TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/3 97/19/1332

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Veröffentlicht am 03.09.1999
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Index

20/02 Familienrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §60;
EheG §23;
FrG 1997 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des 1963 geborenen UH in W, vertreten durch Mag. Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Juni 1997, Zl. 304.485/3-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit vom 8. März 1994 bis 8. Oktober 1994 verfügte, beantragte am 3. Oktober 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Dezember 1995 im Instanzenzug gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen mangelnden Unterhaltes abgewiesen.

Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 17. Oktober 1996, bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz eingelangt am 22. Oktober 1996, neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Aus einer mit der Ehegattin des Beschwerdeführers aufgenommenen Niederschrift der Behörde erster Instanz vom 19. Dezember 1996 geht hervor, dass nach Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers die gegenständliche Ehe eine reine "Formehe" gewesen sei, welche nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, dem Beschwerdeführer die Möglichkeit seines weiteren Verbleibes in Österreich sowie die Möglichkeit zu verschaffen, sich selbstständig zu machen, zu studieren und in weiterer Folge die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Ein spezielles Motiv für diese Eheschließung habe die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht gehabt; sie sei die Ehe nur deshalb eingegangen, da sie von einem Bekannten dazu gebeten worden sei. Eine eheliche Lebensgemeinschaft sei von Anfang an ausgeschlossen gewesen und sei eine solche auch tatsächlich nicht erfolgt, obwohl sie in der Wohnung des Beschwerdeführers nach der Eheschließung einige Tage verbracht habe. Sie sei beim Beschwerdeführer nur deshalb eingezogen, weil sie von zu Hause weg wollte und sich gedacht habe, die Wohnung behalten zu können. Die Ehe sei niemals vollzogen worden. Vereinbart sei eine dreijährige Ehedauer gewesen. Die Ehe sei aber deshalb nach wie vor aufrecht, weil die Ehegattin des Beschwerdeführers nach Ablauf der vereinbarten Zeit den Beschwerdeführer nicht habe finden können. Sie habe ihn zuletzt ca. zwei Monate nach der Hochzeit gesehen, als sie von ihm Geld ausgeborgt hätte, wofür sie auch einen Wechsel unterschrieben habe.

