TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/15 I401 2146050-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I401 2146050-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde der XXX, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt, Universitätsstraße 3, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 06.03.2014, Geschäftszahl: 2014-18-GPLA-SV-AP-V-002, betreffend "Pflichtversicherung nach dem ASVG" zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als festgestellt wird, dass XXX und XXX in der Zeit vom 17.03. bis 18.03.2011 nicht der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlagen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Bescheid vom 06.03.2014 stellte die Tiroler Gebietskrankenkasse (in der Folge als belangte Behörde oder als TGKK bezeichnet) im für den gegenständlichen Fall bedeutenden Spruchpunkt 1. fest, dass die in der Anlage A angeführten (662) Personen zu den in dieser Anlage genannten Zeiträumen auf Grund ihrer ausgeübten Tätigkeit als Lkw-Fahrer bei der XXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung, Unfallversicherung und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG, in Verbindung mit Art. 11 und 13 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Verbindung mit Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit unterlegen seien bzw. bis laufend unterlägen.

2. Gegen diese Entscheidung erhob die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig eine ausführlich begründete Beschwerde, in der sie EU-Rechtswidrigkeit/Unzulässigkeit des Rechtsweges, Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit/Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte.

3.1. Mit erstem (Teil-) Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.12.2017, I401 2010380-1/32E, wurde der erhobenen Beschwerde der Antragstellerin insoweit Folge gegeben, als die in den Beilagen 1 und 2 angeführten Personen in den angeführten Zeiträumen nicht der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien.

3.2. Mit zweitem (Teil-) Erkenntnis vom 29.06.2018, I401 2010380-1/87E, wurde der erhobenen Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die in den Beilagen I und II angeführten Personen in den angeführten Zeiträumen nicht der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien.

3.3. Mit drittem (Teil-) Erkenntnis vom 29.06.2018, I401 2010380-1/88E, wurde die erhobene Beschwerde insoweit als unbegründet abgewiesen, als die in der Beilage a) und der Beilage b) angeführten Personen in den angegebenen Zeiträumen der Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien.

4. Über die vom Bescheid der belangten Behörde mitumfassten XXX und XXX wurde in keinem der drei (Teil-) Erkenntnisse (bzw. in keiner als Bestandteil derselben zu wertenden Beilagen) abgesprochen. Es ist daher über sie gesondert zu entscheiden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. XXX (Nr. 445 im bekämpften Bescheid) und XXX (Nr. 523 im bekämpften Bescheid) nahmen am 17.03.2011 ihre anvisierte Fahrtätigkeit nicht auf.

Diese Feststellung fußt auf den in der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2018 getätigten Angaben der Geschäftsführerin der XXX, welche als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach polnischem Recht das Gewerbe eines Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens ausübte. Die Geschäftsführerin glaubhaft dar, dass dieses Unternehmen das Auswahlverfahren für die Einstellung geeigneter Lkw-Fahrer organisiert, die Arbeitsverträge mit ihnen abgeschlossen und für alle Fahrer ab dem Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Fahrtätigkeit die Ausstellung der E 101- und A1-Bescheinigungen für die neu eingestellten Lkw-Fahrer bei der polnischen Sozialversicherungsanstalt (bzw. ZUS) beantragt hat. Überzeugend gab sie weiters an, dass W. O. und A. S. zwar zur Sozialversicherung bei der ZUS angemeldet wurden, aber nicht zur Arbeit erschienen sind und daher für sie auch keine A1-Bescheinigungen ausgestellt wurden. Im (internationalen) Transportgewerbe ist es nicht ungewöhnlich, dass - obwohl ein Arbeitsvertrag bereits abgeschlossen wurde - der Arbeitnehmer seinen Dienst nicht antritt bzw. seine Tätigkeit als Lkw-Fahrer nicht aufnimmt.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 erster Halbsatz ASVG ist "Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.

Gemäß § 10 Abs. 1 ASVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2011) beginnt die Pflichtversicherung der Dienstnehmer unabhängig von der Erstattung einer Anmeldung mit dem Tag des Beginnes der Beschäftigung bzw. des Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses.

Nach § 11 ASVG erlischt die Pflichtversicherung der im § 10 Abs. 1 bezeichneten Personen, soweit in den Abs. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses.

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass die diesbezüglichen Vorschriften (§§ 10, 11 ASVG) auf dem Boden der Eingliederungstheorie (und nicht auf dem der Vertragstheorie) stehen. Ein Beschäftigungsverhältnis iSd ASVG wird durch den "Einstellungsakt" begründet. Es setzt einen "Verpflichtungsakt" nicht voraus. Die Pflichtversicherung der Dienstnehmer beginnt nach § 10 Abs. 1 ASVG in der Regel mit dem Tag des Beginnes ihrer Beschäftigung, sie dauert mit dem Beschäftigungsverhältnis fort, bis sie nach § 11 Abs. 1 ASVG in der Regel mit dem Ende der Beschäftigung erlischt. Das Beschäftigungsverhältnis iSd ASVG wird in der Regel durch die Aufnahme der Beschäftigung im Betrieb des Dienstgebers begründet (vgl. dazu das auf die Beschäftigung von im grenzüberschreitenden Transportgewerbe tätigen Lkw-Fahrern Bezug nehmende Erk. des VwGH vom 15.07.2013, Zl. 2011/08/0151, mwN).

Da die Fahrer W. O. (Nr. 445) und A. S. (Nr. 523) ihre Fahrtätigkeit am 17.03.2011 nicht aufnahmen, konnte auch kein Beschäftigungsverhältnis in der Zeit vom 17.03. bis 18.03.2011 begründet werden.

Der Beschwerde war daher hinsichtlich dieser beiden Lkw-Fahrer stattzugeben.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil sich die gegenständliche Entscheidung zu den wesentlichen Fragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen kann und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Es fehlt weder an einer Rechtsprechung, noch weicht diese Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Dienstantritt, Pflichtversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I401.2146050.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten