TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/14 W251 2148158-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.11.2018
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Entscheidungsdatum

14.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2148158-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2017, Zl. 1046791010 - 140228767 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 29.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 30.11.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er Afghanistan aus gesundheitlichen und aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe, sowie wegen der unsicheren Sicherheitslage, sonst habe er keine Fluchtgründe. Der Beschwerdeführer gab zudem an minderjährig zu sein.

3. Am 18.12.2014 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) betreffend sein Alter statt. Der Beschwerdeführer gab an, dass er 19 Jahre alt und nicht minderjährig sei, er sein genaues Geburtsdatum jedoch nicht kenne.

4. Am 23.11.2106 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt zu seinen Fluchtgründen statt. Zu diesen gab er im Wesentlichen an, dass sein Vater im Amt bei der Polizei gearbeitet habe. Sein Vater sei von den Taliban bedroht und erschossen worden. Sein Bruder habe als Dolmetscher für die XXXX gearbeitet und sei von den Taliban bedroht worden. Aus diesen Gründen habe seine Familie Afghanistan verlassen.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft habe machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

6. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Beweiswürdigung des Bundesamtes mangelhaft sei. Seine Glaubwürdigkeit habe durch Erkundigungen und Erhebungen vor Ort vergrößert werden können. Zudem habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan insbesondere in Kabul verschlechtert. Er verfüge in Afghanistan weder über eine Unterkunft noch über eine finanzielle Unterstützung. Zudem sei auch die Versorgungslage in Afghanistan unzureichend.

7. Das Gericht beraumte für den 09.04.2018 eine mündliche Verhandlung an. Zu dieser ist zwar der Vertreter des Beschwerdeführers erschienen, der Beschwerdeführer ist der Verhandlung jedoch unentschuldigt ferngeblieben. Der Beschwerdeführervertreter hat den Beschwerdeführer schriftlich über den Verhandlungstermin informiert und mehrfach versucht den Beschwerdeführer telefonisch zu erreichen.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte erneut am 24.10.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurden der Beschwerdeführer und eine Zeugin einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache (AS 1; Protokoll vom 24.10.2018, OZ 14, S. 7). Der Beschwerdeführer spricht zudem etwas Paschtu, Hindi, Englisch und Deutsch (As 54).

Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt Kabul geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen vier Brüdern und zwei Schwestern aufgewachsen (OZ 14, S. 10). Der Beschwerdeführer hat 11 Jahre lang in der Stadt Kabul eine Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat zudem zwei Jahre lang einen Englischkurs belegt und ein Jahr lang einen Türkischkurs. Der Beschwerdeführer hat keinen Beruf gelernt (OZ 14, S. 8; AS 57).

Ein Onkel väterlicherseits, eine Tante väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben noch in der Stadt Kabul (OZ 14, S. 9; AS 58). Der Onkel väterlicherseits hat zwei erwachsene Söhne und eine erwachsene, bereits verheiratete Tochter (OZ 14, S. 22). Der Onkel väterlicherseits ist Bauunternehmer. Dieser besitzt zudem ein Lebensmittelgeschäft in dem seine Söhne arbeiten sowie mehrere Grundstücke. Dem Onkel väterlicherseits geht es finanziell gut, ebenso der Tante mütterlicherseits. Die Tante mütterlicherseits sowie die Tante väterlicherseits sind verheiratet und werden von den Ehemännern versorgt (OZ 14, S. 18; AS 59). Der Beschwerdeführer hat bereits einige Monate bei seinem Onkel mütterlicherseits gelebt. Er kann jederzeit Kontakt zu seinen Verwandten in Afghanistan aufnehmen und auch von seinen Verwandten in Kabul zumindest vorübergehend unterstützt werden (AS 59, AS 61; OZ 14, S. 10).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest November 2014 durchgehend in Österreich auf (AS 1, AS 3).

Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse auf dem Niveau A1, A2 und B1,

1. Teil besucht. Der Beschwerdeführer hat Deutschprüfungen auf dem Niveau A1 und A2 abgelegt. Er ist bereits zu einer Prüfung auf dem Niveau B1 angetreten, hat diese jedoch nicht bestanden (OZ 14, S. 13-14; Beilage ./E; Beilage ./D; AS 169-171; OZ 5).

Der Beschwerdeführer hat für eine Gemeinde im Jahr 2017 im April, im August und im September gemeinnützige Hilfstätigkeiten verrichtet (AS 175). Der Beschwerdeführer hat an einem Werte- und Orientierungskurs des österreichischen Integrationsfonds sowie an einem Vertiefungskursen zu Kultur und Gesellschaft bzw. Umwelt und Nachbarschaft teilgenommen (Beilage ./B).

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er geht keiner Erwerbstätigkeit nach (Beilage ./I; OZ 14, S. 14). Der Beschwerdeführer hat seit August 2017, somit 7 Monate nach Erhalt des angefochtenen Bescheides, eine Beziehung zu einer Österreicherin. Der Beschwerdeführer lebt mit dieser jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer und seine Freundin haben getrennte Finanzen. Sie treffen sich alle zwei Tage bzw. am Wochenende. Diese haben noch keine konkreten Zukunftspläne und sind nicht miteinander verlobt (OZ 14, S. 7-8, S. 16f, S. 22f). Der Beschwerdeführer verfügt darüber hinaus weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (OZ 14, S. 15, S. 23).

Der Beschwerdeführer hat eine Skoliose an der Wirbelsäule. Der Arzt hat dem Beschwerdeführer empfohlen sich sportlich zu betätigen. Seit der Beschwerdeführer regelmäßig Sport betreibt, hat er keine Beschwerden mehr. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten (OZ 14, S. 16).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1 Der Vater des Beschwerdeführers hat nicht für die afghanische Regierung, die Polizei oder das Verteidigungsministerium gearbeitet. Der Bruder des Beschwerdeführers war nicht als Dolmetscher für dieXXXX oder für andere ausländische Organisationen tätig.

Es kann nicht festgestellt werden, aus welchem Grund der Vater des Beschwerdeführers verstorben ist.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan von den Taliban oder von anderen Personen mit der Ausübung von psychischer oder physischer Gewalt bedroht. Der Beschwerdeführer wird von den Taliban nicht gesucht.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan nicht aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität oder wegen Lebensgefahr verlassen.

1.2.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Stadt Kabul kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Kabul sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Kabul kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Zudem kann er in Kabul auf ein familiäres und soziales Netzwerk zurückgreifen und zumindest vorrübergehend bei seinem Onkel väterlicherseits wohnen und von diesem auch finanziell sowie in beruflicher Hinsicht unterstützt werden.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Kabul Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Zudem kann sich der Beschwerdeführer, auch ohne familiäres Netzwerk, in der Stadt Mazar-e Sharif ansiedeln. Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 19.10.2018 - LIB 19.10.2018, S.36).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 19.10.2018, S. 37).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 19.10.2018, S. 39).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 19.10.2018, S. 47).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 19.10.2018, S. 40).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 19.10.2018, S. 40). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 19.10.2018, S.40 ff).

Provinz Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 19.10.2018, S. 61f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 19.10.2018, S. 62f).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 19.10.2018, S. 48).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt (LIB 19.10.2018, S. 63f).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 19.10.2018, S. 64).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 19.10.2018, S. 79).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 19.10.2018, S. 80).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 19.10.2018, S. 80).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 19.10.2018, S. 79f).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 19.10.2018, S. 115).

Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand, sodass die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 19.10.2018, S. 115).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (LIB 19.10.2018, S. 115).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 19.10.2018, S. 116).

Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 19.10.2018, S. 116f).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 19.10.2018, S. 117).

Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 19.10.2018, S. 118).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 19.10.2018, S. 332f).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 19.10.2018, S. 334 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 19.10.2018, S. 334).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 19.10.2018, S. 328).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 19.10.2018, S. 328f).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 19.10.2018, S. 341).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 19.10.2018, S. 342f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 19.10.2018, S. 343f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 19.10.2018, S. 344f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 19.10.2018, S. 345f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 19.10.2018, S. 346).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 19.01.2018, S. 346).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 19.10.2018, S. 289f).