Diese Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers wurde diesem in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht, worauf er mit Schriftsätzen vom 27. Jänner 1997 bzw. vom 31. Jänner 1997 Stellungnahmen erstattete. In diesen Stellungnahmen brachte der Beschwerdeführer vor, seine Ehegattin lüge und er werde umgehend einen Scheidungsantrag einreichen. Die Ehe sei keinesfalls nur deshalb geschlossen worden, damit er in den Besitz eines Befreiungsscheines gelangen und eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen könne. Vielmehr habe der Beschwerdeführer bis zur Trennung mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt gelebt, und sei mit allen Rechten und Pflichten verheiratet, welche sich aus einer aufrechten Ehe ergäben. Zur Zeit lebe der Beschwerdeführer von seiner Ehegattin getrennt. Die Aussage der Ehegattin, wonach es sich um eine angebliche Scheinehe gehandelt habe, könne sich der Beschwerdeführer nur so erklären, dass die Zerwürfnisse, welche auch zur Trennung geführt hätten, der Grund für die Aussage seien. Des Weiteren weise er ausdrücklich darauf hin, dass er auf Grund der geschlossenen Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin keine persönlichen Vorteile gehabt habe, da er bereits vor der Eheschließung, und zwar im Zeitraum von 1989 bis 1991 über Sichtvermerke der Fremdenpolizei Wien verfügt habe und andererseits immer selbstständig erwerbstätig gewesen sei und daher keine arbeitsrechtlichen Bewilligungen benötige. Es liege somit keine Scheinehe vor.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 20. März 1997 den Antrag wegen Eingehens einer Scheinehe gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er im Wesentlichen sein Vorbringen während des erstinstanzlichen Verfahrens wiederholte und insbesondere darauf verwies, dass er auf Grund der geschlossenen Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin, welche keine Scheinehe gewesen sei, keine persönlichen oder fremdenrechtlichen Vorteile gehabt habe. Auch in der Berufung vertrat er die Ansicht, dass auf Grund von Zerwürfnissen, die auch zur Trennung geführt hätten, ein Zusammenleben auf Grund der verschiedenen persönlichen Ansichten nicht mehr möglich sei und die Aussage seiner Ehegattin mit diesen Zerwürfnissen erklärt werden könne. Weiters verwies er auf seinen über fünf Jahre andauernden Aufenthalt in Österreich und seine Integration in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht, weshalb die Verweigerung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung einen schwer wiegenden Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens darstelle.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Juni 1997 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z 4 FrG ab. Nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesbestimmungen stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe am 15. Februar 1991 eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht. Die Ehegattin habe auf Befragung niederschriftlich angegeben, dass die Ehe mit dem Beschwerdeführer nur eingegangen worden sei, um diesem die Erlangung fremden- und arbeitsrechtlicher Bewilligungen zu vereinfachen. Die Ehegattin habe bei dieser Befragung angegeben, dass sie die Ehe nur aufgrund des Ersuchens eines Bekannten geschlossen habe und dass eine eheliche Lebensgemeinschaft beiderseits von Anfang aus ausgeschlossen worden und eine solche auch tatsächlich niemals erfolgt sei. Die Ehe sei auch niemals vollzogen worden und wäre ursprünglich auch nur eine dreijährige Ehedauer vereinbart gewesen. Sie hätte sich auf die Ratschläge des als Vermittler fungierenden Bekannten lediglich nur deshalb an der Adresse des Beschwerdeführers angemeldet, um der Eheschließung mit diesem eine gewisse Glaubwürdigkeit nach außen zu verleihen. Weiters habe die Ehegattin auch noch angegeben, dass sie weder über die Lebensgewohnheiten des Beschwerdeführers während seines Österreichaufenthaltes noch über seine Eltern, Geschwister oder sonstigen Umstände in Jugoslawien Bescheid wüsste bzw. gewusst hätte und die Nichtigerklärung der Ehe mit dem Beschwerdeführer anstreben werde.

Der Oberste Gerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne die Erfüllung der Voraussetzungen für die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Auch der Verwaltungsgerichtshof vertrete die Auffassung, dass die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten darstelle, welches die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährden würde. Auf Grund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung sei der Antrag des Beschwerdeführers daher abzulehnen und dieser vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen gewesen. Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, dass nur die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich bestünden. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten im Rahmen des Art. 8 MRK sei auf Grund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass ein rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden war, weshalb der danach gestellte, verfahrensgegenständliche Antrag nicht als Verlängerungsantrag, sondern als Erstantrag zu qualifizieren war. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden. Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenzen ist allerdings die eindeutige und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601).

Nach dem gemäß § 67 AVG von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 98/19/0027).

In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde in Bezug auf das Vorliegen einer Scheinehe ausschließlich von dem Sachverhalt aus, der sich aus der Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers ergibt. Im Gegensatz zur - von der belangten Behörde nicht übernommenen - Bescheidbegründung des erstinstanzlichen Bescheides trifft die belangte Behörde keine eigenständige Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der einander entgegenstehenden Aussagen der Ehegatten.Welche Überlegungen die belangte Behörde dazu veranlasst haben, den Aussagen der Ehegattin höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen als der sowohl während des erstinstanzlichen Verfahrens als auch in der Berufung erfolgten Darstellung des Beschwerdeführers, die im Übrigen im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht wiedergegeben werden, geht aus dem angefochtenen Bescheid somit nicht hervor und entzieht sich daher der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 97/19/0454).

Der angefochtene Bescheid, der jegliche Beweiswürdigung und Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers vermissen lässt, entspricht folglich nicht den obgenannten Erfordernissen einer Bescheidbegründung.

Da - wie auch das Beschwerdevorbringen zeigt - nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191332.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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