Index
20/02 Familienrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der 1970 geborenen RF in W, vertreten durch Mag.Dr. O, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Mai 1997, Zl. 307.997/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 9. Oktober 1996, bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz eingelangt am 28. Oktober 1996, die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck den der Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehegatten an. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Jänner 1997 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Begründet wurde dies damit, dass der österreichische Ehegatte der Beschwerdeführerin am 2. September 1996 niederschriftlich angegeben habe, dass die Ehe mit der Antragstellerin ausschließlich dem Zweck der Erlangung einer Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligung gedient habe. Die Beschwerdeführerin habe durch dieses Verhalten gezeigt, dass sie bereit sei, eine Scheinehe einzugehen, um fremdenrechtliche Vorschriften zu umgehen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie vorbrachte, dass die Vermutung der Behörde, sie hätte eine Scheinehe eingegangen, unrichtig sei. Sie sei Anfang des Jahres 1995 als Touristin nach Österreich gefahren und habe anlässlich dieses Aufenthaltes ihren nunmehrigen Ehegatten kennen gelernt, mit dem sich rasch eine sehr innige Beziehung entwickelt habe. Sie hätten sich damals beide in einer eher tristen Lebenssituation befunden, da ihr nunmehriger Ehegatte damals sehr darunter gelitten habe, dass er keine Beschäftigung gefunden und sie selbst aufgrund der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage in ihrer Heimat nur wenig Zuversicht hinsichtlich ihrer Zukunft gehabt habe. Erst durch das Zusammensein und die gemeinsamen Schwierigkeiten hätten sie beide wieder Mut geschöpft und daran gedacht, gemeinsam in Österreich zu leben. Aus diesem Grund hätten sie den Entschluss gefasst zu heiraten, eine gemeinsame Wohnung zu mieten und gemeinsam einen beruflichen Neuanfang zu versuchen. Nach der Heirat hätte die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte einen gemeinsamen Wohnsitz im 13. Wiener Gemeindebezirk gegründet und habe sie sich daraufhin bemüht, eine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Die ersten Monate der Ehe seien überaus harmonisch verlaufen und sie hätten beide das Gefühl, dass es mit ihrem Leben aufgrund ihrer Partnerschaft aufwärts gegangen sei. Ihr Ehegatte habe in der Folge auch mehrmals die Möglichkeit erhalten, beruflich wieder Fuß zu fassen, woraus sich aber kein fixes Dienstverhältnis entwickelt habe. Sie selbst habe aber eine Beschäftigung als Küchenhilfe gefunden. Ihr Mann sei während der ganzen Zeit arbeitslos gewesen und habe nur über ein äußerst geringes Einkommen aus der Notstandshilfe verfügt. Deshalb und aufgrund seiner eigenen beruflichen Misserfolge sei ihr Mann nach etwa einem halben Jahr immer launischer und aggressiver geworden, sodass das Zusammenleben mit ihm immer schwieriger geworden sei. Im September 1996 sei die Situation schließlich eskaliert, sie hätten sich im Streit getrennt und seither nicht mehr gesehen. Sie könne diese Aussage ihres Ehegatten vom 2. September 1996 nur so deuten, dass dieser ihr schaden wollte, weil die Beziehung im September 1996 bereits sehr schlecht gewesen sei. Der Verdacht der Behörde, sie habe eine Scheinehe zur Erlangung fremdenrechtlicher Bewilligungen geschlossen, sei völlig unbegründet. Die Heirat habe ausschließlich auf gegenseitiger Zuneigung und dem Wunsch beruht, gemeinsam in Österreich zu leben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Mai 1997 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen gab die belangte Behörde (Teile der) Niederschrift des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom 2. September 1996 wieder, wonach die Ehe mit dieser nur eingegangen worden sei, um ihr die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung zu vereinfachen. Das erstmalige Kennenlernen sei ca. zwei Wochen vor der Eheschließung in einem Innenstadtlokal erfolgt und sei es lediglich nur zu ein oder zwei Treffen vor der Heirat gekommen. Ein gemeinsamer Haushalt sei nie begründet worden und habe auch ein intimer Kontakt niemals stattgefunden. Bezüglich der gemeinsamen Anschrift handle es sich nur um eine Scheinmeldung. Zur Eheschließung sei es gekommen, weil der Ehegatte der Beschwerdeführerin dieser einen "Gefallen" erweisen wollte. Tatsächliche Eheabsichten hätten seinerseits nie bestanden.
Der Oberste Gerichtshof gehe in seiner Judikatur davon aus, dass auch die ausschließlich oder überwiegende Absicht durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne nach der Erfüllung der Voraussetzungen für die österreichische Staatsbürgerschaft zu streben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gefährde die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Aufgrund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung sei der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abzulehnen und diese somit vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen. Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, dass nur das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin zu Österreich bestehe. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten im Rahmen des Art. 8 MRK sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung oder einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Die belangte Behörde wertete den Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden. Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenzen ist allerdings die eindeutige und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601).
Nach dem gemäß § 67 AVG von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 98/19/0027).
In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde in Bezug auf das Vorliegen einer Scheinehe ausschließlich von dem Sachverhalt aus, der sich aus der Aussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin ergibt. Die belangte Behörde führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit einem Wort aus, weshalb die Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin glaubhafter seien als diejenigen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren, die im Übrigen mit keinem Wort wiedergegeben werden. Welche Überlegungen die belangte Behörde dazu veranlasst haben, den Aussagen des Ehegatten höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen, als der in der Berufung erfolgten Darstellung der Beschwerdeführerin, geht aus dem angefochtenen Bescheid somit nicht hervor und entzieht sich daher der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 97/19/0454).
Darüberhinaus ist der belangten Behörde eine Aktenwidrigkeit insofern unterlaufen, als - entgegen der diesbezüglichen Bescheidfeststellung - der Ehegatte der Beschwerdeführerin anlässlich der Befragung vom 2. September 1996 nicht angegeben hat, die Ehe nur deshalb eingegangen zu sein, um der Beschwerdeführerin "die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung zu vereinfachen." Aus dem Wortlaut der genannten Niederschrift geht vielmehr (nur) hervor, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin mit dieser die Ehe eingegangen sei, um ihr "eine Gefälligkeit zu machen."
Der angefochtene Bescheid, der, neben der aufgezeigten Aktenwidrigkeit, jegliche Beweiswürdigung und Auseinandersetzung mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vermissen lässt, entspricht folglich nicht den obgenannten Erfordernissen einer Bescheidbegründung. Da - wie auch das Beschwerdevorbringen zeigt - nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist und Stempelgebührenersatz nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß (Eingabengebühr für zwei Ausfertigungen der Beschwerde,
Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen ist.
Wien, am 3. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997191306.X00Im RIS seit
02.05.2001