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan, sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 19.10.2018, S. 294f). Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 19.10.2018, S. 279). Sunniten sind allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, durch Einvernahme der Freundin des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung als Zeugin und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./IV und Beilagen ./A bis ./F (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 19.10.2018, Beilage ./II; Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation über Afghanistan, Gefährdungslage für Dolmetscher, Regierungsmitarbeiter vom 11.02.2014, Beilage ./IV; Zeitbestätigung ÖIF vom 18.10.2018, Beilage ./A; Bestätigung Integrationsmaßnahmen ÖIF vom 21.09.2018, Beilage ./B; Arztbrief vom 02.08.2018, Beilage ./C;

Teilnahmebestätigung Deutschkurs B1/1, vom 01.03.2018, Beilage ./D;

Zertifikat Deutsch B1, nicht bestanden, vom 16.10.2018, Beilage ./E;

Stellungnahme Dr. Rasuly vom 13.06.2012, Gefährdung durch die Taliban, Beilage ./F) und durch Erörterung der wesentlichen Inhalte der EASO Guidelines und der UNHCR-Guidelines in der mündlichen Verhandlung.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schulausbildung, seine Sprachkenntnisse und seine fehlende Berufsausbildung), sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Dass der Beschwerdeführer noch über Verwandte in Kabul verfügt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung. Es ist für das Gericht kein Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seinen Verwandten in Kabul aufnehmen können sollte. Der Beschwerdeführer gab an, dass er keinen Kontakt zu seinen Verwandten in Kabul habe, da er dafür in Österreich keine Zeit habe (OZ 14, S. 10). Da er noch Kontakt zu seiner Mutter und seinen Geschwistern in der Türkei hat, kann er wohl jedenfalls über diese Kontakt zu seinen Verwandten in Kabul aufnehmen. Zudem ist den Länderberichten zu entnehmen, dass nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihren Familien in Afghanistan verlieren. Die Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihren nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa geht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, dass sie keine lebenden Verwandten mehr haben bzw. keinen Kontakt mehr zu diesen haben. Der Faktor der geografischen Nähe verliert durch technologische Entwicklungen an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile universell geworden, digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (Beilage ./II, S. 346).

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und auf die Angaben der Zeugin. Diese gab an, dass der Beschwerdeführer über Bekanntschaften in Österreich verfüge, enge soziale Kontakte oder enge Freundschaften nannte diese jedoch nicht (OZ 14, S. 23). Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer zwar freundschaftliche Kontakte in Österreich knüpfen konnte und in Österreich seit August 2017 eine Freundin in Österreich hat, darüber hinaus jedoch keine engen sozialen Kontakte bestehen.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen ergeben sich aus den vorgelegten Zertifikaten.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und aus dem vorgelegten Arztbrief.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch Taliban, da sein Vater für die Polizei bzw. das Verteidigungsministerium und sein Bruder als Dolmetscher für die XXXX gearbeitet haben, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte, konstruierte Geschichte handelt.

2.2.2. Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung zur beruflichen Tätigkeit seines Vaters befragt. Der Beschwerdeführer konnte jedoch nur vage und ausweichende Antworten geben. Diese machen auf das Gericht nicht den Eindruck, als hätte der Vater des Beschwerdeführers tatsächlich für die afghanische Regierung, die Polizei oder das Verteidigungsministerium gearbeitet:

"R: Was hat Ihr Vater gearbeitet?

BF: Mein Vater hat bei der Regierung gearbeitet, er war ein Polizist.

R: Wo genau war Ihr Vater Polizist?

BF: Genau hat er im Verteidigungsministerium gearbeitet.

R: Was war die genaue Funktion Ihres Vaters?

BF: Er war ein Offizier. Der Rang lautet: XXXX.

R: Was genau hat Ihr Vater gemacht?

BF: Er hat für die Regierung gearbeitet.

