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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0861Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde 1.) der 1958 geborenen S K und 2.) des 1981 geborenen D M, beide in W, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 22. Jänner 1996, 1.) zu Zl. 304.838/2-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und 2.) zu Zl. 304.838/3-III/11/96 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), jeweils betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 6.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheiden jeweils vom 13. September 1995 wies der Landeshauptmann von Wien Anträge der Beschwerdeführer vom 5. Jänner 1995 auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich ab.
Am 29. September 1995 stellten die Beschwerdeführer neuerlich Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen, die vom Landeshauptmann von Wien jeweils mit Bescheiden vom 27. Oktober 1995 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Begründend führte der Landeshauptmann von Wien jeweils aus, die Antragsteller hätten bereits am 5. Jänner 1995 beim Amt der Wiener Landesregierung Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gestellt, welche erstinstanzlich mit Bescheiden vom 13. September 1995 rechtskräftig abgewiesen worden seien. Entschiedene Sache läge vor, weil sich gegenüber den früheren Anträgen weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hätte. Nach den Angaben der in den Verwaltungsakten erliegenden Rückscheine erfolgte die Zustellung dieser Bescheide jeweils am 15. November 1995.
Mit Schriftsatz vom 23. November 1995, zur Post gegeben am selben Tag, erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Als Geschäftszahlen der mit Berufung bekämpften Bescheide wurden die Geschäftszahlen der Bescheide vom 13. September 1995 angegeben. Weiters wurde ausgeführt, gegen "die Bescheide der Magistratsabteilung 62 vom 13.09.1995" Berufung zu erheben. Danach führt der Berufungsschriftsatz jedoch aus, dass mit den angefochtenen Bescheiden "unsere Anträge vom 29.09.1995 auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung mit der Begründung abgewiesen" worden seien, "dass eine entschiedene Rechtssache vorliegen würde". Im Zeitpunkt der Antragstellung am 5. Jänner 1995 hätten sich in der lediglich 30 m2 großen Wohnung der Beschwerdeführer vier Personen aufgehalten, womit das Mindestmaß für eine ortsübliche Unterkunft nach den von der Behörde allgemein angewandten Richtlinien unterschritten worden sei. Mittlerweile sei es jedoch möglich geworden, für eine der vier Personen eine andere Unterbringungsmöglichkeit aufzutreiben, sodass die 30 m2 große Wohnung nunmehr nur von drei Personen benützt werde. Der große Wohnraum sei räumlich in zwei Hälften getrennt, sodass auch ein für beide Kinder abgetrennter Wohnraum, wie dies nach Behördenansicht nötig sei, gegeben sei.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufungen mit Bescheiden jeweils vom 22. Jänner 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten, vertreten durch ihren Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der "MA 62" vom 13. September 1995, Zl. MA 62-9/1959250/1 bzw. MA 62-9/0534693/2, Berufung erhoben. Da die Zustellung der Bescheide rechtswirksam bereits am 23. September 1995 erfolgt sei und die Berufung erst am 23. November 1995 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die §§ 63 Abs. 3 und 5 und 66 Abs. 4 AVG lauteten in der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung (auszugsweise):
"§ 63.
...
(3) Die Berufung hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
...
(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. ...
...
§ 66.
...
(4) Außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ..."
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat gemäß § 63 Abs. 3 AVG die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und zwar in einer Weise, dass unverwechselbar der mit Berufung angefochtene Bescheid feststeht (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zlen 94/06/0226, 0227mwN). Die Behörden sind nach dieser Judikatur insbesondere nicht verpflichtet, auf Grund knapper Angaben in einem Rechtsmittel Ermittlungen dahingehend durchzuführen, welcher Bescheid vom Rechtsmittelwerber gemeint sein könnte.
Stimmen hingegen, etwa infolge eines Versehens, formelle Kennzeichen wie die in einer Berufung angegebenen Bescheidgeschäftszahlen und das Bescheiddatum nicht mit den detaillierten Berufungsausführungen, insbesondere dem darin ausführlich geschilderten Gang des Verwaltungsverfahrens, nicht überein, so hat die Behörde im Zweifel, bevor sie sich dafür entscheidet, das Rechtsmittel als gegen einen der beiden in Frage kommenden Bescheide gerichtet anzusehen, dem Rechtsmittelwerber zu ihrer Annahme Parteiengehör einzuräumen und ihm somit Gelegenheit zu geben, zur Aufklärung des insoweit maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Obwohl jedoch im vorliegenden Fall der Inhalt des Berufungsschriftsatzes, insbesondere die Bezugnahme der Beschwerdeführer auf ihre Anträge vom 29. September 1995, die durch Bescheide vom 13. September 1995 offenkundig nicht erledigt worden sein konnten, darauf hindeuteten, dass sich die Beschwerdeführer in ihrem Berufungsschriftsatz nicht auf die (unter Anführung der Geschäftszahlen) genannten Bescheide vom 13. September 1995, sondern vielmehr auf jene vom 27. Oktober 1997, mit denen ihre Anträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden, bezogen, hat die belangte Behörde den Beschwerdeführern zu ihrer die angefochtenen Bescheide tragenden Annahme, die Berufungen bezögen sich auf die (früheren) Bescheide vom 13. September 1995, kein Parteiengehör eingeräumt und ihnen im Sinne des oben Gesagten die Möglichkeit zur Mitwirkung bei der Klärung der maßgeblichen Frage sohin versagt.
Das Beschwerdevorbringen ist geeignet, die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels aufzuzeigen. Die Beschwerdeführer bringen nämlich vor, die im Berufungsschriftsatz angegebenen Bescheidgeschäftszahlen der angefochtenen Bescheide seien irrtümlicherweise von den bereits am 13. September 1995 erlassenen Bescheiden übernommen worden und irrtümlicherweise auch behauptet worden, dass die Bescheide am 13. September 1995 erlassen worden seien. Die Behörde übersehe dabei jedoch, dass aus dem Inhalt der Berufung klar zum Ausdruck komme, dass sich die Berufung gegen die am 27. Oktober 1995 erlassenen Bescheide richtete. Einerseits werde nämlich auf die am 29. September 1995 gestellten Anträge verwiesen, andererseits werde sowohl auf Spruch und Begründung der Bescheide vom 27. Oktober 1995 eingegangen. Wurden mit der Berufung der Beschwerdeführer aber, wofür auch der Inhalt der Berufungsausführungen spricht, die Bescheide vom 27. Oktober 1995, die nach der Aktenlage am 15. November 1995 zugestellt wurden, bekämpft, so wäre die Zurückweisung der am 23. November 1995 zur Post gegebenen Berufungen als verspätet durch die belangte Behörde zu Unrecht erfolgt.
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 3. September 1999
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996190860.X00Im RIS seit
03.04.2001