Entscheidungsdatum
19.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W187 1413174-4/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. Thomas KLEIN, Rechtsanwalt, Sackstraße 21, 8010 Graz, und XXXX, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom XXXX, XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und die Spruchpunkte
II. bis VII. des angefochtenen Bescheides behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass er als LKW-Fahrer Benzin für die Amerikaner transportiert habe. Die Taliban hätten ihn deshalb bedroht.
2. Mit Bescheid des (damals zuständigen) Bundesasylamtes vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen werde (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers - Verfolgung durch die Taliban aufgrund der behaupteten Arbeit des Beschwerdeführers für die Amerikaner - insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, zumal der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Familie habe, auf deren Unterstützung er zurückgreifen könne. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet entgegenstehen würde.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht vollumfängliche Beschwerde an den (damals zuständigen) Asylgerichtshof. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) zog der Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX zurück.
4. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Delikten nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Urteil erwuchs am XXXX in Rechtskraft.
5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX hinsichtlich der Spruchpunkte
II. und III. behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.
6. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt aus der Haft entlassen.
7. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Delikten nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zugleich wurde die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Freiheitsstrafe widerrufen. Das Urteil erwuchs am XXXX in Rechtskraft.
8. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom XXXX wurde dem sich in Strafhaft befindenden Beschwerdeführer der Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet wegen Straffälligkeit mitgeteilt.
9. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom BFA ergänzend zu seinem Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Subsidiär Schutzberechtigten und einer allfälligen Rückkehrentscheidung einvernommen.
10. Mit Bescheid des BFA vom XXXX, dem Beschwerdeführer am XXXX zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen des Vorliegens eines Aberkennungsgrundes gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 abgewiesen. Zugleich wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 unzulässig sei (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt II.).
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokoll Nr 6 oder 13 zur Konvention oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt mit sich bringen würde, sodass der Antrag bezüglich des subsidiären Schutzes nicht schon gemäß § 8 Abs 1 AsylG abzuweisen sei. Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilungen durch ein inländisches Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) einen Ausschlussgrund gesetzt habe, sei sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten jedoch aus diesem Grund abzuweisen. Die Abweisung sei gemäß § 8 Abs 3a AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokoll Nr 6 oder 13 zur Konvention oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt mit sich bringen würde. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen.
11. Die dagegen erhobene Beschwerde zog der Beschwerdeführer nach Erteilung eines Verbesserungsauftrags zurück.
12. Mit Schreiben des BFA vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mitgeteilt, dass die Entscheidung des BFA vom XXXX einer neuerlichen Prüfung unterzogen worden sei. Das BFA sei dabei zur Kenntnis gelangt, dass gegen den Beschwerdeführer aufgrund dessen rechtskräftiger Verurteilungen nunmehr eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot sowie - nach dessen Strafende - die Anordnung der Schubhaft sowie die Ausstellung eines Heimreisezertifikats zu erlassen sei.
13. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer gegenständlichen - zweiten - Antrag auf internationalen Schutz. Er gab im Wesentlichen die gleichen Fluchtgründe wie im Erstverfahren an und führte aus, dass sein Bruder vor fünf Monaten von den Taliban getötet worden sei. Die Taliban würden den Beschwerdeführer suchen und sein Bruder habe nicht verraten wollen, wo er sei. Der Beschwerdeführer habe bei der "XXXX" gearbeitet und sei in dieser Zeit zweimal von den Taliban angeschossen worden.
14. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom XXXXwurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
15. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer zu den Gründen für seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hierbei wiederholte er, dass sein Bruder vor fünf Monaten von den Taliban getötet worden sei und erklärte, dass seine alten Fluchtründe noch aufrecht seien.
16. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom XXXX, dem Beschwerdeführer nachweislich noch am selben Tag in der Justizanstalt zugestellt, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine weiteren asylrelevanten Gründe glaubwürdig vorgebracht habe. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft
des Vorverfahrens weder im Hinblick auf die Zuerkennung des Status
des Asylberechtigten noch im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geändert.
17. Dem Beschwerdeführer wurde für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig der XXXX als Rechtsberater zur Seite gestellt.
18. Mit Schreiben vom XXXX erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, fristgerecht vollumfängliche Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX. Die Beschwerde langte am selben Tag per Fax beim BFA ein.