R: Welche Tätigkeit genau hat er dort übernommen?

BF: Die genaue Tätigkeit meines Vaters war seine Arbeit für die Regierung. Er sorgte für die Sicherheit der Stadt.

R: Wo war Ihr Vater stationiert?

BF: In der Stadt Kabul.

R: Wo genau in der Stadt Kabul war seine Arbeitsstelle?

BF: Es gab eine Außenstelle des Verteidigungsministeriums. Diese befand sich in der Nähe von XXXX. Das ist auch ein Stadtteil von Kabul.

R: Das heißt, Ihr Vater war in XXXX stationiert?

BF: Das weiß ich nicht genau. Er war mobil bzw. er war in der Stadt unterwegs und er sorgte für die Sicherheit der verschiedenen Stadtteile der Stadt Kabul." (OZ 14, S. 10-11)

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt des behaupteten Todes des Vaters, Ende 2013, bereits volljährig. Nach Angaben des Beschwerdeführers sei die Familie wegen der beruflichen Tätigkeit des Vaters mehrfach bedroht worden. Es wäre daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer konkrete und ausführliche Angaben zur beruflichen Tätigkeit seines Vaters machen können müsste - hätte der Vater tatsächlich für die afghanische Regierung gearbeitet.

In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angab, dass er davon ausgehe, dass sein Vater in XXXX gearbeitet habe (OZ 14, S. 11). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass sein Vater in XXXX gearbeitet habe (AS 61). Es ist nicht nachvollziehbar, dass die ohnehin schon vagen Angaben des Beschwerdeführers zudem auch widersprüchlich sind. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und zur beruflichen Tätigkeit des Vaters sind nicht glaubhaft.

Da der Beschwerdeführer jedoch bereits in der Erstbefragung (AS 5) angab, dass sein Vater verstorben sei, ohne dies jedoch bei den Fluchtgründen anzugeben, geht das Gericht davon aus, dass der Vater des Beschwerdeführers tatsächlich bereits verstorben ist. Die Todesursache kann jedoch vom Gericht nicht festgestellt werden.

2.2.3. Auch die Angaben des Beschwerdeführers zur beruflichen Tätigkeit seines Bruders waren vage und machten auf das Gericht den Eindruck, als würde es sich um eine konstruierte Erzählung handeln:

"R: War Ihr Bruder bei der XXXX angestellt?

BF: Ja, er war angestellt. Er hat bei der XXXX gearbeitet.

R: Für wen genau bei der XXXX hat er gedolmetscht?

BF: Genau weiß ich es nicht, aber er war als Dolmetscher tätig. Er arbeitete für die Ausländer. Er war Englischdolmetscher für die Amerikaner.

R: Seit wann hat Ihr Bruder für dieXXXX gearbeitet?

BF: Von 2010 bis 2013.

R: Wann genau im Jahr 2013 hat Ihr Bruder die Arbeit für die XXXX beendet?

BF: Daran kann ich mich nicht erinnern, ich habe es vergessen.

R: Warum hat Ihr Bruder aufgehört für die XXXX zu arbeiten?

BF: Weil er von den Taliban bedroht worden ist.

R: War das vor oder nach dem Tod Ihres Vaters?

BF: Mein Bruder wurde im Jahr 2011 bedroht.

R: Hat Ihr Bruder vor oder nach dem Tod ihres Vaters für die XXXX aufgehört zu arbeiten?

BF: Nach dem Tod meines Vaters." (OZ 14, S. 11f)

Das Gericht geht daher davon aus, dass weder der Vater noch der Bruder des Beschwerdeführers jemals für die afghanische Regierung gearbeitet habe. Es ist unplausibel, dass der Beschwerdeführer keine genaueren Angaben hätte machen können, hätte sein Bruder tatsächlich für die XXXX als Dolmetscher gearbeitet.

