TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/20 W132 2168103-1

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Veröffentlicht am 20.11.2018
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Entscheidungsdatum

20.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W132 2168103-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.05.2018 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1. In der Ersteinvernahme am 10.12.2015 gab der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Dolmetsch persönlich einvernommen über die Gründe für die Antragsstellung im Wesentlichen an, im Jahr 2006 von Kabul aus mit seiner Gattin nach Russland gereist zu sein. Diesen Entschluss habe er aus Angst vor dem damals in Afghanistan herrschenden Krieg und aus Angst vor den Taliban gefasst. Seine Frau sei im Oktober 2015 mit den gemeinsamen zwei Töchtern nach Österreich gereist und sei ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer habe bei der österreichischen Botschaft die Familienzusammenführung beantragt. Da er keine Antwort erhalten habe, habe er beschlossen, selbständig zu seiner Frau und seinen Kindern zu kommen, er wolle mit seiner Familie zusammenleben. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er Bombenanschläge und Unruhen, er habe Angst um sein Leben.

1.2. Die Gattin des Beschwerdeführers hat am 08.06.2015 von der belangten Behörde als Zeugin einvernommen angegeben, dass sie wünscht, dass ihr Gatte nach Österreich kommt. Dem Vorhalt der belangten Behörde, dass die Ehescheidungsklage lt. Auskunft des Bezirksgerichtes Leopoldstadt seit 09.01.2014 ruht, ist die Zeugin nicht entgegengetreten.

1.3. Von der belangten Behörde am 07.07.2017 einvernommen, gab der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Dolmetsch über die Gründe für die Antragsstellung im Wesentlichen an, sich im Jahr 2014 mit seiner Gattin versöhnt zu haben und mit seiner Familie zusammenleben zu wollen. In Afghanistan habe er ein gutes Leben gehabt, allerdings sei ihm unterstellt worden Kommunist zu sein, weshalb er bedroht worden sei.

1.4. Die belangte Behörde hat die Gattin des Beschwerdeführers am 07.07.2017 abermals als Zeugin einvernommen. Zur Ehe mit dem Beschwerdeführer hat sie angegeben, dass sie in Russland große Probleme gehabt hätten, weshalb sie nach Österreich gereist sei. Nunmehr hätte sich das Paar jedoch versöhnt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über den Antrag des Beschwerdeführers wie folgt abgesprochen:

"I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 09.11.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

IV. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

3. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben.

4. Am 25.05.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und die rechtsfreundliche Vertretung teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete im Rahmen der Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zur aktuellen Situation in Afghanistan zur Kenntnis gebracht.

Eingangs wurden der bisherige Verfahrensgang und der Akteninhalt erläutert und zur Akteneinsicht angeboten.

Im Rahmen der Befragung hat der Beschwerdeführer zunächst die bisherigen Angaben zu seiner Person bestätigt und bekräftigt, in den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben. In der Folge wurden die Fluchtgründe (unterstellte Mitgliedschaft bei der kommunistischen Partei) sowie Lebensumstände des Beschwerdeführers in Afghanistan und in Österreich eingehend erörtert.

Die Gattin des Beschwerdeführers wurde als Zeugin einvernommen und hat ihren Wunsch bekräftigt, mit dem Beschwerdeführer zusammenleben zu wollen.

5. Mit Schreiben vom 27.07.2018 hat die Gattin des Beschwerdeführers im Wege ihrer bevollmächtigten Vertretung ein ergänzendes Vorbringen erstattet. Sie distanziere sich vom Inhalt ihrer Zeugenaussage, nach der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht hab sie erfahren, dass sie von ihrem Gatten weiterhin belogen und betrogen werde.

5.1. Dem Beschwerdeführer wurde dieses Schreiben zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

5.2. Mit Schreiben vom 20.08.2018 hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass er entgegen den Angaben seiner Gattin nicht vorhabe in Russland zu leben, sondern in Österreich leben wolle. Er bedaure, dass seine Gattin nicht damit einverstanden sei, dass er mit seinem in Russland lebenden Sohn, welcher aus einer anderen Beziehung stamme, Kontakt halte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist am XXXX geboren und Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Tadschicken an, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft des Islam und stammt aus Provinz Parwan, Stadt Tscharikar, seine Muttersprache ist Dari.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person im Asylverfahren.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich im Entscheidungszeitpunkt strafrechtlich unbescholten.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit seiner Gattin hat bereits vor deren Einreise nach Österreich bestanden.

Der Gattin des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX, der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

2. Beweiswürdigung:

Soweit die Feststellungen nicht bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen wurden, beruhen diese auf den insofern unbedenklichen Angaben des Beschwerdeführers, die in diesen Belangen über das gesamte Verfahren hindurch gleichbleibend und widerspruchsfrei gewesen sind, sowie auf seiner Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari und der Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Afghanistans.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen betreffend die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Familienangehöriger gründen sich auf sein diesbezügliches Vorbringen, welches im Einklang mit den Angaben seiner Gattin steht. Anhaltspunkte, dass die Ehe nicht bereits vor der Einreise nach Österreich bestanden hätte, liegen nicht vor.

Betreffend die Flüchtlingseigenschaft der Gattin des Beschwerdeführers wurde Einsicht in den entsprechenden Akt der belangten Behörde genommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den im gegenständlichen Verfahren maßgebenden Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Laut § 1 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBL I 144/20134 beinhaltet dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu A) Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 34 Abs. 1 AsylG gilt der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 AsylG auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Familienangehöriger u.a. wer Ehegatte eines Fremden ist, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat.

Da der Gattin des Beschwerdeführers die Flüchtlingseigenschaft zukommt und die Ehe bereits vor der Einreise bestanden hat, war dieser Status gemäß § 34 AsylG auch dem Beschwerdeführer zuzuerkennen, zumal sich keine Hinweise darauf ergeben haben, dass einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegen würde.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer von Gesetzes wegen die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2168103.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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