vom Bundesamt getroffene Rückkehrentscheidung - auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

4. Daher war nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung, Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig,
Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W235.1437710.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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