2.2.4. Auch die Angaben des Beschwerdeführers zu den behaupteten Bedrohungen waren vage und unkonkret. Hätte es tatsächlich mehrere Bedrohungen gegeben, und hätte dies zur Flucht aus Afghanistan geführt, so wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zu diesen Bedrohungen konkrete und detailreiche Angaben machen können müsste - hätte sich dies so ereignet.

Der Beschwerdeführer gab zu den Bedrohungen jedoch nur vage und ausweichend an:

"R: Wurden Sie in Afghanistan persönlich bedroht?

BF: Nein, damals war ich klein und besuchte die Schule.

R: Wie genau wurde Ihre Familie von den Taliban bedroht?

BF: Ich weiß es nicht genau. Was ich weiß, ist, dass meine Mutter zuhause mit meinem Bruder gesprochen hat.

R: Wissen Sie, wie Ihr Bruder von den Taliban bedroht wurde?

BF: Nein, ich war sehr klein. Weil ich klein war und die Schule besucht habe, weiß ich es nicht. Aber zuhause wurde darüber gesprochen.

R: Was genau wurde zuhause darüber gesprochen?

BF: Genau weiß ich es nicht, weil ich mich nicht daran erinnern kann.

R: Wissen Sie, wie häufig Ihr Bruder bedroht wurde?

BF: Mein Bruder wurde zwei bis dreimal bedroht. Im Jahr 2011, das wurde zuhause besprochen." (OZ 14, S. 18)

Dass der Beschwerdeführer keine genaue Kenntnis habe, da er noch sehr klein gewesen sei überzeugt das Gericht nicht. Als der Bruder des Beschwerdeführers aufgehört habe für die XXXX zu arbeiten, Ende 2013 (AS 61), müsste der Beschwerdeführer bereits volljährig gewesen sein. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer zu klein gewesen sei um Kenntnisse über den Beruf und die Bedrohungen zu haben.

Das Gericht geht daher davon aus, dass weder der Beschwerdeführer noch die Familie des Beschwerdeführers jemals in Afghanistan konkret bedroht worden sind.

2.2.5. Lediglich am Rande darf in diesem Zusammenhang auch angemerkt werden, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung angab Afghanistan aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen Gründen und wegen der Sicherheitslage verlassen zu haben, sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe. Der Beschwerdeführer hat jedoch den Tod des Vaters, Bedrohungen durch die Taliban sowie die beruflichen Tätigkeiten des Vaters und des Bruders mit keinem Wort erwähnt. Die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers ist daher nicht konsistent. Zudem gab der Beschwerdeführer eingangs der Verhandlung an, dass sämtliche Angaben in den Protokollen richtig seien (OZ 14, S. 7), es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer die Fluchtgründe, die er beim Bundesamt angab, in der Erstbefragung nicht einmal ansatzweise erwähnt hat. Diesbezüglich wird weder die seitens der Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts hierüber bereits aufgezeigten Bedenken gegen die Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung (vgl etwa VfGH vom 20. Februar 2014, U 1919/2013-15, U 1921/2013-16, und E vom 28.Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018) übersehen noch, dass sich die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Dennoch scheint fraglich, warum der Beschwerdeführer den Tod des Vaters, Bedrohungen durch die Taliban sowie die beruflichen Tätigkeiten des Vaters und des Bruders in der Erstbefragung nicht einmal in einem Satz erwähnt hat.

2.2.6. Zudem hat der Beschwerdeführer nach dem Tod des Vaters Ende 2013 und der Beendigung der Arbeit durch den Bruder bei der XXXX insgesamt noch 10 Monate in Afghanistan gelebt. Ca. vier Monate davon im Haus seiner Familie und 6 Monate im Haus seines Onkels väterlicherseits (AS 61). In dieser Zeit ist es jedoch zu keinen Angriffen, Bedrohungen oder Übergriffen gekommen. Der Beschwerdeführer wurde selber noch nie bedroht. Auch der Onkel väterlicherseits kann weiterhin in Kabul leben, ohne, dass diesbezüglich Bedrohungen geltend gemacht wurden (AS 62).

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer und seine Familie Kabul nicht aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität oder wegen Lebensgefahr verlassen haben, sondern aus wirtschaftlichen Gründen - so wie dies der Beschwerdeführer bereits in der Erstbefragung angegeben hat.

2.2.7. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre.

Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in die Stadt Kabul ergeben sich aus den o.a. Länderberichten.

In der Hauptstadt Kabul finden überwiegend Angriffe in Regierungs- und Botschaftsnähe, also mit möglichst hoher medialer Reichweite, statt. Dabei kam es immer wieder zu zivilen Opfern. Die Regierung ist jedoch in der Lage hier die Sicherheit abseits dieser High-Profile Attentate zu gewährleisten. Den aktuellen UNHCR Guidelines vom 30.08.2018 (S. 10) ist zu entnehmen, dass eine innerstaatliche Schutzalternative in Kabul aufgrund der Versorgungs- und Sicherheitslage nicht mehr anzunehmen ist. Da der Beschwerdeführer jedoch in Kabul über ein familiäres und soziales Netzwerk verfügt, kann er zumindest vorrübergehend bei seinem Onkel väterlicherseits - bei dem er bereits sechs Monate gelebt hat - wohnen. Da der Beschwerdeführer in Kabul geboren ist, dort zur Schule gegangen ist und dort gelebt hat und dort auch sein familiäres und soziales Netzwerk hat, handelt es sich für den Beschwerdeführer hinsichtlich Kabul nicht um eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das Gericht geht davon aus, dass es in der Stadt Kabul zu Anschlägen kommt, jedoch nicht in allen Stadtteilen.

Dass die Wohnraum- und Versorgungslage angespannt ist, ergibt sich aus den Länderberichten, wonach in Kabul zwar an sich Wohnraum zur Verfügung steht, es jedoch eine erhebliche Anzahl an Rückkehrern gibt, sodass die Lage angespannt ist. Auch gibt es nicht genügend Arbeitsplätze. Der Beschwerdeführer ist jedoch in Kabul aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Er ist daher mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut und verfügt dort auch noch über ein großes familiäres Netzwerk, sodass er auch auf familiäre Unterstützung sowie eine Unterkunft zurückgreifen kann.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass es seinem Onkel väterlicherseits finanziell gut gehe, dieser sei Bauunternehmer und würde über mehrere Grundstücke verfügen (AS 58). Zudem war es dem Onkel väterlicherseits möglich für einen Zeitraum von sechs Monaten (April 2014 bis Oktober 2014) den Beschwerdeführer, seine sechs Geschwister und seine Mutter aufzunehmen. Der Onkel väterlicherseits konnte diese über den Zeitraum von sechs Monaten finanziell versorgen und die Ausreise von sieben Personen finanzieren (AS 59). Zudem besitzt der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers ein Lebensmittelgeschäft, in dem dessen Söhne arbeiten und der Bruder des Beschwerdeführers bereits gearbeitet hat (AS 61; OZ 14, S. 18). Der Beschwerdeführer gab auch noch in der mündlichen Verhandlung an, dass die finanzielle Situation seines Onkels gut war und auch noch gut ist (OZ 14, S. 18). Die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach sein Onkel nur so viel verdiene, dass er nur sich und seine Familie ernähren könne (OZ 14, S. 19), sind daher als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Da der Onkel väterlicherseits den Beschwerdeführer und dessen Familie bereits einmal über einen längeren Zeitraum finanziell sowie durch die zur Verfügungstellung der Unterkunft unterstützt hat und auch der Bruder des Beschwerdeführers bereits im Lebensmittelgeschäft des Onkels arbeiten konnte, geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr von seinem Onkel väterlicherseits eine Wohnmöglichkeit sowie finanzielle Unterstützung und auch Unterstützung bei der Arbeitssuche erhalten kann.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen, insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den o.a. Länderberichten zu Mazar-e Sharif und aus den Angaben des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan, in der Hauptstadt Kabul aufgewachsen. Der Beschwerdeführer ist dort mit seinen Eltern und Geschwister aufgewachsen, sodass der Beschwerdeführer entsprechend der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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