19. Am XXXX wurde die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Am selben Tag wurde das BFA gemäß § 16 Abs 4 BFA-VG über die Beschwerdevorlage informiert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
1.1 Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal nach Österreich und stellte am XXXX seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er damals im Wesentlichen vor, dass er als LKW-Fahrer Benzin für die Amerikaner transportiert habe. Die Taliban hätten ihn deshalb drei Mal bedroht und von ihm verlangt, damit aufzuhören. Sie hätten auch einmal auf sein Fahrzeug geschossen, ihm selbst sei aber nichts passiert. Deshalb sei er geflüchtet.
1.2 Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom XXXX abgewiesen. Die Abweisung des Antrags hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde mit der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens begründet. Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erwuchs nach Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides in Rechtskraft.
Die Spruchpunkte II. und III. des Bescheides vom XXXX wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
1.3 Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen des Vorliegens eines Aberkennungsgrundes gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 abgewiesen. Zugleich wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 unzulässig sei. Dieser Bescheid erwuchs nach Zurückziehung der Beschwerde in Rechtskraft.
Begründend führte das BFA im Bescheid vom XXXX aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokoll Nr 6 oder 13 zur Konvention oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt mit sich bringen würde, sodass der Antrag bezüglich des subsidiären Schutzes nicht schon gemäß § 8 Abs 1 AsylG abzuweisen ist. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilungen durch ein inländisches Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) habe der Beschwerdeführer einen Ausschlussgrund gesetzt, sodass sei sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten jedoch aus diesem Grund abzuweisen sei. Die Abweisung sei gemäß § 8 Abs 3a AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokoll Nr 6 oder 13 zur Konvention oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt mit sich bringen würde.
1.4 Mit dem - hier gegenständlichen - zweiten Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX brachte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren erneut vor. Darüber hinaus gab er an, dass sein Bruder vor fünf Monaten von den Taliban getötet worden sei. Die Taliban würden den Beschwerdeführer suchen, sein Bruder habe jedoch nicht verraten wollen, wo er sei. Der Beschwerdeführer habe bei der "XXXX" gearbeitet und sei in dieser Zeit zweimal von den Taliban angeschossen worden.
1.5 Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück.
Begründend führte das BFA im Bescheid vom XXXX aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit der Rechtskraft
des Vorverfahrens weder im Hinblick auf die Zuerkennung des Status
des Asylberechtigten noch im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geändert habe. Auf Basis der getroffenen Länderfeststellungen sei eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan im Hinblick auf die regional unterschiedlichen Sicherheitslagen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Da sohin weder in der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren des Beschwerdeführers Änderungen eingetreten seien, stehe dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten die Rechtskraft des Bescheides vom XXXX entgegen.
1.6 Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung über seinen ersten Asylantrag ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten glaubhaft dartun konnte.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten des BFA zu den vorangegangenen und zum gegenständlichen Verfahren.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Zu Spruchpunkt A) I. - Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
3.1.1 Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom XXXX hinsichtlich des Status des Asylberechtigten nach § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides).
3.1.2 Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet.
Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl etwa VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
3.1.3 Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl VwGH 25.4.2007, 2004/20/0100, mwN).
3.1.4 Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückzuweisen.
3.1.5 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Änderung nur dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgeblich erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann und daher die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zumindest möglich ist (VwGH 24.3.2011, 2007/07/0155; Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 68, Rz 26 mit Judikaturnachweisen; vgl iZm auch VwGH 5.5.2015, Ra 2014/22/0115:
"Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste").
Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs 2 VwGVG ist betreffend Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides somit nur die Frage, ob das BFA den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu Recht gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen hat.
3.1.6 Dies ist aus nachstehenden Gründen der Fall:
Die belangte Behörde begründete die Zurückweisung des neuerlichen Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten damit, dass kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt werden könne. Der Beschwerdeführer habe anlässlich seines zweiten Antrags auf internationalen Schutz angegeben, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht seien. Neu hinzugekommen sei, dass sein Bruder von den Taliban ermordet worden sei und der Beschwerdeführer angeblich immer noch von den Taliban verfolgt werde. Das BFA führte hierzu im angefochtenen Bescheid aus, dass das nunmehrige Vorbringen nicht glaubwürdig sei. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich damit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert.
Die Beurteilung des BFA erfolgte zu Recht: Der Beschwerdeführer bezog sich zur Begründung seines gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz - abgesehen von dem Vorfall, bei welchem sein Bruder angeblich von den Taliban aufgrund der früheren Tätigkeit des Beschwerdeführers als LKW-Fahrer für die Amerikaner ermordet worden sei - ausschließlich auf Umstände, die sich bereits vor der ersten Asylantragstellung ereignet haben sollen bzw bezog er sich mit seinem Vorbringen auf Fluchtgründe, welche bereits Gegenstand des ersten Verfahren waren, weshalb eine neuerliche Entscheidung darüber nicht in Betracht kommt (VwGH 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; 24.5.2016, Ra 2016/21/0143). Auch steigerte der Beschwerdeführer sein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen dahingehend, dass er selbst während seiner Tätigkeit für die Amerikaner zwei Mal von den Taliban angeschossen worden sei. Im Erstverfahren gab er diesbezüglich jedoch noch anderslautend zu Protokoll, dass einmal auf seinen LKW geschossen worden sei, ihm selbst aber nichts passiert sei. In einer Gesamtschau erscheint das neue Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich dieses Vorfalls sohin nicht glaubwürdig. Es haben sich sohin keine Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den Asylstatus ergeben.
Da sohin keine Anhaltspunkte für eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Gewährung des Status des Asylberechtigten oder allgemein bekannte Tatsachen, die vom BFA von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, und auch die Rechtslage sich in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist die belangte Behörde im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz - soweit er auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtet ist - das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.
3.1.7 Die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zu Spruchpunkt A) II. - Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VII. des angefochtenen Bescheides
3.2.1 Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages aus.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides).
Wie bereits unter Punkt 3.1 ausgeführt, ist Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens betreffend den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides daher nur die Frage, ob das BFA den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Recht gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen hat.
3.2.2 Dies ist aus nachstehenden Gründen nicht der Fall:
Vergleichsbescheid im gegenständlichen Fall ist der Bescheid des BFA vom XXXX. Mit diesem Bescheid wurde der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unter Spruchpunkt I. wegen des Vorliegens eines Aberkennungsgrundes gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 abgewiesen. Zugleich wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG 2005 unzulässig sei.
Begründend wurde im Vergleichsbescheid zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokoll Nr 6 oder 13 zur Konvention oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt mit sich bringen würde, sodass der Antrag bezüglich des subsidiären Schutzes nicht schon gemäß § 8 Abs 1 AsylG abzuweisen sei. Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilungen durch ein inländisches Gericht wegen eines Verbrechens einen Ausschlussgrund gesetzt habe, sei sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten jedoch aus diesem Grund abzuweisen. Die Abweisung sei gemäß § 8 Abs 3a AsylG 2005 mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokoll Nr 6 oder 13 zur Konvention oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers infolge willkürlicher Gewalt mit sich bringen würde.
3.2.3 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei.
Hinsichtlich der Beurteilung der Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gelangte das BFA im Bescheid vom XXXX - entgegen seinen eigenen rechtlichen Ausführungen - jedoch zu einem gänzlich anderen Ergebnis als im Vergleichsbescheid vom XXXX. Begründend führte das BFA im nunmehr angefochtenen Bescheid zwar hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zwar zunächst aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit der Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe. In Widerspruch dazu führte das BFA jedoch im angefochtenen Bescheid weiter aus, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan auf Basis der getroffenen Länderfeststellungen im Hinblick auf die regional unterschiedlichen Sicherheitslagen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei. Da in der maßgeblichen Sachlage sohin keine Änderungen eingetreten seien, stehe dem neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten die Rechtskraft des Bescheides vom XXXX entgegen.
3.2.4 Das BFA kommt im gegenständlich angefochtenen Bescheid sohin betreffend die Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zu einem gänzlich anderen Ergebnis als im Vergleichsbescheid. Die belangte Behörde ist daher im Falle der Zurückweisung des Folgeantrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Unrecht vom Vorliegen einer entschiedenen Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG ausgegangen. Richtigerweise hätten die von der belangten Behörde nunmehr angenommenen Umstände betreffend die Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zu einer inhaltlichen Entscheidung über die Zuerkennung oder Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und nicht in einer zurückweisenden Entscheidung führen müssen.
Die belangte Behörde hat den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sohin zu Unrecht wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen.
3.2.5 Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides, mit dem der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen wurde, war daher zu beheben.
In Folge der Behebung des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides war den Spruchpunkten III. bis VII. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung, Ausreisefrist und Erlassung eines Einreiseverbots) jegliche Grundlage entzogen, weshalb diese ebenfalls zu beheben waren.
3.3 Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.
Schlagworte
Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 2, Einreiseverbot aufgehoben,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W187.1413174.4.00Zuletzt aktualisiert am
18.01.2019